Garten + Landschaft 05/2017

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MAI 2017

MAGAZIN FÃœR LANDSCHAFT SARCHITEKTU R

GARTEN +

LANDSCHAFT WANDEL-LUST UND WANDEL-LAST: KONVERSION IN DER STADT

plus

Zu Besuch im Westpark Augsburg Friedhofskonversion in Berlin Was ist gute Weiter bildung?


12 Traum eines jeden Planers: Konversions-

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areale wie die Europacity in Berlin. Aber nicht jede Stadt geht die Heraus-

Auf dem Konversionsareal

forderung richtig an.

des Basler Hafens schaffen temporäre Nutzungen ein neues kulturelles Zentrum in der Stadt.

20 Wie sieht die Nachnutzung des Flughafens Berlin-Tegel aus? Der Masterplan „The Urban Tech Republic“ verspricht Abwechslung.

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Friedhofskonversion

Klassische Konversion? Nicht in Berlin. Mittels des Friedhofsent-

wicklungsplans nutzt die Stadt Lage der Berliner Friedhöfe die nach um. FEPBegräbnisflächen 2006 zur Konversion anstehen

S-Bahn Ring

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Tempelhofer Feld Plan ungsgebiet

Freiräume mit

gestalten? Das Unternehmen Streetlife zeigt, wie das geht.

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Foto: xxxxx

Bauminseln nachhaltig


INHALT

AR EN A 06 11

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Hingucker

T ITEL Wandel-Lust und Wandel-Last: Konversion in der Stadt 12

KONVERSIONSSTADT IST ZUKUNFTSSTADT Keine nachhaltige Stadtentwicklung ohne Konversion – wenn da nicht die wirtschaftlichen Interessen wären

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EINFACH VOLLLAUFEN LASSEN Was wird aus dem Berliner Flughafen Tegel?

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VOM STAUB BEFREIT Mittel zum Zweck: Zwischennutzungsprojekte bereiten Basler Hafen auf Transformation vor

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DIE MIT DER ZEIT SPIELEN Die Mannheimer Planer von Yalla Yalla! im Porträt

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IM WESTEN VIEL NEUES Ein moderner Landschaftspark öffnet Augsburgs lange unzugängliche Kasernengelände

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BERLIN DENKT WEITER Große Teile der Berliner Friedhöfe sind ungenutzt – die Stadt profitiert und wandelt die Flächen um

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„DER PROZESS KANN BEISPIELHAFT SEIN“ Interview mit Rolf Groth vom Bezirksamt Neukölln über den Berliner Friedhofsentwicklungsplan

STUDIO 46

FRAGE Was ist gute Weiterbildung?

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PRAXIS Spielen inklusive

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LÖSUNGEN Alles im grünen Bereich

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REFERENZ Grüne Inseln im Beton

RUBRIKEN 59

Stellenmarkt

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Lieferquellen

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Impressum

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DGGL

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Sichtachse

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Vorschau

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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WANDEL-LUST UND WANDEL-LAST – KONVERSIONSSTADT IST ZUKUNFTSSTADT Sie sind überall, sie sind Trend, und sie bieten die Option auf Außergewöhnliches: Konversionsareale. Ehemalige Militär- und Industriegelände, Flughäfen oder Häfen liegen oftmals zentral, im innerstädtischen Raum, sind gut erschlossen, grün und verfügen über historische Bausubstanz. Aber sie bringen Altlasten mit und sind damit eine Herausforderung für jeden Planer. Insbesondere wenn von ihrer Entwicklung die ganze Umgebung profitieren soll. Dieser Aufgabe ist nicht jede Stadt gewachsen.

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KONVERSION KONVERSIONSSTADT IST ZUKUNFTSSTADT

Wo früher Güterzüge entlangsteuerten, soll in ein paar Jahren ein neues Wohnquartier entstehen. Bis dahin dient der Klybeckquai am Basler Hafen als Zwischen-

Foto: Andreas Zimmermann

nutzungsareal.

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KONVERSION MASTERPLAN FÜR TEGEL

Das Flughafen-Areal Tegel entstand zwischen 1965 und 1975 nach Plänen des Büros von Gerkan, Marg und Partner. Neben der Planung des Flughafens wurde gmp auch die Planung für Straßen, Brücken und Rollfelder übertragen.

EINFACH VOLLLAUFEN LASSEN Berlin und seine Flughäfen: bekanntlich ein schwieriges Thema. Gerade ist Tegel im Fokus der Diskussion: Wenn der BER eröffnet, wird ein riesiges Konversionsareal auf dem alten TXLGelände frei. Pläne, was mit der Fläche geschehen soll, gibt es bereits. Aber was darf man von ihnen erwarten? Eine kritische Auseinandersetzung.

Foto: gmp Archiv

FALK JAEGER

Ob die Chancen immer optimal genutzt werden, ist strittig, doch fest steht: Berlin ist mit Konversionsflächen reich gesegnet. Mit Hafenarealen natürlich, aber die haben andere auch. Dann sind da die umfänglichen Bahnanlagen wie in keiner anderen deutschen Großstadt, aufgegebene Bahnhöfe und Güterbahnhöfe gleich dutzendweise und in besten Lagen. Außerdem reichlich abgewickelte Industrie im früheren Ost-Berlin. Und schließlich drei ehemalige Flughäfen, zu denen zu allem Überfluss in (noch nicht ganz) absehbarer Zeit ein vierter hinzukommt. Das Flugfeld Adlershof wurde mittlerweile zum Innovations- und Forschungsstandort, eine Restfläche träumt noch von

einer Karriere als Stadtpark. Der britische Flughafen Gatow beherbergt das tollste Luftwaffenmuseum der Welt, wo man den Kalten (Luft-)Krieg Nato gegen Warschauer Pakt komplett beieinander hat. Im Übrigen ist ein Drittel des Areals schon mit Einfamilienhäusern vollgewürfelt. Auf dem traditionsreichen innerstädtischen Flughafen Tempelhof geschieht seit dessen Schließung 2008 – nichts. Hallen und Gebäude werden halbherzig interimistisch vermietet, das Flugfeld darf nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren sehr zum Verdruss des Senats nicht einmal am Rand bebaut werden und bleibt in vollem Umfang den Schafen, Kitern und Hundehaltern vorbehalten. Austoben dürfen sich die Planer hingegen 21 GARTEN+ L ANDSCHAFT


Für die Öffentlichkeit war der Basler Hafen jahrhundertelang unzugänglich. Der Befreiungsschlag erfolgte durch die Entscheidung für die Zwischennutzung am Klybeckquai.

VOM STAUB BEFREIT Basel ist für seine Kunst- und Kulturszene international bekannt. Die findet aber nicht nur im Vitra Design Museum, der Fondation Beyerle oder auf der ART Basel statt, sondern auch auf der Straße. Die lokale Stadtentwicklung zeigt aktuell, wie temporäre Aktionen auf dem Konversionsgebiet des Basler Hafens ein neues kulturelles Zentrum entstehen lassen.

THERESA RAMISCH

Auf dem breiten, unbefestigten Weg zum Basler Klybeckquai knirscht der Schotter unter den Fahrradreifen. Die Stadt im Rücken, geht es an hohen, fensterlosen Hafengebäuden vorbei. Frachtschiffe fahren auf dem Rhein, rostrote, stillgelegte Bahntrassen kreuzen den Weg. Die dumpfen fernen Elektrobeats zeigen an, richtig zu sein. Aber das Gefühl, das der staubige Weg vermittelt, ist ein anderer: Hier sollte niemand sein. Eigentlich. Dieser Ort wurde für Maschinen geschaffen, nicht für Menschen. Trotzdem sind gerade viele Menschen hier. Aus gutem Grund. Der Basler Hafen ist Konversionsgebiet und beherbergt seit 2012, versteckt hinter der Uferstrasse, ein Zwischennutzungsareal mit Freizeitmöglichkeiten aller Art. Der Klybeckquai lockt nicht nur Outdoor-Fans, Kreative und Feierwütige an, er schafft auch eine neue, direkte Fußund Radwegeverbindung entlang des Flusses nach Norden. Für die trinationale Agglomeration Basel eine wichtige 26 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Erschließung, weil sie die Basler Stadtmitte mit dem deutschen Nachbarn verbindet, der Stadt Weil am Rhein. Jahrhundertelang waren weite Teile des Basler Hafengebiets für die Öffentlichkeit unzugänglich. Das änderte sich mit der Entscheidung der Stadtverwaltung für ein Zwischennutzungsareal im Basler Hafen. In den letzten fünf Jahren hat sich dieser so, ohne jeglichen dauerhaften baulichen Eingriff, vom unbekannten, rauen Fremdkörper am Rande der Stadt zu einem der kreativsten, zentralen Verbindungsräume in der Agglomeration Basel entwickelt. SCHLÜSSEL: KUNST- UND KREATIVSZENE

Im Basler Hafen findet die wohl größte Entwicklungsmaßnahme der Agglomeration statt: Im Rahmen des Projekts 3Land der Internationalen Bauausstellung IBA Basel 2020 entsteht am Dreiländereck ein trinationales Wohnquartier. Am Rande des 3Land-Betrachtungsperimeters befindet sich auf Schweizer Seite der


Foto: Andreas Zimmermann

KONVERSION ZWISCHENNUTZUNGSAREAL BASEL

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Konversion ist Mannheims großes Thema: Dort werden fünf Millionen Quadratmeter ehemaliges US-Militärgelände in zivile Stadtareale umgewandelt, in denen sich Wohnen, Kultur und Gewerbe vermischen. Dass Wandel auch anders aussehen kann, spontaner, ungezwungener und innovativer als vielerorts, zeigt Yalla Yalla! – Studio for Change. Das junge Mannheimer Planungsbüro macht mit temporärer Architektur, Zwischennutzungen und urbanen Interventionen Chancen des Wandels im Kleinen sichtbar und gibt dem öffentlichen Raum Impulse und Optionen.

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Foto: Yalla Yalla – Studio for Change

DIE MIT DER ZEIT SPIELEN


KONVERSION GXXXXXXXXXXXEN

Robin Lang und Wulf Kramer von Yalla Yalla! – Studio for Change in

ANJA KOLLER

Yalla Yalla! ist arabisch und bedeutet „Auf geht’s!“. Tatendrang und Lust aufs Machen – beides ist für Robin Lang und Wulf Kramer Programm. Ihr Büro im Mannheimer Szeneviertel Jungbusch liegt im C-Hub, einem Kreativ-Wirtschaftszentrum, das den Esprit der Stadt und auch ihren eigenen atmet: initiieren und partizipieren. Yalla Yalla! steht für Aufbruch, Engagement und Veränderung. Die zwei Planer und studierten Architekten begeistern sich für den urbanen und gesellschaftlichen Wandel und entwickeln neue, kreative Möglichkeiten, den städtischen Raum zu nutzen und weiterzuentwickeln. „Urbane Räume müssen in Zukunft anders genutzt werden“, so Wulf Kramer. „Wir müssen weg von einer reinen Autostadt. Parkplätze werden etwa nur zu einem Teil des Tages genutzt. Hier muss man umdenken“, erklärt er weiter. Yalla Yalla! will den Freiraum aufwerten, neu programmieren, will Flächen

Optionen bieten. Ihr zentrales Thema ist temporäres Bauen. „Temporäre Architektur bietet die Möglichkeit zur Partizipation, Identifikation, zur positiven Wahrnehmung der Stadt“, so Kramer. Im Zuge der Konversion wird sich Mannheims urbaner Freiraum in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Da braucht es kreative Köpfe, die mit ihren Projekten der Stadt, ihren Akteuren und Einwohnern Denkanstöße geben.

Mannheim

TEMPORÄRE ARCHITEKTUR FÜR NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG

Wie kreativ und visionär die beiden Raumpioniere sein können, zeigten sie beim Festival „Theater der Welt“, das 2014 in Mannheim Station machte. Im Vorfeld des Festivals nahmen sie an dem Projektwettbewerb „Hotel shabbyshabby“ teil und realisierten als eines der Gewinnerteams ein temporäres Hotelprojekt im öffentlichen städtischen Raum Mannheims. „Unsere Hoteleinheit Collini 33 GARTEN+ L ANDSCHAFT


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KONVERSION WESTPARK AUGSBURG

Im Südteil des Augsburger Westparks, auf dem ehemaligen Gelände der Sheridan-Kaserne, erinnert unter anderem die Chapel als Relikt an die amerikanische Geschichte.

IM WESTEN VIEL NEUES Augsburg hat mit der Konversion seiner ehemaligen Kasernengelände im Westen der Stadt einiges gewagt und viel gewonnen: einen rund 60 Hektar großen Park, der die lange unzugänglichen militärischen Areale nun für alle Bürger öffnet.

Foto: Lohaus + Carl Landschaftsarchitekten + Stadtplaner

TANJA GALLENMÜLLER

Ich erinnere mich noch gut an das laute Grollen der schweren Panzer der in Augsburg stationierten Amerikaner, wenn sie an unserer Wohnung vorbeifuhren – auf dem Weg von den Manövern außerhalb der Stadt zurück zu ihren Kasernen. Tausende Augsburger arbeiteten dort. Tagaus, tagein passierten sie die Schranke zur Sheridan- oder Reese-Kaserne. Doch trotz der Präsenz der Soldaten im Alltag vieler Augsburger waren die zusammen mehr als 100 Hektar großen militärischen Areale eine umzäunte Insel – gewissermaßen Amerika inmitten von BayrischSchwaben. Heute ist von dieser räumlichen Barriere in der Stadt und zu Augsburgs Umland mit seinem Naherholungsgebiet Westliche Wälder nichts mehr zu sehen und zu spüren. Seit 2006 entsteht auf den ehemaligen Kasernengeländen der Westpark, ein offener, weitläufiger und moderner Landschaftspark mit einem von Süd nach Nord mäandrierenden Weg als strukturierendes und verbindendes Hauptelement. Dem Park gelingt, was jahrzehntelang nicht möglich war: als durchgängiger Grünzug

in Augsburgs Westen die Stadtteile Pfersee und Kriegshaber zu verknüpfen und die Innenstadt zum Umland zu öffnen. Die Akzeptanz und Beliebtheit des Parks bei den sonst eher skeptischen Augsburgern bestätigt, dass sich der lange Prozess lohnt. Voraussichtlich 2021 soll zumindest der Park fertig sein.

FAKTEN

Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienbetreuung GmbH (AGS), Stadt Augsburg ZEITRAUM Sheridanpark: 2008 bis 2014, Reesepark: seit 2014, Sullivanpark: seit 2016 GRÖSSE rund 45 Hektar (Neubau), 60 Hektar (Gesamtpark) BAUKOSTEN FREIRAUM rund 12 Millionen Euro (netto), mit Mitteln des Programms Stadtumbau West LANDSCHAFTSARCHITEKTEN Lohaus + Carl Landschaftsarchitekten + Stadtplaner AUFTRAGGEBER

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