Baumeister 08/2018

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BAU ME ISTER

115 . J A H R G A N G

August

+FRANCES BAILEY

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+ DAV I D C H I PPE R F I E L D A R C H I T E C T S

+ R YA N M E N D O Z A

+A N D R E A PA L L A D I O

Das ArchitekturMagazin

+J U N G A R C H I T E C T U R E S

+ R O S A PA R K S

+IRA MAZZONI

+ R AV E T L L AT R I B A S

TITELTHEMA DENKMALPFLEGE

4 194673 016003 08 D A,L I CH 16 € 18 € 19,90 € 24 SFR


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Köpfe

Ideen

Spielt Denkmalschutz heute noch eine Rolle? Ein Blick nach Barcelona, London, Paris und Berlin

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Vor Rosa Parks‘ Haus: die Nichte und der Künstler

Raumschöpfung aus den 1960ern bei Zürich

10 Ryan Mendoza

18 Royal Academy in London

Der amerikanische Künstler konserviert umstrittene historische Hinterlassenschaften.

16 Frances Bailey Geschichte lebendig halten: Ihre Arbeit für den National Trust ist die Leidenschaft der irischen Kuratorin.

Ein langer Prozess, ein scheinbar kleiner Eingriff: die Wandlung einer Institution

36 Magasins Généraux bei Paris Ein Betonkoloss aus den 1930ern bildet den Auftakt einer Revitalisierung.

46 Humboldt-Forum in Berlin BAU MEISTER. DE

Nicht alles ist nachempfunden, es gibt auch Echtes.

54 Mercat Sant Antoni in Barcelona Ein Viertel profitiert von der Restaurierung.

Architekt mit spitzer Feder: Regelmäßig kommentiert der Berliner Büroinhaber Eike Becker auf www.baumeister.de aktuelle Fragen des Architekturdiskurses.

66 Haus Kürsteiner in Greifensee Justus Dahindens Werk, aufgefrischt

FOTOS V. L .: FABIA ME NDOZ A; RUE DI WALTI; CHRISTOPH UL ME R; SKYLUX

Die unterstrichenen Beiträge rechts befassen sich mit dem Titelthema.


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Fragen

Lösungen

Gast-Arbeiter

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Palladios Erbe: Villa in Venetien

Mehr Licht und Luft mit Glaskuppel

78 Gut gemeint, weiter nichts? Welche Rolle spielt die Denkmalpflege heute?

92 Glas

86 Immer wieder Palladio? 88 Wie kann die Grundsteuer reformiert werden?

Über den Münchner Verleger Georg Hirth, der sich für die Erhaltung des Kulturerbes stark machte, hat sie promoviert. Für diese Ausgabe setzte sich Ute Strimmer mit dem National Trust, dem britischen Denkmalschutzfonds, auseinander. Die Kunsthistorikerin ist Redakteurin des Magazins Restauro im Callwey Verlag.

98 Referenz Hotel The Fontenay in Hamburg: mit Keramikfassade von Moeding

100 News

RUBRIKEN 6 EIN BILD 34 SONDERFÜHRUNG 52 UNTERWEGS 64 KLEINE WERKE 88 ARCHITE K TUR + M ANAGE ME NT 98 REFERENZ 105 IMPRE SSUM + VORSCHAU 106 PORTFOLIO: BEST PRODUCTS 11 4 KOLUMNE

Der Berliner Simon Menges zog während seines Architekturstudiums nach Schanghai und begann dort die gebaute Umwelt fotografisch zu dokumentieren. Er übernahm auch Aufträge für David Chipperfield Architects, dessen Londoner Projekt er für diese Ausgabe abgelichtet hat. Heute arbeitet er als international freischaffender Fotograf.


Hidemi Nishida

„Fragile Chairs“

6 Ein Bild


7 Der Porotosee auf der Insel Hokkaido ist der Lebensraum der Ainu – der Ureinwohner Nordjapans. Hier, an diesem einst abgeschiedenen Ort, treffen heute Touristen auf Einheimische, Fortschritt auf Tradition. Doch was suchen die Stühle auf dem See? Sie sind Teil der Landschaftsinstallation „Fragile Chairs“ des japanischen Architekten und Künstlers Hidemi Nishida, der mit solch überraschenden Arrangements regelmäßig für Aufsehen sorgt. Für sein aktuelles Kunstprojekt drapierte Nishida Holzstühle auf der Wasseroberfläche: Sie ragen hier und da aus dem Wasser, bilden surreale Inseln. Der Stuhl, ein uns vertrautes Objekt, ist auf diese Weise aus dem Kontext gerissen und erscheint unerreichbar. Die Verbindung und gleichzeitig der Kontrast zwischen unserer Lebenswelt und fragilen Landschaften interessieren den Künstler seit jeher. Er will uns bewusst machen, dass es neben der sich rasant verändernden Welt noch eine andere gibt. So wie die der Ainu. Ihre Heimat, ein ehemals in sich ruhender Zufluchtsort, ist vom Massentourismus bedroht und muss geschützt werden.

Text

Sophie Charlotte Hoffmann


Vor dem Haus von Rosa Parks: ihre Nichte Rhea McCauley und der KĂźnstler Ryan Mendoza


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SEITE

FOTO: FABIA ME NDOZ A

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2 Kรถpfe: Ryan Mendoza Frances Bailey

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Burlington House – Londons stolze Klassik: Eingangshof zur Royal Academy


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FOTO: FR ASE R M ARR

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5 Ideen zum Erhalt: Royal Academy in London Magasins Généraux in Paris Humboldt-Forum in Berlin Mercat Sant Antoni in Barcelona Haus Kürsteiner in Greifensee

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Ideen

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Zwischennutzung als Street-Art-Galerie: Das leerstehende Lagerhaus war fßr ein Jahrzehnt Lieblingsbetätigungsfeld der Graffiti-Szene.


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Ideen

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RAUMWUNDER AUS DEN

1960ERN

JUSTUS DAHINDEN IST IN MÜNCHEN DURCH PROJEKTE WIE DAS SCHWABYLON UND DAS TANTRIS KEIN UNBEKANNTER. ZU SEINER ZEIT ALLERDINGS MUSSTE ER UM ANERKENNUNG STETS KÄMPFEN. WELCH GROSSARTIGE RAUMQUALITÄTEN IN SEINEN HÄUSERN STECKEN, FANDEN JETZT BUCHNER BRÜNDLER BEIM UMBAU EINES SEINER WOHNHÄUSER HERAUS.

TITELTHEMA DENKMALSCHUTZ

ARCHITEKT: JUSTUS DAHINDEN ARCHITEKTEN UMBAU: BUCHNER BRÜNDLER KRITIK: HUBERTUS ADAM FOTOS: RUEDI WALTI Vor die Fassade tretende Holzstützen, die im rechten Winkel auf das Pultdach treffen, prägen die Hangseite.

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Fragen begrüßen, dass Deutschland mit seinem ECHY-Motto „Sharing Heritage“ mehr gesellschaftliche Teilhabe anregt? Schließlich soll das Erbe ja auch in Zeiten mobiler und zunehmend auch multikultureller Gesellschaften angenommen, wertgeschätzt, genutzt und weiter gepflegt werden. Aber gerade vom Pflegen wird kaum noch gesprochen. Stattdessen wird das „kulturelle Erbe“ häufig rücksichtslos zernutzt und verbraucht – weil so viele die Liebe zum vielgepriesenen Denkmalort „teilen“ beziehungsweise „liken“ und eine Industrie davon lebt, den Weg dorthin möglichst bequem zu gestalten und den Aufenthalt zum „Erlebnis“ werden zu lassen. Ausgerechnet die als einzigartig anerkannten Weltkulturerbestätten sind inzwischen häufig in ihrem materiellen, kulturellen und sozialen Bestand akut bedroht.

Gasthof Adler mit Scheunen: Zu groß, zu komplex? Die Stadt Arnstein hat ihn auf Initiative eines Vereins übernommen.

1 einträgliche Bankderivate, auch wenn sie leer stehen. Luxussanierungen in den „angesagten“ Altstadtquartieren der wirtschaftsstarken Großstädte, Nachverdichtungen in Gartenstädten, Villengebieten und Arbeitersiedlungen machen Schlagzeilen. Es wird eng in den Städten, und die Neubauten rücken unverschämt und manchmal auch statisch bedrohlich nah an die Denkmale heran, denen sie ihre gute Adresse verdanken. Vergessene Geschichtszeugen auf dem Land Lebensqualität geht aber auch in den verlassen Dörfern, Märkten und Städtchen verloren, wenn die Schule schließt, Pfarrer und Bäcker ohne Nachfolger in den Ruhestand gehen und die Jugend in die Großstadt zieht. Der rasante Wandel der Landwirtschaft verändert nicht nur Kulturlandschaften, sondern verhindert auch, dass alte Höfe weiter genutzt werden. Die neuen, haushohen Erntemaschinen gehen durch keine enge Dorfdurchfahrt, geschweige denn durch die alten Hoftore. Die einstmals repräsentativen Häuser an der

Er soll „Haus des Dialekts“ werden.

Es war einmal

Im Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 hatten sich 23 Staaten auf die kämpferische Formel „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit“ geeinigt. Die Sprache der Initiatoren und Koordinatoren war direkt und unmissverständlich: „Haus für Haus stirbt dein Zuhause“ hieß es auf einem Plakat, das gegen die damaligen Flächenabrisse vor allem in Gründerzeitquartieren mobil machte. Und eine „Aktion Gemeinsinn“ druckte die Broschüre „Unser Lebensraum braucht Schutz. Denkmalschutz.“ Die Denkmalbewegung war existenziell sozial orientiert. Es ging um die Frage: Wie und wo wollen wir zusammenleben? Die Frage stellt sich heute neu. In den Ballungszentren sind Wohnungen und Häuser

ein Ort… Wohl schon aufgegeben: Wohnen an der Hauptstraße

Hauptstraße sind fast überall dem Verfall preisgeben. Es schmerzt, wenn man etwa in Main-Franken durch Gemeinden fährt, in denen sich ein spätbarockes Sandsteinhaus an das andere reiht, und man an den alten Gardinen und den leeren Schaukästen merkt: Das schöne geschlossene Ortsbild steht nur noch für einen Ort, der geschlossen hat. Es gäbe – wie 1975 – viele sozial existenzielle Themen für ein Europäisches Denkmaljahr.


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» EINE THEMATISCHE REDUZIERUNG AUF DIE BAUKULTUR WAR IN EUROPÄISCHEN ENTSCHEIDUNGSGREMIEN SCHLICHT NICHT MEHRHEITSFÄHIG. «

Zu Beginn des Kulturerbe-Jahres trafen sich die Kultusminister Europas, Mitglieder des Europäischen Kulturabkommens, Vertreter der Unesco, des internationalen Museumsrats Iccrom, des Europarats, der Europäischen Kommission, des Architects Council of Europe, des European Council of Spacial Planners, des internationalen Denkmalrats Icomos und Europa Nostra noch vor dem Weltwirtschafts-

Hauptsache Giebel: Neubauten anstelle im Kern gotischer Stadthäuser in der Landshuter „Neustadt“ – am Straßenmarkt, angelegt im 13. Jahrhundert

forum in Davos. In einer gemeinsamen Deklaration fordern sie eine „Hohe Baukultur“ für Europa. Damit ist der in Deutschland mittlerweile institutionalisierte, aber immer noch nicht strategisch entwickelte Begriff Baukultur als europäisches Lehnwort eingeführt. Baukultur, heißt es in der Deklaration, „umfasst den gesamten Baubestand, einschließlich Denkmäler und andere Elemente des Kulturerbes, sowie die Planung und Gestaltung von zeitgenössischen Gebäuden,

Denkmal effizient: Ehemaliges Ackerbürgerhaus aus dem 17. Jahrhundert, nach

UWE KOCH

außen wärmegedämmt, jetzt Mietshaus nebst Garage. Bei Ingolstadt

Infrastrukturen, von öffentlichem Raum und von Landschaften.“ Auch hier könnte man froh sein, dass die Baudenkmale Teil des Ganzen sind und dass die Europäischen Kulturfunktionäre die Unersetzlichkeit der LandWEITER


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