ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG
NO 7 2018
Riskante Reise Ist der Transport von Ferdinand Hodlers Monumentalgemälde vertretbar?
LEIPZIG Was bringt die Fachmesse Denkmal 2018?
MÜNCHEN Ein Restaurierungszentrum in den Sozialen Medien
WIEN Museumsvitrinen der DonauMetropole weltweit gefragt
INHALT
TITELTHEMA: ART HANDLING
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Gina Grond M.A. und Dipl.-Rest. Thomas Zirlewagen Ein Monumentalgemälde auf Reisen Die Zustandsanalyse eines Ferdinand-Hodler-Gemäldes vor dem Transport
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Dipl.-Rest. Yngve Magnusson Art Handling nach EU-Empfehlungen Eine Zusammenfassung der DIN EN 15946
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Dr. Ing. Kerstin Kracht Der sichere Transport von Kunstwerken und Kulturgütern Physikalische Untersuchungen zu verschiedenen Gemäldetransportkisten
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Dr. Ute Strimmer Wenn ein Haus umzieht Art Handling XXL: Translozierung von historischen Gebäuden
Über die DIN-Norm zum Kulturguttransport
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Uta Baier Warum sich diesen Herbst ein Besuch in Leipzig lohnt Der Branchentreff zur „denkmal“, „MUTEC“ und „Lehmbau“
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Uta Baier Tastend sehen 3D-Museumsobjekte als Lösungen für Sehbehinderte und Blinde
Entwicklung einer Museums-Taststation
SCHWINGUNGEN
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Dr. Ing. Kerstin Kracht „Alles schwingt!“ Ein Symposium der Kunsthalle Mannheim über Schwingungsbelastungen
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Dr. Ing. Kerstin Kracht Vibrierende Kunst Eigenschwingungsmessungen unterstützen die Gemälderestaurierung
Prüfstand einer Schwingungsmessung
GLAS
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Fensterdetail des Naumburger Doms
Uta Baier Naumburgs neue Gesichter Über die Restaurierung der Westchorfenster im Naumburger Dom
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Fotos (v. o. n. u.): Bündnis „Kunst auf Lager“; © Tactile Studio, Paris; © Dr. Kracht Vibrationsmanagement; VG Bild-Kunst, Bonn 2018; Bildarchiv der Vereinigten Domstifter
BRANCHENTREFF IN LEIPZIG
RUBRIKEN 6
KUNSTSTÜCK
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BLICKPUNKT Das Restaurierungszentrum der Bayerischen Schlösserverwaltung ist jetzt in den Sozialen Medien
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BERUF: Pauschal ist bequem und nachlässig
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QUALITÄTSSCHMIEDE: ARTEX
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BUCHBESPRECHUNG: Das Depot als Versprechen
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TERMINE Veranstaltungen Impressum Vorschau
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Titelmotiv Ferdinand Hodlers Monumentalgemälde „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ (ein Detail ist unser Cover), entstand von 1907 bis 1909 und ist zentrales Element der Universitätsaula in Jena. Zum 100. Todestag des Künstlers plante die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn eine Ausstellung und stellte dafür eine Leihanfrage an die Friedrich-Schiller-Universität. Da das Werk im Laufe seines Lebens schon einige Male abgespannt und aufgerollt transportiert wurde, sollte eine konservatorische Untersuchung den Erhaltungszustand sowie die Frage klären, ob das Gemälde überhaupt eine weitere Reise unbeschadet überstehen würde. Zu welchem Ergebnis die Restauratoren kamen, lesen Sie ab Seite 10.
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Foto: Thomas Zirlewagen
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ART HANDLING
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Ein Monumentalgemälde auf Reisen Seit seiner Entstehung hat das Gemälde „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ von Ferdinand Hodler, das in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena hängt, eine buchstäblich bewegte Geschichte durchlebt. Im Herbst 2016 warf ein Leihgesuch die Frage auf, ob ein erneuter Transport konservatorisch vertretbar sei
A Monumental Painting On The Road Since its creation in 1908/09, Ferdinand Hodler's painting 'German Students Depart for the War of Liberation of 1813', which is displayed in the Assembly Hall of the University of Jena, has endured an eventful history. In the Autumn of 2016, a loan request raised the question as to whether another deinstallation and transportation of this painting were justifiable from a conservation point of view.
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in Zürich und Berlin nach Jena, wo es am 14. November 1909 feierlich eingeweiht wurde. An seinen heutigen Platz an der Stirnwand der Aula, etwa zwei Meter über der Bühne in einer Wandnische eingelassen, wurde das Werk erst nach dem 2. Weltkrieg gebracht. Ein bewegtes Leben Nach seiner Einweihung erlebte das Werk zahlreiche weitere Transporte, sei es aufgrund von Ausleihen oder zur Einlagerung in Kriegszeiten. Insgesamt sind anhand der Universitätsakten im Zeitraum von 1909 bis 1953 mindestens acht Transporte in abgespanntem und aufgerolltem Zustand nachvollziehbar; dies, obwohl bereits seit den 1920er-Jahren wiederholt von ernst zu nehmenden Schäden an der Malschicht berichtet wird. So 7/2018
Foto: FSU Jena, Jan-Peter Kasper
ABSTRACT
Das monumentale Leinwandgemälde „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ von Ferdinand Hodler (*14.03.1853, †19.05.1918) entstand in den Jahren 1907–1909 als Auftragswerk für das neue Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und gilt bis heute als eines der Schlüsselwerke des Schweizer Malers. Der ursprüngliche Standort am Übergang eines Korridors zum Treppenhaus des Ostflügels und Hodlers Konzeption einer wandfüllenden Präsentation waren nicht nur für die Bildmaße von 3,58 x 5,48 m bestimmend; sie beeinflussten auch die eigenwillige Bildkomposition, deren Grundzüge Hodler nach intensiven Vorstudien im Frühjahr 1908 bei einem Aufenthalt in Jena festlegte. Ein Jahr später war das Gemälde vollendet und reiste von Hodlers Genfer Atelier über Ausstellungsstationen
ART HANDLING
Foto: FSU Jena, Jan-Peter Kasper
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ist zum Beispiel in einem Bericht (1921) von Lyonel Feininger von vertikalen Rissen, Abplatzungen sowie Malschichtlockerungen als Folge von Transporten und schlechter Haftung der Grundierung zu lesen (nach Bálint 1999). Zu umfassenden Restaurierungsarbeiten kommt es jedoch erst in den Jahren 1951/52 durch Henri Boissonas in Zürich, wo das Gemälde einer Wachsdoublierung unterzogen wird. Eine weitere Restaurierung findet in den Jahren 1971/72 durch das Institut für Denkmalpflege in Erfurt unter der Leitung von Roland Möller statt. In den 1990er-Jahren zeigen sich am unteren Bildrand neue Schäden in Form von Leinwanddeformationen, verursacht durch abgefallenen Putz zwischen Leinwand und Keilrahmen. Konservatorische Maßnahmen bleiben jedoch trotz Bemühungen der Universität aus. 7/2018
Anlässlich der geplanten Ausstellung zum 100. Todestag von Ferdinand Hodler trat 2016 die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn mit einer Leihanfrage an die Universität Jena heran. Dies gab den Anstoß für eine konservatorische Untersuchung, die sich auf den Erhaltungszustand und die Frage der Ausleihbarkeit des Gemäldes konzentrierte, das seinen Hängungsort seit mehr als 60 Jahren nicht mehr verlassen hatte. Aufgrund der Maße der Raumöffnungen ist ein Transport in aufgespanntem Zustand oder auf einem Faltrahmen nicht möglich. Ob ein erneutes Abspannen und Aufrollen des wachsdoublierten und mittlerweile gealterten Gemäldes konservatorisch vertretbar sei, wurde somit zu einer der Kernfragen der Untersuchung.
1 Demontage des Gemäldes aus der Wandnische in Jena 2 Das RestauratorInnen-Team bei Untersuchungen am Gemälde
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DENKMAL
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Warum sich diesen Herbst ein Besuch in Leipzig lohnt 72 Stunden, 150 Veranstaltungen, mehr als 500 Aussteller: Die Messen „denkmal“, „MUTEC“ und „Lehmbau“ laden vom 8. bis 10. November zum Branchentreffen in die sächsische Metropole
ABSTRACT Why You Should Visit Leipzig This Fall 72 hours, 150 events, more than 500 exhibitors: the trade fairs “denkmal”, “MUTEC”, and “Lehmbau” invite to branch meeting in the Saxon metropolis.
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Die Einladung zum Fachprogramm der Messe „denkmal 2018“ im November in Leipzig spricht von „nahezu grenzenlosen Möglichkeiten, sich Wissen anzueignen und mit anderen Fachleuten intensiv in einen Dialog zu treten“. Was vollmundig klingt, ist keineswegs übertrieben, liest man das vorläufige Ausstellerverzeichnis und das diesjährige Weiterbildungsprogramm. Mit 150 geplanten Veranstaltungen haben Fachbesucher nicht nur viel Auswahl, sondern auch die Qual der Wahl. Auf jeden Fall dürfte für jedes Fachinteresse etwas geboten werden. Die zeitgleich veranstaltete „Internationale Fachmesse für Museums- und Ausstellungstechnik MUTEC“ präsentierte 80 Aussteller aus zehn Ländern. Sicher ist auch 2018, dass wieder zehn „denkmal“-Goldmedaillen für „auf der Messe präsentierte Leistungen und Produkte“ vergeben werden. Über die Gewinner entscheidet eine internationale Jury vor Ort. Die Preisträger für den Bernhard Remmers Preis, mit dem alle zwei Jahre je ein nationales und ein internationales Restaurierungsprojekt ausgezeichnet werden, stehen bereits fest. Den Preis in der Kategorie „International“ erhält „New Holland“, ein im frühen 18. Jahrhundert entstandener und seit
2016 restaurierter Gebäudekomplex in St. Petersburg. Die ehemaligen Lagerhallen werden zu einem Kultur- und Wissenschaftszentrum umgebaut. Der nationale Preis geht an das Projekt „Essen III KG“. Am spätklassizistischen Bankgebäude in Essen (Maxstraße Ecke Lindenallee) wurde die Sandsteinfassade restauriert. Aussteller auf der „denkmal“ Neben den beiden Preisträgern stehen auch einige Aussteller-Namen schon fest. Hier eine kleine Auswahl: Die holländische Töpferei und Fliesenfabrik Harlinger Aardewerk & Tegelfabriek präsentiert ihre nach alten Techniken handgefertigten Fliesen. Auf dem gleichen Gebiet arbeitet GolemKunst und Baukeramik aus Sieversdorf in Brandenburg. Die Firma bietet Fayencen, Handstrichziegel, Jugendstilfliesen für Restaurierung und Neubau. Die Firmen Noris und Liebscher stellen Blattgold her, wie es Restauratoren, Kirchenmaler, Steinmetze und Vergolder benötigen. Wer Schlagmetall-Imitate braucht, wird sie bei Noris finden. Beide Firmen präsentieren außerdem Bearbeitungswerkzeuge. Ein ebenso traditionelles Handwerk wie das der Blattgoldhersteller ist das der 7/2018
Foto: Leipziger Messe GmbH / Jens Schlüter
1 Blick auf den Messestand von Keimfarben („denkmal“ 2016)
Fotos: (2) Leipziger Messe GmbH / Uwe Frauendorf; (3) Leipziger Messe GmbH / Tom Schulze: Vidinoti aus Fribourg (Schweiz);
BRANCHENTREFF IN LEIPZIG Glasbläser. Davon gibt es einige, doch mundgeblasenes Fensterglas stellt in Deutschland nur die Glashütte Lamberts aus Waldsassen her, die ebenfalls einen Stand auf der Messe haben wird. Farben und Werkzeuge, Einrichtungsgegenstände, spezielle Konzepte und viel individuelle Beratung bietet die 1880 gegründete Firma Deffner & Johann aus Röthlein in Bayern für Restauratoren, Denkmalpfleger, Künstler, Sammler und Kuratoren – weltweit. Auch bei der Werkstatt- und Depotplanung helfen die Experten des Unternehmens, die ihre Produkte und Dienstleistungen auf der Messe präsentieren. Glasspezialist Schott (Mainz) ist auch in Leipzig vertreten. Die nahezu unsichtbare Schutzverglasung AMIRAN® Heritage Protect von Schott bewahrt zum Beispiel historische Fenster oder andere Kulturgüter vor schädlichen Umwelteinflüssen und bietet besten Durchblick auch bei ungünstigen Sichtverhältnissen. So bleiben die authentischen Erscheinungsbilder schützenswerter Bauten und Kunstwerke erhalten. Auch Licht ist ein Thema auf der „denkmal“. Um Exponate vor einer übermäßigen Beleuchtung zu schützen, müssen restauratorische Belange bei der Wahl der Beleuchtung im Museum berücksichtigt werden. Das Problem löst ein Sensorsystem der heddier electronic GmbH. In Zusammenarbeit mit ERCO GmbH, einem führenden Hersteller von Beleuchtungssystemen aus Lüdenscheid, wurde ein kostengünstiger und schnell montierbarer Sensor entwickelt. Im Ausstellerverzeichnis stehen außerdem einige der wichtigsten deutschen Firmen, die Farben und Lacke herstellen. Zu ihnen zählen Caparol, Remmers und Kremer Pigmente. Keimfarben aus Diedorf bietet nicht nur Informationen zu ihren Produkten und Projekten, sondern auch ein Symposium zum Thema „100 Jahre Bauhaus – Kulturerbe gestern, heute, morgen“. Die Spezialisten haben viel Erfahrung bei der Gestaltung von Bauhaus-Gebäuden. Sowohl beim neuen Meisterhaus in Dessau als auch bei der Restaurierung mehrerer Bruno-Taut-Siedlungen wurden Farben von Keimfarben verwendet.
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Während die Bauhaus-Bauten Welterbe sind, ist die Wertschätzung von Gebäuden, die BauhausIdeen verwendeten, keineswegs sicher. Seit einiger Zeit wird daher viel über die Qualität, die Erhaltungswürdigkeit und den Denkmalstatus von Bauten der 1950er- bis 1980er-Jahre diskutiert. Viele von ihnen haben zwar Denkmalstatus, stellen ihre Besitzer jedoch zum Beispiel bei der energetischen Sanierung, dem Brandschutz und durch
2 Die Firma Ahlborn aus Holzkirchen fertigt und vertreibt hochwertige Messtechnik 3 Auf der „MUTEC“ findet man Augmented Reality Lösungen
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SCHWINGUNGEN
„Alles schwingt!“ Wie ein Trampolin können Vitrinen-, Sockel- und Regalböden für die Exponate wirken. Der Grund sind Schwingungsbelastungen, die sich auf den Erhalt des Ausstellungsobjekts auswirken. Ein Thema, das das Symposium „Alles schwingt – Mechanische Schwingungen wirken auf Kunstwerke“ behandelte. Die Tagung fand Ende Juni 2018 in der Kunsthalle Mannheim statt
2 1 Verkabelung der Gemäldetransportkiste TURTLE uNLtd 2 Handling-Situationen mit Livemessung an der TURTLE uNLtd-Kiste
ABSTRACT “Everything Vibrates!” The surfaces of displays and showcases can have the same effect on exhibits as a trampoline and create vibration loads that can affect the objects negatively. This topic was discussed at the Symposium “Everything Vibrates: Strains on Artworks and Cultural Artifacts through Mechanical Vibrations and Impacts“ at the Kunsthalle Mannheim in late June 2018.
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Zwei Tage lang haben sich 120 Restauratoren, Museumsausstatter, Kunstspediteure, Kunstinteressierte und Schwingungsexperten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Irland sowie den USA über die Belastungen von Kunst- und Kulturgütern durch Vibrationen und Stöße, der Vermeidung und den Schutz ausgetauscht und diskutiert. Über „good vibrations“ – Methoden der Schwingungstechnik zur Auffindung von Fehlstellen in Fresken und zur Analyse des Schwingungsverhaltens von Ölgemälden – konnten sich die Teilnehmer ebenfalls informieren. Hintergrund des Schwingungssymposiums war die Restaurierung des Gemäldes „Fastnacht“ von Max Beckmann an der Kunsthalle Mannheim. Die Arbeiten wurden von Daniela Hedinger, freiberufliche Restauratorin, durchgeführt und mit Messungen des Schwingungsverhaltens, die die positiven Effekte der Restaurierung belegen, begleitet. Die Messungen und Analyse der Daten führte Dr. Kerstin Kracht, Dr. Kracht Vibrationsmanagement, durch. Die Leitung und Koordination des Restaurierungsprojektes übernahm Katrin Radermacher, Restauratorin an der Kunsthalle Mannheim.
Am ersten Tag des Symposiums ging nach vielen „Aha“-Effekten bei Vorträgen über die Grundlagen der Schwingungstechnik und die mit Schwingungsmessungen begleitete Restaurierung von Beckmanns „Fastnacht“ (Artikel in diesem Heft) ein Raunen durch das Publikum. Der Grund waren Live-Messungen an und in der Gemäldetransportkiste „TURTLE uNLtd“ während verschiedener Handling-Situationen: Schließen der Kiste, Tragen und Absetzen, Fahrt mit dem Möbelhund über ein Kabel. Mit einem Online-Monitoring konnten die Teilnehmer auf der Leinwand die Auswirkungen von Schocks und Vibrationen auf die Kiste und den Rahmen in Echtzeit verfolgen. Nachdenklich stimmten dabei die sehr großen Amplitudenpeaks der Schwingbeschleunigungen. Die Peaks stammten in diesem Fall von einem Sensor, der an der Kiste befestigt war. Der Rahmen des Dummies hatte diesen Schock nicht „gespürt“. Die Messungen machten deutlich, welche Belastungen während des Transportes auf das Kisten-Gemälde-System einwirken und wie gut die Performance der Kiste bzgl. Schockabsorbtion und Schwingungsreduzierung sein 7/2018
Foto: (1, 2) © WJE
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SCHWINGUNGEN
muss. Die Live-Messungen haben Arne Johnson und Mohamad ElBatanouny von der Ingenieurgesellschaft Wiss, Janney, Elstner Associates, Inc. aus Chicago, USA (WJE) durchgeführt. Der erste Tag des Schwingungssymposiums endete mit einem Vortrag, in dem die Firma Bruynzeel aus Panningen (Niederlande) ihre aktuellen Entwicklungen in Bezug auf die Schwingungsoptimierung von Depotregalen und Gemäldezuganlagen präsentierte. Im Rahmen der Entwicklungen werden Schwingungsmessungen an den bestehenden Systemen durchgeführt. Die Messdaten werden verwendet, um den Stand der Technik zu dokumentieren und Rechenmodelle auf der Basis der Finiten-Elemente-Methode der Realität anzupassen. An den Rechenmodellen werden Designstudien durchgeführt, die dann zu Prototypen und schließlich zu platzsparenden Aufbewahrungslösungen im Depot umgesetzt werden. Der zweite Tag startete mit einem Vortrag des promovierten Werkstoffwissenschaftlers William Wei vom Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed in Amsterdam. In eindrucksvoller Weise erklärte er die Zusammenhänge zwischen diesen Belastungen und die Auswirkungen auf den Zustand von Objekten. Am Ende gab er einfache Grenzen und praktische Lösungen an, mit denen die Objekte geschützt werden können. Beispielsweise sollten kurzfristige Belastungen nicht stärker als 2 mm/s sein. Die Amplituden längerfristiger Vibrationen sollten Werte von 1 mm/s nicht überschreiten.
Im Anschluss berichtete Michel Dubus vom Institut National du Patrimoine in Paris über gemessene Schwingungsbelastungen während verschiedener realer Transportsituationen. Insgesamt haben Michel Dubus und sein Forschungsteam die Belastungen in den drei Raumrichtungen an Transportkisten und an Objekten während insgesamt 26 Fahrten mit dem Lkw und 10 Flugreisen überwacht. Im Ergebnis kommt Michel Dubus z. B. darauf, dass gegenwärtig die Schwingungsniveaus während der Lkw-Fahrten innerhalb der Kisten 1,3–mal so hoch sind wie außerhalb der Kisten. Auf kurzen Strecken mit dem Lkw streuen die Amplituden stärker als auf Langstrecken. Außerdem fand er heraus, dass die Ausrichtung der Kisten im Flugzeug unwichtig ist, da die Pegel in allen Richtungen gleich sind. Im Vergleich sind die Belastungen während eines Transportes mit dem Lkw viel größer. Diese und weitere Fakten können in dem Paper „Vibrations: choisir une caisse, tests et retours d’expérience“ nachgelesen werden. Basierend auf dem Forschungsprojekt „Transport fragiler Gemälde“ (2010–2014), erarbeitete die Forschungsgruppe um Nathalie Bäschlin und Matthias Läuchli von der Hochschule der Künste in Bern sowie vom Kunstmuseum Bern ein Konzept für das Monitoring von Gemäldetransporten. An zwei Punkten – in unmittelbarer Nähe des Werkes und auf der Außenseite des Transportbehältnisses – werden die Beschleunigungen bis 1600 Hz in allen drei Raumrichtungen gemessen
Zur Autorin Dr.-Ing. Kerstin Kracht ist Ingenieurin für Schwingungstechnik und auf den Erhalt von Kunstwerken und Kulturgütern spezialisiert. Kontakt: dr.kracht@vibrationsmanagement.de
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Schwingbeschleunigung in [g]
Grafik: Arne Johnson und Mohamad ElBatanouny
0,8 0,6 0,4 0,2 0 -0,2 -0,4 -0,6 -0,6 -1 -1,2
Zeit in [s] Kiste (vertikal)
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Rahmen (vertikal)
3 Messdaten des Online-Monitorings
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GLAS
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Naumburgs neue Gesichter Die Naumburger Westchorfenster werden aktuell restauriert. Ende 2017 begannen die Arbeiten. Ivo Rauch, Glasspezialist, selbst채ndiger Sachverst채ndiger f체r Kunst- und Denkmalpflege und Projektleiter in Naumburg, hat f체r die Restaurierung der Domfenster ein Team von vier Glasrestauratorinnen zusammenstellt 50
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GLAS
ABSTRACT Naumburg's New Faces
Foto: Matthias Rutkowski / Bildarchiv der Vereinigten Domstifter
The windows of the Naumburg Cathedral's west apse are being restored. Work started in late 2017. Ivo Rauch – glas expert, freelance specialist for the preservation of art and monuments, and project leader in Naumburg has put together a team of four glas restorers.
Die Arbeit hat begonnen. Die ersten Fenster im Naumburger Dom sind ausgebaut. In der Kirche ersetzen nun Spanplattenkonstruktionen zwei der fünf Westchorfenster. Kein schöner Anblick direkt neben den berühmten Stifterfiguren Uta und Ekkehard, neben Thimo, Reglindis, Gerburg, Wilhelm und den anderen. Normalerweise sind sie auf den fast zwölf Meter hohen Fenstern von mehr als 80 stehenden Heiligenfiguren und 7/2018
den Aposteln und Tugenden, deren Widersacher sich zu ihren Füßen krümmen, umgeben. Ihre Gewänder suggerieren im sogenannten Zackenstil große Bewegung. „Der Westchor des Naumburger Doms verdankt seine einzigartige Bedeutung nicht nur den berühmten Stifterfiguren oder dem Lettner mit seinen Passionsreliefs, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch seinen Glasmalereien (...)“,
1 Blick in den Westchor des Naumburger Doms mit seinen fast zwölf Meter hohen Fenstern
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