Baumeister B01/18

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BAU ME ISTER

115 . J A H R G A N G

Januar

18

Das ArchitekturMagazin

Arbeitswelten Über Freiräume und ihre Grenzen + BUREAU SPEC TACUL AR KINZO SELGASCANO MENSING TIMOFTICIUC ARCHITECTS SCOPE ARCHITEKTEN HERMAN HERTZBERGER

4 194673 016003 01 D 16 € A,L 18 € I 19,90 € C H 2 4 S F R


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B1

Köpfe

Ideen

Unsere Jobs haben sich in den letzten Jahren grundlegend ver­ändert. Wir zeigen, wie die Archi­ tektur darauf reagiert.

10

20

Geschichtenerzähler: das Bureau Spectacular

Viel Grün: das Second Home in Lissabon

10 Bureau Spectacular

20 Second Home London und Lissabon

Von der Papierarchitektur zur gebauten Realität

14 Kinzo Ob Großraumbüro oder Einzelzelle: Kinzo aus Berlin gestalten die neue Arbeitswelt

Wie Coworking die Arbeitswelt verändert

38 Hafven Hannover Sozialer Katalysator: ein Coworking Space aus Deutschland

50 Apple, Facebook, Google BAU MEISTER. DE

Hauptquartiere und Arbeitersiedlungen der Tech-Giganten

64 Innovation Center 2.0 Potsdam Lernen vom Silicon Valley: SAP und das neue Arbeiten

In dieser Ausgabe porträtieren wir unter anderem Jimenez Lai und sein Bureau Spectacular. Mehr spektakuläre Projekte des Bureaus finden Sie auf unserer Homepage.

FOTOS V. L .: INJE E UNSHIN; IWAN BA AN; JOHAN VAN DE R KE UKE N; K ALDEWE I

Die unterstrichenen Beiträge rechts befassen sich mit dem Titelthema.


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Fragen

Lösungen

Gast-Arbeiter

84

104

Verlassene Ikone: das Centraal Beheer

Badewanne aus der Serie „Miena“ von Kaldewei

74 Wie werden wir künftig arbeiten?

94 Mauerwerk und Wandbaustoffe

78 Wie sieht er aus, der perfekte Arbeitsplatz?

100 Referenz

84 Wer rettet Hertzberger und Eiermann?

Tanja Remke ist Innenarchi­ tektin. Sie lehrt an der Leibniz Universität Hannover und der Hochschule Coburg zum Thema Büroarchitektur. Bei dieser Ausgabe ist sie uns fachkundig zur Seite gestanden und schreibt unter anderem über die mögliche Nachnutzung von Ikonen der Büroarchitektur.

Farbige Schalter von Jung im Ferienhaus

102 Bad

RUBRIKEN 06 EIN BILD 36 SONDERFÜHRUNG 48 KLEINE WERKE 62 UNTERWEGS 10 0 REFERENZ 105 IMPRE SSUM + VORSCHAU 106 KOLUMNE

Mark Phillips hat eine Professur für Innenarchitektur an der Hochschule Coburg inne und ist Director Interior Design bei Orangeblu Building Solutions in Stuttgart. Für uns schreibt er über das Coworking-Konzept der „Second Homes“ in London und Lissabon.


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Die Geschichtenerzähler JIMENEZ LAI

Kunst, Architektur, Geschichte, Politik, Soziologie, Linguistik, Mathematik, Grafikdesign, Technologie und Comicbücher – das alles vereint das Bureau Spectacular in seiner Arbeit. Ein möglicher Weg von der Papier­ architektur zur gebauten Realität Rechts: Der „Tower of Twelve Stories“, den Bureau

Spectacular für das Kunst- und Musik­

festival Coachella in Kalifornien entworfen haben.

JOANNA GRANT


FOTOS: INJE E UNSHIN

FOTO RECHTE SE ITE: JE FF FROST

Kรถpfe 1 bis 2 11


30 mit circa 400 Plätzen in London im Jahr 2014 in nur vier Jahren auf über 2000 Plätze mehr als verfünffacht hat. Grenzen des Wachstums Die spezielle Nutzerstruktur und das Zugehörigkeitsgefühl in den Coworking Spaces sind also die Basis für ein funktionierendes System. Dies zeigt deutlich auf, dass diese Ideen – so interessant sie an den jeweiligen Standorten von Second Home auch sein mögen – sich nicht so ohne Weiteres auf andere Unternehmensstandorte übertragen lassen. Die Idee des Coworking ist hier an einem Wendepunkt angekommen, was sowohl in inhaltlicher als auch in struktureller Hinsicht der Fall ist. Die Größe der Standorte ist nicht einfach erweiterbar, da sich die Basis für das System und die Vorteile, die daraus erwachsen, dann verlieren würden. Die neuen Londoner Standorte von Second Home in Holland Park und London Fields sind deshalb auch etwas kleiner als der mehrfach auf gegenwärtig circa 1000 „Members“ erweiterte Coworking Space in Spitalfields. Auch die Struktur und das Klientel der neuen Standorte ist anders: Während es sich beim ersten Coworking Objekt von Second Home um ein mehrgeschossiges Gebäude handelt, das von einem Warenhaus im East End an der Brick Lane in ein Bürogebäude der besonderen Art mit viel Rauheit und Sichtbeton umgewandelt wurde, ist beim zweiten Second Home in Holland Park – mitten im noblen Stadtviertel Notting Hill – mehr Luxus angesagt: Der dortige Coworking Space setzt sich aus einer Ansammlung von Nebengebäuden in einem Wohngebiet zusammen, bei dem Tageslicht, eine noch stärkere Verwendung von natürlichem Grün und die Erweiterung des Angebots durch zusätzliche Funktionen wie zum Beispiel einem Fotostudio eine tragende Rolle spielen, um die gehobene Klientel im Londoner West End anzusprechen. Trotz dieser Unterschiede bleibt sich Second Home bei der Art der Ausstattung und der Nutzung treu. Schließlich ist die räumliche Planungsidee von Selgascano längst zum Teil des Markenimages des Unternehmens geworden.

II. Second Home Lisboa

Die weitere Entwicklung bei der Expansion dieser Markenidee zeichnet sich bereits am Horizont ab: Mit „Work at Second Home Lisboa this summer“ bewirbt Second Home den Standort in Lissabon. Das Arbeiten von heute soll dabei auf die Bedürfnisse der Arbeiter von heute zugeschnitten werden – im Sommer am Strand, im Winter in der Großstadt, im Frühjahr in den Bergen. Diese Art des Arbeitens wird zum integralen Bestandteil des Lebens erklärt. Es soll keine Unterschiede mehr geben zwischen Alltag, Freizeit und Arbeit, ein Konzept, das die Einflüsse digitaler Medien auf unser alltägliches Umfeld und unser Arbeitsleben in sich aufnimmt. Denn die digitale Infrastruktur für ein modernes nomadisches Leben ist schon längst vorhanden: Neben der digitalen Verfügbarkeit von Transportmitteln wie der Buchung von Zügen und Flügen über das Internet, der Fortbewegung vor Ort mittels Carsharing oder Uber, dem Buchen von Hotelzimmern und Wohnungen über Buchungsplattformen oder Airbnb gibt es nun auch ein Angebot an digital verfügbaren Arbeitsplätzen. Die räumliche Infrastruktur für ein nomadisches Arbeitsleben wird also gerade gebaut – unter anderem von Unternehmen wie Second Home, die Orte schaffen, wo man wortwörtlich eine zweite Heimat hat. Ein deutlich erkennbares Alleinstellungsmerkmal dieser räumlichen Angebote ist das einheitliche konzeptionelle und räumliche Design über alle Standorte hinweg. Deren Nutzer sollen sich an jedem Standort zu Hause fühlen und sich ganz intuitiv zurechtfinden. Der Name Second Home ist hier also nicht nur Programm, sondern auch ein möglicher Ausblick auf die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts.

Die spezielle Nutzerstruktur und das Zu­ gehörigkeits­ gefühl in den Coworking Spaces sind die Basis für ein funktionierendes System.


Ideen

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1 bis 2

Das Second Home

II. Lissabon

in Lissabon wurde ebenfalls von Selgascano entworfen.


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Ideen

M 1:5 0 0 0

Erdgeschoss

Untergeschoss

4 bis 6


55 Das Ufo ist mittlerweile gelandet, Bilder

VISUALISIE RUNGE N: FOSTE R + PARTNE RS

vom Gebäude sind aber rar.

Das Gebäude mit transparenter Fassade in der Landschaft


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Fragen

1

Wie werden wir künftig arbeiten

ILLUSTR ATION: ANDRÉ L A A ME / SE PIA

?

Eine Architektur, welche die Produktivprozesse in den Unternehmen unterstützen will, muss verstehen, wie die Arbeitswelt sich verändert. Unser Chefredakteur, studierter Ökonom, hat sich dazu ein paar Gedanken gemacht. Sechs Thesen

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Fragen

2

Wie sieht er aus, der perfekte Arbeitsplatz ?

Schon seit langem versuchen Architekten und Bauherren, dem Wandel der Arbeitswelt zu entsprechen. Daraus resultieren Gebäude, die jeweils den Geist ihrer Zeit widerspiegeln. Eine Rück- und Vorausschau in die Entwicklung der Büroarchitektur


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Text: Tanja Remke

Es hat sich viel getan in der Arbeitswelt. Rutschen führen zielsicher von Geschoss zu Geschoss, mobile Devices erlauben die freie Wahl vielfältig gestalteter Arbeitsorte, die Defokussierung durch die Selbsorganisation der Mittagspause ist abgeschafft, weil frisch gekochtes Essen rund um die Uhr und kostenfrei zur Verfügung steht. All dies ist Ausdruck der sogenannten „neuen Arbeitswelt“ und ihrer Konzepte. Activity Based Working, Campus- oder Open Plan Office sind nur einige Begriffsbeispiele, die den Wandel der Arbeitswelt und die dazugehörigen Innovationen in Prozess und Produkt transportieren. Fakt ist, dass die Arbeitswelt aktuell durch Globalisierung und Digitalisierung einen grundlegenden Veränderungsprozess erfährt. Aber stimmt es auch, dass dieser Wandel in seiner Intensität so neu und einzigartig ist, wie es vielfach vermittelt wird? Zur Einordnung der Situation lohnt sich ein Blick in die Geschichte der Büroarchitektur.

Das Larkin Administration Building von Frank Lloyd Wright

lers vermittelt werden. Dabei ging es aber um eine weitaus grundlegendere Aussage: Im Jahre 1875 zunächst als kleine Seifenfabrik in Buffalo, New York, gegründet, wuchs das Unternehmen Larkin im Zuge der Industrialisierung rasant zu einem Versandhandel mit über 4000 Angestellten an. Das dringend benötigte Verwaltungsgebäude baute kein geringerer als Frank Lloyd Wright im Jahr 1906. Bis heute gilt das „Larkin Administration Building“ als Meilenstein der Büroarchitektur zur Zeit der Industrialisierung: Mitarbeiter saßen dort fließbandgleich an langen Tischreihen, zur ar-

beitsteiligen Bearbeitung durchliefen Bestellungen das gesamte Gebäude. Die Qualitäten des Gebäudes gingen jedoch weit über die strenge bauliche Umsetzung des schon damals schnell kritisch betrachteten Taylorismus hinaus. Tageslichtversorgung, Frischluftzufuhr (eines der ersten Gebäude mit einer frühen Form der Klimaanlage) und akustische Maßnahmen zeugen von einer für diese Zeit außergewöhnlichen Raumqualität, Nutzungsangebote wie Mitarbeiterrestaurant, Bibliothek, Lounge oder Dachgärten von einer neuen Wertschätzung und Orientierung hin zur Mitarbeiterschaft. Die

Positionierung der „Chefetage“ im für alle Mitarbeiter einsehbaren Atrium im Erdgeschoss des Gebäudes vermittelte gelebte Offenheit und Transparenz. All dies waren letztendlich Maßnahmen, die den Unternehmenserfolg sichern sollten. Faktisch jedoch beschritt hier erstmals ein Unternehmen einen für seine Zeit als mitarbeiterorientiert und kooperativ zu beschreibenden Weg – und beanspruchte dafür eben jenen Satz „Factory to family“. Das Gebäude war damit richtungsweisend für die weiteren Entwicklungen in der Büroarchitektur. Deep Plan Vielleicht als Fortsetzung des eigenen, noch sehr rigiden Entwurfs des Larkin Administration Building baute Wright 1939 das Johnson Wax Administration Building in Racine, Wisconsin. Aus den zwiespältigen Erfahrungen des Taylorismus heraus hatte sich eine neue gesellschaftliche Sensibilität für die Mitarbeiterschaft entwickelt. Es war ein weniger hierarchischer, etwas flexiblerer und partizipativer Managementstil entstanden, auf den auch der Inhaber des Unternehmens, H. F. Johnson Jr., setzte. Der Mensch rückte dabei in den

FOTOS: © E ZR A STOLLE R /E STO

Factory to family „Factory to family“ – dieser Claim scheint auf viele aktuelle Büroarchitekturen zu passen, von Facebook in Kalifornien bis hin zu Soundcloud in Berlin. Tatsächlich aber ziert er das Cover von „The Larkin Plan“, einem Versandkatalog der Larkin Company aus dem Jahre 1917. Dem Kunden sollte mit diesem Anspruch die familienorientierte Vielseitigkeit im Angebot des Versandhänd-

Das Connecticut General Life Insurance Building von SOM WEITER


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