Farberinnerungen

Page 1



Auf die Frage nach einer spezifischen Farberinnerung, einem einprägsamen Farberlebnis, haben die Studierenden folgende Antworten gegeben.



– Grünlich giftige zarte Fäden, die sich wie dampfender Tee im tiefblauen Himmel ausbreiten.



– Kindergarten: Jemand feiert Geburtstag und ich esse erd­beerrote Gummischnüre.



– Als ich in der 5. Klasse zum ersten Mal einen Textmarker benutzt habe, ist mir das leuchtende, grelle Gelb den rest­­lichen Tag nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Mir ist bewusst geworden, wie intensiv Farben sein können.



– Ich erinnere mich gerne an den knallig-senfgelben 80er-Jahre-Pullover meiner Mutter.



– Mein Vater war beim Wiederaufbau unserer Hausruine sehr fixiert auf die türkisen Fenster. Alles musste im rich­ti­gen Türkis gekauft werden, um zu den Fenstern zu passen (mittlerweile ein Familiensport). Bei einer Wegbeschreibung sagen wir immer: Wenn du inmitten der Wiese ein Haus mit türkisen Fenstern siehst, dann bist du richtig!



– Zuhause gab es im Wohnzimmer einen großen flachen langen ovalen Tisch aus grünem Mamor, der unter einer durchsichtigen Glasur lag, was das Grün endlos tief ers­chei­ nen ließ, das mehr als nur grün war. Von Adern durch­zogen schien es unter der Oberfläche zu leben, ein ähnliches Grün wie die 60 Jahre alte Tanne vorm Haus, die an windigen Tagen von der einen auf die andere Seite schwankte, so groß und gewaltig, so füllig und tiefgrün, dass es für einen ganzen Wald gereicht hätte. So tiefgrün und unergründlich war der Mamortisch aus meiner Kindheit.



– Altes, komplett gelbes Liliput-Dreirad aus DDR-Zeiten.



– Rotwein auf beigem Leinensofa, retuschiert mit WeiĂ&#x;wein.



– Auf einer Montessori Schule ist es üblich, im Unterricht statt am Tisch auf dem Teppich zu ar­beiten oder anstatt mit Zetteln und Stiften mit Materialien zu lernen. An eines dieser Materialien kann ich mich wegen seiner stechenden Farbe besonders gut erinnern. Ich könnte schwören, dass ich bis heute noch genau diesen Farbton aus dem Kopf an­ mischen könnte. Ich spreche hier von blauen geometrischen Körpern, die wir für den Geometrie-Unterricht verwendet haben. Die Farbe ist vergleichbar mit dem Farbton von blau­en Mülltüten. Die dreidimensionalen Figuren standen immer oben links auf dem Regal, unmittelbar neben der Tür, so dass ich beim Betreten und Verlassen des Raumes immer an ihnen vorbeiging und mir dieses Blau nicht mehr aus dem Kopf gehen konnte.



– Ein Grün wie eine Höhle!



– Mein Vater lieĂ&#x; mir als kleines Mädchen die Haare ganz kurz schneiden. Ich erinnere mich, dass ich ein pastellgelbes Kleid trug.



– Früher hatte mein Vater eine (Sonnen)brille, die ihre Tönung je nach Umgebung ver­ändert hat. Drinnen am Schreibtisch war die Brille eine normale Lesebrille, ging man jedoch nach draußen, wurde das Glas langsam dunkler und die Brille wurde zur Sonnenbrille. Ich habe die Brille immer gern aufgesetzt und bin in die Sonne gegangen, habe ge­sehen wie sich die Farben veränderten und das Licht bunt wurde.



– Mein Lieblingsbuch ist »Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär« von Walter Moers. Der Blaubär gehört zu der Gattung der Buntbären. Jeder Bär hat eine andere, ein­malige Fellfarbe, wie beispielsweise das Blaubärblau des Protagonisten.



– Ich erinnere mich an meine malachitgrünen und ver­löcherten Schuhe, die ich in Madrid gelassen habe.



– Weinrot, die Farbe meiner Kindheit. Mein Vater fuhr einen weinroten Chrysler le Baron, ein Cabrio. Mit diesem Auto sind wir überall hingefahren, zum Strand, nach Berlin zu Freunden. Mein Vater brachte mich irgendwo hin und holte mich sofort ab, wenn es Stress in der Schule gab oder ich mich allein fühlte. Es war sein Auto und seine Farbe, dies spiegelte sich auch in seiner Klamottenwahl wieder. Egal wo ich saß und diese Farbe vorbeihuschen sah, wusste ich, dass es mein Vater war, weil nur sein Auto diese Farbe hatte. Es war einzigartig, genau so wie er. Es gab mir Sicherheit. Ich hatte Spaß beim Fahren, wenn wir mit offenem Dach fuhren und ich mit meinen Armen versuchte den Wind zu fangen, mein Vater dabei lachte und mir die Welt erklärte. Als ich älter wurde konnte mein Vater aus gesundheitlichen Gründen das weinrote Auto nicht mehr fahren und musste es verkaufen. Ich sah nie wieder dieses Weinrot und begriff, meine Kindheit war vorbei.



– Im Garten meiner Oma in Kroatien stand ein riesiger Feigenbaum, von dem wir sechs Wochen lang in den Sommerferien frische Feigen essen konnten. Die dunkel­ violetten waren immer die besten!



– Senffarbe, mein Knie ist mit Hundedreck beschmutzt!



– Eine rot-gelb-blaue Kinderschubkarre, die ich bei meinen GroĂ&#x;eltern hatte und auf jeden Spaziergang mitgenommen habe.



– Meine Eltern hatten an einem meiner Kindergeburtstage eine spektakuläre Schatz­suche vorbereitet. Der Schatz bestand aus einer Reihe verschiedenfarbiger Edelstein­ketten und die unterschiedlichen, intensiven Farben der Steine zogen mich in ihren Bann. Ganz besonders der Malachit, mit seinen verschiedenen Grünschlieren. So viele wunderschöne Grüntöne!



– Farben sind eine Reihe von Zahlen auf dem Chromatogramm, aber im Leben sind sie verschiedene Erfahrungen und Emotionen.



– Farblich passende Schuhauswahl!



– Bei einem Nachtspaziergang mit dem Hund meiner Mutter durch ein Dorf in Brandenburg sah ich ein Auto unter einer Laterne stehen. Das war der aufgemotzte Trabant des Dorfproleten. Im Schein der Laterne funkelte der Lack zauberhaft. Es war ein Mitternachtsviolett.



– Mein Mathehefter in der Schule hatte immer einen ganz bestimmten Blauton, welchen ich abgrundtief verabscheute. Jedes Mal, wenn ich diesen Blauton sah, bekam ich negative Gefßhle. Noch immer versuche ich diese Farbe zu meiden.



– An einem sonnigen Tag durch eine orange Plastikrutsche rutschen, die dadurch extrem orange geleuchtet hat.



– Als Kind war ich oft bei meinen Großeltern. Der Garten am Haus war sehr groß und es gab viele Bäume. Ich liebte es mich hinzulegen und das Licht zwischen den Bäumen zu sehen. Die Blätter im Licht waren hellgrün und die Blätter im Schatten waren dunkel­blaugrün. Es war mir eine Freude, zu sehen wie die Blätter aufeinanderschlugen und das Grün sich ständig änderte.



– Leuchtendes Gelborange, das erste Mal mit selbst geerntetem Safran gekocht.



– Die bordeauxrote Farbe des Lippenstifts meiner Mutter, mit der sie sich jeden Morgen die Lippen bemalt.



– Zu meiner Hochzeit trug ich eine Fliege, welche meine Frau als aprikosenfarben bezeichnete. Diese passte zu ihrem Kleid, welches ich eher als coral mit einer Idee Lachs beschreiben wßrde. Die Farben unserer Hochzeit.



– Wenn ich eine Mandarine sehe – dieses Orange –, weiß ich, wie sie duftet!



– Da wir alle drei noch nicht lesen konnten, hat meine Mutter uns Kindern Farben zu­geordnet, um beispielsweise Geschenke zu markieren, ohne den Namen darauf zu schreiben. Ich hatte ein warmes Sonnengelb, das ich mir bis heute immer noch zuordne.



– Verschiedenes Matcha-Eis!



– Meine Mama setzt sich nur gerne an den Abendbrottisch, wenn etwas Grßnes darauf steht.



– Kräftiges Wassertürkis /-petrol, Eisbärbecken in Rostock!



– Als ich ein Kind war, kaufte mir mein Opa Zuckerwatte. Es gab Weiß, Rosa, Hellblau. Ich sah andere Kinder mit rot verschmierten Mündern und habe mich erschrocken. Als ich wieder andere mit blauen Spuren sah, konnte ich mir die Sache erklären. Mit Bedacht aß ich meine rosa Zuckerwatte (die mir, im Vergleich zur undefinierbar schmeckenden blauen, fruchtig vorkam). Je mehr Spucke an den Fingern hing, desto kräftiger wurde das Rot.



– Das smaragdgrün schimmernde Schwarz eines Mistkäfers im Grunewald während eines Kindergartenausflugs.



– Irischgrün, so wie der Porsche 911 Targa aus dem Jahr 1970.



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.