AUGUS T 2018
MAGAZ I N F Ü R L ANDSC HAF T SARC HI TEK TUR
GARTEN +
LANDSCHAFT TRAU DICH: AUF ZU NEUEN UFERN
plus
Im Interview mit Henri Bava Biennale: Grenzen des Machbaren
16
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Das Herzstück des
Einst Ort militärischer Übungen,
Vestre Fjord Parks ist
dann liebloser Parkplatz. Über
die Promenade. Sie verbindet Innenbecken
die historische Hafenkante
und Fjord miteinander.
führen CLAB Architettura die Piazza Ferdinando di Savoia in Peschiera am Gardasee zurück zum Wasser.
24 Neue Blick- und Wegebeziehungen zwischen Möhnesee und Ortsmitte zeichnen das Projekt von wbp in Körbecke aus.
36 Der neue Publikumsmagnet: Mit dem Vistula Boulevard gibt das Landschaftsarchitekturbüro RS Architektura Krajobrazu den Warschauern ihren Fluss zurück.
52 Im Luschniki-Stadion in Moskau sorgt ein neues Be- und Entwässerungssystem der Firma Hauraton für optimale Spielvoraussetzungen.
INHALT
AREN A 06 11
SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Spargelspitzen
T I T EL Trau dich: Auf zu neuen Ufern 12
„WIR MÜSSEN MIT DER LANDSCHAFT REDEN“ Warum wir bei Uferprojekten nicht auf die reine Gestaltung setzen dürfen. Im Interview mit Henri Bava
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NORDISCH BY NATURE Erlebnis und Erholung zugleich: der Vestre Fjord Park in Aalborg
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SEE IN SICHT Über Zugänglichkeit und Sichtbarkeit – der Seepark am Möhnesee in Körbecke. Ein Projekt von wbp Landschaftsarchitekten
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KANTE ZEIGEN In Peschiera definieren CLAB Architekten die historische Hafenkante neu
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GEHISSTE SEGEL Warschau wendet sich mit dem Vistula Boulevard nach vielen Jahren endlich dem linken Weichselufer zu
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„DIE STADT IST IM HAFEN ANGEKOMMEN“ Ist das Konzept aufgegangen? Im Interview mit WES LandschaftsArchitekten zur Freiraumplanung der westlichen HafenCity in Hamburg
STUDIO 46
FRAGE Landschaftsarchitektin und Karriere?
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PRAXIS Regen gemaßregelt
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REFERENZ Technisches Niveau
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LÖSUNGEN Neue Lösungen und Systeme
RUBRIKEN 60
Stellenmarkt
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Impressum
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Lieferquellen
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DGGL
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Sichtachse
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Vorschau
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
5 GARTEN+ L ANDSCHAFT
SN A PS H O T S
SU S A N N E I S A B E L YACOUB ÜBER ...
AUTORIN Susanne Isabel Yacoub ist Landschaftsarchitektin und Gärtnerin. Sie arbeitet als Fachjournalistin und dreht Filme zu Architektur und Landschaftsarchitektur.
Wie wird Berlin zu einer sozial gerechten Smart-City? Das Make City Festival diskutierte Ideen wie einen Vulkan am Humboldtforum von Hybrid Space Lab.
6 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Ist „Make City“ handzahm geworden? 2015 fegte das von Francesca Ferguson initiierte Berliner Festival für Architektur und Andersmachen mit Antithesen und Alternativen, darunter vielen partizipativ ausgerichteten Projekten, so gründlich durch die etablierte Stadtplanung, dass zur Zweitauflage in diesem Jahr alle mitmachen wollten: Planer, Kreative, Vertreter der Zivilgesellschaft, aber auch die Berliner Bausenatorin und die Stadtentwicklungsbehörde. Unter dem Motto „Berlin Remixing. Stadt neu gemischt“ bot das Event im Juni 280 Veranstaltungen an 18 Tagen. Den 100 Gründungspartnern des Festivals, darunter auch der bdla, gelang es, diejenigen an einen Tisch zu bringen, die normalerweise nicht miteinander netzwerken. Erklärtes Ziel: Berlin auf den Weg zur sozial gerechteren Smart-City zu bringen. Um dies zu erreichen, fordert Francesca Ferguson: „Mehr Freiräume auf allen Ebenen, Städte zirkulärer bewirtschaften, Bodenspekulation stoppen, graue und grüne Infrastrukturen zu neuen Landschaften verschmelzen. Und: Das Humboldtschloss wird
zum Naturvulkan.“ Funktioniert so etwas in Berlin besser als in anderen Städten? Bausenatorin Katrin Lompscher verlangt ausdrücklich Tipps „von Akteuren, die Stadt selbst machen“. Dafür steht Berlin offensichtlich noch immer, allen Gentrifizierungs-Desastern zum Trotz. Ermutigend offenbart sich das bei den Neubauten rund um den einstigen Blumengroßmarkt am Jüdischen Museum. In einem Konzeptverfahren eroberten sich die Kreuzberger ihren Stadtteil zurück. Baugruppen wagen sich erstmals an Gewerbebauten und im vielbeachteten Metropolenhaus wird das Erdgeschoss zum erweiterten öffentlichen Raum für Nachbarn statt zum Renditeobjekt. Perspektiven zu Natur versus Stadt und der öffentliche Raum standen diesmal stärker im Fokus. In diesem Kontext plädierte Festivalkurator Martin Rein-Cano dafür, dass Landschaftsarchitekten sich weniger selbst zensieren sollten, um ihre Visionen auszuspielen oder in seinen Worten: funktionale „must haves stärker mit den must loves verbinden“.
Visualisierung: Hybrid Space Lab
MAKE CITY FESTIVAL IN BERLIN
ARENA MOMENTAUFNAHME SNAPSHOTS
M O ME N TA UF N AH M E
SPARGELSPITZEN Windräder bedeuten für Windpark-Gegner oftmals eine „Verspargelung der Landschaft“. Sie sehen in ihnen eine unliebsame Störung des Landschaftsbildes. Für den deutschen Fotokünstler Ulrich Mertens sind sie dagegen ein Symbol der Hoffnung und des Fortschritts im Sinne des Klimaschutzes. Zehn Jahre lang fotografierte er für sein Kunstprojekt „Wind in Sicht – Landscape in Transition“ von den Gondeldächern moderner Windkraftanlagen Landschaften und urbane Räume, um den Wandel von der fossilen und atomaren Energiegewinnung hin zur Windenergie zu dokumentieren. In Deutschland stehen mittlerweile über 29 000 Windenergieanlagen. Sie machen einen Anteil von rund 19 Prozent der Stromproduktion aus. Die Nahaufnahmen und ungewöhnlichen Perspektiven von Windturbinen und Rotorenblättern aus dem Werk Mertens bieten jedoch eine andere Anschauungsweise. Das Naturbild spiegelt unseren gesellschaftlichen und industriellen Wandel. Möglicherweise wandelt sich auch das Bild vom spargelartigen Windrad
Foto: windinsicht.de
hin zu einem pittoresken Element – wie damals die Windmühlen in den Landschaftsgemälden.
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Weitere Bilder aus „Wind in Sicht – Landscape in Transition“: www.landschaft-garten.de/wind-in-sicht
11 GARTEN+ L ANDSCHAFT
UFERLANDSCHAFTEN
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„WIR MÜSSEN MIT DER LANDSCHAFT REDEN” 21 Kilometer und 350 Hektar Stadtufer in Shanghai, vier Kilometer gedeckelter Flussraum in Nantes, 70 Hektar Hafenareal in Straßburg – das deutsch-französische Büro Agence Ter zeichnet sich durch großangelegte Waterfront-Projekte aus. Wir haben uns mit Henri Bava unterhalten und ihn gefragt, wie er seine Projekte angeht und welche Herausforderungen er in der Gestaltung von Uferlandschaften sieht. THERESA RAMISCH
12 GARTEN+ L ANDSCHAFT
UFERLANDSCHAFTEN INTERVIEW MIT HENRI BAVA
Monsieur Bava, Ihr Büro Agence Ter ist bekannt für großangelegte Projekte am Wasser, Flussufer im Speziellen. Was ist für Sie das Besondere daran?
Mich faszinieren der Kontext, die Kultur, die Geschichte und die Topografie, in die die Ufer und Wasserraine eingebettet sind. Als Landschaftsarchitekten heben wir hervor, was schon vorhanden oder bereits in den Vorstellungen der Menschen vor Ort verankert ist. Dies können wir in unseren Projekten intensivieren und genau das finde ich bei Wasserfront-Projekten besonders interessant.
30 In Peschiera am Gardasee greifen CLAB architettura historische Linien auf und zeichnen den Weg zum Wasser neu. Ab Seite 30.
Wie schafft man das? Eine Landschaft hervorzuheben, sie zu intensivieren?
Indem man sich mit der GESCHICHTE DES ORTES beschäftigt sowie landschaftliche und kulturelle Besonderheiten herausarbeitet. Wie können wir uns das vorstellen?
Agence Ter entwickelt aktuell den Straßburger Industriehafen. Hier arbeiten wir einerseits mit dem sichtbarem Bestand – dem Fluss, den umliegenden Kanälen oder ehemaligen Industriestandorten und -infrastrukturen. Daneben gibt es aber auch den unsichtbaren Bestand, wie zum Beispiel einen ehemaligen Kanal, der heute brach liegt. Wir können ihn nicht wieder reaktivieren und mit Wasser befüllen. Das wäre zu teuer. Aber was wir tun können ist, diese alte Struktur neu zu interpretieren und zu nutzen. Die dafür notwendige Grünfläche, die Brache existiert ja schon. Sie wird zum Park und gemeinsam mit den Kanälen und dem Fluss zu einem erlebbaren Rhythmus entlang des Ufers.
INTERVIEWPARTNER Henri Bava studierte Botanik an der Universität Paris-Orsay und Landschaftsarchitektur an der ENSP in Versailles. Er ist Mitbegründer des französischen Landschaftsarchitekturbüros Agence Ter mit Hauptsitz in Paris und Dependenzen in Karlsruhe, Barcelona, Shanghai und Los Angeles. Seit 1998 ist er ordentlicher Professor am KIT Karlsruhe und leitet dort das Fachgebiet Landschaftsarchitektur des Instituts für Entwerfen von Stadt und Landschaft.
In der Februarausgabe der Garten + Landschaft kamen wir zu dem Schluss, dass der Fluss ein Revival erlebt. Gilt das nicht aber für Uferlandschaften per se, also auch für Seen oder Küsten?
Es gibt definitiv immer mehr Projekte in dem Bereich. Ich glaube aber, wir dürfen gerade in diesen Räumen nicht nur auf die reine Gestaltung setzen. Vorab müssen wir Studien durchführen, um zu verstehen, welches die wichtigsten Bezüge in der (Wasser-)Landschaft sind, wie die Umgebung und der Raum funktionieren. Erst dann können wir gemeinsam und unter Einbeziehung der Bürger Akzente setzen. Es kommt ganz wesentlich darauf an, wie wir mit der Landschaft kommunizieren. Wie meinen Sie das?
Mein ehemaliger Professor, Michel Corajoud, sagte immer: „Wenn wir einen Ort entwickeln, treten wir in einen Dialog mit ihm. Dabei kommt es für den Erfolg eines Projekts darauf an, wie wir mit dem Ort in Kontakt treten – ob brutal und direkt oder zuhörend und ruhig.“ Dieses Bild finde ich absolut treffend. Es bedeutet aber nicht, dass man danach vorsichtig handeln muss. Die zu ergreifenden Maßnahmen können auch hart sein. Softes Grün ist nicht immer die Lösung. Vielmehr muss man mit Materialität und Präsenz den Bezug zum Ort schaffen. Hat es einen besonderen Reiz für Landschaftsarchitekten, mit Wasser zu arbeiten?
Definitiv. Bei Agence Ter arbeiten wir zunehmend in Metropolregionen. Flüsse, Seen und Wasserlandschaften sind hier leider oftmals Grenzen, Ränder oder Schwellen. Sie sind damit genau die 13 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Das stärkste Element im Vestre Fjord Park: Eine multifunktionale Promenade, die sich über mehrere Einzelgebäude zieht, verbindet den Fjord mit seiner natürlichen
Foto: Rasmus Hjortshøj
Uferlandschaft.
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UFERLANDSCHAFTEN VESTRE FJORD PARK, AALBORG
NORDISCH BY NATURE Der Vestre Fjord Park – eine wahrgewordene multifunktionale skandinavische Uferlandschaft? Nach mehreren Jahren der Sanierung eröffnete im Sommer 2017 die Erlebnislandschaft am Limfjord in Aalborg, Dänemark. Ein Projektbericht. ADEPT STUDIO
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KANTE ZEIGEN In Peschiera am Gardasee hat man lange darauf gewartet, dass die Piazza Ferdinando di Savoia und ihre Verbindung zum Wasser neu durchdacht wird. Ăœber Jahrzehnte hinweg verkam der ehemalige Altstadthauptplatz zum wenig bemerkenswerten Parkplatz. Mit einer klaren Geste stellten die Architekten Federico Signorelli und CLAB Architettura 2017 den verlorenen Bezug wieder her. Ein Besuch der neuen/alten Wasserkante. LEONARDO LELLA
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UFERLANDSCHAFTEN PIAZZA FERDINANDO DI SAVOIA, PESCHIERA
Verbinden den ehemaligen Militärtruppenplatz im Nordosten mit dem Mincio: die abfallenden Stufen mit Sitzgelegenheiten und direktem Blick auf den Ponte dei Voltoni.
Mitte Juni, am Bahnhof von Peschiera del Garda. Die Atmosphäre ist entspannt, auch wenn man sich seinen Weg durch mehrere Menschengruppen bahnen muss. Es ist kurz vor zwei Uhr mittags, unzählige Gruppen von Jugendlichen drängen sich unter dem engen Schutzdach am Bahnhofsvorplatz und suchen Schutz vor der sengenden Sonne. Sie warten geduldig auf den nächsten Bus zum Freizeit- und Wasserpark. Ein paar Schritte weiter wird es ruhiger, die meisten Leute biegen vor dem Stadttor ab, ihre Ziele: Strände und Campingplätze. Denn für viele Besucher ist die Kleinstadt mit rund 10 000 Einwohnern am südlichen Ufer des Gardasees nicht mehr als ein sonniges Urlaubsziel mit mediterranem Flair. Dabei hat die Stadt so viel mehr zu bieten als Sonne, Sand und See. Ihre jahrhundertelange Geschichte – erstmal als Teil der Republik Venedig und später unter ÖsterreichUngarn – hat die Stadtlandschaft maßgeblich geprägt. Hinter der sternförmigen Festung verbarrikadiert, liegt die Altstadt auf einer Insel in strategischer Position im südlichsten Teil des Sees – dort, wo der Gardasee in den Fluss Mincio übergeht – in Schlüsselposition zwischen Alpen und Po-Ebene. Die Stadt definiert sich durch die imposanten venezianischen Befestigungen, die seit letztem Jahr UNESCO-Weltkulturerbe sind, sowie durch riesengroße Kasernenbauten, die der Feldmarschall Josef Radetzky im 19. Jahrhundert für die Verteidigung des südlichsten Königreiches vom Kaisertum Österreich bauen ließ.
AUTOR Leonardo Lella ist ein französisch-italienischer Architekt. Er studierte in Rom und München und beendete sein Architekturstudium mit der Organisation einer Ausstellung über den Umgang mit Bauten des italienischen Faschismus. Aktuell ist er auf der Architekturbiennale in Venedig tätig und schreibt hier über Kunst und Architektur.
31 GARTEN+ L ANDSCHAFT
„DIE STADT IST IM HAFEN ANGEKOMMEN“ Hamburgs HafenCity ist das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas. Mit der dortigen westlichen HafenCity haben die Architekten von WES LandschaftsArchitektur zusammen mit EMBT aus Barcelona eine Uferlandschaft gestaltet, die zwischen maritimem Erbe und Stadt vermitteln soll. Peter Schatz von WES wagt den Rückblick und diskutiert mit uns, ob das Vorhaben gelungen ist. ANJA KOLLER
Peter Schatz ist Landschaftsgärtner und studierte Landespflege an der Fachhochschule Osnabrück. Seit 1996 ist er Gesellschafter von WES LandschaftsArchitektur.
Herr Schatz, Ihr Büro zeichnete zusammen mit dem Architekturbüro EMBT aus Barcelona für die Realisierung der Freianlagen in der westlichen HafenCity verantwortlich. Was war das Besondere daran, dieses Flussufer zu gestalten?
Für uns war und ist die HafenCity ein spannendes Projekt, weil wir den gestalterischen und technischen Spagat zwischen Bestand, den Anforderungen an eine Wasser-Land-Grenze und die Neugestaltung unterschiedlicher Außenanlagen über einen langen Zeitraum schaffen mussten. Das heißt genau?
Die Landzunge des Dalmannkais ist eine beliebte urbane Flaniermeile (Bild oben). Auf drei Ebenen fließen auf den Marco-Polo-Terrassen die Themen Land, Wasser und Gezeiten gestalterisch ineinander.
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Die Hafenanlagen selbst sind ja erhalten geblieben. Die alten, teilweise sanierten Kaimauern flossen also in vollem Umfang mit in unsere Gestaltung ein. Eine äußerst diffizile Aufgabe, denken wir nur an Bestandsschutz oder Hochwasserschutz. Bei der Neugestaltung war uns wichtig, dass wir den Hafencharakter, insbesondere bei der Anlage der Promenaden, aufrechterhalten können. Wie sehr spielte das Wasser eine Rolle bei der Gestaltung des Freiraums?
Wir sind eigentlich nur in einem Bereich mit dem Wasser in Berührung gekommen: am Traditionshafen. Hier ist durch die schwimmenden 900 Quadratmeter großen Betonpontons, die untereinander verbunden sind, der direkte Wasserkontakt gegeben.
Die ganze HafenCity wurde gegenüber dem alten Bestand angehoben – auf acht Meter über Normalnull, sodass man zukünftig Hochwasser ausschließen kann. Die westliche HafenCity ist ein Großprojekt der Stadtentwicklung – wie hat sich Hamburg dadurch verändert?
In der HafenCity gibt es für jedes Hochbauprojekt einen internationalen Architektenwettbewerb, für jedes Freiraumprojekt auch, das heißt, die Qualität und Internationalität der Architektur und der Freiraumgestaltung sind hier einzigartig. Wir waren ja Partner von EMBT aus Barcelona. Das ist schon besonders. Außerdem liegt die HafenCity mitten im Herzen Hamburgs und ist nur 800 Meter vom Rathaus und etwa einen Kilometer vom Jungfernstieg und von der Alster entfernt, sodass sich auch die Innenstadt einem Wandel unterzogen hat. Mit 157 Hektar Hafenfläche ist die HafenCity europaweit eins der größten Planungsgebiete. Die Innenstadt Hamburgs wird damit um 40 Prozent erweitert, man schafft 6 000 bis 7 000 Wohnungen für mehr als 14 000 Einwohner und bis zu 45 000 Arbeitsplätze. Wie gestaltet man Quartiere, die eine Balance zwischen Wohn- und Grünraum bieten? Ist Ihnen dies hier gelungen?
Im exzellenten Masterplan von Kees Christiaanse und im darauf folgenden Städtebauplan
Fotos: HafenCity GmbH
INTERVIEWPARTNER
UFERLANDSCHAFTEN HAFENCITY, INTERVIEW MIT PETER SCHATZ
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FR AGE
LANDSCHAFTSARCHITEKTIN UND KARRIERE? Quotendiskussionen, #metoo-Debatte, Equal-Pay-Forderungen – Seit einiger Zeit prangern Frauen lautstark Missstände und Ungleichheiten an, im Privaten wie im Beruflichen. Die Generation Y sucht einen Beruf mit Sinn, setzt eine ausgewogene Work-Life-Balance voraus, und Väter nehmen häufiger Elternzeit. Eine ideale Umgebung also, um als Frau Karriere zu machen? Ein Blick in die Profession. DÉSIRÉE BALTHASAR
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Foto: xxxxx
STUDIO FRAGE
„Es vergeht keine Woche, in der ich nicht daran erinnert werde, eine Frau zu sein“, sagt Landschaftsarchitektin Lioba Lissner. Die Geschäftsführerin des Berliner Planungsbüros hochC führt seit etwas mehr als einem Jahr mit dem Gründer Claus Herrmann ein Team von rund einem Dutzend Mitarbeitenden. Ihrem Weg in die Geschäftsführung gingen über zehn Jahre als Angestellte in Herrmanns Planungsbüro voraus. „Als Bauleiterin bin ich oft die einzige Frau auf der Baustelle, das wird häufig kommentiert. Vor allem, wenn man sich noch nicht kennt. Dann steht das Frausein im Vordergrund. Tauchen die ersten fachlichen Fragen auf, wird es schnell unwichtig. Dann muss ich niemandem beweisen, dass ich besser bin als männliche Kollegen.“ Ihr Geschäftspartner Herrmann fügt hinzu: „Hier und da herrschen noch männliche Stereotype vor, die alte Rollenmuster bedienen, und Projektleiter, die sich nicht damit abfinden wollen, dass Frauen in unserer Gesellschaft gleichberechtigt sind.“ Ganz anders erleben es Franziska Felgentreu und Vanessa Steidle. „Das Frausein war bei uns noch nie ein Thema, es ist dem Zufall geschuldet, dass wir ein rein weibliches Büro sind“, sagt Landschaftsarchitektin Steidle. Das 2010 gegründete Planungsbüro Steidle & Felgentreu in München gehört zu den kleineren Einheiten im Markt, zwei Mitarbeiterinnen unterstützen die beiden Inhaberinnen. „Unabhängig davon, ob wir mit Frauen oder Männern zusammenarbeiten – die Erfahrung hat uns gelehrt, dass wir als Planerinnen anerkannt sind, sobald es ums Fachliche geht“, erzählt Steidle weiter. Ihnen ist zwar bewusst, dass sie in einer Männerdomäne arbeiten, doch mittlerweile gäbe es zahlreiche Projektleiterinnen, sodass sie sich nicht als Rarität empfinden. Kein Vergleich zu den beruflichen Anfängen von Prof. Dr. Angelika Wolf. Die Landschaftsarchitektin wurde 2005 an die Hochschule Ostwestfalen-Lippe (‚OWL’)
berufen und befindet sich mittlerweile im Ruhestand. Sie beschäftigte sich Zeit ihres Lebens mit den Fragen der Gleichstellung der Geschlechter ihres Berufsstands. Zu Wolfs Studienzeiten, während der frühen Umweltbewegungen wählten mehr Frauen als vorher das Fach Landschaftsarchitektur. „Die Männer hatten damals Angst, der Beruf würde zum ‚Frauenberuf‘ verkommen und sie selbst darin keine Rolle mehr spielen. Das ist nicht eingetreten, wie wir wissen“, erzählt Wolf rückblickend. „Entgegen der Zeit damals sind Frauen heute fachlich akzeptiert“, fügt sie hinzu. Als sie Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Niedersachsen wurde, um 1980, hielt man sie noch für die Sekretärin. Mittlerweile machen die Studentinnen etwa die Hälfte aller Studierenden aus. Allerdings verlassen viele der gut qualifizierten Absolventinnen bereits nach wenigen Berufsjahren den Arbeitsprozess oder treten erst gar nicht in ihn ein, so das Ergebnis einer Studie von 2013. Angelika Wolf und OWL-Mitarbeiterin Katrin Herber befragten Absolventinnen und Absolventen der Hochschule OWL und der Leibniz Universität Hannover. Wolf und Herber fanden unter anderem heraus, dass etwa ein Viertel der Landschaftsarchitektinnen auf befristeten Positionen und ein weiteres Viertel freiberuflich arbeiten. Die beiden Optionen scheinen für Männer nicht zur Debatte zu stehen. Insgesamt gaben die Befragten an, dass sie den Beruf inhaltlich zwar spannend fänden, jedoch sowohl die Karriereaussichten als auch die Bezahlung zu gering seien, im Vergleich zu anderen Ingenieursberufen. Frauen bemängeln, geringer wertgeschätzt und geringer bezahlt zu werden als ihre männlichen Kollegen. Männer hingegen haben das Gefühl, dass Frauen im Gegensatz zu ihnen besonders gefördert werden, und empfinden das als Ungleichheit. Der Duden beschreibt die Karriere als ‚erfolgreichen Aufstieg im
AUTORIN Die freiberufliche Journalistin Désirée Balthasar arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Hamburg. Sie studierte Literatur und Sprachwissenschaft sowie Entwicklungspolitik in Konstanz und London.
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