B7 B A U ME ISTER K U R AT I E R T VO N WINY MAAS M V R D V/ THE WHY FAC TO RY 117. Jahrgang Das Architektur-Magazin
Juli
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ImPossible Prolog Schichten. Geschichte. Verdichtung. Der persönliche Blick auf die Anfänge von MVRDV, Schlüsselprojekte in Deutschland, im Raum zwischen Vorschriften, Dogmen und Intellektualismus. Eindrücke eines Außenstehenden Winy Maas S. 6
Rubriken S. 116 Lösungen: Fassade S. 122 Referenz S. 124 Lösungen: Interior S. 129 Impressum, Vorschau S. 130 Portfolio S. 138 Kolumne Seite
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Green Germany „I Can See For Miles and Miles“ (The Who) Unser Überleben hängt von mehr als nur einer Nachhaltigkeitszertifizierung ab. Es wird Zeit für die Architektur, bisherige Lösungen zu überdenken und Ambitionen neu zu kalibrieren. Der Flug eines Träumers Text: Herbert Wright
German Attitude
German Rules
„Typisch Deutsch!“, finden die Nachbarn.
Das geht doch nicht in Deutschland!
Intellektuelle Konstrukte hinter gewöhnlichen Projekten. Architektur als Religion, Spektakuläre Langeweile und immense Banalität als ihr Ergebnis. Oder doch nicht? Erstaunliches jenseits jeglicher Vorhersehbarkeit
„Sind wir denn schon so brav geworden, dass wir einen Wettbewerb in Deutschland gewinnen können?“, wundert sich Oliver Thill. Wett bewerbswesen und Regelwerke als Herausforderung beim Bauen in Deutschland
Text: MVRDV Illustrationen: eBoy
S. 18
Christine Sohar im Gespräch mit Oliver Thill
S. 44
Bundesgartenschauen als Katalysator für den urbanen Raum
Von Flüchtlingsunterkünften zu bezahlbarem Wohnungsbau
Vordergründig mochten die BUGAs in den letzten Jahrzehnten nach Leistungsshow des Gärtnerhandwerk aussehen. Doch waren sie von Beginn an Werkzeug zur Stadtreparatur, ökologischen Aufwertung und Quartiersentwicklung sich wandelnder Städte.
„If Germans want to be fast, they can be fast“. Was die neue deutsche Unkompliziertheit des Sommers 2015 für die heutige Architektur bedeutet. Making Heimat 2020 – eine Bestandsaufnahme
S. 32
Text: Anna Scheuermann
Winy Maas im Gespräch mit Martin Rein-Cano S. 26
S. 54
Germany Made in Germany Ein Haus namens Helene Fischer Steht in Deutschland die Perfektion der architektonischen Genialität im Wege? Über Stararchitektur, die Suche nach Sinnlichkeit und die Angst vor Entzauberung Text und Bild: Wojciech Czaja
German Water Lernen von der Welt: Ein neues Verständnis von Wasser Herne, Stuttgart, Gelsenkirchen, München. Was diese Städte gemeinsam haben? Sie verbrauchen deutlich mehr Wasser, als sie selbst auf ihrem Grund gewinnen können. Unser Umgang mit einer endlichen Ressource
German Beauty Mobilität auf dem Nebengleis Unbekannte Schönheiten fernab der Schnellstrecken. Was Schienenpersonennahverkehr außerhalb des 20-MinutenTakts in Deutschland aber auch bedeuten kann Text und Bild: Deutsche Realität
Interview Über Informationen als der Pulsschlag unserer Zeit, Entwerfen im Dialog und die Bedeutung von „zu Hause sein“ in einer globalisierten Welt Alexander Gutzmer im Gespräch mit Winy Maas
Javier Arpa Fernández im Gespräch mit Henk Ovink
S. 98
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Gemeinsam bauen: vom „ego“ zum „we go“
Epilog
Kooperationsprozesse in Zeiten steigender Baupreise. Das Potenzial der Baugruppen, Stadtentwicklung nachhaltig zu beeinflussen Text: Christiane Bürklein S. 78
S. 90
What‘s next? Die Stadt als Lebenselixier und unsere Verantwortung als neue 1,5-MeterGesellschaft Winy Maas S. 112
S. 72 Seite
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Plusenergiehäuser Der Traum vom Eigenheim
als umweltschonende Augensünde. Wieso kann man das nicht auch mit etwas mehr Sinn für Ästhetik bauen? Oder ist nachhaltig ein Synonym für langweilig?
Das Haus am Buddenturm von Hennpohl Architekten in Münster ist ein innovativer und dabei sein Umfeld respektierender Neubau mit Liebe Die Antivilla von
zum Detail. Bauen
Arno Brandlhuber
im Bestand, ohne in
ist eine mutige Inter-
Retro-Nostalgie zu
pretation und Ak-
verfallen – das geht!
tualisierung eines Bestandsbaus. Geschichte wird hier nicht verleugnet oder geschönt, sondern zeitgemäß aufgearbeitet.
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Was sollen denn die Nachbarn denken? Die Reaktion der Fertighausanbieter: eindeutig an erfolgreichen Formeln festhalten. Und so bleibt er nach wie vor ein Evergreen: der Winkelbungalow. Bauen für die anderen
Mutig ist möglich, auch für Fertighausanbieter. Alfredo Häberlis Traum eines Maßstäbe setzenden Musterhauses, mitten im Allgäu. Ökologischer Holzbau als Protoyp – Haussicht als Aussicht?
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FOTOS: KL AUS LE IDORF LUF TBILDDOKUME NTATION
Per Autopilot durch das System an Gestaltungsmรถglichkeiten: Neubauviertel in Bayern
Wettbewerben teilnehmen, wenn wir uns für diese zu sehr anpassen müssen. Uns sind die sozialen Elemente wichtig, die ja die Qualität des Entwurfs noch mal nach oben heben, Bewegungszonen, das Mischen von öffentlichen und privaten Bereichen, das Einbeziehen der Landschaft und des urbanen Raums. Diese sozialen Aspekte werden aber be i den Aussch re i bungen meist vernachlässigt. Unsere Philosophie ist ja kontextbezogen, also nicht im Stil von Le Corbusier, der seine Lösungsansätze für unterschiedliche Kontinente verfolgte ... Wettbewerbe – Mittel zur Vermeidung von Formfehlern? OT: Vielleicht haben wir hier mit diesem Gespräch ein Mittel, um den politischen Diskurs ein bisschen zu beeinflussen? Da wir in sehr vielen europäischen Ländern arbeiten, sehen wir vieles mit einem kritischen Abstand und vielleicht etwas klarer. In diesem Zusammenhang würde ich vorschlagen, das deutsche Wettbewerbssystem zu reformieren, da es in seiner derzeitigen Form nicht wirklich funktionier t – und auch sehr vom westeuropäischen Standard abweicht! Unbezahlte Wettbewerbe mit 25 Teilnehmern finden wir eine echte Zumutung! Wir meiden diese Verfahren dann auch. Einerseits ist so viel Vielfalt aus unserer Sicht nicht nötig und für die großen Jurys ohnehin kaum zu erfassen. Andererseits sollten Architekten für ihre Innovationsleistungen bezahlt werden. Alles, was man g ratis bekommt, wird doch als wertlos wahrgenommen! Uns ist unklar, warum die Architektenkammern solche im Grunde ausbeuterischen Ver fahren überhaupt unterstützen! In Be l g i en und vo r a l l em i n Frankreich wäre das undenkbar. Wir konzentrieren uns in Deutschland daher eher auf kleinere private Wettbewerbe, die adäquat bezahlt werden. Persönlich finde ich es zudem antiquiert, Wettbewer-
be anonym zu organisieren. Der direkte Kontakt mit den Bauherren ist gerade während der Wettbewerbsphase nicht unwichtig, denn die entscheidenden Ideen kommen oft aus dem Dialog! Auch ermöglicht eine mündliche Zwischen- oder Endpräsentation, Ideen zu erläutern und ein direktes Feedback mit Lerneffekt für alle Beteiligten zu erhalten. Letztendlich entscheiden doch immer die Auftraggeber – daher sollten sie auch Büros wählen können, denen sie vertrauen. Der Architektur wird bei anonymen Verfahren oft eine Autonomie zuerkannt, die sie im Grunde nur selten besitzt. Architektur ist vor allem ein Prozess, es ist doch selten so, dass wir uns hinsetzen und zeichnen und dass das Resultat direkt so gebaut wird. Die Realität ist oft viel komplexer, und das so l l ten d ie Ve r fah ren auch reflektieren. Ö f f e n t l i ch e We t t b ewe r b e werden aus unserer Sicht zuneh mend auch von e i ne r „Angstkultur“ geprägt. Histor i sch wa ren Wet t bewe r be eher ein Motor für Innovation und Baukultur, heute sind sie vor allem ein komplexes Mittel für öffentliche Vergaben, um Formfehler zu vermeiden: relativieren, kontrollieren und Risiken vermeiden. Genau das zeigt sich auch in den Wettbewerbsprogrammen – je dicker sie werden, umso weniger sagen sie aus. Das größte Problem bei Wettbewerben in Deutschland ist die Tatsache, dass Raumprogramme sehr starr sind und eine direkte, funktionalistische Umsetzung eingefordert wird. Dabei ist die „Funktion“ bei einer langfristig nachhaltigen Architek tur eher unwichtig. Eine freiere Interpretation der Aufgabe, wie ihr das ja auch sehr oft macht, wird damit verhindert und ist sehr oft auch gar nicht gewünscht. Hiermit wird ein großer Teil vieler räumlicher Potenziale sofort bewusst oder unbewusst abgewürgt. Ich bin der Meinung, dass eine der wichtigsten Aufgaben des Architekten aber gerade in der subversiven Inter-
pretation des Raumprogramms liegt. Nur hierdurch können neue Lebens- und Raumwelten entstehen. Hat man aber ein Raumprogramm, in dem alles bis ins kleinste Detail schon festgesch rieben ist, dann gibt es auch kaum noch etwas zu entdecken. Die Probleme des 21. Jahrhunderts erfordern neue kompaktere Ansätze für das Wohnen, Arbeiten und Lernen – da helfen uns starre funktionalistische Raumprogramme wie aus den 1950er-Jahren kaum weiter. Die Wettbewerbsprogramme sollte man daher prinzipiell offener organisieren, um mehr Innovation zu stimulieren!
Oliver Thill Nach seinem Architekturstudium an der TU Dresden hat Oliver Thill zunächst in niederländischen Büros gearbeitet. Zusammen mit André Kempe gründeten die beiden deutschen Architekten in Rotterdam das inzwischen europaweit arbeitende Atelier Kempe Thill Architects and Planners. Das Arbeitsspektrum des Büros hat sich im Laufe der Jahre von Kollek-
CS: Ja, das ist wünschenswert! Aber hast du nicht auch das Gefühl, dass bei den Wettbewerben schon neuartige Ideen gefragt sind, aber es dann nicht zu deren Umsetzung kommt? Es werden innovative Ansätze verlangt, doch dann will man so viel wie möglich einsparen. Klar, das hängt mit der Wirtschaft zusammen, mit dem Immobilienmarkt, der oft diktiert, dass alles effizienter und gewinntragender sein soll und so weiter. Als Architekt sitzt man dann am Ende des Asts und soll zeigen, wo es bitte noch Spielraum gibt. Das ist doch absurd. Trotzdem machen wir natürlich bei Wettbewerben mit, wie und ob man vielleicht nicht doch etwas verbessern kann, damit es anders wird, in eine andere Richtung geht ... OT: Das Wort Experiment verwenden wir bei uns eigentlich nicht so gern, denn das impliziert ja auch immer, dass etwas schief gehen kann. Eher Innovation … ein Mehr an räumlichen Möglichkeiten, Flexibilität und Kompaktheit. Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Wir sind mehr daran interessiert, dem Auftraggeber zu einer Art Coming-out zu verhelfen, damit wirklich das passiert, was er sich vielleicht nicht getraut hat zu fragen oder was er sich in all seiner räumlichen Konsequenz noch nicht vorstellen konnte. Bauen sollte ein wirkliches Erlebnis für alle sein, und vor allem
tivwohnungen und kleinen öffentlichen Bauaufträgen hin zu großen Sanierungs-, Infrastruktur- und Stadtgestaltungsprojekten entwickelt. Oliver Thill hält seit 1999 diverse Gastprofessuren bzw. Lehraufträge inne, u.a. in Delft, Rotterdam, Arnheim, Lausanne und Düsseldorf.
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FOTOS IM UHR ZE IGE R SINN: BE LLEVUE DI MONACO; REGINA RECHT; ANJA WE BE R
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FOTOS: ANJA WE BE R; UNTE N RECHTS: OL AF M AHL STE DT
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Gemeinsam bauen: vom „ego“ zum „we go“
Text: Christiane Bürklein
Gemeinschaftswerke können auch gelingen: der Turmbau zu Babel von der Klasse 5, Realschule Crailsheim
Ein Exkurs in die Vergangenheit … Sollte man die Idee des gemeinschaftlichen Bauens – als Konstante in der Menschheitsgeschichte – mit dem Turmbau zu Babel beginnen? Einem der bekanntesten Beispiele, bei dem sich viele Menschen zusammengetan haben, um ein architektonisches Projekt zu realisieren? Dass diese Initiative den Unwillen Gottes auf sich zog und die „babylonische Sprachverwirrung“ und damit unsere Sp rachenviel fal t zu r Folge hatte, ist sicherlich eine andere Geschichte. Epochal muss ein solches Unterfangen aber schon damals gewirkt haben. Phasen des gemeinschaftlichen Bauens Dass gemeinscha f t l iches Bauen im letzten Jahrhundert große Relevanz hatte, zeigt
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sich in unserem Gespräch mit der Architektin Octavianne Hornstein aus München. Sie ist eine Expertin für partizipatives Bauen – ein Thema, das sie seit Studium und Lehre und in ihrer professionellen architektonischen Tätigkeit begleitet. Als Mitglied im Forum für Baugemei nscha f ten München und als Projektbetreuerin bei der Conplan-Projektentwicklung involviert in solche Vorhaben, ist sie am Pulsschlag des Geschehens auf diesem Sektor, spricht sie von einer Wellenbewegung des Phänomens „gemeinsam bauen“: „Es gibt immer wieder gesellschaftliche Phasen von mehr oder weniger stark ausgeprägten Ambitionen für gem e i n sch a f t l i ch es Wo h n e n und Arbeiten, angefangen von den 1920er-Jahren mit alternativen Lebenskonzepten, über die ‚68er‘ mit den Kom-
QUE LLE: MINISTE RIUM FÜR KULTUS, JUGE ND UND SPORT BADE N-WÜRT TE MBE RG / W W W. SCHULKUNST-BW.DE
Architektur in Deutschland. Das geht auch anders, ohne knallharte Renditevorstellungen, ohne Fantasielosigkeit und Tristesse, die einem beim Betrachten vieler Bauwerke in den Sinn kommen mag. Insbesondere auf dem Sektor Wohnungsbau tut sich einiges, denn gerade hier entstehen gemeinschaftliche Projekte, die mit anderen realisiert werden, die gleiche Werte teilen. Daraus resultiert ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Ein Blick auf die Baugruppen, die Anfänge, die Gegenwart und die Zukunft eines Phänomens, das uns viel über den Wohnungsbau in Deutschland erzählt
munen, in den 1980er-Jahren d i e ö ko l o g i s ch , g e m e i n schaftlich orientierten Wohnprojekte und aktuell seit den Nullerjahren wieder der erstarkte Wunsch nach mehr Gemeinschaft, Kommunikation und M i tgestal tung des Wohnumfelds.“ Während es am Anfang der Baugruppenbewegung nicht sehr einfach war, sich im Rahmen der geltenden Auflagen und Vorschriften zurechtzufinden, sei es heute, dank der Erfahrungen und der erlebten Praktikabilität solcher Wohnp r o j e k t e, m a c h b a r o d e r „nicht ganz so utopisch“, wie Hornstein es beschreibt. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Instrumenten, also gesellschaftliche Mittel, zur Durchführung eines solchen Bauvo r h a ben s . H i e r zu zä h l en nicht nur kommunale Verordnungen, sondern auch solche für die Finanzierung, die ein Baugruppenprojekt vor babylonischen Zuständen und somit dem Scheitern schützen.
aufzulösen. Es handelt sich um einen regelrechten Lernprozess, bei dem Individuen zu einer Gruppe zusammenwachsen, erklärt Hornstein. U n d s i e we i ß, wovo n s i e spricht: Seit 2013 betreut sie Wohnprojekte, meist Baugemeinschaften im Eigentum, über alle Phasen des Projekts: von der ersten Akquisition ode r Bewe rbung fü r ein Grundstück über die Gruppenbildungsphase, die Beglei tung de r a rchi tek tonischen und organisatorischen Planung sowie der Durchführung des Projekts bis zur Abnahme der Bauarbeiten und Übergabe an die Mitglieder. Sicher nicht immer ein einfaches Unterfangen, aber „es macht immer wieder Freude zu sehen, wie Menschen ihre Gruppentauglichkeit zeigen und die unterschiedlichsten Persönlichkeiten in diesen Ko-
rers oder Projektbetreuers erfo rde rl ich. Die Baug ruppe verlangt daneben aber auch einen Architekten, der sich nicht nur sehr viel mehr engagieren muss als bei „normalen“ Wohnbauprojekten, sondern diese Form der Zusammenarbeit schätzt. Eine solche Begleitung, die zwischen den Bauträgern, dem ausführenden Architekten und den Anwälten der Gruppe vermittelt, ist wesentlich für das Gelingen eines solchen gemeinscha f t l ichen Unte r fangens und zudem eine nach HOAI anerkannte Tätigkeit. Sie wird, gerade wegen des besonderen Engagements, das hier verlangt wird, entsprechend höher vergütet. Es liegt nicht jedem, ein vielstimmiges Konzert zu dirigieren und zu verhandeln, bis die planerischen Entscheidungen im Sinne der ganzen Gruppe getroffen sind
FOTO: OC TAVIANNE HORNSTE IN
Kooperationsprozesse werden zu Lernprozessen So mag manch einer kalkulieren, dass Bauen mit einer Baugruppe Geld sparen kann und sich anfangs mehr auf die finanzielle Seite konzentrieren – um dann im Laufe der Zeit festzustellen, dass nicht nur das materielle Resultat hochwertiger ist, sondern dass es noch eine Reihe anderer Vorteile gibt, die mit diesem Planungsmodell einhergehen. Dabei steht der soziale Aspekt an vorderer Stelle. Es entsteh e n F re u n d s ch a f t e n, u n d Nachbarschaf ten wachsen schon während des Prozesses zusammen, bei dem Demokratie gelebt, wenn auch in vielen Fällen erst erlernt wird. Bauen in einer Gruppe, das bedeutet immer auch diskutieren. Hier werden Meinungen ausgetauscht, gemeinsam nach Lösungen gesucht. Da eine Baugruppe – wie das Wor t schon sagt – nur aus meh re ren bestehen kann, heißt es immer, einen Konsens zu finden – was wiederum bedeutet, die Bedenken der anderen anzuhören und diese
Kooperationsprozess von der Akquise bis zur Durchführung: Baugemeinschaft „Gemeinsam größer“, Domagkpark, München 2016. Conplan/agmm
ope ra t i onsp rozess h i ne i nwachsen“. Das ist eben der Punkt, der vielen Beteiligten erst im Nachhinein bewusst wird: Mehr als der finanzielle ist es letztendlich der soziale Aspekt, der bei dieser Form des Wohnungsbaus den Ausschlag gibt, lautet zumindest das Fazit aus ihrer eigenen Erfahrung. Ohne Regeln geht dies natürlich nicht, und deshalb ist die Rolle des Moderators, Steue-
und dabei der Wunsch nach einem guten durchgängigen Standard erfüllt ist. Gerade die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung sieht in der Praxis, so bestätigt auch Hornstein, manchmal anders aus, wenn die Beteiligten Ausnahmegenehmigungen für einzelne Beschlüsse verlangen. In einem solchen Fall muss der Architekt sich entsprechend vorbereiten und konsensfähige Alternativen
aufzeigen, die einer Gruppendiskussion standhalten und alle zufriedenstellen können.
G leiches Engagement gilt übrigens auch für die Fachplaner, die sich auf die Arbeit mit den einzelnen von der Baugruppe gegründeten Arbeitsgruppen einlassen müssen, die im Sinne der gelebten Demokratie die Vorschläge in Ausschüssen behandeln, E inwände prüfen und letztendlich Entschlüsse fassen. Dies erzeugt ein komplett anderes Vertrauensverhältnis, nicht nur innerhalb der Gruppe, sondern auch zu den Leistungsträgern. Was sind es für Personen, die den gemeinscha f t lichen Wohnungsbau wagen? Voraussetzung ist, dass der Einzelne ausreichend Eigenkapital hat, andernfalls wird es mit der Finanzierung eines Projekts in einer solchen Größe schwierig, dessen Quadratmete rp reis – zumindest in München –, so Octiavanne Hornstein, bei etwa 7.000 Euro pro Quadratmeter liegt. Quadratmeterpreise, die den letzten Jahren aufgrund der Konjunktur eine Steigerung der Baukosten von 25 Prozent erfahren haben. Vereinzelt kommt es bei den Baugruppen vor, dass manche Mitglieder höher in Vorleistung treten, um beispielsweise vorhandene Finanzierungslücken für den Kauf des Grundstücks zu kompensieren. Auch wenn es Absicherungen für diese Extra-Einlagen gibt, so ist eine Vertrauensbasis für eine solche Geste t rotzdem unumgängl ich. Letztendlich aber finanzieren alle Beteiligten das Projekt über eine Bank, die wiederum diese Art der Bauvorhaben ve rs t eh t u n d u n t e rs t ü t zen muss. Dies hat mit den rechtlichen Besonderheiten zu tun, auf denen die Baugruppe als Seite
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German Lernen von der Welt: Ein neues Verständnis von Wasser
Rhein, Mosel, Elbe. Gefragt nach kritischen Wasserereignissen war die Antwort in Deutschland bisher wohl eher Hochwasser. Doch seit dem trockenen Sommer von 2018 ist die Gefahr der Wasserknappheit auch hier im Bewusstsein angekommen. Javier Arpa Fernández sprach mit Henk Ovink, Experte für internationale Wasserfragen, über die Situation in der Welt – und was Deutschland von ihr für die Zukunft lernen kann.
Javier Arpa Fernández im Gespräch mit Henk Ovink Seite
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Javier Arpa Fernández: Ich würde die Wassersituation in Deutschland gerne aus verschiedenen Blickwinkeln mit Ihnen betrachten, Henk. Als Experte für die globalen Zusammenhänge in Wasserfragen haben Sie sicher Ideen auch für Deutschland. Wie können wir voneinander lernen? Aber lassen Sie uns zunächst einen Blick auf das Gesamtbild werfen. Wie steht es um unsere Frischwasserressourcen in der Welt? Welches sind die am stärksten bedrohten Gebiete? Und wohin bewegen wir uns derzeit eigentlich? Henk Ovink: Ja genau, es ist wichtig, zuerst den globalen Kontext zu betrachten. Beim Stichwort Wasser kann man nicht nur eine Region isoliert betrachten, alles ist miteinander verbunden.1 Ebenso die Themen: die Ver fügbarkeit von Frischwasser und dessen Qualität. Der Beda r f einer wa ch se n d e n B evö l ke r u n g und einer ebenso wachsenden Wirtschaft, mit einer rasch wachsenden Mit telschicht. Der Frischwasserbedarf steigt schneller als das Bevölkerungswachstum. Die Landwirtschaft verbraucht durchschnittlich über 70 Prozent des ve r füg ba ren Wa sse rs . Zugleich gibt es aber nicht mehr Wasser, denn dessen Verfügbarkeit steigt nicht mit dem Bevölkerungswachstum. Nur ungefähr 0,4 Prozent stehen für den menschlichen Verbrauch zur Ver fügung – für Landwirtschaft, Industrie oder als Trinkwasser. Die Oberfläche der Erde ist zu 70 Prozent mit Wasser bedeckt. Im Vergleich zum Volumen des Globus ist die Wassermenge auf dem Planeten
QUE LLE: HOWARD PE RL M AN, USGS, JACK COOK, WOODS HOLE OCEANOGR APHIC INSTITUTION, ADA M NIE M AN, IGOR SHIKLOM ANOV
Water aber sehr gering, mehr wie ein Film auf der Oberfläche. Es scheint so viel Wasser auf diesem „blauen Planeten“ zu geben, aber es ist viel weniger, als die Menschen denken. Wir haben also in gewisser Weise eine dreifache Herausforderung. Wasser an sich ist bereits eine knappe natürliche Ressource. Zweitens wird Wasser nicht als Handelsware betrachtet, im Gegensatz beispielsweise zu fossilen Brennstoffen oder Nahrungsmitteln. Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion, das ist ein Wirtschaftszweig. Die Landwirtschaft liefert Rohstoffe für diesen Markt. Aber mit Wasser kann man keine Geschäfte machen. Denn Wasser ist ein Menschenrecht. Das bedeutet, dass es keinen Preis für Wasser gibt. In einigen Ländern ist es laut Verfassung sogar verboten, einen Preis für Wasser festzulegen. Letztendlich wird Wasser unterbewertet. Und drittens wird durch den Klimawandel alles schwieriger. Wie eine große Lupe macht er die Herausforderungen, aber auch unsere Bedürfnisse, unsere Verwundbarkeiten und Abhängigkeiten stärker sichtbar. Die Extreme werden extremer. Trockene Or te werden t rockener, nasse Orte nasser. Mehr Starkregenereignisse, längere Trockenperioden, mehr Wetterextreme, die unsere Systeme, unsere Infrastruktur, unsere Gesellschaften und unsere Umwelt belasten. Die drei Grundpfeiler der Wassersicherheit JAF: Und welche Lösungen gäbe es als Konsequenz für die gegenwärtige Situation?
Gesamtes Wasservorkommen auf der Erde: in Ozeanen, Eiskappen, Seen, Flüssen, Grund wasser, atmosphärisches Wasser und das Wasser in Lebewesen und Pflanzen (Volumen etwa 1.386.000.000 km3) Flüssiges Wasser: Grundwasser, Seen, Sumpfwasser und Flüsse (Volumen etwa 10.633.450 km3) Frischwasser: in allen Oberflächengewässern wie Seen und Flüssen der Erde (Volumen etwa 93.113 km3)
Volumendarstellung der Wassermenge auf der Erde im Vergleich zur Größe des Planeten
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German Beauty Mobilität auf dem Nebengleis Einwohner: 3.754.418 Baujahr Bahnhof:
Berlin-Charlottenburg ab 10:21
Berlin Zoologischer Garten ab 10:17
Berlin Hbf ab 10.11
10:0 0
Regionalexpress (Nahverkehr):
Reisen mit dem ICE durch Deutschland, Umsteigen an multifunktionalen Fernbahnhöfen – Stationen der Regionalbahnen verschwinden im Augenblick der Geschwindigkeit. Die Deutsche Bahn AG besitzt 33.400 km Schienen und 5.700 Personenbahnhöfe, von denen viele wahrlich nicht zum Warten einladen, trotzdem stehen hier täglich Pendler. Was sind das für Orte? fragt sich Winy Maas. Eine langsame Reise in Bildern, von Berlin nach Graben-Neudorf, durch wahre Kleinode abseits der üblichen Touristenorte
1871/2006
Berlin, Berlin Hier halten 10 ICE, zwei EC, drei IC, zwei Night Jets der ÖBB (nach Zürich und Wien) sowie vier Linien der S-Bahn, vier Lokallich mehr als 300.000 Reisenden. Der Berliner Hauptbahnhof, ehemals bekannt als Lehrter
Text und Bild: Deutsche Realität
Stadtbahnhof, ist ein Projekt des Büros Gerkan, Marg & Partner und wurde nach elfjähriger Bauzeit 2006 als größter und modernster Verbindungsbahnhof Europas wiedereröffnet.
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FOTO: WIKIPE DIA/ANSGAR KORE NG
und acht Regionalzüge mit täg-
Einwohner:
26.427
23.420
Baujahr Bahnhof:
Baujahr Bahnhof:
1846
1846
Einwohner:
Einwohner:
3.041
15.736
Baujahr Bahnhof:
Baujahr Bahnhof:
1850 Gebäude der Hauptbahn,
1873
Kleinbahnhof: 1900,
Empfangsgebäude:
Ergänzungen: 1915/1930
1901
Magdeburg Hbf Ankunft 11:51
Magdeburg-Neustadt ab 11:47
12 : 0 0
Burg (Magdeburg) ab 11:33
Güsen (b Genthin) ab 11:26
Genthin ab 11:18
Wusterwitz ab 11:10
11: 3 0
Kirchmöser ab 11:06
Werder (Havel) ab 10:46
Brandenburg Hbf ab 11:00
11: 0 0
Potsdam Hbf ab 10:38
Berlin Wannsee ab 10:30
10:3 0
UMSTEIGEZEIT 34 MIN.
Einwohner:
Burg (Magdeburg), Sachsen-Anhalt Werder (Havel),
Sachsen-Anhalt
FOTOS: WIKIPE DIA/A . SAVIN, GREGOR ROM , H. BRÜNIG, GRE IFE N
Brandenburg Der Regionalexpress RE1 im
Magdeburg-Neustadt,
Am Bahnhof halten der HBX, Wusterwitz,
Harz-Berlin-Express sowie der
Der Bahnhof Neustadt ist mit
Brandenburg
Regional-Express RE1 und die
etwa 2.000 Reisenden pro Tag der
RB40 im Stundentakt.
zweitwichtigste Haltepunkt der
Halbstunden-Takt sichert die lokale Anbindung an Potsdam,
Stündlicher Halt des Regional-
Das Empfangsgebäude des Bahn-
Stadt Magdeburg. Hier halten
Berlin und Magdeburg.
express RE1 der Strecke Berlin-
hofs Burg gehört zu einer teilweise
der RE1 und RE13, die RB 35 und
Die Stadt plant 2020 den Umbau
Magdeburg
denkmalgeschützten Anlage
die S1 und garantieren eine
des Bahnhofvorplatzes zur
Die Bahnhofsanlage an der
mit historischem Verladekran und
gute Anbindung an den Hbf sowie
Verbesserung der ÖPNV-Infra-
Hauptstrecke umfasst das
Wasserspeicher. Ein neu gestalte-
die anderen Städte der Region.
struktur. Das historische Bahn-
Empfangsgebäude aus dem
ter Vorplatz, der sich zum Goethe-
Das Eingangsgebäude ist ein his-
hofsgebäude stand lange leer,
Historismus mit Anbauten aus
park hin erstreckt, war 2018 der
torischer Bau der „Königlich Preu-
wurde dann umgenutzt.
den folgenden Jahren, eine
Haupteingang zur Landesgarten-
ßischen Eisenbahnverwaltung“
Die Stadt Werder mit ihrer idylli-
Mauer und einen Güterschuppen.
schau Sachsen-Anhalt 2018.
aus dem Jahr 1901. Nachdem der
schen Lage am Wasser und der
Vom Land Brandenburg sind
Diese Veranstaltung gab Burg
Bahnhofsvorplatz 2010 aufge-
Altstadt auf einer Havelinsel wird
die Bauten zwar unter Denkmal-
die Gelegenheit, in den Parkanla-
wertet wurde, hat das zuständige
wegen der vielen blühenden
schutz gestellt, dienen aber
gen Blumenarrangements und
Eisenbahn-Bundesamt 2019 die
Obstbäume auch als Blütenstadt
nicht mehr ihrem ursprünglichen
Kinderspielplätze anzulegen und
Umnutzung des Bauwerks als Fit-
bezeichnet.
Zweck.
die Ufer der Ihle zu verschönern.
nessstudio freigegeben.
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Langweilig mag ich nicht. Eine gesamte Baumeister-Ausgabe über Deutschland, gastkuratiert von einem niederländischen Architekten – dafür braucht es durchaus Mut vom Kurator. Winy Maas und das Büro MVRDV, das er mit Nathalie de Vries und Jacob van Ries führt, dürften wohl zu den Architekturbüros gehören, bei denen eine gewisse Unerschrockenheit zur Philosophie gehört. Alexander Gutzmer sprach mit Winy Maas darüber, wie sich die inhaltliche Gestaltung dieser Baumeister-Ausgabe entwickelte – und weshalb Hans Kollhoff ihn einmal äußerst schockierte. Alexander Gutzmer im Gespräch mit Winy Maas
Alexande r Gutzme r: Winy, vielen Dank für die Zusammenarbeit an der aktuellen Ausgabe. Was hat Sie an diesem Projekt interessiert? Winy Maas: Vor allem das Medium selbst – ein Magazin. Ich liebe Zeitschriften und halte Publikationen in Papierform für einen wirklich essenziellen Bestandteil des Architekturdiskurses und der architektonischen Praxis. Printmagazine sind eine Plattform, für die man sich einsetzen sollte. Es gibt zwar mehr Onlinemagazine als je zuvor, aber es fehlt an Substanz und Tiefe. Die Gestaltung einer Zeitschrift ist für uns auch eine Ausweitung unserer Arbeit als Architekten. Manche I deen kan n man nicht einfach sofort in einen G e b ä u d e e n t w u r f u mwa n deln. Die bringen wir dann erst mal in Zeitschriften unter, jetzt also auch in Ihrer. AG: Lesen Sie überhaupt Zeitschriften? Seite
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WM: Pausenlos. Den Lesestoff verwende ich auch in meinen Präsentationen, weltweit, von Graben-Neudorf bis Taiwan. Zitate sind heute ein wichtiges intellektuelles Arbeitsmittel, sowohl für die Wissenschaft als auch für mich persönlich. Sie relativieren die Dinge. Wir als Architekten müssen Experten darin sein, uns ständig neue Perspektiven zu eröffnen. Ich mache viele Screenshots, wenn ich interessante Dinge lese und entdecke. Sie dienen mir als Inspiration für meine Arbeit und auch für meine Vo r t räge, ein ganz cooles Copy & Paste. AG: Und Lesen hilft in dieser Hinsicht? WM: Es ist unentbehrlich. Wir arbeiten ja alle irgendwie an der Zukunft. Was die aktuelle Informationsflut da draußen betrifft, so haben wir die Möglichkeit und die Verantwortung, eine – wie ich sie nenne – kontinuierliche Evaluierung
der Evolution vorzunehmen. Dies ist der wahre Sinn der Informationsrevolution.
gestellt wird. Man könnte sagen, Information ist das A und O unserer Zeit.
AG: Eine wichtige Erkenntnis dieser Informationsrevolution scheint mir, dass Information überall und allgegenwärtig ist. Mobiltelefone sind die kulturellen Ikonen unserer Zeit, und Smar t Products t ragen das Konzept der Information in den physischen Bereich. Ihre Architektur scheint diese Informationsüberflutung widerzuspiegeln – wie zum Beispiel das „Werk 12“ in München, das Sie letztes Jahr fertig gestellt haben und dessen Fassade Wörter enthält. WM : I n f o r m a t i o n h a t u n s schon immer interessiert – im Grunde seit Jacob van Rijs, Nathalie de Vries und ich MVRDV gegründet haben. In unseren Bibliotheksent würfen, etwa dem Tianjin Binhai, wird das geschriebene Wort zelebriert, indem eine große Anzahl an Büchern dort aus-
AG: Und sie kann einen echten Wandel bewirken. WM: Genau. Deshalb spiele ich gerade mit dem Gedanken einer Informations-„Kommandozent rale“ wie in Kubricks Film „Dr. Strangelove“. Mir schwebt ein physischer Raum vor, an dem alle Daten weltweit gesammelt werden, eine Art universelles Überwachungszentrum. Wir brauchen einen Ort, an dem diese Daten dargestellt werden, ansonsten bleiben sie zu abstrakt. Daten müssen auf suggestive Weise gezeigt und analysiert werden. Wir sind momentan im Gespräch mit einem Technologiekonzern. Diese Kommandozentrale wäre zum Beispiel perfekt für Brüssel. Sie wäre auch eine Antwort auf die notwendige Neuer findung der EU.
mic, fasziniert von der potenziellen Stärke Deutschlands. Und ich würde unser Engagement auch als eine Art PostRudi-Carrel-Sache bezeichnen … Wir nehmen die Sache ernst und wollen zeigen, dass die niederländisch-deutsche Zusammenarbeit weit mehr ist als dieser eine Entertainer. Ich möchte mehr debat tieren, eine Beziehung zu Deutschland aufbauen. Und ich würde gerne einmal mit Angela Merkel sprechen ... AG: Gibt es einen Teil Deutschlands, zu dem Sie eine besonders enge Beziehung haben? WM: Lustigerweise lautet die Antwort hierauf womöglich Baden-Württemberg … AG: … was von vielen als der eher langweilige Teil Deutschlands angesehen wird … WM: Das kann sein. Aber es hat auch durchaus seine interessanten Seiten. Jedes Dorf dort hat eine eigene große Fabrikanlage, oft sind es Familienunternehmen. Zudem gibt es dort ein gutes soziales Netzwerk dank der lokalen Fußballclubs und Aktivitäten. Die wissen, wie man feiert. Die Menschen fahren eine Höchstzahl an Kilometern, um an einen Ort zu gelangen. Und die Landschaft wird vernichtet, dank der höchsten Traumh ä use r- D i ch t e i n g a n z Deutschland … oder vielleicht sind die Schwaben mit ihrer Geschäftigkeit auch einfach nur ein bisschen wie die Menschen aus Brabant hier in den Niederlanden ...
SKIZ ZE: WINY M A AS
Das Auge im Zentrum des Informationsflusses. Tianjin Binhai Library, 2017
AG: Und wird die Idee verwirklicht? WM: Im Moment ist es noch ein Wunscht raum, aber warum nicht? Für die internationale Gartenschau „Floriade“ 2022 in Almere in den Niederlanden versuche ich, eine reduzierte Version davon umzusetzen. Diese Kommandozentrale, die muss vor allem Wissen erzeugen, das neue Antworten liefert – etwa auf den Klimawandel. Wussten Sie zum Beispiel, dass wir unsere CO2Bilanz um 1.300 Prozent verbessern könnten, wenn man alle Städte welt weit in ein
Haus stecken würde? Oder dass das globale Klima um 1,6 Grad kühler wäre, wenn wir alle über oder an einem Ozean leben wü rden? Ich weiß, das klingt alles weit hergeholt ... Doch diese Erkenntnisse können hel fen, reale Probleme zu lösen. AG: Unse re Redak t ion ist, wenn man so will, eine andere Art von Kommandozentrale. Hier bereiten wir derzeit gemeinsam mit Ihnen und Ihrem Team den gast ku ra t ie r ten Baumeister vor1. Das übergeordnete Thema ist Deutsch-
land. Und warum Deutschland? WM: Berlin ist in gewisser Weise d i e Ge bu r t s s t ä t t e vo n MVRDV. Damals im Jahr 1991 gewannen wir den EuropanWettbewerb mit unserem Projekt „Berlin Voids“, das im Grunde genommen ein riesiges Puz z l e ve rsch i edene r Wohnungstypen ist. Deutschland ist heutzutage von großer Bedeutung für Europa. Aus niederländischer Perspektive könnte man unsere Wahrnehmung von Deutschland mit einer Art Calimero-Effekt erklären: Wir Niederländer sind wie das kleine Küken aus dem Co-
AG: Ich hätte gedacht, Hamburg ist Deutschlands niederländischster Teil? WM: Gehört Hamburg überhaupt wirklich zu Deutschland? (lacht) Die Stadt ist sehr stolz und protektiv und betont ihr hohes Maß an Unabhängigkeit. AG: Gibt es eine persönliche Beziehung zu Deutschland? WM: Oh ja, seitdem ich sechs Jahre alt bin! Das Auto meiner Eltern hatte eine Panne und wir verbrachten zwei Wochen in Cochem an der Mosel. Ich habe dort so etwas wie meine Seite
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„Green Dip“ Mumbai
ILLUSTR ATIONE N: THE WHY FAC TORY (DE LF T UNIVE RSIT Y OF TECHNOLOGY)
„Green Dip“ New York
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19 Lösungen: Fassade Interior + REFERENZ:
HOTEL ÖSCHBERGHOF IN DONAU-E SCHINGE N MIT MÖBE LN VON BRUNNER SEITE 12 2
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Lösungen Fassade An Glas und Stahl als Fassadenmaterial haben sich mittlerweile viele Menschen satt gesehen. Verstärkt setzen Architekten im Auftrag ihrer Bauherren wieder auf Naturstein, Ziegel oder Klinker. Denn diese Materialien erlauben es, Bezug auf die regionalen Besonderheiten zu nehmen und das Gebäude in die Umgebung einzubetten. Dank in der Regel kürzerer Transportwege fällt zudem die Klimabilanz besser aus.
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sechsstöckigen So-
mit dreidimensionaler
ckels weiß glasierte
Keramikfassade
Keramikplatten von
1
Gebäude entwickel-
gut 125 m hohe Wohn-
ten dreidimensiona-
und Geschäftshaus
len Elemente in einer
„The Park Loggia“ ein
Breite von 543 bis
eher kleines Hoch-
760 mm basieren auf
haus. Geplant haben
dem „Longoton-Sys-
den schlanken Wohn-
tem“ und wurden
turm Skidmore,
als vorgehängte und
Owings & Merrill
hinterlüftete Fassade
(SOM). In Anlehnung
montiert. Mit Rundun-
an die gemauerten
gen zwischen 120
Mehrfamilienhäuser
und 200 mm ragen sie
der Upper West Side
aus der Fassadene-
wählten die Archi-
bene heraus und ver-
tekten für die Fassade
jüngen sich in drei
des 26-stöckigen
Abstufungen bis zur
Turms und seines
Gebäudeoberkante.
FOTO: F IE LD CONDITION/SHILDAN GROUP
Moeding. Die für das Für New York ist das
WWW. MOEDING.DE
von Gabriele Oldenburg
Schlanker Wohnturm
B
7
Portfolio 2020
Architects‘ Best Products II Messeveranstaltungen? Verschoben oder ausgefallen. Besuch vom Außendienst? Schwierig bis unmöglich angesichts Homeoffice und Kontaktbeschränkungen. Was also tun, wenn man sich über neue Produkte und Lösungen informieren möchte? Man kann im Internet recherchieren, doch dort ist man mehr am Suchen denn am Finden. Oder: einfach den Baumeister aufschlagen und dort die von der Redaktion kuratierten Produkte und Lösungen entdecken.
Anzeige Zu den Leuchten
PRODUKTE: Leuchten aus der Serie „Puk World“ HERSTELLER: Top Light EIGENSCHAFTEN: LED-Linsenleuchten, Designer: Rolf Ziel. Die große Auswahl an Modellen dieser Produktfamilie macht den Einsatz in allen Raumsituationen möglich.
1
Mit Licht Atmosphäre erzeugen www.top-light.de 1 Die Lichtwirkung,
tungslösung für
die durch die „Puk-
die Optik eines
World“-Leuchten
Gebäudes und die
von Top Light erzielt
Atmosphäre im
wird, macht deutlich,
Inneren ist. Oben
wie wichtig eine
links: am Empfangs-
passende Beleuch-
tresen
Das mehrstöckige Bürogebäude der Steuer- und Anwaltskanzlei Michl in Bad Kreuznach zeigt, was Licht bewirken kann – nicht nur in Innenräumen, sondern auch in der Außenwirkung. Durch die Wahl der LED-Leuchten, die allesamt aus der ausgezeichneten „PukWorld“-Serie von Top Light stammen, ist Lichtplaner Hans Josef Henrich eine ideale Symbiose gelungen: Die Licht- und Schattenspiele erzeugen bemerkenswerte Effekte im und am Gebäude – somit nicht nur im repräsentativen Innenbereich, sondern auch von außen betrachtet, besonders dann, wenn es draußen dunkel wird. Im zentralen Treppenhaus, dem Herzstück des Hauses, wurden die Wandleuchten „Puk Wall“ verwendet. Die schlichte, aber ansprechende Leuchte schafft eine funktionale, aber stimmungs-
volle Beleuchtung im Eingangsbereich. Die Lichtspiele an der Wand, die eben auch von außen sichtbar sind, lockern die Atmosphäre im Treppenhaus auf. In den Innenräumen werden sowohl die Deckenleuchten „Puk Turn“ als auch die Pendelleuchten „Puk Drop“ verwendet. Über dem Tresen im Eingangsbereich erzeugen die Pendelleuchten dank ihrer komplexen Linse ein beeindruckendes Lichtspiel, das die Kunden und Gäste des Gebäudes eindrucksvoll begrüßt. So schaffen die Leuchten nicht nur einen besonderen Hingucker, der neben der effektiven Lichtgebung auch für eine angenehme Stimmung sorgt, sondern die Deckenleuchtenvariante kommt in Bad Kreuznach auch zum Einsatz, wenn Gemälde beleuchtet werden sollen oder auch, um Lichtspiele an der Wand zu erzeugen.