Garten + Landschaft 12/2018

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D EZEM B E R 2018

MAGAZ I N F Ü R L ANDSC HAF T SARC HI TEK TUR

GARTEN +

LANDSCHAFT

ALPENTRAUM SCHWEIZ? PLANERIDYLL AUF DEM PRÜFSTAND

plus

Interview mit Lukas Schweingruber Neues Entree für das Victoria & Albert Museum


16 Am Bielersee planen bbz Landschaftsarchitekten ein neues Quartier für 2 000 Menschen. Gegner befürchten, durch das

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Projekt wertvollen Freiraum zu verlieren.

Eine Studie des Vereins Metropolitanraum Zürich zeigt auf, wie im Kanton Zürich trotz Siedlungsdruck ein Freiraumnetz entstehen kann.

22 kein Raumplaner und auch

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kein Städtebauer” – das

Früher Verkehrsknotenpunkt,

Interview mit Lukas

heute Quartiersplatz: Der

Schweingruber ab Seite 22.

Röschiplatz ist nur einer von

„Der Schweizer Landschaftsarchitekt ist

vielen Züricher Plätzen, die im Zuge der Westumfahrung entstanden. Jørg Himmelreich von archithese informiert.

40 Knapp vier Monate wanderte eine Gruppe von Alpenfachleuten von Nizza nach Wien. Die Tour endete mit einem Bad im Mittelmeer.


INHALT

AREN A 06 11

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Was blüht denn da?

T I T EL Alpentraum Schweiz? Planeridyll auf dem Prüfstand 12

ADIEU HEIDI-LAND Warum sich die Schweizer Landschaftsarchitektur von alten Bildern lösen muss – Standpunkt des jungen Züricher Büros S2L

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NAH AM WASSER GEBAUT Am Bielersee soll ein neues dichtes Quartier mit qualitätsvollem Freiraum direkt am See entstehen, doch die Gegnerschaft wächst

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„DAS KNOW-HOW DER ZUSAMMENHÄNGE FEHLT” Interview mit Lukas Schweingruber vom Studio Vulkan über die aktuelle Position der Schweizer Landschaftsarchitektur

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FREIRAUM BEACKERN Freiraum gestalten trotz Flächendruck – eine Studie für den Metropolitanraum Zürich zeigt auf, wie es funktionieren kann

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RUNDUM PLATZ Im Zuge der Westumfahrung gestaltete die Stadt Zürich mehrere Verkehrsflächen zu qualitätsvollen Quartiersplätzen um. Eine Fotostrecke

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NACH DEM WEG KOMMT DAS ZIEL Plädoyer von Dominik Siegrist zum richtigen Umgang mit den Alpen

STUDIO 46

FRAGE Wie beugt man Scheinselbstständigkeit vor?

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PRAXIS Erleuchtende Wege

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REFERENZ Mit Stufen zum Eintritt

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LÖSUNGEN Neue Lösungen und Systeme

RUBRIKEN 60

Stellenmarkt

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Impressum

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Lieferquellen

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DGGL

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Sichtachse

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Vorschau

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

5 GARTEN+ L ANDSCHAFT


LANDSCHAFT SCHWEIZ – ADIEU HEIDI-LAND Starke Bevölkerungszunahme, massive Bautätigkeiten, die Klimaveränderung: Die Schweiz unterliegt einem enormen Wandel und ist schon lange nicht mehr allein das Land malerischer Alpenchalets. Die Folge ist eine weitreichende Diskrepanz zwischen der Schweiz, an deren Idealbild man sich fast verzweifelt festhält, und der Schweiz, die tatsächlich existiert – inklusive Zersiedlung und schneelosen Bergen. Welche Position muss die Schweizer Landschaftsarchitektur hierbei einnehmen? Jan Stadelmann und Daia Stutz vom jungen Züricher Landschaftsarchitekturbüro S2L werfen einen kritischen Blick auf das Heute und Morgen. JAN STADELMANN, DAIA STUTZ

AUTOREN Jan Stadelmann und Daia Stutz studierten Landschaftsarchitektur an der Hochschule in Rapperswil sowie Urbanistik an der TU München bzw. Urban Design and der Harvard Graduate School of Design. Seit 2016 führen sie das Büro S2L und sind zudem an den Hochschulen HSR und ETH in Lehre und Forschung tätig.

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Wir Schweizer haben ein ambivalentes Verhältnis zu unserer Landschaft. Oder wie es der Stadtwanderer Benedikt Loderer zu sagen pflegt, gibt es zwei Schweizen: „Die Schönschweiz und die Gebrauchsschweiz.“ Zum einen ist da die Bewunderung für und der Stolz auf die bildhaft schönen und erhabenen Landschaften – in Zeiten von Selfiekultur, Instagram und Influencerblogs auch marketingtechnisch durchaus wertvoll – andererseits gehen wir relativ sorg- und lieblos mit der alltäglichen Gebrauchslandschaft um. Und doch hat sich in den vergangenen Jahren das Verhältnis zur Gebrauchsschweiz gewandelt. Der Fokus von Planung und Politik liegt mittlerweile auch auf den Agglomerationen und der „Hüslischweiz“ (Schweizer Bezeichnung für die Einfamilienhausregionen im Land). Auch in der Bevölkerung ist die Sensibilisierung spürbar: Für viele Schweizer ist der Wert „1 m2/s“ mittlerweile ein Begriff. Er bedeutet,


SCHWEIZ ADIEU HEIDI-LAND

dass aktuell in der Schweiz pro Sekunde rund ein Quadratmeter Kulturland überbaut wird. So verwundert es wenig, dass in Zeiten von omnipräsenten Nachhaltigkeitsdiskussionen das Einfamilienhaus einen immer schlechteren Ruf bekommt. Ob ein 250-Quadratmeter-Loft die bessere Lösung ist, sei dahingestellt. ABER DER URBANE RAUM IST HIPP, nicht zuletzt, da nur dieser ein engmaschiges Netz an alltäglichen funktionalen Notwendigkeiten bereitstellen kann. In der urbanen und suburbanen Schweiz wird gebaut, was das Zeug hält: Stadtquartiere werden nachverdichtet, Agglomerationen urbanisiert und obwohl der Druck auf die freien Flächen groß ist, werden die Notwendigkeit und die Ansprüche auf und an den Freiraum gerade in den Städten und deren Agglomerationen ernst genommen, oder man spricht zumindest darüber. In neuen Quartieren am Stadtrand fungiert der Freiraum immer öfters als Qualitätsmerkmal – WIE GERADE BEISPIELE AUS DEM METROPOLITANRAUM ZÜRICH ZEIGEN. Und urbane Räume werden wieder zu Wohnträumen für Jung und Alt, entsprechend entwickelt sich der Anspruch an die Freiräume. Die Gebrauchsschweiz wird also zumindest in Teilen hübscher und gehaltvoller, dafür die Schönschweiz gebrauchter. Die Distanzen sind kurz, und die attraktiven Landschaften sind oftmals innerhalb kurzer Zeit erreichbar. Entsprechend steigt der Druck auf diese gut erschlossenen Regionen. E-Bike-Rentner überschwemmen die Berge, Partyvolk die Seen und Flüsse, junge Stadt-Familien wandern durch die Glarneralpen, und die Touristen fahren massenweise auf das Jungfraujoch. Doch nebst dieser Urbanisierung von Landschaftsräumen ist auch das gegenteilige Phänomen zu beobachten. In strukturschwachen und weit von den urbanen Gebieten entfernten Berggebieten findet eine Entschleunigung statt. Die Menschen ziehen weg, die kulturlandschaftliche Nutzung wird eingestellt. Neue Landschaften und neue Wildnisse entstehen, Wölfe und Bären streifen wieder umher und bringen eine „neue Natur“ zurück. Und so zeigt sich, dass die loderersche Einteilung in die Schön- und Gebrauchsschweiz für den politischen Diskurs der letzten Jahrzehnte zwar enorm wertvoll war, diese Einteilung in Schwarz und Weiß im kritischen Realitätscheck aber nicht mehr ganz funktioniert.

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Wie hipp, zeigt die Fotostrecke zu vier Stadtplätzen in Zürich ab Seite 32.

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Pieter Poldervaart, freier Journalist, stellt ab Seite 26 die Studie „Metropolitanraum Zürich als Parklandschaft – Siedlungsnahes Freiraumnetz“ vor.

ZWEI ANDERE SCHWEIZEN

Es existieren durchaus zwei Schweizen, jedoch sind sie nicht einzuteilen in die schöne und hässliche, sondern vielmehr in eine statisch-bildhafte und eine transformatorisch-dynamische Schweiz. Die erste dieser Schweizen – die statische – existiert nur in unseren Köpfen. Und auf Bildern. Brainwashingmäßig werden wir überall – gerade auch in der Werbung – zugedonnert mit solchen Idyllbildern. So ist es ein Paradox: Auf der Suche nach und durch den Konsum dieser bildhaften Schweiz irgendwo in den Alpen produzieren wir eine hohe Transformation außerhalb des Bildes. Der Weg vom urbanen Daheim zum gelobten Heidi-Land benötigt und verursacht ein massiv belastetes Dazwischen. Gerade diese Energie und die Infrastrukturen sind – natürlich auch verursacht durch andere Lebensgewohnheiten von uns – nicht unerheblich für den hohen Verbrauch an Kulturland und Ressourcen. Die Heidi-Schweiz? Die saftig grüne Alpwiese mit Bergsee im Hintergrund und dem verschneiten, teilweise gletscherbedeckten Bergpanorama? Die Zukunft sieht anders aus: DIE WIESEN VERBRACHEN ZU

WALD, DER BERGSEE TROCKNET AUS, DIE BERGE SIND NICHT MEHR WEISS, sondern grau, grünen von unten her ein oder fallen

infolge fehlendem Permafrost und verstärkten Erosionskräften in sich zusammen. Natürlich kämpfen wir Schweizer tapfer – so wie schon Wilhelm Tell sich gegen die Österreicher gewehrt hat – gegen den Wandel an: Mit Milliarden von Franken versuchen wir jährlich, das

40 Dominik Siegrist über die Herausforderungen im Schweizer Alpenraum ab Seite 40.

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NAH AM WASSER GEBAUT Am Bielersee plant die Projektgesellschaft AGGLOlac ein stark verdichtetes Quartier mit Wohnraum für bis zu 2 000 Bewohner. Die schönsten Parzellen direkt am Wasser sollen der Öffentlichkeit erhalten bleiben – als vielfältig gestalteter Park. Noch ist nicht klar, ob das Projekt umgesetzt wird. Denn so grotesk es auf ersten Blick wirken mag, befürchtet eine zunehmende Anzahl von Gegnern, durch das Projekt Freiraum zu verlieren.

Visualisierung: AGGLOlac

GABRIELA NEUHAUS

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SCHWEIZ AGGLOLAC, BIELERSEE

Das sogenannte „Seemättli“ ist heute ein zentrales Erholungsgebiet mit parkartigem Charakter am Bielersee. Es soll im Rahmen von AGGLOlac erhalten, um weiteren Grünraum erweitert und durch naturnah gestaltete Flachufer zugänglicher gemacht werden.

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„DAS KNOW-HOW DER ZUSAMMENHÄNGE FEHLT“ Seitdem Dieter Kienast in den 1980er-Jahren die Schweizer Landschaftsarchitektur revolutionierte, sind viele Jahre vergangen. Die Profession wie auch die Landschaft haben sich stark verändert. Wir sprachen mit Lukas Schweingruber vom Studio Vulkan über die aktuellen Herausforderungen der Schweizer Landschaftsarchitektur, warum großmaßstäbliche Projekte fehlen, sich die jungen Landschaftsarchitekten überschätzen und die großen Schulen des Landes – die ETH Zürich und die HSR Rapperswil – die Entwicklung der Profession blockieren. THERESA RAMISCH

studierte Landschaftsarchitektur an der HSR in Rapperswil, wo er auch von 2001 bis 2008 lehrte. 2014 gründete er mit drei Partnern das Büro Studio Vulkan Landschaftsarchitektur in Zürich und ist seitdem hier Partner.

Herr Schweingruber, welchen Problemen stellt sich derzeit die Schweizer Landschaftsarchitektur?

Die Schweiz hat einen kleinen Siedlungsraum. Hier ist jeder Quadratmeter umkämpft, viel stärker als in anderen Regionen Europas. Gleichzeitig hat das Land zu viel Geld. Aus diesen Rahmenbedingungen – Siedlungsdruck und Finanzstärke – ergeben sich in der Landschaftsarchitektur extrem spezifische und teure Freiräume. Man könnte sagen, dass wir unsere Freiräume überdesignen. Dabei steht der Mensch nicht im Vordergrund, sondern das Design. Mich beschäftigt fast tagtäglich die Frage, wie wir in der Schweiz – bei dem wenigen Raum, den wir zur Verfügung haben – noch gute Projekte machen können, die sämtliche Ansprüche bedienen. Der Siedlungsdruck wird weiter zunehmen. Wie muss die Profession hier reagieren?

Eigentlich ist es banal: Wir müssen verstehen, wer was an einem Ort will, dann die Gemeinsamkeiten der Ansprüche sammeln und anschließend die entsprechenden Verbindungen über den Raum schaffen. Mich erstaunt immer wieder, dass viele meiner Schweizer Kollegen regelmäßig vorschnell über Bilder argumentieren, ohne vorher die Ansprüche vor Ort analysiert zu haben. 22 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Aber das ist doch Standard, Raum über Ansprüche zu entwickeln.

Nein, ganz im Gegenteil. Insbesondere junge Landschaftsarchitekten überschätzen sich hier enorm. Sie denken, Gestaltung definiere sich aus schönen Formen. In der Schweiz wird nicht begriffen, was Entwerfen im Raum eigentlich bedeutet. Und es wird nicht gelehrt. Die Schweiz könnte für Europa, das stets dichter wird, Vorreiter sein. Ist sie aber nicht. Es fehlt das Know-how der Zusammenhänge. Wie meinen Sie das?

Die Profession hat immer noch das Stigma, dass ein Entwurf gut ist, wenn er gut designt ist. Dabei muss er gut durchdacht sein. Es fehlt die Fähigkeit, die unterschiedlichen Bereiche – Nutzungen, Sozialwesen, Ökologie und Ökonomie – zusammenzubringen. Das betrifft auch den großen Maßstab, über den wir derzeit viel diskutieren. Ja, es fehlen vielerorts die entsprechenden Konzepte. Aber man darf nicht vergessen, dass nur sehr wenige in der Profession diesen gewachsen sind. Der Schweizer Landschaftsarchitekt ist kein Städtebauer und auch kein Raumplaner. Aber er sollte es sein, zumindest zum Teil. Woher kommt das?

Das ist sicher eine Frage der Ausbildung. Ein

Foto: Marion Nitsch / Lunax

INTERVIEWPARTNER Lukas Schweingruber


SCHWEIZ INTERVIEW MIT LUKAS SCHWEINGRUBER

kleines Land leistet sich den Luxus, dass zwei ihrer zentralen Ausbildungsstätten, die ETH Zürich und die Fachhochschule Rapperswil, offensichtlich nicht gemeinsam an einem Strang ziehen. Jeder lehrt und forscht in seinem Elfenbeinturm, und einen wirklichen Bezug zur Schweizer Praxis sehe ich nicht. Der Berufsverband, der Bund Schweizer Landschaftsarchitekten, erscheint zu schwach, um unterschiedliche Positionen zusammenzubringen. Von daher sehe ich kaum, wie sich etwas verändern könnte. Hier bin ich pessimistisch. Wie war das früher, in den 1980er-Jahren, als Sie noch in Rapperswil studiert haben? Wer hat da Zeichen in der Schweizer Landschaftsarchitektur gesetzt?

Ich habe noch bei Dieter Kienast studiert. Das war ein Gott, ein Überflieger. Wir wollten alle wie er sein. Seine Message wird heute aufgebauscht, aber grundsätzlich gilt sie: Landschaft als gestaltbare Materie. Aber auch schon damals gab es ein gewisses Schisma zwischen ihm und den Professoren, die Naturschutz und Landschaftsplanung gelehrt haben. Dieses etablierte sich dann als zwei unterschiedliche Berufe innerhalb der Profession, die mit Fokus auf Architektur und die mit Fokus auf Natur. Heute aber ist es die

große Herausforderung, mit Natur und Landschaft zu entwerfen. Das hat sich um 180 Grad gekehrt. Trotzdem hält man in der Schweiz an einem sehr einseitigen Landschaftsbild fest. Die Schweiz – das Bergland der Alpenchalets und Geißen? Ist das nicht längst überholt?

Zürich, 2012: Lukas Schweingruber bei der Auswahl einer Jury für den Wettbewerb „Die Besten 2012“, organisiert durch den Schweizer Architekturverlag Hochparterre.

Das denke ich nicht. Das Land zahlt jedes Jahr mehrere Milliarden Schweizer Franken für den Unterhalt der Schweizer Alpen. Das ist eine politische Entscheidung, die clever ist und recht erfolgreich funktioniert. Anderswo verwalden die Alpen, in der Schweiz zählen sie zum kulturellen Erbe. Das Land nimmt durch sie eine besondere Position ein und profitiert davon. Es ist ein wunderschönes Bild, das Wirtschaftskraft, Emotion und die Geschichte perfekt miteinander verbindet. Aber in Wirklichkeit verschwimmen Siedlung und Land. Das Bild ist nicht mehr realistisch.

Mancherorts stimmt das natürlich. Dennoch haben wir das Glück, dass die Grenze vom Mittelland, vom Siedlungsraum, zum Jura, zur Bergregion, physisch sehr erlebbar ist. Ich steige in Zürich in die S-Bahn, fahre dreißig Minuten, steige aus und empfinde Landschaft in ihrer unglaublichen Qualität. Hier scheint die Schweiz viel richtig gemacht zu haben.

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RUNDUM PLATZ Die Stadt Zürich hat in den letzten Jahren im Zuge der Westumfahrung mehrere kleine Plätze als begleitende Maßnahmen ganz oder teilweise vom Automobilverkehr befreit und sanft Instand gesetzt. Damit wurde der öffentliche Freiraum in mehreren alten Wohnquartieren erfolgreich reaktiviert. Der Anny-Klawa-Platz und der Bullingerplatz in Sihlfeld, der Brupbacherplatz in Wiedikon und der Röschibachplatz in ZürichWipkingen sind vier Beispiele aus dieser Gruppe gelungener Aktivierungen, die zeigen, dass man mit wenig Aufwand viel für die urbane Lebensqualität tun kann. JØRG HIMMELREICH

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SCHWEIZ QUARTIERSPLÄTZE ZÜRICH

Wann immer die Sonne scheint, sind die kleinen Stadtplätze belebt. Schüler essen dort zu Mittag, hören Musik und rauchen. Väter und Mütter legen mit Kinderwägen Zwischenstopps bei Spaziergängen ein. Ab und zu werden gar Grills, Tische und Stühle herausgetragen und die Nachbarn sitzen zusammen. Richtig lebendig sind sie aber vor allem an lauen Sommerabenden. Dann quillen die angrenzenden Kneipen über, und die Menschenmengen schwappen auf die Plätze hinüber. Bis spät in die Nacht wird geredet und getrunken. Für viele urbane Hipster sind die Quartierplätze und -kneipen längst neue Fixpunkte im Nachtleben geworden.

AUTOR Jørg Himmelreich ist Architekt, Historiker sowie Kunst- und Designwissenschaftler. Er forschte und lehrte mehrere Jahre am Departement Architektur der ETH Zürich. Bei der Zeitschrift archithese arbeitet er als Chefredakteur. Als Autor schrieb er Bücher und zahlreiche Fachartikel über Architektur, -geschichte und -theorie.

VERKEHRSFLÄCHEN WERDEN AUFENTHALTSORTE

Die meisten der kleinen Plätze stammen aus der Zeitspanne zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und den 1930er-Jahren, als die Wohnquartiere als Addition von Blockrändern ausgeführt wurden. Selten wurden ganze Gevierte für Parks freigehalten. Einige Plätze sind eher Resträume, wo das neue Raster der Bebauung mit unregelmäßigen Ausfallstraßen kleinere Flächen ausschied. Andere wie beispielsweise der große Kreisverkehr des Bullingerplatzes mit seinem großen Brunnen wurden ganz bewusst als repräsentative Mittelpunkte für ein neues Wohnquartier gestaltet. Viele von ihnen waren aber auch schlicht und einfach Verkehrsflächen, die in den letzten Jahren ganz oder teilweise den Fußgängern übereignet wurden.

Aus Kreisverkehr wird beliebter Quartierstreffpunkt: der Bullingerplatz in Sihlfeld (Gestaltung: Metron Verkehrsplanung AG, Brugg).

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SCHWEIZ PLÄDOYER FÜR DEN UMGANG MIT DEN ALPEN Vom 3. Juni bis 29. September 2017 wanderte eine Gruppe von Alpenfachleuten von Wien über die Alpen nach Nizza. Darunter auch: der Schweizer Landschaftsplaner Dominik Siegrist (Mitte, mit Cap).

NACH DEM WEG KOMMT DAS ZIEL Vor-Ort-Begehung mal anders: 2017 wanderte eine Gruppe aus Geografen und Raumplanern über die Alpen von Wien nach Nizza, um den aktuellen Zustand der Alpen zu dokumentieren und sich mit Menschen vor Ort und unterwegs auszutauschen. Ihre Erkenntnis: Die Landschaftspolitik im Alpenraum muss sich grundlegend ändern. Ein Plädoyer. DOMINIK SIEGRIST

1 800 Kilometer, vier Länder, siebzig Ortstermine und Veranstaltungen mit mehreren hundert Beteiligten: 25 Jahre nach dem TransALPedes Projekt 1992, einem journalistisch-politischen Projekt, bei dem acht Fachleute und Medienschaffende, von wechselnden Gästegruppen begleitet, in vier Monaten den Alpenbogen durchquerten, wanderte im Sommer 2017 eine Gruppe von Geografen und Landschaftsplanern unter dem Namen „whatsalp“ von Wien nach Nizza. Die Mission war dieselbe: den aktuellen Zustand der Alpen dokumentieren und sich mit Menschen vor Ort und unterwegs auszutauschen. Und auch die zentrale Frage blieb dieselbe: Wie werden die Alpen in der Zukunft aussehen, und wo liegt der größte Handlungsbedarf?

AUTOR Der Landschaftsplaner und Geograf Dominik Siegrist leitet das Institut für Landschaft und Freiraum und lehrt als Professor an der HSR Hochschule für Technik Rapperswil in der Schweiz. Von 2004 bis 2014 war er Präsident der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA. Er ist Mitinitiant der Alpendurchquerung whatsalp Wien – Nice 2017 und war 1992 Mitglied der Gruppe TransALPedes.

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FR AGE

WIE BEUGT MAN SCHEINSELBSTSTÄNDIGKEIT VOR? Viele Landschaftsarchitekten arbeiten selbstständig – ob als Gesellschafter oder als Freelancer. Neben vielen Vorteilen hat das auch Schattenseiten, zum Beispiel die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit. Wobei Gesellschafter schwerwiegende Folgen zu befürchten haben: Neben hohen Nachzahlungen drohen in manchen Fällen gar Ermittlungsverfahren. Zwei Anwälte klären darüber auf, was man beim Thema Scheinselbständigkeit beachten muss. DÉSIRÉE BALTHASAR

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STUDIO FRAGE

Wieso ist das Thema Scheinselbstständigkeit für Landschaftsarchitekten relevant?

Dr. Carl-Stephan Schweer: Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterzieht Unternehmen etwa alle vier Jahre einer Betriebsprüfung. Diese untersucht, ob die geschäftsführenden Gesellschafter selbst oder die beauftragten Freelancer sozialversicherungspflichtig sind. Sehr häufig werden die Prüfer tatsächlich fündig, mit teils schwerwiegenden Folgen. Was für Folgen sind das?

Manuel Milde: Die Beitragsnachforderung betrifft die letzten vier Jahre, bei Vorsatz sogar dreißig Jahre. Das kann teuer werden, denn zu dem an den Freelancer gezahlte Entgelt kommen etwa 40 Prozent Sozialversicherungsbeiträge hinzu. Der unfreiwillige Arbeitgeber muss sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteil nachzahlen. Zusätzlich muss man ein Prozent Säumniszuschlag pro Monat zahlen. CS: Neben den finanziellen Folgen besteht die Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder sogar ein Strafverfahren einleitet. Dies kommt immer häufiger vor. Zwar werden die Ermittlungen oft wegen Geringfügigkeit wiedereingestellt oder der Vorsatz verneint. Doch wer möchte ein Ermittlungsverfahren laufen haben? Herr Milde, was unterscheidet echte Selbstständigkeit von Scheinselbstständigkeit?

Manuel Milde: Rechtlich gesehen geht es darum, ob Landschaftsarchitekten Sozialversicherungsabgaben zahlen müssen oder

nicht. Angestellte sind versicherungspflichtig, Selbstständige nicht. Scheinselbstständige agieren als Selbstständige – zahlen also keine Abgaben, obwohl sie es aufgrund verschiedener Kriterien eigentlich müssten. Welche Kriterien sind das?

MM: Es gibt einen ganzen Katalog von Kriterien, sie lassen sich grob in zwei Bereiche unterteilen. Zum einen kommt es auf das Weisungsrecht an: abhängig beschäftigt ist, wer Weisungen befolgen muss. Entscheidet der Betroffene selber, wie, wann und wo ein Auftrag ausgeführt wird oder gibt das der Auftraggeber vor? Zum anderen zählen die äußeren Merkmale, die sogenannte „Eingliederung in den Betrieb“: Wenn man mit denselben Arbeitsmitteln am selben Ort wie die Mitarbeitenden arbeitet – bei einem Gang durch das Büro also nicht von den Festangestellten zu unterscheiden ist, dann spricht das für eine abhängige Beschäftigung.

INTERVIEWPARTNER Dr. Carl-Stephan Schweer ist Partner der Anwaltskanzlei Raue in Berlin. Er ist spezialisiert auf Architekten- und Verwaltungsrecht. Manuel Milde ist im gleichen Büro als Associate im Bereich Arbeitsrecht tätig.

CS: Aus Sicht des Freelancers zählt die Art, wie er oder sie am Markt auftritt. Gibt es eigene Kunden, werden Investitionen getätigt oder gar eigene Mitarbeitende beschäftigt? Werden die Aufträge eigenständig bearbeitet, ohne Vorgaben des Auftraggebers? Dann spricht viel für eine selbstständige Tätigkeit. Wann sollten die Alarmglocken läuten?

CS: Für Inhaber immer dann, wenn sich in einem Planungsbüro bezüglich der Besitzverhältnisse etwas ändert oder neue Mitarbeitende oder Freelancer beschäftigt werden sollen. Wenn beispielsweise die Rechtsform in eine GmbH geändert wird,

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