LICHT UND LANDSCHAFT
O KTO BER 2017
MAGAZIN FÜR LANDSCHAFT SARCHITEKTU R
GARTEN +
LANDSCHAFT
LICHT IM ÜBERFLUSS: WIE VIEL IST GENUG? plus
Saarpolygon: Lichtblick für die Landschaft
GARTEN + LANDSCHAFT
O K T O B E R 2 017
SM!GHT über smartes Licht
12 Wie zu viel Licht Mensch
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und Landschaft gef채hrdet und was die Planung dagegen tun kann.
Wie innovativ ist das Beleuchtungskonzept von Freiham-Nord wirklich?
20 Konturlos war der st채dtische Raum um den Berliner Fernsehturm geworden. 2013 erfolgte die Erleuchtung.
32 Ein leuchtendes Zeichen f체r den Strukturwandel: Das Saarpolygon auf der ehemaligen Halde Duhamel.
42 Mit Licht erweckt mbeam finstere Orte zum Leben. Wir stellen das Lichtkunstb체ro vor.
INHALT
AR EN A 06 11
SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Eleganter Irrgarten
T ITEL Licht im Überfluss: Wie viel ist genug? 12
DAS GROSSE LEUCHTEN Zu viel Licht in der Landschaft? Mit smarten Ideen in die Zukunft
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WENIGER LICHT! Ein Kommentar von Lichtplaner Uwe Knappschneider
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SPOTLIGHT ON Levin Monsigny Landschaftsarchitekten und Licht Kunst Licht AG haben das Umfeld des Berliner Fernsehturms neustrukturiert
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NACHT(T)RÄUME Freiham als Beispiel zeitgemäßen Stadtwachstums? Über Münchens jüngsten Stadtteil und sein Beleuchtungskonzept
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GESTÄHLTE STAHLKRAFT Das Saarpolygon – mit Form und Licht zur Transformation
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WUNDERWAFFE STRASSENLAMPE Im Interview mit Matthias Weis, Leiter des Start-ups SM!GHT
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DER LICHTMACHER Das Lichtkunstbüro mbeam im Porträt
STUDIO 46
FRAGE Was bringt Projektmanagement?
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PRAXIS Orientalischer Betongarten
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REFERENZ Mit Naturstein zum Sieg
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LÖSUNGEN Neue Lösungen und Systeme
RUBRIKEN 60
Stellenmarkt
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Lieferquellen
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Impressum
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DGGL
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Sichtachse
66
Vorschau
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
5 GARTEN+ L ANDSCHAFT
LICHT UND LANDSCHAFT – DAS GROSSE LEUCHTEN Urbanes Leben schläft nie, kennt keinen Stillstand. Der Antreiber dafür: künstliches Licht. Doch wo Helligkeit ist, ist auch Schatten. Denn nicht immer wird Beleuchtung effektiv eingesetzt. Schon seit Jahren sprechen Forscher von den Gefahren der Lichtverschmutzung. Wie müssen Freiraum- und Lichtplanung in Zukunft mit Licht umgehen? Welche smarten Ideen gibt es? EVA MARIA HERRMANN
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LICHT UND LANDSCHAFT DAS GROSSE LEUCHTEN
Europa als funkelndes Lichtermeer in der Nacht.
Foto: Ian Cuming / picture alliance
Doch der Schein trügt: Zu viel Licht kann auch schaden.
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20 GARTEN+ L ANDSCHAFT
LICHT UND LANDSCHAFT BELEUCHTUNGSKONZEPT ALEXANDERPLATZ, BERLIN
Die Berliner Polizei stuft das Areal rund um den Berliner Fernsehturm als kriminalitätsbelastet ein. Die Stimmung vor Ort wirkt jedoch eher entspannt.
SPOTLIGHT ON Der Berliner Alex hat einen schlechten Ruf. Er gilt als einer der gefährlichsten Orte Berlins, insbesondere nachts. Levin Monsigny Landschaftsarchitekten und die Lichtplaner Licht Kunst Licht AG haben sich dennoch an sein direktes Umfeld gewagt: Nur ein paar Schritte vom Alexanderplatz entfernt, strukturierten sie das Areal rund um den Berliner Fernsehturm neu.
Foto: Licht Kunst Licht AG/Claus Boeckh
SUSANNE ISABEL YACOUB
360 000 Menschen halten sich täglich am Alexanderplatz auf. Das entspricht einer Stadt wie Bochum. Viele dieser Besucher zieht es auch zur kleineren Platzschwester, dem Areal rund um den Fernsehturm zwischen S-Bahn-Trasse, Marienkirche und Rathauspassagen. Jahrzehntelang waren die Grünanlagen am Fuße eines der berühmtesten Wahrzeichen Berlins beliebt, doch desolat. Dort, wo in Spitzenzeiten an die 400 Jugendliche abhingen und Punks am Neptunbrunnen nachts Party machten, bis heute Massen von Touristen flanieren und osteuropäische Obdachlose einen Schlafplatz brauchen, sind Konflikte vorprogrammiert. Kein Wunder, dass Anwohner unsicher wurden angesichts des bedrohlichen nächtlichen Eindrucks. Streetworker sind hier präsent, die Berliner Polizei stuft das Areal als kriminalitätsbelastet ein. Dabei hat die achtsame Modernisie-
AUTORIN Susanne Isabel Yacoub ist Landschaftsarchitektin und ausgebildete Gärtnerin. Sie arbeitet als Fachjournalistin und dreht Filme zu Architektur und Landschaftsarchitektur.
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NACHT(T)RÄUME Er soll ein leuchtendes Beispiel für zeitgemäßes Stadtwachstum werden: der neue Münchner Stadtteil Freiham. Auf den letzten freien Flächen der bayerischen Landeshauptstadt entwickelt die Stadt ein neues Quartier für über 20 000 Menschen. Wird das Beleuchtungskonzept dem innovativen Anspruch gerecht? KATHARINA MATZIG
Im Sinne einer ganzheitlichen Lichtplanung soll der Lichtmasterplan für Freiham vom Lichtplanungsbüro Day & Light die Verkehrssicherheit und das Wohl- und Sicherheitsempfinden positiv beeinflussen.
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Foto: Day & Light Lichtplanung
LICHT UND LANDSCHAFT BELEUCHTUNGSKONZEPT MÃœNCHEN-FREIHAM
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GESTÄHLTE STRAHLKRAFT Die Landmarke Duhamel ist das neue Wahrzeichen der Region Ensdorf im Saarland. Auf der Bergehalde des stillgelegten Bergwerks Saar verbindet sie Kohlebautradition mit Zukunftsvisionen, würdigt die Vergangenheit und lässt zugleich alle Perspektiven offen. Wie eine Landmarke durch Licht und Form einer Landschaft ein ganz neues Gesicht gibt. Eine Projektvorstellung. ANNETTE GALINSKI
Leuchtet den Wandel der Industrielandschaft Ensdorf ein: das Saarpolygon auf der 150 Meter hohen Halde Duhamel.
FAKTEN
1,5 Mio. Euro HÖHE BAUWERK circa 250 28 Meter Tonnen ERÖFFNUNG September 2016 BAUHERR Förderverein BergbauErbeSaar ENTWURF UND OBJEKTPLANUNG pfeiffer sachse architekten, Berlin LICHTPLANUNG Lichtvision, Berlin AUSZEICHNUNG BDA-Preis für Architektur und Städtebau im Saarland 2017 REINE BAUKOSTEN
STAHLKONSTRUKTION
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LICHT UND LANDSCHAFT SAARPOLYGON ENSDORF
Foto: pfeiffer sachse architekten/Jan Siefke
AUTORIN Annette Galinski studierte Architektur, arbeitete in der Architektur und Innenarchitektur. Sie leitete das Lektorat eines Architekturfachbuch-Verlags und gründete 2005 die Agentur Architekturtext.
Mit dem Ende der Kohleförderung 2012 ging auch im Saarland die Ära der Bergbautradition zu Ende. Über 250 Jahre hatten der Steinkohlebergbau und die damit verbundenen Industrien die lokale Kulturlandschaft geprägt. Die Region stand vor einem Neuanfang, einem tiefgreifenden Strukturwandel, der sie von innen heraus wieder stärken sollte. Der Förderverein BergbauErbeSaar stellte sich der Herausforderung. Das Ziel der Mitglieder war es, einen Prozess in Gang
zu treten, der 250 Jahre Bergbau würdigen, sein Erbe weitergeben und gleichzeitig die Folgenutzung und Identitätsfindung begleiten würde. Man suchte nach einer Initialzündung, einem „Identifikationspunkt für die Menschen an der Saar, die über so viele Jahrzehnte mit dem Bergbau eng verbunden waren“, der ein Verweis auf die Zukunft, die Erneuerung, den Aufbruch und zugleich die Transformation sein sollte. Der Blick fiel auf die 150 Meter hohe Halde Duhamel. 33 GARTEN+ L ANDSCHAFT
WUNDERWAFFE STRASSENLAMPE Sie zählt zu der Grundausstattung jeder Kommune, wird mit Strom versorgt und hat das Potenzial, urbane Infrastrukturen nachhaltig zu verändern: die Straßenleuchte. Désirée Balthasar sprach mit Matthias Weis, Leiter des Start-ups SM!GHT bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, über die Idee multifunktionaler Straßenleuchten in der Stadt von morgen. DÉSIRÉE BALTHASAR
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LICHT UND LANDSCHAFT SM!GHT IM INTERVIEW
Das 2014 gegründete Start-up SM!GHT konzipiert einzigartige Systeme, die Beleuchtung, Umweltsensorik, E-Mobilität und Public WLAN vereinen.
gelbliche Licht von früher besser. Es enthält mehr Rotanteil. Jedoch ist dabei die Farbwiedergabe relativ schlecht. Eine LED bietet eine bessere Farbgebung und Ausleuchtung von öffentlichen Räumen. Außerdem können die Kommunen erhebliche Kosten einsparen. Wirkt die LED der zunehmenden Lichtverschmutzung entgegen?
INTERVIEWPARTNER Matthias Weis ist Direktor von SM!GHT, einem Start-up des EnBW-Innovationscampus. SM!GHT ging 2014 an den Start und beschäftigt etwa 15 Mitarbeitende. Bislang hat das Unternehmen nach eigenen
Grafik: EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Angaben mehr als 700 Installationen an Neu- und Bestandsleuchten weltweit durchgeführt.
Herr Weis, Sie sind mehr als zwanzig Jahre im Bereich der Straßenbeleuchtung tätig. Was hat sich im Laufe der Zeit verändert?
Jahrzehntelang war es in diesem Segment relativ ruhig, es gab kaum Innovationen oder Veränderungen. In den Neunzigern stieg man von Quecksilber- auf energieeffizientere Natriumdampflampen um. Das war aber keine große technologische Neuerung. Es bedeutete lediglich einen Wechsel von weißem auf orangenes Licht. Erst mit dem Einzug von LED-Leuchten vor rund zehn Jahren startete eine echte technologische Revolution in der Straßenbeleuchtung. Inwiefern verändert sich das Licht der Stadt durch die LEDs?
Für die Bürger hat sich subjektiv nicht viel geändert. Das weiße Licht der LEDs liegt meist im Neutralweiß-Bereich, ab 4 000 Kelvin. Das hat sich bewährt. Manchen Menschen gefällt allerdings das
Definitiv. Die deutlichen Vorteile der LED gegenüber den älteren Leuchten, etwa im Gegensatz zu Pilz- und Kugelleuchten, liegen im gerichteten Licht. Das heißt, eine LED-Leuchte leuchtet nur dorthin, wo es hell sein soll. Einen weiteren Vorteil verschafft die Steuerung des Lichts. Eine LED bringt nicht nur 100 Prozent Leistung bei weit geringerem Energieverbrauch, sondern lässt sich bedarfsorientiert steuern. Da steckt viel Potenzial drin, doch leider nutzen das bislang nur wenige Kommunen. Woran liegt das?
Manche Kommunen setzen durchaus auf die umweltfreundliche LED-Technik, möchten aber nicht noch in die zusätzliche Steuerungstechnik investieren. So können sie die Möglichkeiten der Technologie noch nicht voll ausnutzen. Wie sieht das dann genau aus?
Die Gemeinde St. Leon-Rot in BadenWürttemberg hat erst kürzlich einen Rad- und Fußwanderweg mit smarten Strahlern ausgestattet. Diese leuchten in der Dunkelheit mit lediglich 20 Prozent ihrer Kraft. Das Licht wird über Sensoren gesteuert, reagiert auf Bewegungen. Fährt ein Radfahrer den Weg entlang, dann leuchten die Straßenlampen direkt parallel zu ihm automatisch auf. Der Fahrer selbst bemerkt es kaum, er fährt immer im Licht. Doch hinter ihm und 39 GARTEN+ L ANDSCHAFT
DER LICHTMACHER Licht und Schatten liegen bei Manfred Beck nahe beieinander. Der Münchner Designer erweckt Fassaden zum Leben, lässt finstere Plätze zu funkelnden Oasen werden, verwandelt Wasserbecken in Kunsträume. Das Leitmotto seiner Firma mbeam ist simpel: Licht berührt und bewegt uns. ANNE KATHRIN KOOPHAMEL
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LICHT UND LANDSCHAFT MBEAM IM PORTRÄT
AUTORIN Anne Kathrin Koophamel hat Filmwissenschaft, Politik und Publizistik in Nürnberg studiert und bei der Münchner Abendzeitung volontiert. Sie war bei der BILD tätig und ist seit 2016 freie Journalistin, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung.
„Mehr Licht im urbanen Raum erhöht die Aufenthaltsqualität eines Ortes“, sagt Manfred Beck. Jedes Jahr verwirklicht er bis zu zehn Projekte, die meisten in seiner Heimat München. Kirchen, Kinos, Kaufhäuser - vor Beck ist im besten Sinne nichts sicher. Er bringt Licht ins Dunkel, Emotionen an Betonwände und Dynamik in überfüllte Straßen. Installationen im urbanen Raum sollen seiner Meinung nach nicht nur schön sein, sondern auch einen Zweck erfüllen. Licht sollte einen Ort manipulieren, ohne ihn zu verändern. „Ich bin gegen Kunst, die keiner versteht, sie ist nur gut, wenn sie fühlbar ist“, sagt Beck. Seine Projekte nutzt der gelernte Grafikdesigner deshalb auch, um die moderne Welt zu erklären: Seine „edukativen Installationen“ sind Statements, die umstrittene Dinge sprichwörtlich in einem positiven Licht darstellen. Im Verlag der Süddeutschen Zeitung machte er unzählige Datenströme mit Licht sichtbar. Europas größtes Rückhaltebecken für Wasser erklärte er mit einer optischen Illusion, die durch klassische Musik emotionalisiert wurde.
LICHT IST KUNST
Becks Illuminationen sind leise, aber prägnant. Zu Effekthascherei neigen sie nicht. „Licht wirkt subtil am besten, es darf nicht nur um profane Aufmerksamkeit gehen. München ist nicht Las Vegas. Eine Illumination muss Sicherheit geben, die Menschen führen oder ein wohliges Gefühl in ihnen auslösen.“ So wie im Mathäser, dem größten Kino der IsarStadt. Beck und ein Team aus Ingenieuren haben ein Leuchtsystem installiert, das die Menschen nach dem Film gestaffelt aus dem Saal gehen lässt. Ganz unbewusst: Das warme, gelbe Licht wandelt sich von der Leinwand weg, hin in ein kühles, weißes Licht. „Die Leute gehen automatisch“, sagt er. LICHT AM ENDE DES TUNNELS
Massen entzerren ist ein praktisches Beispiel, wie Becks Installationen Innenstädte verändern. Passanten lockt er von überfüllten öffentlichen Straßen und Plätzen mit Licht in Nebenstraßen. Die prägende
Der gelernte Grafikdesigner Manfred Beck leitet mbeam – ein Münchner Atelier für Lichtkunst, Lichtinstallationen und Lichtinszenierungen.
Foto: mbeam, M. Beck
Becks erfolgreichstes Projekt: Funkelnde Schneeflocken erleuchten jedes Jahr den Münchner Promenadeplatz zur Weihnachtszeit.
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