11 4 . J A H R G A N G
D A,L I CH
16 € 18 € 19,90 € 24 SFR
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HERZOG & DE MEURON
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Tongewalten — das neue (T)Ohr zur Welt
194673
G E H RY PA R T N E R S
016003
BEZ + KOCK J O LY & L O I R E T
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März
Das ArchitekturMagazin
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B3
Köpfe
Ideen
In dieser Ausgabe sperren wir nicht nur die Augen, sondern vor allem auch die Ohren auf. Eine Premiere für Elphi & Co Die unterstrichenen Beiträge rechts befassen sich mit dem Titelthema.
BAU MEISTER. DE
Der „Resonanzraum“ im Bunker Feldstraße, Hamburg, ist die etwas andere Art eines Konzertsaals. Das Architekturbüro pfp hat den zuvor rein technisch genutzten Betonraum in einen Spielort für Musik und Begegnung verwandelt. Mehr dazu finden Sie auf unserer Website.
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Stéphane Malka – Guerilla-Architektur
Das Elphi-Herzstück: der Große Saal
10 Stéphane Malka
20 Elbphilharmonie
Die Devise des französischen Architekten – besserer Wohnraum für alle!
Ein Gespräch zwischen Architekturkritiker und Musiker über Räume und Klänge
14 Hans-Joachim Maempel
36 Musikforum in Bochum
Der Berliner Akustiker behauptet: „Ein roter ICE klingt nachweislich lauter als ein grüner.“
Der dreiteilige Entwurf von Bez + Kock nimmt die Kirche St. Marien in die Mitte.
48 Konservatorium in Versailles Ein Pariser Zentrum für Tanz und Musik
60 Barenboim-Said Akademie in Berlin Die Hauptstadt hat einen neuen Konzertsaal. Gehrys erste Ideenskizze: ein Ei
70 Sep Ruf-Wohnung in München Entwurfsrepertoire eines alten Baumeisters neuinterpretiert
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FOTOS V. L .: M ALK A ARCHITEC TURE; ANDREAS MÜHE; PAVILLON PHILIPS, EXPOSITION INTE RNATIONALE, BRUXE LLE S, 195 8, © FLC/BILDKUNST, 2 017
Fragen
Lösungen
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Philips-Pavillon von Le Corbusier im Bau
Steht nicht im Weg: Wanne von Keramag
78 Gibt es den idealen Klangraum?
92 Bad
82 Musikalische Architektur, architektonische Musik?
Bauen mit Beton – Museum in Minusio
84 Where y’at, New Orleans?
100 Referenz
Gast-Arbeiter
Jakobus Durstewitz, geboren 1969 in Emden, ist durch und durch Künstler. Seine Arbeitsfelder sind vielfältig: Er macht Popmusik mit der Band „JaKönigJa“, elektronische Musik mit „Die Vögel“ und Theatermusik an verschiedenen Häusern. Er baut Kulissen, zeichnet Illustrationen für Printmedien und schreibt gelegentlich für Zeitschriften. Für uns besucht er Elphi.
102 Klima
RUBRIKEN 6 EIN BILD 34 SONDERFÜHRUNG 58 KLEINE WERKE 68 UNTERWEGS 90 ARCHITE K TUR + M ANAGE ME NT 10 0 REFERENZ 105 IMPRE SSUM + VORSCHAU 106 KOLUMNE
Bereits allseits bekannt: FAZKulturkorrespondent Andreas Rossmann, geboren 1952 in Karlsruhe, studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Heidelberg, London und Norwich. Sein letztes Werk: „Der Rauch verbindet die Städte nicht mehr – Ruhrgebiet: Orte, Bauten, Szenen“ (Köln, 2012).
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Querdenker Stéphane Malka widmet sich mit Humor und Einfallsreichtum den letzten Freiräumen im Großraum Paris – darunter die Dächer historischer Wohnblocks, die Brückenbögen des Pont Neuf oder die Fassaden der „Grande Arche“. Wir sprachen mit dem wohl visionärsten Architekten Frankreichs. Interview: Sophie Charlotte Hoffmann
Fotos: Malka Architecture
Köpfe
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Versteht sich außerdem brillant auf Selbstvermarktung: Stéphane Malka
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Ideen
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TITELTHEMA TONGEWALTE N
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Das P u b i k u m im Nacken
In Konzerthäusern trifft Architektur auf Musik. Wir haben deshalb unseren Architekturkritiker mit einem Musiker in die Elpphilharmonie geschickt. Ein Expertengespräch über Räume und Klänge Architekten: Herzog & de Meuron Kritik: Jakobus Durstewitz und Claas Gefroi Fotos: Andreas Mühe; Oliver Heissner
Ideen
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123 Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, trug maßgeblich zur Verwirklichung des Jahrhundertbaus bei. Ein Blick elbabwärts
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Ideen
1 Das 7.000 Quadratmeter große Dach setzt sich aus acht sphärisch, konkav gekrümmten Flächen zusammen. Sie verleihen der Dachsilhouette ihre elegante Linienführung.
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„Dieses Weiche, Rundliche ist etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Von außen wirkt der Bau sehr hart und ragt weit aus seiner Umgebung heraus – ich hatte deshalb im Inneren etwas Monumentales, Einschüchterndes erwartet.“
Jakobus, die Elbphilharmonie ist ein Bauwerk voller Rauminszenierungen. Wie hast Du den Weg hinein und hinauf empfunden? CLAAS GEFROI:
Diese lange Rolltreppe ist auf jeden Fall bemerkenswert. Man wird während der Fahrt langsam hineingezogen ins Gebäude und auf das Kommende vorbereitet. Ich fand die in den Putz eingelassenen, runden Glasfliesen in der Röhre interessant; man assoziiert Musik dazu. Und dass man infolge der parabelförmigen Biegung der Rolltreppe am Anfang noch nicht das Ende sieht, ist natürlich auch eine schlaue Idee, um die Spannung zu erhöhen. JAKOBUS DURSTEWITZ:
Das ist gut beschrieben. Mir war es fast ein bisschen zu viel. Ich fühlte mich etwas gegängelt durch diese Inszenierung mit ihren Spannungsbögen. C G:
Ich finde das gut. Es ist eine Vorbereitung. Und eine Vorwegnahme dessen, was dann noch kommt: etwa die weichen, runden Formen, der nahtlose Übergang von Wänden zu Decken. Die Entsprechung in der Musik wäre das Intro. Dieses Weiche, Rundliche ist etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Von außen wirkt der Bau sehr hart und ragt weit aus seiner Umgebung heraus – ich hatte deshalb im Inneren etwas Monumentales, Einschüchterndes erwartet. Stattdessen wirkt das Innere fast schon heimelig – das hat mir sehr gefallen. J D:
Welchen Eindruck machte die öffentliche Plaza auf der ehemaligen Dachebene des Kaispeichers A auf Dich? C G:
JAKOBUS DURSTEWIT Z
sälen – sind schlicht, aber wunderbar glatt verputzt, die Möblierung ist hochwertig, aber dezent. Dunkles Holz, samtene Vorhänge und goldene Türgriffe sucht man hier vergebens.
Ich dachte, es wäre dort sehr zugig, aber durch die geschwungenen Glasvorhänge ist man im Inneren gut vor dem Wind geschützt. Es wirkt alles relativ kleinmaßstäblich und sehr übersichtlich; man fühlt sich nicht verloren und ist auch immer gut orientiert. Ich bin gespannt, wie es dort in zehn Jahren ist, wenn es nicht mehr so einen Andrang gibt und alles etwas abgewetzt ist – ob dann diese Form von Architektur auch noch funktioniert. Festzuhalten ist, dass dies keine Architektur ist, die beeindrucken will. Das ist keine zeitgenössische Kathedrale.
J D:
Was meinst Du mit Rauminszenierung?
Ein paar Beispiele: Wenn man das Ende der langen Rolltreppe erreicht hat, ist man noch nicht, wie man erwartet, auf der Plaza. Man steht auf einer kleinen Zwischenebene, von der aus man durch ein riesiges, bodentiefes Fenster einen konzentrierten Ausblick Richtung Innenstadt und Altona erhält. Da steckt natürlich eine Aussage drin: Die Elbphilharmonie ist mit der Stadt verwoben. Man muss dann noch einmal eine kürzere Rolltreppe nach oben fahren um schlussendlich auf der Plaza zu landen. Dieses Spiel mit Erwartungen und Überraschungen ist schon recht raffiniert. Zweites Beispiel: Damit die Plaza als Fuge zwischen dem Kaispeicher und dem neuen Baukörper störungsfrei durchläuft, hat man mit einem enormen Aufwand die Lasten der äußeren Bereiche des oberen Baukörpers über ein kompliziertes Tragwerk weit ins Innere geleitet. Alles nur, um außen Stützen zu vermeiden. Drittes Beispiel: Ich mag, wie der eiförmige Große Saal in Szene gesetzt wird: Die Aufgänge in die Foyers schmiegen sich um dessen Rundungen herum. Und in den Foyers und Gängen ist diese Raumskulptur omnipräsent. C G:
J D : Und es scheint auch funktional zu sein. Trotz des Andrangs vor Konzertbeginn verteilten sich die Menschen über die vielen Foyers und Gänge. Nirgendwo Enge oder Gedrängel.
J D:
So sehe ich das auch. Die Elbphilharmonie ist kein hehrer Musentempel, sondern zeigt sich, trotz der gewaltigen Höhe, niedrigschwellig und offen für jedermann. Und trotz der beeindruckenden Rauminszenierungen besitzt sie eine gewisse Nüchternheit, die gut zu Hamburg passt. Der Plaza-Boden ist als Reminiszenz an den alten Speicher mit Backstein ausgelegt, alle Wände – außer in den KonzertC G:
Wie hast Du das Publikum in Beziehung zum Gebäude gesehen? Ist das nicht ein Widerspruch? Einerseits eine sehr moderne Architektur und andererseits die traditionsbewusste bessere Hamburger Gesellschaft mit all ihren großbürgerlichen Insignien? C G:
Ja, man sah schon viele Betonfrisuren, Pelze und dunkelblaue Blazer. Aber es schien sich niemand unwohl zu fühlen. Ich fand interessant, wie schnell die Menschen miteinander ins Gespräch kamen. Das liegt auch an den Räumen: der Rolltreppe, den verwinkelten Gängen, den Eckchen, wo man immer in Gruppen nah beieinander steht. Das ist anders als in anderen Konzerthäusern. Durch diese Gruppenbildung merkte man überhaupt nicht, dass sich da über 2.000 Menschen zum Konzert einfanden. J D:
Das stimmt. Und so ging es mir auch mit dem Großen Saal: Dessen immense
C G:
WEITER
Ideen
FOTOS: OLIVE R HE ISSNE R
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78
Fragen
1
Gibt es den idealen Klangraum ?
Der Klang von Räumen beschäftigt uns schon seit Jahrhunderten, und es gibt zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen zum Thema. Doch noch immer herrscht keine Klarheit: Wieviel verdankt die Akustik der subjektiven Wahrnehmung? Lässt sich Wohlklang objektiv messen? Eine Antwort geben Marcus Blome und Karlheinz Müller von Müller-BBM.
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ABBILDUNGE N: MÜLLE R BBM
+10,38
+5,15 +4,55
Der Rechtecksaal Eine dieser etablierten Formen bilden die nach der Geometrie ihrer Grundrisse benannten Rechtecksäle, bei denen die Zuhörer zumeist in kompakten Blöcken im Parkett und auf einem oder mehreren seitlichen und rückwärtigen Rängen angeordnet sind (Abb. 2, S. 80). Für den Konzerthausbau stellt diese Saalform die traditionellste aller Bauformen dar, die in ihrer Blütezeit zur Mitte des 19. Jahrhunderts Säle hervorbrachte, die auch heute noch immer zu den akustisch besten der Welt zählen. Ein Großteil der gespielten Literatur heutiger Konzertprogramme aus der klassischen und romantischen Epoche der Musikgeschichte wurde in Räumen dieser Art uraufgeführt, und es ist überliefert, dass die Komponisten seinerzeit die Klangeigenschaften „ihrer“ Konzertsäle sehr wohl kannten und in der kompositorischen Anlage ihrer Werke berücksichtigten. Der große Vorteil dieser Säle liegt in ihrer kompakten Bauform und eindeutigen Ausrichtung,
Abb. 1: Prinzipien der Schallausbreitung
0.5 0.5
0.4
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
Direktschall
Frühe Reflexionen < 80ms Nachhall
WEITER
Nachhall
Direktschall
+5,15
Frühe Reflexionen < 80 ms
+4,55
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0.1
lin
Die Diskussion über „die Akustik“ wird schon immer emotional und kontrovers geführt: spätestens seit sich die Aufführung von Konzerten Anfang des 19. Jahrhunderts von den Zwängen und Räumlichkeiten der höfischen Gesellschaft emanzipierte und seit mit der Gründung der so genannten Musikvereine die ersten reinen Konzerthäuser entstanden. Und trotz Jahrhunderte langer Beschäftigung und auch wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit diesem Thema sind grundlegende Fragestellungen bis heute nicht vollständig geklärt – etwa nach dem Zusammenhang zwischen einer subjektiven Hörwahrnehmung und den messbaren raumakustischen Parametern. Unbestritten bleibt jedoch der maßgebliche Einfluss der Saalkubatur auf die akustische Qualität der Klangausbreitung. Sie ist neben den Materialeigenschaften der raumbegrenzenden Flächen ganz entscheidend dafür verantwortlich, in welcher zeitlichen Struktur und aus welcher Richtung die Schallreflexionen nach dem Direktschall beim Zuhörer eintreffen. Überdies definiert sie das akustisch wirksame Raumvolumen eines Saals, welches in Korrelation zur Anzahl der Zuschauer prägend ist für den Eindruck der Räumlichkeit; dabei sind sowohl extrem geringe als auch exzessive Raumvolumina zu vermeiden. Die Raumform und die Raumgröße bestimmen damit die Raumimpulsantwort, die sämtliche
akustischen Informationen in sich trägt und vergleichbar mit einem akustischen Fingerabdruck für jeden Saal einzigartig ist (Abb. 1). Vor dem Hintergrund, dass die am Zuhörerplatz ankommende Energie eines Schallereignisses nur zu 20 Prozent auf den Direktschallanteil und folglich zu 80 Prozent auf die Summe der eintreffenden Reflexionen zurückgeht, lässt sich leicht nachvollziehen, dass verschiedene Saalgeometrien sehr unterschiedliche akustische Eigenschaften aufweisen. Letztlich hat sich aus der historischen Betrachtung der architektonischen Entwicklung im Konzertsaalbau aber gezeigt, dass heute lediglich zwei grundsätzliche Raumformen in der Lage sind, den immer höher werdenden akustischen Ansprüchen der Musiker, Dirigenten und Zuschauer gerecht zu werden.
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Text: Marcus Blome und Karlheinz Müller
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