Garten + Landschaft 06/2017

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GRÜNE INFRASTRUKTUR

J UNI 2017

MAGAZIN FÜR LANDSCHAFT SARCHITEKTU R

GARTEN +

LANDSCHAFT KANN DIE WAS? GRÜNE INFRASTRUKTUR AUF DEM PRÜFSTAND

plus

Ein neues Ufer für Siegen Zu Besuch bei Green4Cities

GARTEN + LANDSCHAFT

J U N I 2 017

Was bringen die aktuellen Gesetzesnovellen?


14 30

Ist das Konzept Grüne Infrastruktur die Chance auf Gleichberechtigung

Im Ruhrgebiet soll eine

zwischen Grau und

neue Strategie zahlreiche

Grün? Eine Kritik.

grüne Einzelprojekte zu einem landschaftlichen Netzwerk verbinden.

22 Mit dem Projekt „Zu neuen Ufern“ gibt die Stadt Siegen den Bürgern nach 25 Jahren Überdeckelung ihren Fluss zurück.

42 Ein Gutachten des Bundesamts für Naturschutz diskutiert Grüne Infrastruktur als Planungsansatz. Ein Interview mit Stephan Pauleit.

56 mit Naturstein im historischen Kontext.

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Foto: xxxxx

Wolfgang Schück von LOMA über die Arbeit


INHALT

AR EN A 06 11 12

T ITEL

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Wolke aus Plastik FACHMEDIUM DES JAHRES 2017 Garten + Landschaft ist Fachmedium des Jahres

Kann die was? Grüne Infrastruktur auf dem Prüfstand 14

INS GRÜNE NETZ GEGANGEN Nur zu propagieren, ein Netzwerk schaffen zu wollen, verknüpft noch lange nichts miteinander: Grüne Infrastruktur in der Kritik

22

ERRUNGENE(R) SIEG Nach 25 Jahren Überdecklung gewinnt die Stadt Siegen ihren Fluss zurück

30

ÜBERBRÜCKT Ziel: Ein verbindendes, landschaftliches Netzwerk Der Weg: Die Grüne Strategie Ruhr

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GRÜNE INFRASTRUKTUR KONKRET Grüne Infrastruktur als Planungsansatz: Landschaftspfleger Stephan Pauleit im Interview

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EIN ANFANG IST GEMACHT Grüne Infrastruktur – alter Wein in neuen Schläuchen!? Ein Kommentar

42

DIE STADTBEGRÜNER Das Wiener Landschaftsarchitekturbüro Green4Cities im Porträt

STUDIO 46

FRAGE Was bringen die aktuellen Gesetzesnovellen?

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PRAXIS Patchwork aus Stein

52

LÖSUNGEN Stadtmobiliar

56

REFERENZ Hanseatisches Pflaster

RUBRIKEN 60

Stellenmarkt

62

Lieferquellen

63

Impressum

64

DGGL

66

Sichtachse

66

Vorschau

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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Hamburgs Version von Grüner Infrastruktur: Die Landschaftsachse Horner Geest soll mit neun Kilometern der längste Park der Hansestadt werden.

GRÜNE INFRASTRUKTUR – INS GRÜNE NETZ GEGANGEN 14 GARTEN+ L ANDSCHAFT


GRÜNE INFRASTRUKTUR INS GRÜNE NETZ GEGANGEN

Foto: Bruun & Möllers, Hamburg

Grüne Infrastruktur gilt als Multitalent. Als grünes Netzwerk bietet sie Pflanzen und Tieren Lebensraum, im Idealfall erholen sich außerdem Menschen dort, und: die Investitionen rechnen sich langfristig für Städte und Gemeinden. Strategisch geschickt eingesetzt, könnte der Baustein der Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union weit über ein Naturschutzkonzept hinausgehen.

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30 Jahren, im Zeitgeist der verkehrsfreundlichen Stadtplanung, überdeckelte man kurzerhand die Sieg. Dafür entstanden hier 160 sehr beliebte, direkt vor den Geschäften gelegene Parkplätze. Praktisch, aber einem Stadterleben abträglich. Das Bild heute: Auf einer großzügigen Treppenskulptur am Fluss sitzen junge Menschen mit Eis und Einkaufstüten. Die Stadt ist mehr als ein reiner Konsumraum: ein Ort der Pause, der Begegnung, des Lebens, der Ruhe, des Sehens und Gesehen-Werdens, der Identifikation mit Stadt und städtischem Leben. AUF DEN WEG GEBRACHT Die Idee stand bereits 1991, aber erst 2016 wichen 160 Parkplätze den heutigen begrünten Inseln und Steinschüttungen am Ufer.

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Der Weg zum erlebbaren Fluss war lang. Obwohl man bereits 1991, mit dem Beschluss der Stadt zum städtebaulichen Rahmenplan „Siegen Mitte“, die Idee der Freilegung erstmals thematisierte, dauerte

es letztlich ganze 25 Jahre, sie durchzusetzen. Der Plan zielte darauf ab, den Standort zu stärken sowie das Stadtbild aufzuwerten. Wie? Durch die Bearbeitung einer städtebaulichen Besonderheit der Universitätsstadt: der stärkeren Verknüpfung der Oberstadt und ihren historischen Bauten mit der Unterstadt, dem eher gewerblich geprägten Tal entlang der Sieg mit einer deutlichen Schneise für innerstädtischen Verkehr in Uferlage. Beide Stadtteile unterlagen einer „Verschiebungsdynamik“: Im Laufe der Jahre war im Umfeld des Bahnhofs im Tal ein Quartier mit großen Einkaufs-, Entertainment-, Kultur- und Dienstleistungseinrichtungen entstanden. Es lief der historisch gewachsenen, bislang dominanten Oberstadt als Einkaufszentrum den Rang ab, hatte aber wenig überzeugende städtebauliche Qualitäten. Die Stadt schrieb den Rahmenplan fort, erarbeitete


Foto: xxxxx & Foto: Atelier Loidl Landschaftsarchitekten Berlin GmbH, Leonard Grosch Fotomontage

GRÃœNE INFRASTRUKTUR STADTENTWICKLUNGSKONZEPT SIEGEN

GARTEN+ L ANDSCHAFT

25


ÜBERBRÜCKT Die Idee eines verbundenen, landschaftlichen Netzwerks verfolgt man im Ruhrgebiet schon lange bevor das Konzept der Grünen Infrastruktur offiziell Deutschland erreicht. Heute ist es geprägt von zahlreichen, mehr oder weniger miteinander verbundenen grünen Einzelprojekten. Eine einheitliche Strategie soll diese nun bündeln, koordinieren und in Handlungsfeldern verknüpfen.

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GRÜNE INFRASTRUKTUR GRÜNE STRATEGIE IM RUHRGEBIET

Mit dem RheinPark Duisburg entwickelten die Büros Atelier Loidl und TOPOS 60 Hektar Industrieareal zu

JULIANE VON HAGEN

Foto: Michael Schwarze-Rodrian

einem neuen Stadtquartier am Rhein.

Das Ruhrgebiet war schneller als der Bund: Noch bevor die Bundesregierung ihr Konzept vorgelegt hatte, griff die Metropole Ruhr Grüne Infrastruktur als strategischen Ansatz auf. Denn sie konnte auf Bestehendem aufbauen: Sie verfolgt die Netzwerk-Strategie schon lange. Kommunale, regionale, wirtschaftliche und wissenschaftliche Akteure arbeiten seit Jahren an einem regionalen System nachhaltiger Landschaftsentwicklung. Die Zahl der Maßnahmen, die die Umweltund Lebensqualität in der Region gesteigert haben, ist riesig. Ähnlich ist auch die Vielfalt der Konzepte, Masterpläne und deren Fortschreibungen, die in unter-

schiedlichen Akteurskonstellationen immer wieder Ziele für gemeinsames Handeln formulieren. Nun hilft der strategische Ansatz Grüne Infrastruktur Ruhr – oder die „Plattform“, wie sie Michael Schwarze-Rodrian vom Regionalverbund Ruhr bezeichnet –, diese Projekte zu bündeln und Handlungsfelder besser miteinander zu verknüpfen. Die Region zwischen Emscher und Ruhr kann auf eine lange Tradition regionaler Grünentwicklung zurückblicken. Während man im Angelsächsischen beim Thema „Green Infrastructure“ von der Wiederentdeckung der Ideen von Frederik Law Olmstedt gesprochen wird, blickt das Ruhrgebiet zurück auf Robert Schmidt. Der berichtete schon 1912 in Gesprächen über 31 GARTEN+ L ANDSCHAFT


Ebenfalls Fallbeispiel im Gutachten: Der Isar-Plan, die renaturierte Isar im Bereich zwischen Großhesseloher Brücke und Deutschem Museum.

wir unter Grüner Infrastruktur verstehen, auf Grundlage welcher Prinzipien Grüne Infrastruktur geplant werden sollte und mit welchen Instrumenten man die Strategie umsetzen kann. Wie definieren Sie Grüne Infrastruktur?

Was für Flächen und Elemente sind das dann genau?

Alle Arten von vegetations- und wassergeprägten Flächen und Einzelelementen können Bestandteile der Grünen Infrastruktur sein oder werden, unabhängig von Besitzverhältnissen und Entstehung. Aber auch versiegelte und bebaute Flächen können durch Entsiegelung, Begrünung, Bepflanzung mit Bäumen als Teil der Grünen Infrastruktur qualifiziert werden. Urbane Grüne Infrastruktur ergänzt die graue Infrastruktur und kann sie teilweise auch ersetzen. 38 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Fotos: Boris Storz; Magistrat der Stadt Wien, MA18

Für uns ist urbane Grüne Infrastruktur ein Netzwerk aus naturnahen und gestalteten Flächen und Elementen, die so geplant und unterhalten werden, dass sie gemeinsam eine hohe Qualität im Hinblick auf Nutzbarkeit, biologische Vielfalt und Ästhetik haben und ein breites Spektrum an Ökosystemleistungen erbringen. Multifunktionalität und Vernetzung sind also Schlüsselprinzipien.


GRÜNE INFRASTRUKTUR GRÜNE INFRASTRUKTUR KONKRET

Erst Mitte Mai 2017 stellte das BMUB das Weißbuch „Stadtgrün“ vor. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, beide Initiativen zusammenzuführen?

Weitere Inspiration liefert auch „STEP 2025“, das Fachkonzept Grün- und Freiraum in Wien. Lange Zeit Trennungslinie, verbindet die Donau heute die Stadt.

diskutierten wir das Konzept und ihre Erfahrungen. Auf dieser Basis entwickelten wir dann das Gutachten mit der Broschüre.

Das Weißbuch enthält Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmöglichkeiten des Bundes für mehr Grün in den Städten und hat einen stärker politischen Charakter. Unser Projekt unterstützt das Weißbuch, indem es fachliche Grundlagen zum Konzept der Grünen Infrastruktur etabliert. Die Ergebnisse sollen den Kommunen helfen, Grüne Infrastruktur vor Ort zu entwickeln. Unsere Arbeit ist als fachliche Ergänzung zum Weißbuch zu sehen.

Das klingt nach einer Mammutaufgabe und hohem Konfliktpotenzial ...

Wie war Ihr Projekt aufgebaut?

Das Gutachten schlägt keine konkreten Maßnahmen vor. Dafür sind Städte zu unterschiedlich. In der Broschüre präsentieren wir Strategien und Beispiele guter Praxis, die den Kommunen dabei helfen sollen, Grüne Infrastrukturen, auf ihre Verhältnisse angepasst, zu entwickeln und umzusetzen. Wir sind bewusst so vorgegangen. Wir möchten den Organisationen nichts überstülpen oder vorgeben, was sie zu tun oder zu lassen haben.

Uns war es wichtig, dass wir ein Projekt entwickeln, das den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis leistet. Drei Mal luden wir Vertreter unterschiedlicher Kommunen und Organisationen wie der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK e.V.), des Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfalt, des bdla, des BUND und des Bundesverbands Beruflicher Naturschutz e.V.“ zu Fachgesprächen und Workshops ein. Mit ihnen

Es war kein einfacher Prozess. Wir diskutierten die inhaltlichen Schwerpunkte des Konzepts, aber auch Feinheiten wie Formulierungen. Bei zentralen Kernpunkten, etwa bei der Frage, ob Grüne Infrastruktur für einen ganzheitlichen, integrativen Planungsansatz steht, waren wir uns aber schnell einig. Welche Maßnahmen schlagen Sie in dem Gutachten vor?


Green4Cities in ihrem begrünten Innenhof. Im Team dabei Florian Kraus, Doris Schnepf, Johannes Anschober und Bernhard Scharf (v.l.n.r.).

DIE STADTBEGRÜNER Städte sind ihr Lieblingsthema: Green4Cities, das sind sechs Landschaftsarchitekten und Grünraumingenieure, die die Natur zurück in die Stadt holen. Von Wien aus bieten sie visionär und mit Kampfgeist dem Klimawandel die Stirn.

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GRÜNE INFRASTRUKTUR GREEN4CITIES

ANJA KOLLER

Wien, Westbahnstraße. Siebter Bezirk. Hier tummeln sich Geschäftige, Nachbarn und Hipster in kleinen Läden und netten Lokalen oder gehen ihrer Arbeit nach. Das Umfeld ist urban, Grün findet man selten. Genau hier, hinter grauen Häuserfronten, die im Sommer Wärme speichern und die Stadt und ihre Bewohner aufheizen, residiert Green4Cities in einer versteckten, grünen Oase. Die sechs Landschaftsarchitekten bezeichnen sich selbst als Grünraumingenieure - ihre Mission ist keine geringere, als der Natur eine Omnipräsenz im urbanen Raum zu verschaffen. „Ein grünes Umfeld darf kein Luxus einiger weniger, sondern muss Standard sein“, meint Doris Schnepf, CEO und Mitgründerin. Green4Cities agiert an der Schnitt-

stelle von Architektur, Technik, Forschung und Landschaftsarchitektur und entwickelt Ideen, Konzepte und Lösungen für eine urbane Grüne Infrastruktur. Das Team beteiligt sich an Forschungsprojekten wie „Nature4Cities“, das EU-weit angesiedelt ist und auf die Renaturierung von Städten abzielt, begleitet weltweit städtebauliche Projekte zu Themen wie Regenwassermanagement, analysiert Architektur hinsichtlich Mikroklima, Feinstaub und Ressourceneffizienz und hat es tatsächlich geschafft, den Erfolg Grüner Infrastruktur messbar zu machen. Und zwar mit dem GREENpass, eine von ihnen in Zusammenarbeit mit der Essener Firma ENVI-MET entwickelten und für den österreichischen Staatspreis für Innovation nominierten Software. Mit ihrer 43 GARTEN+ L ANDSCHAFT


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