Gartenland in Kinderhand

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An den Klapperstorch glauben unsere Kids so wenig wie an den Weihnachtsmann. Aber an die Lila Kuh, an die glauben sie. Und sie denken auch, dass Äpfel im 6er-Pack fix und fertig auf die Welt kommen. Viele Kinder kennen kaum noch den Geschmack von Pfirsichen direkt vom Baum und haben auch noch nie selbst eine Kartoffel aus der Erde gegraben oder eine Tomate vom Strauch gepflückt. Warum nur? Weil die Welt der Lebensmittel ver-rückt ist. Dieses Kinder-Garten-Koch-Buch stellt Leuchtturmprojekte des Wettbewerbs „Gartenland in Kinderhand“ der Baden-Württemberg Stiftung vor und gibt Tipps zur Anlage und Pflege von Nutzgärten in Kindergärten. Gemeinsam mit Eckart Witzigmann wünschen sich Spitzenköche des Genießerlandes Baden-Württemberg, dass Eltern mit ihren Kindern wieder die Ess-Kultur pflegen. Sie zeigen in ihren Rezepten, wie mit Produkten aus dem eigenen Garten eine gute, gesunde und gemeinsam genossene Ernährung in den Familien, Kindergärten und Schulen gelingen kann. Das Buch will Lust machen, Gartenland in Kinderhand zu geben, damit unsere Kinder wieder das Wunder der Natur erfahren dürfen.

Gartenland in Kinderhand – Das Kinder-Garten-Koch-Buch

Eckart Witzigmann

Eckart Witzigmann

Mit Geleitworten von Charles Prince of Wales und Carlo Petrini

Gartenland in Kinderhand Das Kinder-Garten-Koch-Buch


In Partnerschaft mit


Gartenland in Kinderhand



Eckart Witzigmann (Hrsg.)

Gartenland in Kinderhand Das Kinder-Garten-Koch-Buch

Mit Beiträgen von Charles Prince of Wales, Carlo Petrini, Christoph Dahl und Birgit Pfitzenmaier, Peter Schneider, Roman Lenz und Werner Rolf, Claus-Peter Hutter, Otto Geisel, Waltraud UlshÜfer Texte: Nicolas Hosseinpour, Andreas Krohberger, Stefan Scheytt Fotos: Rainer Kwiotek


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Inhalt

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Christoph Dahl und Birgit Pfitzenmaier * Gartenland in Kinderhand: Ein Garten für die Kita

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Peter Schneider * Nichts liegt näher

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Eckart Witzigmann * Der Geschmack meiner Kindheit

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Charles Prince of Wales * Kinder erfahren die Freude des Gärtnerns

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Carlo Petrini * Der Schulgarten ist das beste Bildungsmodell

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Alice Waters * Eine Idee geht um die Welt: Essbare Schulgärten

Gartenland in Kinderhand *** Leuchtturmprojekte 24

Grundschule Dürbheim * Selbst im alten Schulranzen werden Kräuter gepflanzt

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Kindertagesstätte Rappelkiste, Freiburg * Erdbeeren wachsen nicht auf Bäumen

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Kindergärten Maria Goretti und St. Martin, Furtwangen * Die Natur mit allen Sinnen erleben

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Kindergarten St. Martin, Singen * Wo Rat und Tat das Gelingen möglich machen

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Kindertagesstätte der Hochschule der Polizei, Villingen-Schwenningen * In Spiel und Sport die Natur erfahren

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Schülerhort Möglingshöhe, Villingen-Schwenningen * Auch Schnecken haben ein Recht zu leben

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Evangelischer Kindergarten Hegenest, Tuningen * Die Pflanzendetektive sind der Natur auf der Spur

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Scherer Kinder- und Familienzentrum, Baden-Baden * Dem Lohn der Mühe folgen das Kochen und das Essen

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Katholischer Kindergarten, Elchesheim-Illingen * Kleine Gärtner gestalten ihren eigenen Garten

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Evangelische Kindertagesstätte, Mosbach * Der Garten weckt gar die Leidenschaft fürs Gemüse

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Kleinkindergruppe Regenbogen, Ahorn * Wo die Kinderhände und das Gartenland noch ganz klein sind

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Kita Sonnenschein, Gingen/Fils * Den Sauerampfer fressen nicht nur die Kühe gern

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Martin-Luther-Kindergarten, Kernen * Kinderaugen leuchten bei der Ernte der eigenen Tomaten

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Tageseinrichtung Nobileweg 18, Stuttgart * Die Natur ist und bleibt das schönste Kinderzimmer


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Mustergarten beim Regionalmarkt Hohenlohe, Wolpertshausen * Im Grünen Klassenzimmer mit der Natur leben und die Heimat erleben

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Katholischer Kindergarten St. Franziskus, Reutlingen * Wo die „Bamberger Hörnchen“ eine neue Heimat fanden

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Katholischer Kindergarten, Winterlingen-Harthausen * Die Arbeit im Garten: Keine Last, nur Leidenschaft

Gartenland in Kinderhand *** Wissenschaft und Praxis 96

Prof. Roman Lenz und Werner Rolf * Was braucht ein Gartenland in Kinderhand?

107 Claus-Peter Hutter * Die Natur zum Freund machen Gartenland in Kinderhand *** „Guten Appetit – alle essen mit!“ 112 Otto Geisel * Was der Bauer nicht kennt … 116 Claus-Peter Lumpp * Gartenkräutersüppchen mit Kartoffel-Flan 120 Vincent Klink * Pumpkin Soup 124 Andreas Krolik * Kartoffel-Karotten-Suppe mit Scheiben vom badischen Schäufele 128 Sebastian Prüßmann * Gazpacho mit Erdbeeren

132 Eckart Witzigmann * Kohlrabi-Flan 136 Hubert Retzbach * Kartoffelravioli mit Blattspinat 140 Jörg Sackmann * Tomaten-Flammkuchen 144 Anibal Strubinger * Gemüsespieße 148 Markus Polinski * Fleischküchle mit hausgemachten Pommes frites 152 Olaf Pruckner * Topfenknödel mit Erdbeeren in Aceto balsamico und Bananensorbet 156 Ralph Knebel * Apfelpfannkuchen „Erbprinz“ 160 Alfred Klink * Obstkuchen aus Krümelteig und frischen Gartenfrüchten 164 Dieter Müller * Gebrannte Mascarpone-Crème auf Beerenkompott 168 Karl Ederer * Süß confierte Tomaten mit Vanilleeis 172 Boris Benecke * Apfeltarte mit Zimteis 176 Harald Wohlfahrt * Muskatkürbis und Butternut-Schaum mit Haselnuss 180 Waltraud Ulshöfer * Gartenkinder – mit Boden unter den kleinen Füßen

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Gartenland in Kinderhand: Ein Garten für die Kita Vorwort

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Von Christoph Dahl und Birgit Pfitzenmaier, Stiftung Kinderland Baden-Württemberg

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Die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg, eine Unterstiftung der Baden-Württemberg Stiftung, setzt Impulse für ein kinder- und familienfreundliches Klima im Land. Die Stiftung will Ideenwerkstatt für Modellprojekte und Chancengeber sein. Ihr Aufgabenspektrum reicht von Programmen zur Förderung der frühkindlichen Entwicklung über Talentförderung mit der Kulturakademie, Anerkennung für ehrenamtliches Engagement mit dem Schülerpreis Baden-Württemberg bis hin zu Ideen für eine gesamtgesellschaftliche Weiterentwicklung. Ziel der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg ist es, mit Kindern und Familien Werte und Zukunftsperspektiven neu zu entdecken. Kinder lieben es, die Welt zu entdecken. Das Programm „Gartenland in Kinderhand – Ein Garten für die Kita“ bietet deshalb Kindertageseinrichtungen die Möglichkeit, gemeinsam mit den Kindern, aber auch den Eltern, einen eigenen Kräuter-, Blumen- und Gemüsegarten anzulegen und zu pflegen. Die eigenen Gartenbeete vermitteln den Kindern den direkten Kontakt zur Natur, wodurch ihnen spielerisch wertvolles Wissen über biologische Vorgänge, heimische Nutz- und Wildpflanzen und auch über gesunde Ernährung vermittelt wird. Kinder wachsen heute in einer Welt auf, in der sie Lebensmittel häufig nur noch als portionsgerecht verpackte Einheiten in Supermarktregalen kennen lernen. Wo Lebensmittel wachsen und wie sie verarbeitet werden, bevor sie in die heimische Küche gelangen, erfahren viele Kinder erst in der Schule. Viele Kindergartenkinder haben noch nie ein Radieschen oder eine Sonnenblume gepflanzt, hatten noch nie die Gelegenheit, eine Tomate direkt vom Strauch zu pflücken und zu essen. Die Entfremdung von unseren Nutzpflanzen ist inzwischen so weit fortgeschritten,

dass auch viele Erwachsene nicht mehr wissen, wie Salat blüht. Mit dem Wissen über die Artenvielfalt verschwindet auch das Verständnis für unsere Landschaft, die untrennbar mit der Produktion von Lebensmitteln verbunden ist. KIndergärten schaffen ihr eigenes Kinderland

Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg im Herbst 2009 das Programm „Gartenland in Kinderhand – Ein Garten für die Kita“ ins Leben gerufen. Gesund Essen macht Spaß und bringt Genuss! Dies mit allen Sinnen zu erfahren und dabei auch Kompetenzen im Umgang mit Lebensmitteln zu entwickeln, ist das Ziel des Programms, das sich an Tageseinrichtungen für Kinder richtet. Ein Kinderland schaffen – das gelingt ganz wunderbar mit einem Stück Gartenland, das gemeinsam mit den Kindern gestaltet, bepflanzt und gepflegt wird. Dazu hat die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg insgesamt 500.000 Euro zur Verfügung gestellt, um Kindertageseinrichtungen eine Anschubfinanzierung von jeweils 1.000 Euro für kleine Kräuter-, Blumen- und Gemüsegärten gewähren zu können. So konnten sich die Kindergärten ihr eigenes Kinderland schaffen! Das vorliegende Buch zeigt, was seit dem Start des Programms erreicht wurde. Es gibt Tipps zur Anlage von Gartenbeeten bei Kindertageseinrichtungen, bietet Rezepte von Spitzenköchen des Genießerlandes Baden-Württemberg für eine ebenso schmackhafte wie gesunde Ernährung und will Appetit darauf machen, das Gartenland in Kinderhand zu geben.



Der Geschmack meiner Kindheit Eine Bitte an die Eltern: Esskultur pflegen

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Von Eckart Witzigmann

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Der Geschmack der Kindheit ist es, den wir nie wieder vergessen. Und der zuweilen eine lebenslange Liebe zum Essen und zum Kochen entzündet. Mein Geschmack wurde durch meine Mutter geprägt und ihre Hingabe zur gutbürgerlichen Küche. Und meine Mutter hat immer besonders gut und einfallsreich gewürzt. Gut erinnern kann ich mich daran, wie ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit einer Muskatnuss machte – sie wurde über eine Leberspätzlesuppe gerieben. Der Duft unwiderstehlich, ein unvergessliches Erlebnis. Wenn ich an den Geschmack meiner Kindheit denke, sehe ich auch einen großen Tisch, an dem ich saß, wenn wir meine Verwandten in Vorarlberg besuchten. Einfache Gerichte gab es, leckere Käsespätzle zum Beispiel. Hier wurde mein Geschmack auch durch wunderbare Düfte geprägt. Das selbst gebackene Brot roch traumhaft, und es schmeckte unvergleichlich. An den Duft und den Geschmack der Äpfel, Birnen und Pflaumen aus dem Garten denke ich heute noch gerne zurück. Es waren einfache Dinge und doch einzigartige Genüsse, weit weg von den formatierten Fertiggerichten unserer Tage. Eine Schule des Geschmacks. Der kulinarische Schrecken meiner Kindheit jedoch war Kakao aus Ziegenmilch. Ein Alptraum. Die Neugier der Kinder auf das Gute und Geschmackvolle ist für mich heute die beste Motivation. Kinder müssen früh und spielerisch an das gesunde und abwechslungsreiche Essen herangeführt werden. Es ist so wichtig, dass wir uns alle mit Leib und Seele wieder rückbesinnen auf die guten Traditionen der Ernährung, auf die Spezialitäten der Region und der Saison. Sie stehen nämlich für die wunderbar angenehmen Geschmackserinnerungen

unserer Kindheit, für die würzigen Tomaten aus dem Küchengarten, für die Koteletts, die noch nach Schwein schmecken, für das Brot, das nach Korn duftet, den Apfelsaft, der wie die Landschaft schmeckt, in der er gewachsen ist, die Wurst, die an die frische Schlachtschüssel erinnert. So erfahren wir Heimat. Geborgenheit, die aus der Kindheit kommt. Da sind in erster Linie die Eltern gefragt, die die Esskultur – darunter verstehe ich das Miteinander beim Kochen und das gemeinsame Einnehmen selbst einfachster Speisen – wieder viel mehr pflegen sollten. Das muss bereits in den Kindergärten und Schulen geschehen. Genussvolles Essen muss nicht teuer sein. Jeder kann mit wenig Geld und viel Phantasie eine gelungene, gesunde Mahlzeit zaubern. Die Mutter ganz besonders gut. Hingerissen bin ich noch immer, wenn die einfachen Gerichte meiner Kindheit auf den Tisch kommen. Da schmelze ich dahin. Es ist eben der Geschmack der Kindheit. Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass wir gemeinsam mit der Baden-Württemberg Stiftung das wunderschöne Buchprojekt, „Gartenland in Kinderhand – Das Kinder-Garten-KochBuch“, verwirklichen konnten. Das Buch stellt die Ideen und Grundlagen des Wettbewerbs „Gartenland in Kinderhand“ an Hand von 17 verschiedenen Leuchtturmprojekten – beispielhaft – in Reportagen dar und gibt Tipps und Hinweise zur Anlage von Gärten an und in Kindergärten. Dazu haben meine lieben Kollegen, Spitzenköche des Genießerlandes Baden-Württemberg, wunderbare Rezepte für eine gute, gesunde und gemeinsame Ernährung in den Familien, Kindergärten und Schulen beigesteuert. So will das Buch Lust machen, „Gartenland in Kinderhand“ zu geben.




Kinder erfahren die Freude des Gärtnerns Geleitwort

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von Charles Prince of Wales

Ich bin erfreut, der Landesstiftung Baden-Württemberg zur Veröffentlichung von „Gartenland in Kinderhand“ gratulieren zu dürfen. Dieses wundervolle Buch präsentiert die Ideen und Grundsätze, die hinter 17 verschiedenen Vorzeigeprojekten stehen. Diese Projekte belegen, wie Baden-Württemberg Kindern dabei hilft, ein Bewusstsein für Nahrungsmittel zu entwickeln. Wir sind Teil eines kostbaren und wunderbaren Kreislaufs

In einer Region wie Hohenlohe mit der größten Dichte an Biobauernhöfen in Europa ist ein solches Ansinnen von unschätzbarem Wert. Dank der sorgfältigen und harten Arbeit ortsansässiger Landwirte können Kinder nun wirklich verstehen, welchen Weg unsere Nahrung genommen hat, bis sie auf unseren Tellern landet – ein Weg, der uns daran erinnert, dass wir Teil eines kostbaren und wunderbaren Kreislaufs sind, den wir hegen und pflegen müssen. Besonders gefallen mir die in diesem Buch enthaltenen Anregungen, mit deren Hilfe Kindergartenkindern und Grundschülern aufgezeigt werden kann, wie sie ihre eigenen Biolebensmittel anpflanzen können. Denn es ist von größter Bedeutung, dass Kinder die Freude des Gärtnerns unmittelbar erfahren. Indem wir

unseren Kindern dies vermitteln, können wir sicherstellen, dass künftige Generationen nicht nur mit einem Bewusstsein davon, woher ihr Essen kommt, aufwachsen, sondern auch mit einem gewissen Verantwortungsbewusstsein. Erst muss die Natur gedeihen, bevor wir gedeihen

Als Vorsitzender von Garden Organic – einer britischen Stiftung mit dem Ziel, Menschen zum Anbau eigener Bioprodukte anzuregen – habe ich ein ums andere Mal miterlebt, dass Kinder Gefallen an der Möglichkeit finden, etwas ihr Eigen zu nennen. Oftmals lassen sie uns erwachsene Gärtner geradezu in Demut versinken. Es gibt kaum etwas Wichtigeres, das wir unseren Kindern beibringen können, als ihnen zu zeigen, woher unser Essen kommt. Hierdurch erinnern wir uns gleichzeitig selbst daran, dass wir sind, was wir essen – und daran, dass zuerst die Natur gedeihen muss, bevor wir gedeihen können. Diese 17 Projekte rufen uns diese grundlegende Erkenntnis ins Gedächtnis und ich kann nur hoffen, dass noch viele Ihrem Beispiel folgen werden. Meine aufrichtigsten und besten Wünsche Ihnen allen.

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Der Schulgarten ist das beste Bildungsmodell Geleitwort

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Carlo Petrini, Gründer und Präsident von Slow Food

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Unsere Ernährung ist der ideale Anfangspunkt für den Versuch und die Förderung eines ganzheitlichen und kreativen Bildungsmodells, welches der gegenseitigen Abhängigkeit, dem Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur und der Achtung des Gemeingutes einen hohen Wert beimisst.

Ich bin immer mehr der Überzeugung, dass wir uns für ein neues Bildungsmodell einsetzen müssen, das auf Lernen und nicht auf Lehren ausgerichtet ist, denn Bildung bedeutet gemeinsames Wachstum über Begegnung und Austausch, über gemeinsame Regeln und deren Achtung , über Kommunikation und Dialektik.

Durch Bildung verstehen wir unsere Welt und unsere Stellung in ihr, mit Bildung nehmen wir verantwortungsbewusster am Leben unseres Planeten teil. Bildung verhilft uns zu neuen Fertigkeiten und mehr Achtsamkeit. Bildung sorgt für Veränderung und bewirkt damit neues Verantwortungsbewusstsein und neue Verhaltensweisen.

Was wir durch das Tun lernen, bleibt uns erhalten

Die Schule öffnet sich der Welt

Schulgärten sind dabei das beste, das idealste und auch das bedeutendste Bildungsprojekt. Die Themen des Lehrplans werden in diesem Umfeld mit sozialem Miteinander und mit Begegnung, mit gegenseitiger Achtung und mit dem unbedingt notwendigen Umweltbewusstsein verbunden. So lernen die Kinder vor allem dadurch, dass sie die Naturelemente und die Lebewesen beobachten. Auch zu wissen, wie unsere Vorfahren die Fertigkeiten beherrscht haben, Gemüse anzubauen, zu wissen, wie die Köche gearbeitet haben, ist grundlegend, um Anbaumethoden und Parasitenschutz ebenso wie die Zubereitung von Nahrungsmitteln zu verstehen. Die Schule öffnet sich so der Welt. Das Thema Ernährung bietet Gelegenheit, über Erdkunde, Geschichte und Biologie zu sprechen; zusätzlich wird sie selbst zu einem eigenständigen Fach, in dem das Wohl unseres Planeten eng an das jedes Einzelnen geknüpft ist.

Manche Dinge lernen und erinnern wir für immer, andere verschwinden oder geraten mit der Zeit in Vergessenheit. All das, was wir durch Tun und Ausprobieren lernen, bleibt uns erhalten. Als Kinder lernen wir spielend, setzen uns dabei mit Feuereifer ein und amüsieren uns prächtig. Wir haben Rollen, Regeln, Räume und Zeiten für Spiele. Diese Regeln und Rollen festzulegen, wird zum Zweck unserer Beziehungen, in denen wir zuhören, die Achtung und die Kunst der Argumentation erlernen. Einmal gemeinsam beschlossen, sind Regeln leichter zu achten; einmal in allen Facetten verstanden und in Gesellschaft eingenommen, ist Nahrung viel besser wertzuschätzen. Slow Food fördert den Anbau und die nachhaltige Pflege von Gärten seit vielen Jahren – seit Alice Waters, Vizepräsidentin von Slow Food, bei einem Experiment in Kalifornien festgestellt hat, wie wirksam diese als Übung für die Sinne eingesetzt werden können. So nähern sich die Kinder der Welt der landwirtschaftlichen Produktion, dem Konzept der ausgeglichenen Ernährung und der spannenden Welt der Küche. Seit diesen genialen Anfängen wurden in der Vereinigung immer mehr Gärten angelegt. Dabei ist jeder Garten genau der Kultur


und den Gegebenheiten vor Ort angepasst. In Italien lernen Kinder in den Gärten neu und in direkter Erfahrung den Obst- und Gemüseanbau kennen. In Uganda lernen sie, einen kleinen Familiengarten anzulegen und zu bestellen, und bewahren dabei die Anbau- und Ernährungstraditionen ihrer Vorfahren. Im Vereinigten Königreich lernen sie, mit allen Sinnen bewusst erleben, und stellen fest, wie bedeutend diese bei der Ernährung sind. Um jeden Garten entsteht eine Lerngemeinschaft

Äußerst bedeutsam ist, dass um jeden Garten eine Lerngemeinschaft aus den unterschiedlichsten Menschen der Region entsteht. Diese kümmern sich um die Bildung der Schüler und um die Gruppe selbst, indem sie ihre Fertigkeiten und ihr Wissen zur Verfügung stellen. Ein Schulgarten bezieht Bauern, Saatgut-Paten, Köche, Vereine und örtliche Unternehmen, Großeltern und Eltern ein. Ein Schulgarten ist wahrhaftig ein Klassenzimmer unter freiem Himmel. Hier lernen die Kinder Wissenswertes über das Wachstum der Pflanzen, die Achtung der Natur und den Kreis des Lebens. Sie erfahren, was es bedeutet, etwas anzubauen und dabei die Fruchtbarkeit des Bodens und die eingesetzten Ressourcen zu beachten, ebenso wie die biologische Vielfalt. Im Schulgarten lernen sie Zusammenarbeit und gegenseitige Abhängigkeit, Zuhören und Auseinandersetzung. Sie erfassen die Komplexität der Dinge und ihre Zusammenhänge. Dabei gilt es, Prioritäten zu setzen und den Dingen, die anhalten und die Zeit überdauern

– im Gegensatz zu vergänglichen und kurzlebigen – Wert beizumessen. Die Kinder entdecken außerdem ihre Region und deren Besonderheiten, Gebräuche, Gepflogenheiten und Traditionen. Die Erfahrung beginnt im Garten

Die Erfahrung beginnt im Garten und setzt sich im Klassenzimmer, in der Region, zu Hause und bei Tisch fort, und hilft uns, gute, saubere und faire Nahrungsmittel zu erkennen, auszuwählen und nachzufragen – und das jeden Tag! Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget erklärt, dass ein fruchtbares Lernumfeld, das alle Sinne anspricht, grundlegend für die vollständige kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes ist. In diesem Sinne ist ein Garten prädestiniert für die Bildung unserer Kinder und das beste vorstellbare Bildungsmodell. Ich freue mich sehr, dass sich die Stiftung Kinderland für die so schöne und wertvolle Idee „Gartenland in Kinderhand“ begeistert hat und das Projekt im Genießerland Baden-Württemberg so erfolgreich und beispielgebend gestaltet. Gerne wünsche ich mir, dass dieser mit der Aktion gestartete Aufbruch fort- und weiterwirkt und dieses Buch dabei wertvolle Tipps und Hilfen gibt. Sicher hält es genügend Stoff zum Nachdenken bereit. So wünsche ich mir natürlich eine große Verbreitung des Buches, damit es eine wertvolle Anregung für eine weitere Umsetzung dieses Bildungsmodells von außergewöhnlicher Wirksamkeit werden möge.

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Gartenland in Kinderhand *** Leuchtturmprojekte


Selbst im alten Schulranzen werden Kräuter gepflanzt Pädagogik auch in der Pflanzenwelt des Gartens der Grundschule Dürbheim

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Ein Sonderfall im positiven Sinne, etwas Besonderes also, ist die Grundschule in Dürbheim schon seit langem, werden hier doch nicht nur die Kinder der ersten vier Klassen, sondern zugleich auch in Ganztagesbetreuung hörgeschädigte Kinder aus dem gesamten Landkreis Tuttlingen unterrichtet. Nun ist mit dem Projekt „Gartenland in Kinderhand“ noch eine weitere Besonderheit hinzugekommen. Schulleiter Jan Schneemann spricht von einer „Bildungsachse“. Diese „Achse“ verbindet den Grundschul-Garten mit dem katholischen Kindergarten – eine nicht nur symbolisch zu verstehende Verbindung, sondern eine durchaus wörtlich zu nehmende geografische. Kindergarten und Grundschule werden durch den neu angelegten Garten miteinander verbunden: Das Grundstück trennt nicht, es fügt zusammen. Der Garten ist das Bindeglied. Es war, wie sich Rektor Jan Schneemann und die mit dem Gartenland-Projekt besonders eng betraute Lehrerin Tanja Groß erinnern, schon ein Glücksfall, dass das gemeindeeigene Wohnhaus, zu dem der Garten gehört, nach Jahren frei wurde – und der Gemeinderat beschloss, den Garten dem Kindergarten und der Schule zur Verfügung zu stellen. Dabei war zu diesem Zeitpunkt der Begriff „Garten“ noch eine überaus freundliche Umschreibung. Das Grundstück war jahrelang nicht optimal bearbeitet worden. „Die Natur“, so formuliert es Jan Schneemann zurückhaltend, „hatte sich längst ihren Freiraum zurückerobert.“ Immerhin: Im Vergleich zu dem Garten, welcher der Schule zuvor für den Unterricht zur Verfügung stand, hat dieser den Vorteil, direkt gegenüber der Schule zu liegen. Es sind für Schüler, Kindergartenkinder, Erzieherinnen und Lehrer jetzt also keine zeitrau-

benden Wege mehr zurückzulegen. Und noch ein weiterer Vorteil war gegeben: Auf dem damals noch verwilderten Gartenstück stehen drei Apfelbäume und ein Zwetschgenbaum. Inzwischen ist der Garten, dieser „Bildungskorridor“ zwischen Grundschule und Kindergarten, nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem früheren Schul-Garten wurde mit Hilfe eines Krans, den ein Unternehmen hilfreich zur Verfügung stellte, das komplette Gartenhäuschen „umgesiedelt“, fünf Hochbeete wurden aufgestellt, nachdem der von Wildwuchs überwucherte Boden umgegraben, abgetragen und erneuert worden war. Jetzt ist jede Schulklasse für einen bestimmten Abschnitt der Beete zuständig. Und auch die Kindergartenkinder haben ihren Anteil. So wird auch auf diesem Gebiet der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule fließend. Rektor Schneemann sieht beide Einrichtungen modellhaft als gemeinsames „Bildungshaus“. Selbst die Jugendfeuerwehr rückt zum GieSSen an

Tanja Groß, die auch eine klassenübergreifende Garten-AG betreut, weist auf den pädagogischen Nutzen der neuen Gartenland-Anlage hin: „Ohne Gärten, ohne den direkten Bezug zur Natur sehen die Kinder doch kaum noch, woher die Lebensmittel eigentlich kommen.“ Hier aber sehen und erfahren sie es nicht nur, sie müssen auch tatkräftig und verantwortungsvoll mithelfen, dass alles wächst, blüht und gedeiht. Und das ist eine unglaubliche Fülle. Sie reicht von Kartoffeln und Zwiebeln über Mais, Erbsen, Bohnen und Rhabarber bis hin zu Radieschen, Roter Bete, Schnittlauch sowie Petersilie – und sogar



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verschiedenen Getreidearten. Darüber hinaus haben Rektor Jan Schneemann und Tanja Groß Wert darauf gelegt, dass sowohl im Frühling als auch im Sommer und Herbst stets Blumen blühen. Schließlich sollen die Augen nicht nur für den Nutzen, sondern auch für die Schönheit der Natur geöffnet werden. Dass dabei auch der Spaß nicht zu kurz kommt, zeigen Einfälle wie das Bepflanzen alter Stiefel oder ausgedienter Schulranzen. Eine weitere Besonderheit ist die „Kräuter-Raupe“: Sie ermöglicht durch die Form der aneinander gereihten Verbundsteine, dass jedes Kraut sein eigenes abgegrenztes Terrain hat – und dass somit nicht schwächere Kräuter von wild wuchernden verdrängt werden: Pädagogik auch in der Pflanzenwelt. Bei der Anlage des Gartens, die so gut gelang, dass er jetzt als „Leuchtturm“ für das Projekt „Gartenland in Kinderhand“ ausgewählt wurde, waren viele hilfreiche Hände am Werk. So haben zahlreiche Eltern an der Planung des neuen Gartens und seiner Gestaltung mitgewirkt, so stifteten sowohl der Elternbeirat als auch der Narrenverein des benachbarten Balgheim jeweils eine Bank – und auch eine ortsansässige Baumschule und die Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins waren zu Stelle, wenn man sie brauchte. Schließlich wurde sogar die Jugendfeuerwehr aktiv, sozusagen die nächste Generation nach Kindergarten- und

Schulkindern: Sie sorgt für das Wasser im 1.000-Liter-Tank, so dass auch das Gießen der Pflanzen an heißen und trockenen Tagen kein Problem darstellt. Im „Insektenhotel“ sollen auch Wildbienen eine neue Heimat finden

Selbstverständlich wird das Projekt auch in Zukunft fortgeführt. Weiterhin wird aus selbst geernteten Äpfeln Saft gepresst werden, weiterhin werden Schnittlauch-Brote und Gemüsesuppe aus eigenen Zutaten den Speiseplan, ob im Kindergarten oder in der Grundschule, bereichern. Und auch das Anschauungsmaterial wird erweitert. So ist für dieses Jahr noch die Errichtung eines so genannten „Insektenhotels“ vorgesehen, in dem beispielsweise Wildbienen und auch verschiedene Fliegenarten eine neue Heimat finden sollen. Man sieht: Dank des Engagements von Rektor Jan Schneemann, der Lehrkräfte und Erzieherinnen, insbesondere der Lehrerin Tanja Groß, sowie dank der Überzeugungskraft, mit der sie zahlreiche Unterstützer mit ins Boot geholt haben, ist in Dürbheim der Naturkunde- oder Biologieunterricht kein trockenes, theoretisches Fach. Er ist Anschauungsunterricht. Er gehört für die Kinder im Bildungshaus zum Leben dazu, ist im besten Sinne Erlebnis.

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Auch Schnecken haben ein Recht zu leben Im Schülerhort Möglingshöhe in Villingen-Schwenningen hilft die eigene Kapuzinerkresse gegen den Husten

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Es bereitet Stefanie Spedicato, Anna Betz und Katharina Jaganzew vom Schülerhort Möglingshöhe der Arbeiterwohlfahrt in Villingen-Schwenningen auch heute noch Vergnügen, wenn sie an die Landesgartenschau in Villingen-Schwenningen zurückdenken. Denn die Besucher der Gartenschau blieben immer wieder voller Bewunderung bei dem, nur durch einen Zaun vom Gartenschau-Gelände getrennten, Hochbeet des Schülerhorts stehen und machten Fotos. Und die Kinder, die dies bald mitbekamen, posierten gelegentlich stolz neben dem Beet und dem davor aufgestellten Rosenbogen. Dieser Rosenbogen freilich diente nicht als Stütze für Rosen, sondern gab den dort rankenden Stangenbohnen den notwendigen Halt. Ja, sie konnten und können zu Recht stolz sein auf das Geleistete, die über 30 Schüler, die derzeit von dem Dreier-Team Spedicato, Betz, Jaganzew und der Leiterin Claudia Schmidt betreut werden. Sie bekommen hier nicht nur Hilfe bei den Hausaufgaben, sondern erfahren zugleich auch familiäre „Nestwärme“. Zwischen sechs und 14 Jahre sind sie alt – und sie waren von der Teilnahme an dem Projekt „Gartenland in Kinderhand“ mindestens ebenso begeistert wie ihre Betreuerinnen. Vielleicht am Anfang sogar etwas mehr. Deren verzögerte Begeisterung nämlich, so gestehen sie lachend ein, rührte in erster Linie daher, dass „wir drei von Pflanzen und Gartenarbeit genauso viel oder besser: genauso wenig Ahnung hatten wie die Schüler“. Doch sie wussten sich und damit den Schülern zu helfen. Sie besorgten sich von der Anlage des Hochbeetes an bis hin zur Ernte sicherheitshalber fachkundigen Rat, indem sie sich „Gartenpaten“ ins Boot holten, das Ehepaar Fürstenberg vom Kleingärtnerverein Schwenningen. Es stand ihnen nicht nur mit Rat

und Tat zur Seite, als es um die Füllung des Hochbeetes ging, vom Rindenmulch bis zum Mutterboden, sondern sie zeigten den betreuten Schülern wie auch den lernenden Betreuern beispielsweise auch, was Unkraut ist und herausgezupft gehört und was nicht. Sicherheitshalber fotografierten die Betreuer dann das als Unkraut identifizierte Grün, denn sonst, so gestehen sie ein, „hätten wir vielleicht die eine oder andere Möhre im Eifer auch noch herausgezogen“. Kürbisse und Zucchinis gedeihen unerwartet üppig

Der mühsamen Anlage des Hochbeetes, bei der insbesondere die Jungen ihre überschüssigen Kräfte unter Beweis stellen konnten, folgte die Aufstellung des für Bohnen zweckentfremdeten Rosenbogens. Dann ging es ans Pflanzen. Eine Kräuterecke wurde angelegt mit Zitronenmelisse, Schnittlauch, Pfefferminze, Basilikum, Kapuzinerkresse, Fenchel und anderen Pflänzchen. Salat und Kohlrabi fanden ebenso ihren Platz wie Karotten und Rote Bete. Eingerahmt wurden die Hochbeet-Flächen sorgsam mit Eierschalen, die angeblich gegen Schnecken hilfreich sein sollten (was sie übrigens nicht erfüllten, dafür aber einem Kind die Frage entlockten, wann denn endlich der Eierbaum wachse). Zwiebeln kamen hinzu, außerdem Kürbisse und Zucchinis, die unerwartet üppig gediehen und am Ende alle anderen Pflanzen übertrafen. Die Bohnen hingegen wurden erst im zweiten Anlauf auf dem Rosenbogen heimisch, dann aber umso prächtiger. Die Schüler zumindest waren begeistert – und die SchülerhortLeitung ist sich sicher, dass das Projekt weiter fortgeführt wird. Schließlich haben beide Seiten, die Erwachsenen und die Schüler,

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neue und wertvolle Erfahrungen sammeln können, die sie jetzt – und ein größerer pädagogischer Erfolg ist kaum denkbar – noch erweitern wollen. „Unser Kenntnisstand ist noch immer gleich hoch“, schmunzelt Stefanie Spedikato, „aber inzwischen auf deutlich höherem Niveau.“ Die Kinder sollen sich auch mit der Natur vertraut machen

Dass die Schnecken einen Teil der immer noch beachtlichen Ernte weggefressen haben, wurde zu einem grundsätzlichen Problem. Es gab eine Partei der Schneckenfreunde („Die haben doch auch ein Recht zu leben, die Schnecken.“) und der Schneckengegner („Aber nicht auf unsere Kosten.“) – wobei Letztere sich durchsetzten. Und so griff man schließlich, nach dem Misserfolg mit den ausgelegten Eierschalen, schweren Herzens auf das bewährte Schneckenkorn zurück, „aber biologisch, ganz ohne Chemie“, wie man beteuert. Das zeigt, dass man sich im AWO-Schülerhort durchaus der Verantwortung gegenüber der Natur bewusst ist. Doch das ist im Grunde nichts Neues. Schon bei der Gründung des Hortes vor über 50 Jahren formulierte der damalige AWO-Vorsitzende Her-

mann Renz den Wunsch, dass der Platz vor dem Hort nicht nur dem Spielen und dem Zeitvertreib dienen solle, sondern hier sollten „die Kinder sich auch mit der Natur vertraut machen“. Dieser Wunsch, diese Vision ist spätestens jetzt als erfüllt zu betrachten. Denn die Teilnahme an dem Projekt war kein einmaliger, abgeschlossener Akt. Natürlich werden die Pflanzungen auch in den kommenden Jahren vorgenommen, mit wachsender Sach- und Fachkenntnis. Darüber hinaus aber soll auch ein „Kochund Gartenbuch“ in eigener Regie erstellt werden, das bereits in Arbeit ist und für die Schüler später eine schöne und wertvolle Erinnerung an ihre erste bewusste Auseinandersetzung mit der Natur und ihren Gesetzen sein wird. Und die Freude, die den Schülern durch das Projekt „Gartenland in Kinderhand“ geschenkt wurde, zeigt sich nicht nur am Ernten oder am betont lässigen Posieren für fotografierende Gartenschau-Gäste. Sie wurde auch offenbar, als mehrere Schüler plötzlich unter einem unerklärlichen Husten litten. Eine Epidemie? Nein, es hatte sich lediglich herumgesprochen, dass die Kapuzinerkresse als bewährtes Heilmittel gegen Husten gilt. Also wurde kräftig gehustet, um etwas von der selbst gezogenen Kresse abzubekommen.

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Die Natur ist und bleibt das schönste Kinderzimmer Der Naturerlebnisgarten in der Tageseinrichtung für Kinder Nobileweg 18 in Stuttgart verzaubert die Kinder

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Dass die Natur das schönste Kinderzimmer ist, weiß Sylvia Groß, die Leiterin der Tageseinrichtung für Kinder Nobileweg 18 in Stuttgart-Stammheim, schon seit langem. „Es ist wichtig“, bekräftigt sie, „dass es Möglichkeiten gibt, der Natur auf unterschiedliche Weise zu begegnen und dass alle Kinder daran teilnehmen können.“ Bei dieser Einstellung, die Sylvia Groß vehement vertritt und seit nunmehr 15 Jahren in der städtischen Tageseinrichtung Schritt für Schritt zu verwirklichen und weiterzugeben sucht, bot das Projekt „Gartenland in Kinderhand“ Möglichkeit und Chance für einen Riesenschritt nach vorn. „Ohne die Unterstützung hätten wir vieles nicht angepackt oder zumindest erst später machen können“, gesteht sie. „Das war sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.“ Das Wasser wird auch zum Matschen und Plantschen, nicht nur zum GieSSen genutzt

Und so machte man sich zu Beginn des Jahres 2010 auf den Weg, gemeinsam mit den Kindern und, wo es notwendig war, auch mit Unterstützung von Eltern, den Garten neu zu gestalten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Spektrum reicht von der Anlage eines Kräutergartens und einer „Duftoase“ mit wohlriechenden Pflanzen über die Erkundung und den Schutz der Standorte von Wildkräutern, die eben nicht als „Unkraut“ vernichtet werden sollen, bis zur Schaffung eines Spielbereichs mit vielen Naturelementen und der Umrüstung eines ausgedienten Sandkastens zu einer Naturwerkstatt. Darüber hinaus wurde der Wasserbereich neu belebt und ausgestattet. Und schließlich reaktivierte man den von den Kindern so geliebten Weidentunnel.

Die Kinder machen bei alldem zahlreiche neue Erfahrungen. Sie lernen etwa, dass der Saft des Löwenzahns zwar ärgerliche Flecken auf der Kleidung hinterlässt, aber dass er nicht giftig ist und dass seine Blüten und Blätter für leckere Gerichte genutzt werden können. Vor allem wichtig ist: Sie lernen es nicht mühsam, es muss ihnen nicht „eingetrichtert“ werden, sondern sie begreifen es spielerisch. Ohnehin soll und darf nach Auffassung von Sylvia Groß und den anderen Erzieherinnen und Erziehern das Spiel als „Lernelement“ nicht zu kurz kommen. So wird Wasser auch zum Matschen und Plantschen (und nicht nur zum Gießen der Pflanzen) genutzt. Sand, Erde, Blätter, Steine und Äste dienen zum Gestalten und Bearbeiten, regen die Fantasie an und schulen die Motorik. Und schließlich bieten Büsche und Sträucher sogar Ecken zum Verstecken – wichtig für kindliche Rollenspiele. Sylvia Groß, die umtriebige Kindergarten-Leiterin, ist stets neuen Ideen und Projekten gegenüber aufgeschlossen, wenn sie nur dem Wohl der Kinder dienen. So hat sie mit ihrem Pioniergeist schon vor über drei Jahren in der Kindertagesstätte damit begonnen, das Kneippkonzept im Rahmen des Einsteinprojekts des Stuttgarter Jugendamtes umzusetzen – seinerzeit als erste derartige Einrichtung für Kinder in Stuttgart. Da fügte sich in ihren Augen das Projekt „Gartenland in Kinderhand“ nahtlos ein. Die ehrgeizige Zielsetzung lautete, nicht nur „die Kindertageseinrichtung zu einer ‚Gesundheitskita‘ mit viel Raum für Natur und Lebensordnung“ zu machen, sondern „den Garten zu einem Naturerlebnisgarten umzugestalten.“ Die Tageseinrichtung mit ihren 50 Kindern „von null bis sechs Jahren“ setzt sich dementsprechend ungewöhnlich stark dafür ein, den Stadtkindern die Natur nahe zu bringen. Alle Sinne



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sollen angesprochen werden: die Augen etwa durch die Anlage von Flächen mit bunten Blumen, an denen sich selbst die Kleinsten erfreuen können, die Nase durch die verschiedenen Kräuter, der Geschmackssinn durch das breite Spektrum an Obst und Gemüse, und schließlich wird sogar die Erfindungsgabe herausgefordert, etwa wenn es gilt, Kräuter zu zerkleinern, nicht nur mit Mörser und Reibe nämlich, sondern beispielsweise auch mit einer alten Kaffeemühle. Die Freude und die Begeisterung der Kinder ist für die Mühen Entschädigung genug.

Mit ihrer Begeisterung und ihrem Engagement haben Sylvia Groß und ihr Team auch die Eltern angesteckt und mit ins Boot geholt. So haben die Eltern beispielsweise „Patenschaften“, für bestimmte Bereiche des Gartens übernommen. Die Freude und die Begeisterung der Kinder ist ihnen Entschädigung genug. Und ihr Staunen, wenn etwa eine lilafarbene Bohne beim Kochen plötzlich grün wird. Für die Kinder steht fest: Es sind „Zauberbohnen“. Bei Familienfesten servieren die Kinder nun sichtlich stolz Zubereitungen mit selbst geernteten Zutaten – von verschiedenen Kräutertees bis hin zum Löwenzahn-Blütengelee.

Sich von der Natur verzaubern zu lassen, gelingt auf vielerlei Weise – und fast jede wird in der Stuttgarter Kindertageseinrichtung auch genutzt: sei es, indem die Kinder auch Gedichte vorgelesen bekommen, in denen die Wunder der Natur besungen werden, sei es durch eigenes, intensives Erleben, etwa bei den seit mehreren Jahren und zu jeder Jahreszeit durchgeführten „Waldwochen“ – für die Kinder stets ein Abenteuer und eine Entdeckungsreise. Da gilt es auch immer wieder, bei den besorgten Eltern Überzeugungsarbeit zu leisten, denn viele von ihnen haben zunächst Angst, ihr Kind könnte sich erkälten, sich verletzen, einen Zeckenbiss abbekommen oder etwas Giftiges in den Mund nehmen. „Eine schleichende Indoor-Krankheit“, so beobachtet Sylvia Groß, „scheint unseren Nachwuchs befallen zu haben.“ Dabei seien die Begegnung mit der Natur und das Spielen in ihr äußerst wichtig für die emotionalen und geistigen Bedürfnisse heranwachsender Menschen: „Ohne die Nähe zu Pflanzen und Tieren verkümmert ihre emotionale Bindungsfähigkeit, schwinden Empathie, Fantasie, Kreativität und letztlich die Lebensfreude.“ Sylvia Groß und ihr Team gehen sogar noch einen Schritt weiter: „Dass Kinder sich der Natur zunehmend entfremden, hat das Potenzial einer zivilisatorischen Katastrophe.“ In Stuttgart-Stammheim wird dem nach Kräften und mit Erfolg entgegengewirkt.

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Gartenland in Kinderhand *** Wissenschaft und Praxis


Was braucht ein Gartenland in Kinderhand? Tipps und Einstiegshilfen für einen Nutzgarten in Einrichtungen mit Kindern

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Prof. Roman Lenz und Werner Rolf

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Kinder zu begeistern ist einfach, oder? Gut, meistens muss es etwas Besonderes sein – und möglichst schnell gehen ...! Welche Möglichkeiten bietet einem hierzu ein eigener Nutzgarten in Einrichtungen für Kinder, wie Kindergärten oder Kindertagesstätten? Interessiert Kinder das Wachsen und Gedeihen von Radieschen und Kohlrabi? Oder der Geschmack und Duft von Schnittlauch und Thymian – erst im Beet und dann im Brotaufstrich? Oder interessiert sie gar, wie aus Pflanzenresten wertvoller Humus für den Gartenboden wird? Eins ist sicher, jeder Garten ist so unterschiedlich wie jede Gartensaison. Der Ausgang der Ernte ist ungewiss. Also, probieren wir es aus! Die Ausgangsidee ist bekannt: Es geht ums Gärtnern, und zwar vom Anbau über die Pflege, die Ernte, die Verarbeitung bis hin zum Verspeisen und schließlich zum Verrotten der pflanzlichen Reste zu neuer Erde, die dann wieder den nächsten Pflanzen als Boden mit Nährstoffen zur Verfügung steht – eine Art Kreislaufsystem also. Bringen wir es in Schwung! Drei unverzichtbare Zutaten für einen ertragreichen „Kinder“-Garten

Damit die Gartenpflege den vollen Alltag eines Kindergartens oder einer Tageseinrichtung nicht überfordert, haben wir hier praktische Tipps zusammengestellt, die den Start erleichtern sollen, von der Anlage eines Gartens bis hin zum Gärtnern: Wie er gestaltet werden kann, was dafür benötigt wird und wie fruchtbare Beete angelegt werden können. Sie finden eine Auswahl schnell wachsender und gedeihender Pflanzen, Kräuter und Gemüsesorten und wir zeigen auf, wie diese mit langsam heranreifenden

kombiniert werden können. So sind ein möglichst schneller Erfolg wie auch eine möglichst lange Erntezeit garantiert. Dies kommt den Bedürfnissen einer Einrichtung entgegen. Die drei unverzichtbaren Zutaten sind: ein kleines bisschen Platz, möglichst im unmittelbaren Umfeld der Einrichtung, eine gute Idee, die alle motiviert, und der Wille, möglichst bald loszulegen. Geeignete Standorte für Nutzgartenbeete sind Flächen, die sonnig oder höchstens halbschattig sind und leicht durchlüftet werden. Eingewachsene, schattige Ecken (auch: nordseitige Flächen) oder völlig ungeschützte, zugige Bereiche eignen sich eher weniger. Verfügt die Einrichtung über etwas passenden Platz, so ist die erste wichtige Voraussetzung schon erfüllt. Eine weitere wichtige Zutat für einen erfolgreichen Garten ist eine Idee. Vielleicht gibt es bereits einen besonderen Einfall dazu, welche Schwerpunkte gesetzt werden könnten, ein Motto, unter dem das Gartenprojekt stehen wird. Gemeinsam mit den Kindern entwickelt, kann die Idee das Zugpferd des Nutzgartens werden. Nicht, dass wir wie in früheren Zeiten das Feld mit einem Pferd bestellen wollen, nein, es geht darum, Eltern und Förderer bis hin zu potenziellen Sponsoren mit der Idee zu gewinnen. Denn eines ist sicher: Ein Garten bedeutet auch Arbeit – selbst in der Ferienzeit benötigen die Pflanzen mal die eine oder andere Gießkanne – und gemeinsam geht es bekanntlich viel besser. Gut gerüstet – Was ein Kleingärtner so alles braucht

Zum Gärtnern braucht man Geräte. Eventuell sind in der Einrichtung bereits welche vorhanden. Oft weiß man auch vom eigenen






Gartenland in Kinderhand *** „Guten Appetit – alle essen mit!“



„Es roch nach Kuhstall. Überall lag der Geruch der Tiere in der Luft, eigentlich begleitete er meine ganze Jugend.“ (Aus Vincent Klinks Buch „Sitting Küchenbull“)

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Vincent Klink Restaurant Wielandshöhe, Stuttgart

Das kulturelle Wissen über gutes Essen und die Freude am Essensgenuss hat ihm der Vater vermittelt. Der war nämlich Vorsitzender eines Kochclubs, dessen Mitglieder immer wieder Reisen zu bedeutenden Restaurants antraten, unter anderem auch zur L’Auberge du Pont de Collonges von Paul Bocuse, einem der besten Köche des 20. Jahrhunderts. „Frau und Kinder wurden aber nicht mitgenommen, das wäre zu teuer gewesen“, erinnert sich Vincent Klink schmunzelnd an diese Zeit. Sowohl sein Vater als auch seine Mutter konnten hervorragend kochen. Und dann waren da die Fahrten mit dem Vater über Land: Als Tierarzt war dieser auch für Hausschlachtungen zuständig und wurde von den Bauern stets reich beschenkt. „Die Nähe einer Küche beschleunigte stets seinen Puls“, schreibt Vincent Klink über diese barocke Gestalt, die das Talent des Sohnes erkannte und ihn drängte, Koch zu werden. „Ich selbst wäre lieber Maler oder Grafiker geworden. Doch für meinen Vater war das eine brotlose Kunst.“

Seine Ausbildung begann er mit einem halbjährigen Praktikum in einer Metzgerei. Seine Lehrjahre verbrachte er bei verschiedenen Meisterköchen im Badischen. Der Rest ist Geschichte: Vincent Klink verbindet einzigartig die Kunst des Kochens mit der Kunst des Schreibens, des Musizierens und der Fernseh-Unterhaltung. Der Sternekoch hat viel Verständnis für die Zeitnot heutiger Eltern und akzeptiert auch gute Convenience-Produkte. „Allerdings“, so Vincent Klink, „könnte man mit etwas Routine ein gutes Essen auch schnell selbst zubereiten. Mit dem Kochbuch in der Hand geht das natürlich nicht. Doch einige Pellkartoffeln sollte man immer im Kühlschrank haben. Und ein bis zwei Mal pro Woche sollte die Familie zusammen am Tisch sitzen und ein frisch gekochtes Essen zu sich nehmen. Das prägt die Kinder fürs ganze Leben.“ Vincent Klink wurde unter anderem mit dem Internationalen Eckart Witzigmann-Preis ausgezeichnet.


Pumpkin Soup Vincent Klink, Restaurant Wielandshöhe, Stuttgart

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Für 4 Personen

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Zutaten

1 kleiner Hokkaidokürbis (oder ein Stück Muskatkürbis) ½ kleine Sellerieknolle, gewürfelt ½ Stange Lauch 2 Zwiebeln 1 Knoblauchzehe 1 Peperoni 1 Msp. Kardamom 1 Msp. Piment (Nelkenpfeffer) ½ TL Ingwerpulver ½ TL Kreuzkümmel 1 g Safran Butter 1 l Bio-Gemüsebrühe 30 g Kürbiskerne etwas Pfeffer Salz 1 Bund Blattpetersilie nach Belieben etwas geschlagene Sahne und Kürbiskernöl

Zubereitung

Den Kürbis halbieren, entkernen und in etwa 2 cm große Würfel schneiden. Sellerie, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch schälen bzw. putzen, die Peperoni entkernen. Alles klein schneiden. Die Gewürze mörsern und Knoblauch und Peperoni untermischen. Die Zwiebelstückchen in einem Topf mit Butter anschwitzen. Sellerie- und Kürbiswürfel sowie die Gewürzmischung zu den Zwiebeln geben. Mit Brühe auffüllen und ungefähr 15 Minuten köcheln lassen. Dann den fein geschnittenen Lauch dazugeben. Die Kürbiskerne ohne Fett in einer Pfanne rösten. Die Suppe pürieren und mit Pfeffer und Salz abschmecken. Die Petersilie waschen und trocknen, fein hacken und kurz vor dem Servieren in die Suppe geben. Die Suppe in Tellern anrichten und mit Kürbiskernen garnieren. Mit etwas geschlagener Sahne und einem Klecks Kürbiskernöl lässt sich diese Kürbissuppe noch verfeinern.




„Wir sollten Kinder so früh wie möglich in die Zubereitung abwechslungsreicher Speisen einbeziehen. Man kann auch beim Kochen viel über Chemie, Biologie und Gentechnik lernen.“

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Eckart Witzigmann Koch des Jahrhunderts

Der Duft nach frisch Gebackenem in der feuchten Wärme der Backstube gehört für Eckart Witzigmann zu den vertrauten Gerüchen seiner Kindheit. Großvater und Onkel waren gestandene Bäcker, ein Cousin Konditor. „Die Begabung liegt mir sicher im Blut“, sagt der für seine große Kochkunst vielfach Ausgezeichnete. „Chef“ nennen ihn seine ehemaligen Meisterschüler noch heute. In seiner österreichischen Heimat, im Ferienort Bad Gastein, war er als echter Lausbub verschrien: „Ich war der König des Hausarrests. Wir haben zu viele Streiche ausgeheckt.“ In Bad Gastein beglückten ihn die typischen einfachen Gerichte, die stets frischen Produkte aus den Obst- und Gemüsegärten, die gemeinsamen Mahlzeiten im Kreis der Familie. Wie die meisten Kinder konnte er die Adventszeit kaum erwarten mit ihren vielfältigen, kulinarischen Versuchungen, mit Adventskranz, Kerzenlicht und Weihnachtsgebäck. Schon früh entdeckte er seine Freude am Kochen, was in der Familie zunächst auf Unverständnis stieß: „Mein Vater war Schneidermeister und ich hätte das auch werden sollen, aber ich wollte

lieber kochen. In der Handels- und später Berufsschule habe ich endlich Lunte am Lernen gerochen. Unglaublich. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, alles auszuprobieren und Wissenswertes nachzulesen. Für meine Eltern war der Kochberuf übrigens nicht das Gelbe vom Ei. Damals hatten Köche nicht so ein gutes Image wie heute.“ Wie kein anderer hat Eckart Witzigmann die Qualität des Produktes in den Mittelpunkt seines Schaffens und seiner Lehre gestellt. Die Grunderkenntnis seines Wirkens am Herd „Das Produkt ist der Star in der Küche“ bleibt seine gültige Botschaft, die er seinen Schülern, höchst besternten Spitzenköchen, aber auch den Hausfrauen, den „Müttern in allen Küchen“, vermittelt. Eckart Witzigmanns Lebenswerk ist weltweit angesehen. Vom Gault-Millau wurde er mit dem Titel „Koch des Jahrhunderts“ geehrt. Seit 2007 ist er Dr. h. c. und Professor h. c. der GastronomieUniversität Örebro in Schweden. Eckart Witzigmann ist Namensgeber des Internationalen Eckart Witzigmann-Preises, mit dem herausragende Leistungen der Kochkunst gewürdigt werden.


Kohlrabi-Flan Eckart Witzigmann, München

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Für 4 Personen

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Zutaten

700 g Kohlrabi 2 EL Butter 50 g Crème fraîche 50 g Sahne Salz frisch geriebene Muskatnuss 1 Ei 2 Eigelb schwarzer Pfeffer aus der Mühle 4 feuerfeste Förmchen und etwas Butter zum Ausfetten

Zubereitung

Den Kohlrabi schälen und 600 g davon in Würfel schneiden. Den Rest und einige zarte Kohlrabiblättchen für die Garnitur zur Seite stellen. In einem Topf 1 EL Butter zerlaufen lassen. Die Kohlrabiwürfel dazugeben und bei geringer Hitze im eigenen Saft weich dünsten. Crème fraîche und Sahne hinzufügen. Einkochen lassen. Mit Salz und Muskat abschmecken. Mit dem Pürierstab fein mixen und abkühlen lassen. Vier feuerfeste Förmchen mit Butter ausstreichen und kalt stellen. Ei und Eigelb verrühren und unter das abgekühlte Kohlrabipüree ziehen. Die Masse in die Förmchen füllen. Diese auf ein tiefes Blech stellen und so viel heißes Wasser angießen, dass die Förmchen etwa bis zur Hälfte im Wasser stehen. Im auf 160 °C vorgeheizten Backofen etwa 35 Minuten stocken lassen. Für die Garnitur den zur Seite gestellten Kohlrabi in kleine Würfelchen schneiden. Kurz in 1 EL Butter andünsten, einen kleinen Schuss Wasser dazugeben. Mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen. Die Kohlrabiblättchen in feine Streifen schneiden und über die Kohlrabiwürfelchen streuen. Die fertigen Flans mit dieser Mischung garnieren und am besten gleich in den Förmchen servieren. Auf diese Weise kann auch ein Flan mit Blumenkohl oder Karotten zubereitet werden.



„Ein eingespieltes Team und beste Produkte: Wenn diese Voraussetzungen stimmen, macht mir die Arbeit in der Küche am meisten SpaSS!“

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Jörg Sackmann Restaurant Schlossberg im Hotel Sackmann, Baiersbronn

Der 2. Dezember war immer ein besonderer Tag für Jörg Sackmann. An diesem Tag, seinem Geburtstag, blieb nämlich das elterliche Hotel in Baiersbronn geschlossen. Dann versammelte sich die Familie Sackmann um einen Tisch und zu Ehren des Geburtstagskindes gab es Fondue. Solche gemeinsamen Essen im Kreis der Familie hält er bis heute für unglaublich wichtig. „Zum Genuss des Essens gehört immer auch das warme Gefühl, aufgehoben zu sein. Jeden Tag“, erinnert er sich, „haben wir zusammen gegessen. Und zwar immer das, was auch die Gäste des Hotels serviert bekamen.“ So wurden schon damals seine Sinne für gutes Essen geschärft. „Und wenn das Hotel geschlossen war, durften wir Kinder uns ein Essen aus Mutters Küche wünschen.“ Sehr früh schon stand er auch aktiv am Herd in der Hotelküche: „Mittwochs war immer ‚Puffertag‘ – es gab Kartoffelpuffer und da durfte ich dann immer mitkochen.“ Die Eltern hatten ihn zunächst fürs Management des angesehenen Hauses vorgesehen. Sinnvollerweise begann er seine Ausbildung mit einer Kochlehre. In dieser Zeit lud er seine damalige

Freundin und heutige Ehefrau in das Restaurant „Au Crocodile“ in Straßburg ein, damals wie heute eine ausgezeichnete, wenn auch teure Adresse. „Wir waren sehr beeindruckt vom Essen, obwohl mein Geldbeutel etwas strapaziert war!“ Erlebnisse wie dieses sorgten dafür, dass ihm der Spaß am Kochen nicht verging, und noch bevor er die Meisterschule besuchte, wanderte er von einem Spitzenbetrieb zum anderen, um Erfahrungen zu sammeln. „So entwickelte sich meine Liebe zum Kochen immer weiter!“ Auch heute noch reist Jörg Sackmann gerne durch die Welt, um bemerkenswerte Restaurants zu besuchen. Seine Söhne sind in seine Fußstapfen getreten und streben eine Laufbahn als Hotelfachmann bzw. Koch an, um den Familienbetrieb eines Tages weiterführen zu können. Jörg Sackmann ist Chef des Hotel Sackmann und führt dort drei gastronomische Betriebe, darunter das Restaurant Schlossberg, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Seit Januar 2011 verstärkt er regelmäßig das Kochteam der Fernsehsendung ARD-Buffet.




Tomaten-Flammkuchen mit Speck und Sauerrahm Jörg Sackmann, Restaurant Schlossberg im Hotel Sackmann, Baiersbronn

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Für 2 Personen

Zutaten

10 g Hefe 130 ml Wasser 250 g Mehl 80 g luftgetrockneter Speck in dünnen Scheiben 3 Tomaten 50 g Quark 130 g Crème fraîche 1 Eigelb 2 EL Olivenöl 1 Thymianzweig 2 EL Sauerrahm 1 Bio-Limette etwas Zucker Salz, Pfeffer

Zubereitung

Die Hefe im lauwarmen Wasser auflösen, 1 Prise Zucker hinzufügen und gut verrühren. Mehl und 1 Prise Salz in eine Schüssel geben, das Hefe-Wasser dazugießen und alles zu einem glatten Teig kneten. Diesen etwa 30 Minuten gehen lassen. Die Speckscheiben in Streifen schneiden. Die Tomaten über Kreuz einritzen, kurz in kochendes Wasser legen und anschließend die Haut abziehen. Die Kerne entfernen und die Tomaten in feine Würfel schneiden. Quark, Crème fraîche und Eigelb verrühren. Mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker abschmecken. Den Backofen auf 250 °C (230 °C bei Umluft) vorheizen. Den Teig portionsweise sehr dünn ausrollen und auf ein gefettetes oder mit Backpapier belegtes Blech legen. Mit der Quarkmasse bestreichen. Tomatenwürfel und Speckstreifen darauf verteilen. Würzen und mit Olivenöl beträufeln. Im vorgeheizten Backofen knusprig ausbacken. Thymianblättchen vom Zweig streifen und mit Sauerrahm vermischen. Die Limette heiß abwaschen, etwas Schale abreiben und den Saft auspressen. Den Sauerrahm mit etwas von der Limettenschale, einem Spritzer Limettensaft sowie Salz und Pfeffer würzen. Den fertigen Flammkuchen auf Teller legen und je eine Nocke Sauerrahm darauf geben.

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„Das Essen in meinem Kindergarten war richtig schlecht. Um es deutlich zu sagen: Es war eine Katastrophe. Mit Schrecken erinnere ich mich an den grauenvollen Eintopf, den es damals regelmäSSig gab.“

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Ralph Knebel Hotel-Restaurant Erbprinz, Ettlingen

„An Sinnlichkeit kaum zu übertreffen war der Duft der Weihnachtsbäckerei. Wenn meine Mutter Vanillekipferl buk, duftete das ganze Haus nach den gebackenen Haselnüssen und vor allem nach der Vanille, die noch heute mein Lieblingsgewürz ist.“ Das mürbe Gebäck zerbrach oft schon auf dem Backblech, den Bruch dufte Ralph Knebel sofort essen. Die gelungenen Kipfeln wurden bis Weihnachten weggeschlossen: Ein Brauch, den Ralph Knebel bis heute in seiner Familie pflegt. „Erst, wenn sie wieder ausgepackt werden, ist wirklich Weihnachten. Das hat eine wunderbar verführerische Wirkung, denn das Warten gehört auch zum Genuss!“ Jeden Samstag buk die Mutter einen Kuchen und traditionell gab es sonntags immer einen Braten. Von Montag bis Mittwoch war dann Resteessen angesagt: „Bei uns wurde nichts weggeworfen, da lernt man auch den Respekt vor dem Essen.“ Sein Lieblingsgeburtstagskuchen war eine Art Gugelhupf, eibuttrig und frisch. Aber auch halbrunde Maultaschen aus Kartoffelteig gehörten zu seinen Lieblingsspeisen. Sie wurden mit Äpfeln gefüllt, dufteten nach Zimt und Vanille und wurden in die heiße Butter gelegt.

„Sauerrahm darüber und Milch, das karamellisierte dann unten etwas, es war der Wahnsinn!“ Zu den vielen Eindrücken aus Ralph Knebels Kindheit gehört auch, dass die Mutter zwar sehr gut kochen und backen konnte, der Vater aber eher nicht. Und als die Mutter, eine Kriminalbeamtin, eines Tages ins Krankenhaus musste, wurden die kulinarisch verwöhnten Kinder vom Vater bekocht: „Das war schon ein großer Unterschied!“ Nach der Rückkehr der Mutter nahm der Elfjährige deshalb Kochunterricht bei ihr. Dann, als Mutter sich mal wieder wegen eines Einsatzes verspätete, war es so weit: Ralph Knebel bekochte die Familie mit Wiener Schnitzel und Kartoffelsalat. Die Wertschätzung, die er auf diese Weise bekam, war so etwas wie der Durchbruch zu seinem künftigen Beruf. Ralph Knebel ist heute Küchenchef einer kulinarischen Institution: Das Hotel-Restaurant Erbprinz in Ettlingen gilt als die „Wiege der deutschen Gastronomie“. Dort teilt er sich das Regiment in der Küche mit seiner Frau Jasmina, die für die Desserts zuständig ist.




Apfelpfannkuchen „Erbprinz“ mit Vanillesauce Ralph Knebel, Hotel-Restaurant Erbprinz, Ettlingen

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Für 8–10 Crêpes

Zutaten

Für die Crêpes: 250 ml Milch 125 ml Sahne 1 Ei 2 Eigelb 1 EL Zucker 1 Prise Salz 5 Äpfel (mit säuerlichem Aroma, z. B. die Sorten „Elstar“ oder „Topaz“) Butter Zimtzucker und Puderzucker Für die Vanillesauce: 125 ml Milch 125 ml Sahne 1 Vanilleschote 3 Eigelb 45 g Zucker

Zubereitung

Für den Crêpe-Teig Milch und Sahne vermischen. Kurz tiefkühlen. Ei, Eigelb, Zucker und Salz verquirlen. 4 cl der sehr kalten SahneMilch-Mischung einrühren, dann das Mehl und zum Schluss nach und nach den Rest der Flüssigkeit. Den Teig 1 Stunde kühlen. Für die Sauce Milch, Sahne und Vanillemark aufkochen und unter ständigem Rühren in das mit Zucker vermischte Eigelb gießen. In einem heißen Wasserbad zur Rose abziehen. Das heißt, die Sauce unter ständigem Rühren so lange im Wasserbad erhitzen, bis sie sämig wird. Beim Pusten auf einen mit Sauce überzogenen Löffelrücken entsteht ein „Rosenbild“. Vorsicht: Eine Temperatur von 82 °C keinesfalls überschreiten, sonst gerinnt das Ei. Die Äpfel schälen, vierteln und entkernen. In 3 mm dicke Scheiben schneiden. Eine Pfanne mit Butter ausreiben und diese auf dem Herd leicht aufschäumen. Die Apfelscheiben im Kreis (wie eine Sonne) auflegen. Wenn sie etwas Farbe angenommen haben, Teig für einen Crêpe gleichmäßig aufgießen und stocken lassen. Mit einem Pinsel am Rand Butter aufstreichen, so dass sie unter den Teig fließt. Sobald die eine Seite leicht braun ist, den Crêpe wenden und auf der anderen Seite ebenso verfahren. Mit Zimt- und Puderzucker bestreut servieren und dazu die Vanillesauce reichen.

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Impressum

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Herausgeber Eckart Witzigmann in Partnerschaft mit der Baden-Württemberg Stiftung/Stiftung Kinderland und dem Sparkassenverband Baden-Württemberg Konzeption Rainer Knubben Redaktion Nicole Scherbel Texte Nicolas Hosseinpour, Seiten 24, 29, 32, 36, 41, 45, 48, 53, 57, 60, 65, 68, 73, 76, 81, 86, 90 Andreas Krohberger, Seiten 116, 121, 124, 129, 133, 137, 140, 145, 148, 153, 156, 161, 164, 169, 172, 177 Stefan Scheytt, Seite 19 Fotos Rainer Kwiotek, außer: Heide Hintereck, Seiten 117, 142, 145, 147, 163, 179 David Haug, Seite 139 Klein und Schneider, Seite 166 Roland Bauer, Seite 155, 174 Jan Bürgermeister, Seite 158 Klaus-Maria Einwanger, Seite 12 David Littschwager, Seite 18 Gestaltung stilgruppe | Visuelle Konzepte, Kleinmachnow www.stilgruppe.com

Repro highlevel GmbH, Berlin Druck und Weiterverarbeitung Dr. Cantz´sche Druckerei, Ostfildern ISBN 978-3-942561-11-2 Printed in Germany 2011 © edition k Kunst und Kulinaristik Verlag GmbH, Remshalden in Partnerschaft mit Hampp Media GmbH, Stuttgart Weitere Informationen über das Projekt „Gartenland in Kinderhand“ der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg erhalten Sie unter www.stiftung-kinderland.de Dank Herausgeber und Verlag danken herzlich für die engagierte Unterstützung des Buchprojektes dem Verein zur Förderung gesunder Ernährung in Kindergärten und Schulen, der getragen wird von Hermann Bareiss, Roland Burtsche, Heiner Finkbeiner, Otto Geisel, Jörg Sackmann, Heinz Schiebenes, Richard Schmitz, Norbert Schwalbe und Bernhard Zepf. Großer Dank gilt auch Herbert Moser, dem ehemaligen Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung, der sich von der Idee des Projektes begeistern ließ und es auf den Weg brachte. Ebenso ein schöner Dank an Dr. Petra Sauter vom Sparkassenverband Baden-Württemberg, der dazu beiträgt, das Buch hinaus zu den Kindergärten im Land zu tragen.


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