Garten + Landschaft 03/2018

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URBANE SICHERHEIT

MÄ RZ 2018

M AG AZ IN F Ü R L AN D S C H AF T S ARC H I T E KT UR

GARTEN +

STÄDTE FÜR MORGEN

LANDSCHAFT

GARTEN + LANDSCHAFT

M Ä R Z 2 018

WO IST DIE LÜCKE? SICHERHEIT IN DER STADT plus

Vitruv: Risikoanalysetool für Planer Welche IT fürs Büro? Unikate aus Beton


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Mithilfe von Karten und 3-D-Visualisierungen berechnet das Risikoanalysetool

Mit der Inbetriebnahme der

Vitruv potenzielle

Elizabeth Line rechnet London mit erhöhten Besucherströmen.

Gefahrenstellen im

Die Oxford Street soll darauf

urbanen Raum.

auch in puncto Sicherheit vorbereitet sein.

32 München gilt als sicherste Stadt Deutschlands. Wo sieht die Münchner Polizei Schwachstellen?

38 Wenn die Moderne nicht mehr zeitgemäß ist: Die Stadt Köln sucht nach neuen Ideen für den Kölner Ebertplatz.

50 Das Unternehmen Clever Contour hat ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, sämtliche Beton-Freiformen herzustellen.


INHALT

ARENA 06 11

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Zeichen setzen

T I T EL Wo ist die Lücke? Sicherheit in der Stadt 12

SICHER ABER UNFREI? Im Gespräch mit dem Sicherheitsexperten Norbert Gebbeken über die Angst vor Terror in deutschen Städten

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KLAR KALKULIERT Die Sicherheitssoftware Vitruv hilft Planern, bereits in der Entwurfsphase Sicherheitslücken zu identifizieren

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ACHSE DER ERNEUERUNG Über die Neuplanung der Oxford Street im Londoner West End

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„DIE ANGST WIRD ÜBERHÖHT“ Ein Interview mit Marcus da Gloria Martins, dem Leiter der Pressestelle der Münchner Polizei über die Grenzen der Terrorabwehr

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UNTERIRDISCH Die dunklen Passagen des Kölner Ebertplatzes warten seit Langem auf eine Umgestaltung, nun soll es so weit sein

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SICHERHEIT SCHAFFT GRENZEN Der Soziologe Nils Zurawski über die Versicherheitlichung unserer Städte

STUDIO 46

FRAGE Welche IT ist die richtige?

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PRAXIS Unikate aus Beton

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REFERENZ Lichtspiele in Lissabon

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LÖSUNGEN Spot on: Beleuchtung im Außenraum

RUBRIKEN 61

Stellenmarkt

62

Lieferquellen

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Impressum

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DGGL

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Sichtachse

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Vorschau

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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STÄDTE IN ZEITEN DES TERRORS

SICHER, ABER UNFREI? Wie viel Schutz braucht die Stadt? Die gesellschaftliche Debatte rund um diese Frage ist in Deutschland nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gerade erst voll entbrannt. Norbert Gebbeken, Ingenieur und Sicherheitsexperte, forscht auf dem Gebiet der urbanen Sicherheit und hat überraschende Erkenntnise darüber, wie Landschaftsarchitekten und Kommunen hier am besten Fortschritte machen können. TANJA BRAEMER

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URBANE SICHERHEIT INTERVIEW MIT NORBERT GEBBEKEN

Herr Gebbeken, Sie leiten gemeinsam mit dem Soziologen Wolfgang Bonß das 2012 gegründete Forschungszentrum „RISK“ („Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt“). Hinter RISK steht die Einsicht, dass absolute Sicherheit nicht existiert. Wie muss man das verstehen?

Norbert Gebbeken: Absolute Sicherheit hieße ja die gänzliche Abwesenheit von Restrisiken. Die gibt es aber immer. Wir beschäftigen uns vor allem mit außergewöhnlichen Ereignissen, wie Naturgefahren, Unfällen oder von Menschen gemachten Katastrophen. Deren Eintretenswahrscheinlichkeiten sind zwar relativ gering, trotzdem kann das zugehörige Risiko sehr hoch sein, weil das Schadenausmaß einfach sehr groß ist. Haben Sie da ein Beispiel?

Nehmen wir den jüngsten Sturm „Friederike“ vom 18. Januar 2018. Die Eintretenswahrscheinlichkeit eines derartigen Extrem-Sturmes ist sehr gering. Tritt er jedoch auf, so ist das Schadenausmaß gigantisch – in diesem Fall beziffert sich der Schaden auf eine Milliarde Euro. Jetzt kann man sich die Frage stellen, machen wir unsere Infrastruktur gegen ein derartiges Extremereignis sicher, oder nehmen wir den Schaden als Restrisiko in Kauf?

INTERVIEWPARTNER Professor Norbert Gebbeken ist beratender Ingenieur, Prüfingenieur für Baustatik und Prüfsachverständiger für Standsicherheit sowie Mitinhaber der Ingenieurgesellschaften AJG und MJG. In dieser Eigenschaft hat er weltweit zahlreiche Gebäude und Einrichtungen gegen Terrorismus und Erdbeben ausgelegt.

Im Jahr 2016 gab es etwa 3 200 Verkehrstote. Die Zahl der Terrortoten lag im gleichen Jahr bei 826 in ganz Europa. Trotzdem scheint uns die Gefahr, der wir uns im Straßenverkehr aussetzen, nicht so groß. Warum haben wir mehr Angst vor Terror als vorm Autofahren?

Das ist eine interessante Frage. Hierbei müssen die Begrifflichkeiten klar definiert sein, damit man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Also, zunächst betrachten wir die Gefahr – in diesem Fall Verkehr oder Terror – und dann deren Eintretenswahrscheinlichkeit im Vergleich. Anschließend kann man klar sagen, dass die Gefahr, bei einem Verkehrsunfall zu sterben, weit höher ist, als bei einem Terroranschlag. Aber: Wenn wir montags die Unfallstatistik des Wochenendes mit den Verkehrstoten lesen, nehmen wir das recht nüchtern zur Kenntnis und reden nicht drüber. Ereignet sich jedoch ein Terroranschlag, mit oder ohne Tote, ist die ganze Nation in Aufruhr, und die Medien berichten nur noch darüber. Wie kommt das?

Es liegt an dem, was wir Schadenausmaß nennen. Das Schadenausmaß eines Verkehrsunfalls ist recht begrenzt. Der materielle Schaden ist vergleichsweise klein, und der „soziale“ Schaden beschränkt sich auf die betroffenen Personen. Das materielle und immaterielle Schadenausmaß eines Terroranschlages ist jedoch gigantisch und lässt sich heute praktisch nicht beziffern. Und das nennen wir Risiko-Betrachtung. Sie ist das Produkt aus Eintretenswahrscheinlichkeit und Schadenausmaß. Gefahr und Risiko sind also zwei unterschiedliche Dinge. 13 GARTEN+ L ANDSCHAFT


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URBANE SICHERHEIT ELIZABETH LINE + OXFORD STREET, LONDON

ACHSE DER ERNEUERUNG London wartet bereits mit guten Beispielen auf, wie Sicherheitsmaßnahmen sensibel in die Gestaltung des öffentlichen Raums integriert werden können. Eine neue Herausforderung beim Thema Sicherheit: die Inbetriebnahme der Elizabeth Line und die einhergehende Neugestaltung der Oxford Street. TIM RETTLER

AUTOR Tim Rettler studierte Architektur an der FH Köln und der University of East London. Seit 2008 ist er im öffentlichen Dienst in London tätig, zuerst bei Design for London und seit 2011 als Principal Project Manager im Regeneration Team der Greater London

Visualisierung: Transport for London

Authority.

Die Attentate von Westminster und London Bridge haben das Thema Sicherheit in London wieder verstärkt ins Zentrum der Planung gerückt. Dass Schutzmaßnahmen wie schwere Poller und robuste Möbel durchaus sensibel in die Gestaltung des öffentlichen Raums integriert werden können, beweist die preisgekrönte Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes von King’s Cross durch das Büro Stanton Williams. Derzeit steht die Oxford Street im Fokus der Planungen: Es ist das Flaggschiff-Projekt von Bürgermeister Sadiq Khan. Wer sich in den vergangenen Jahren zum Einkaufsbummel über die Oxford Street geschoben hat, kann nachvollziehen, warum sich bereits Khans Vorgänger Livingstone darum bemüht hatte, die Oxford Street zwischen John Nashs Marble Arch und Richard Seiferts Centre Point umzugestalten. Schmale und überfüllte Gehwege, Busse, die sich Stoßstange an Stoßstange die Straße entlangschieben und ein in die Jahre gekommener Gesamteindruck kratzen am Image der renommierten Geschäftsstraße. Jährlich kommen rund 100 Millionen Besucher, ein Drittel aus dem Ausland.

Im Fokus der Neugestaltung der Oxford Street in London steht die einheitliche Gestaltung und die Verbannung des motorisierten Verkehrs.

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„DIE ANGST WIRD ÜBERHÖHT“ Seit dem Amoklauf in einem Münchner Einkaufszentrum im Juli 2016 gilt die Münchner Polizei als Vorbild für öffentliche Krisenkommunikation. Besonnen und informativ reagierte diese unter der Leitung von Marcus da Gloria Martins auf ihren SocialMedia-Kanälen. Wir haben uns mit dem Polizisten über die Sicherheit in deutschen Großstädten unterhalten. ANNE KATHRIN KOOPHAMEL

Marcus da Gloria Martins wechselte 2005 von der Kölner Polizei zum Polizeipräsidium München. Nach einem Master an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster leitete er als Polizeirat eine Dienststelle der Münchner Verkehrspolizei. Seit Oktober 2015 ist er Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums München.

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Wie sicher ist die Stadt München wirklich?

Marcus da Gloria Martins: München gilt laut dem Statischen Bundesamt seit 30 Jahren als sicherste der sieben größten Städte in Deutschland. Während zum Beispiel in Hamburg auf 100 000 Einwohner 420 Wohnungseinbrüche kommen, sind es in München 84. Das gleiche bei Taschendiebstahlen: Hamburg zählt 1 032 auf 100 000 Einwohner, wir 210. München hat damit in der Relation zu seinen Einwohnern die geringste Häufigkeitsziffer bei Delikten. Warum ist das so?

Unter anderem, weil man die Polizei sieht, sie präsent ist. In der Innenstadt sind wir in der Regel in etwa drei Minuten am Tatort. Es gibt Kriminelle, die nicht nach München kommen, weil ihnen klar ist, dass sie wahrscheinlicher erwischt werden. So etwas schreckt ab und macht eine Stadt sicherer.

Nach den Schüssen in dem Münchner Olympia-Einkaufszentrum verlas der Pressesprecher der Münchner Polizei ruhig sein Statement.

Foto: (c) dpa, Matthias Balk

INTERVIEWPARTNER


URBANE SICHERHEIT INTERVIEW MIT MARCUS DA GLORIA MARTINS

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Nach dem Todesfall 2017 entschied die Stadt, den Geschäften zu kündigen und die Passage zu schließen. Die dadurch ausgelösten Diskussionen rückten den Ebertplatz wieder ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.

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URBANE SICHERHEIT EBERTPLATZ, KÖLN

UNTERIRDISCH Foto: © Willy Horsch

Der Kölner Ebertplatz fristet seit Jahrzehnten ein Schattendasein. Obwohl man im Jahr 2008 seine Umgestaltung beschloss, folgte nie eine Umsetzung. Erst mit einem Todesfall im vergangenen Oktober rückte der Platz wieder in das Bewusstsein der Stadtgesellschaft. Nun sollen die Sicherheitsprobleme behoben werden. KATJA VEIL

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