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Stefanie Hiekmann – ein Interview
Die Foodjournalistin und Buchautorin Stefanie Hiekmann ist sehr gefragt.
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PMit ihren 28 Jahren verfügt sie bereits über zwölf Jahre Berufserfahrung, veröffentlichte bislang neun Kochbücher und sitzt als Expertin für Essen und Trinken in der Jury der Fernsehsendung „Stadt, Land, Lecker“. Mittlerweile geht sie in den Küchen zahlreicher Sterne- und Spitzenköche ein und aus. Immer auf der Suche nach spannenden Tipps und Kniffen, die das Kochen zu Hause raffinierter machen. Wir sprachen mit ihr über die Herausforderungen der Osnabrücker Spitzengastronomie nach Schließung des 3-Sterne-Hauses la vie und über die Kunst, Kochbücher „anzurichten“.
INTERVIEW N. KUSCHKOWITZ | FOTO JACOB MASON
STADTBLATT: Dein Buch „Aufgedeckt – Die Geheimnisse der Spitzenküche“ hat auf der Frankfurter Buchmesse die Silbermedaille der Gastronomischen Akademie Deutschlands erhalten. Was bedeutet Dir dieser Preis?
STEFANIE HIEKMANN: Das ist eine schöne Bestätigung der Linie, die ich eingeschlagen habe. Viele meiner Kochbücher verfolgen die Frage, was Hobbyköche von Spitzenköchen lernen können. Natürlich ersetzt das keine Kochausbildung. Aber es sind viele kleine und spannende Tipps und Kniffe, die die Küche zu Hause schon deutlich raffinierter und ausgefeilter werden lassen.
STADTBLATT: Also sind Hobbyköche Deine Zielgruppe?
STEFANIE HIEKMANN: Ja, ich möchte Hobbyköche ansprechen, die über den Tellerrand hinausschauen möchten. Es geht darum, Gewohntes neu zu interpretieren oder bewusst anders zu machen: Wie bringe ich Abwechslung in die Küche? Ich mache bei meinen Besuchen in den Spitzenküchen immer wieder die Erfahrung, dass es mich wahnsinnig inspiriert, den Spitzenköchen über die Schulter zu schauen. Und genau das möchte ich weiter - geben.
STADTBLATT: Großer Bestandteil all Deiner Ausdrucksformen – von den Büchern über die Webseite bis zum Blog „schmecktwohl“ und dem gleichnamigen Instagram-Account – sind von Dir geschossene, hochwertige Fotos. Wie viel stimmt an der Weisheit des mitessenden Auges?
STEFANIE HIEKMANN: Das kann man sehr gut selbst ausprobieren, indem man sich einfach mal einen schönen Teller kauft, eventuell sogar selbst töpfert, und dann darauf das Essen schön anrichtet. Automatisch wird das Essen dadurch wertiger und – zumindest gefühlt – schmackhafter.
STADTBLATT: Mittlerweile fotografiert jeder seinen Teller, bevor gegessen wird. Nervt Dich das?
STEFANIE HIEKMANN: Gar nicht, ich mache das ja selbst (lacht). Grundsätzlich ist es doch eine schöne Entwicklung, die zeigt, dass Menschen sich für ihr Essen interessieren und es wertschätzen. Solange es nicht so weit geht, dass es andere am Tisch nervt, ist es aus meiner Perspektive eine begrüßenswerte Sache – gerade im Hinblick für mehr Wertschätzung für Essen.
STADTBLATT: Auf Deiner Webseite steht, dass Du Dich neben den Themen Essen, Trinken und Gastronomie auch mit Ernährung auseinandersetzt. Veganer und Vegetarier liegen im Trend, oder?
STEFANIE HIEKMANN: Insbesondere die vegetarische Ernährung würde ich nicht mehr als Trend bezeichnen. Sie ist Teil unserer Esskultur geworden. Für einige Menschen, die sich komplett vegetarisch ernähren, ist sie ein fester Leitfaden. Andere orientieren sich vielleicht nur grob daran und essen viele Tage der Woche vegetarisch, nehmen aber zwischendurch auch sorgfältig ausgewähltes Fleisch oder Fisch zu sich. Wer sich im Restaurant ein vegetarisches Menü bestellt, muss kein Vegetarier sein. Ganz im Gegenteil: Viele Spitzenköche berichten, dass sich gerade auch Fleischesser für vegetarische Gänge interessieren. Der Fokus auf Gemüse hat sich durchgesetzt und etabliert.
STADTBLATT: Deine Masterarbeit hast Du über die Bürogestaltung und die damit zusammenhängenden Kommunikationsstrukturen in einem Osnabrücker Logistikunternehmen geschrieben. Du bist also Expertin, was Arbeitsstrukturen angeht. Hast du Tipps, wie man die Abläufe in der Küche vielleicht noch attraktiver gestalten könnte?
STEFANIE HIEKMANN: In meiner Masterarbeit habe ich die Frage gestellt, warum es sinnvoll sein kann, offene Strukturen zu pflegen. Ich habe untersucht, wie sich offene Raum-, Arbeits- und Lernstrukturen auf die Kommunikation im Unternehmen auswirken. In Küchen wird genau das gelebt: Jeder Koch hat seinen Posten, den er langfristig bearbeitet, aber alle Spitzenköche haben in ihrer Laufbahn von der Vorspeise über den Hauptgang bis zum Dessert bereits auf jedem Posten gearbeitet. Sie wissen also, wie andere „Abteilungen“ funktionieren. Dieses Wissen ist für das Ineinandergreifen der einzelnen Arbeitsprozesse enorm wichtig.
STADTBLATT: Seit einem halben Jahr kann man Dich regelmäßig im Fernsehen sehen – als Jurorin in einer Kochsendung. Welche Deiner zahlreichen Tätigkeiten macht eigentlich am meisten Spaß?
STEFANIE HIEKMANN: Es ist der Mix, der toll ist. „Stadt, Land, Lecker“ ist ein sehr schönes Format, das die Themen Kochen und Reisen verbindet. Dass ich hier als Expertin Teil der Jury sein darf, hängt wiederum mit meinen Büchern zusammen. Und natürlich auch mit den Referenzen bei verschiedenen regionalen und überregionalen Zeitungen, wie zum Beispiel bei der Welt am Sonntag, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung oder auch beim Feinschmecker. Der Mix ist das, was so viel Spaß macht – so bleibt es immer abwechslungsreich und spannend.
STADTBLATT: Du hast vorhin Thomas Bühner erwähnt. Als hochdekorierter Sterne-Koch lockte er bis vor kurzem internationale Gäste nach Osnabrück. Jetzt ist das la vie geschlossen worden. Was bedeutet das für die Stadt und Region?
STEFANIE HIEKMANN: Das Restaurant hatte einen Leuchtturmcharakter. In der Gastronomieszene ist die Stadt jedem ein Begriff, weil Thomas Bühner hier gekocht hat. Die Gäste sind teilweise aus Brasilien oder Asien angereist, um im la vie zu essen. Viele Osnabrücker haben das nie so wahrgenommen, aber das la vie war als Drei-Sterne- Restaurant in vielerlei Hinsicht enorm wichtig für die Stadt. Sowohl aus touristischer Sicht als auch aus kultureller. Als nichts anderes würde ich ein Drei-Sterne-Restaurant nämlich bezeichnen: Es ist eben nicht nur ein gastronomisches, sondern auch ein kulturelles Angebot vor Ort. Natürlich fällt da jetzt viel weg. Und etwas Vergleichbares wird wohl auch nicht wiederkommen – was nicht zuletzt auch mit den schwierigen Finanzierungsmöglichkeiten dieser Art der Spitzenküche zusammenhängt.
STADTBLATT: Wie schätzt Du Osnabrück denn sonst gastronomisch ein?
STEFANIE HIEKMANN: Osnabrück muss sich nicht verstecken. Man kann hier sehr gut essen. Und es tut sich ja auch jede Menge! Im Bereich der Lotter Straße ist mit den Friedrich-Läden und dem Kleinkost und all den lang eingesessenen Läden ein tolles Angebot entstanden. Außerdem ist das IKO in Lüstringen aus meiner Sicht ein großer kulinarischer Gewinn für die Stadt. Diese Art der hochwertigen und doch modernen und entspannten Küche hat Osnabrück wirklich gefehlt. Gespannt bin ich auch auf das Kesselhaus an der Neulandstraße. In der Küche stehen Randy de Jong und Jeffrey Thomer, die zuvor drei Jahre im la vie ge - arbeitet haben und der Stadt nun treu bleiben. Dass im Haus Tenge in der Krahnstraße schon im Frühjahr 2019 ein ganz neues Restaurantkonzept unter der Leitung des ehemaligen la vie-Küchenchefs Timo Fitsche einziehen wird, finde ich auch großartig. Es ist wirklich spannend, was sich hier gerade tut – und da können wir uns als Osna - brücker wirklich glücklich schätzen. So viel ist nicht überall los ...