STEIN
S 11 | 2017
ZEITSCHRIFT FÜR NATURSTEIN
DIE
-SERIE ZUR MARMO+MAC 2017
SCHÄTZE ITALIENS (3)
AUF DER CARRARA-BAHN NAHE LIEGEND
DIGITALISIERT
HOCH HINAUS
Altmühltaler Kalkstein und Dolomit: Werkstoffe aus der Region für einen Weltkonzern
Emotionen in Stein: Moderne Technik für neue Wege einer zeitgemäßen Grabmalgestaltung
Arbeit leicht gemacht: mit der Drohne zu einem besseren Denkmalüberblick
Toskanische Weißheiten: ein Berg in Blöcken
MARMOR MIA!
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STATUARIO
CALACATTA RETRO
CIPOLLINO
Dieser Marmor wird heute überwiegend im Becken von Torano bei Carrara gebrochen und ist rar geworden. Der ganz leicht elfenbeinfarbene Metamorphit hat eine lange Tradition in der Bildhauerei, für die er sich dank seiner kristallinen Feinkörnigkeit gut eignet. Er besteht überwiegend aus Calcit, geäderte Variationen heißen Statuario Venato.
Die wolkige Textur wird durch feine Einlagerungen von Graphit hervorgerufen, auch Spuren von Pyrit sind enthalten. Der weiße Hintergrund dieses beliebten, luxuriösen Steins besteht aus sehr feinkristallinem Calcit. Der Name Calacatta wird im Italienischen als Texturbezeichnung für Marmore mit großschuppigem Netzwerk verwendet.
Der Name stammt vom italienischen Wort „cipolla“ für Zwiebel und beschreibt den vielschichtigen Aufbau dieses Steins. Er findet sich in den Apuanischen Alpen bei Massa nahe Carrara. Der Calcit-Anteil ist durch Hämatit in wechselnder Konzentration rotbraun eingefärbt. GlimmerLagen trennen die Calcit-Schichten und zeichnen die starke Verfaltung nach.
Fotos: Marcus Schick/Draenert/thinkstock
Schon aus einiger Entfernung auf der Autobahn fällt ins Auge, wofür die toskanische Stadt Carrara berühmt ist: Was zunächst wie Schnee an den Bergflanken scheint, entpuppt sich bei näherem Betrachten als riesige Marmorsteinbrüche, die im Sonnenschein weiß gleißen. 78 aktive davon gibt es in der Umgebung, bereits Michelangelo verwendete einst Gestein aus der Region für seine Bauwerke und Skulpturen.
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DIE STEIN -SERIE ZUR MARMO+MAC 2017
REINE FORMSACHE In und um Carrara gibt es nicht nur jede Menge Steinbrüche, es hat sich auch ein Netzwerk von Künstlern, Steinmetzen und Bildhauern sowie Maschinenherstellern formiert, die zusammen an neuen Arbeitsweisen mit Marmor experimentieren. Ihre Werke sind in aller Welt zu sehen. Die Wiege dafür liegt in der „Cave Michelangelo“, einem Bildhauerstudio mit Weltruf. Von Karin Fink
Marmorklassiker: die Büsten
Fotos: Marcus Schick
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chon mit zwölf Jahren ist er täglich in die Steinbrüche gegangen und hat geschuftet. „Oft hatte ich den ganzen Tag keine Mahlzeit im Bauch. Trotzdem bin ich eine Stunde zum Steinbruch und eine wieder nach Hause marschiert“, erinnert sich Franco Barattini an seine ebenso karge wie arbeitsreiche Jugend. Heute ist der 76-Jährige stolzer Steinbruch-Besitzer und Eigentümer der berühmten „Cave Michelangelo“, einer Werkstatt, die auf Kunst aus Marmor spezialisiert ist. „Wir haben direkten Zugriff auf den Stein und können deshalb besonders große Statuen und Objekte aus Marmor anfertigen“, erklärt Barattini. Wie kein Zweiter kennt sich der drahtige Steinmetz mit Marmor und seiner perfekten Bearbeitung aus. Das hat sich längst herumgesprochen. Künstler aus aller Welt wie Anna Chromy, Daniel Buren oder Paul Nagel nutzen die Kompetenz des Bildhauerstudios. Zu dem Weltruf trägt auch der italienische Künstler Luciano Massari bei, der hier regelmäßig Workshops gibt und sehr eng mit dem Autodidakten Barattini zusammenarbeitet. Im gemeinsam betriebenen „Studi d’arte Cave Mi-
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chelangelo“, quasi der „Kunstakademie“ des Hauses, steht der erfahrene Steinmetz Barattini für das Handwerkliche, die künstlerische Leitung hat Massari inne. Der in Carrara geborene Künstler lehrt unter anderem an der Kunstakademie in Carrara und hat mit seinen Werken längst auch international den Durchbruch geschafft. Die Marmorblöcke, die im Atelier behauen werden, stammen häufig aus dem unternehmenseigenen Steinbruch. Der Firmenname deutet darauf, dass es sich dabei um den legendären Steinbruch handelt, in dem Michelangelo bereits vor über 500 Jahren seine Marmorblöcke aussuchte. Dafür ist der Meister seinerzeit höchstpersönlich zu den Arbeitern in die Marmorbrüche gestiegen, um sich die besten Quader zu sichern. Sein Anspruch war hoch. Schließlich hatte er die Topaufträge seiner Zeit in der Tasche, wie die Gestaltung der Fassade der San-Lorenzo-Kirche in Florenz oder das Grabmal für Papst Leo X. in Rom. Weniger als Perfektion war für den Künstler und seine Auftraggeber keine Option. Ähnlich anspruchsvoll sind heute die Künstler, die ins Studi d‘ arte Cave
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SCHÖNE WELT DER STEINE
ELEGANZ TRIFFT LEICHTIGKEIT
Der Vorplatz ist mit Pfraundorfer Dolomit gepflastert. Auch der Steinblock mit dem Konzernnamen besteht aus demselben Material. Die schmalen horizontalen Fassadenbänder bestehen hingegen aus Dietfurter Kalkstein
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SCHÖNE WELT DER STEINE
Regionale Natursteine für internationale Zentrale Für den Bau des neuen Firmengebäudes in München setzte Siemens auf regionale Baustoffe. Bei dem Bodenbelag für den Innen- und Außenbereich fiel die Entscheidung auf Pfraundorfer Dolomit, bei den Fassadenplatten auf Dietfurter Kalkstein: Natursteine aus dem Altmühltal bei Ingolstadt. Von Tanja Slasten
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or sieben Jahren fiel die Entscheidung: Siemens baut eine neue Firmenzentrale in der bayerischen Metropole. Ihr Hauptsitz, ursprünglich in Berlin, befindet sich seit fast 70 Jahren am zentral gelegenen Wittelsbacherplatz. Der alte Gebäudekomplex aus den 1950er-Jahren war nicht mehr zeitgemäß, daher wurde ein internationaler Architektenwettbewerb ausgelobt. Zwölf Büros präsentierten der 22-köpfigen Jury ihre Entwürfe. Darunter auch das dänische Büro Henning Larsen Architects, das mit seiner Idee überzeugen konnte.
Foto: Hufton und Crow
HISTORISCHES PALAIS UND MODERNER KOMPLEX
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Der Entwurf ist eine Symbiose aus Alt und Neu. Die beiden historischen Bestandsgebäude am Wittelsbacherplatz hat Siemens erhalten und sanieren lassen: das 1825/26 von Leo von Klenze erbaute Palais Ludwig Ferdinand sowie das kleinere Nachbargebäude. An dieses klassizistische Ensemble schließt der moderne siebengeschossige Bürokomplex an. Der neue Haupteingang mit eingerücktem Vorplatz befindet sich am viel befahrenen Oskar-von-Miller-Ring. Auf dem mit Natursteinen gepflasterten Vorplatz empfängt eine rund zehn Meter hohe Skulptur des amerikanischen Architekten Daniel Liebeskind Besucher und Mitarbeiter. Sehr viel kleiner und dezenter fällt
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STEINE BEARBEITEN
Stern-Garten in Kamen-Methler mit unterschiedlichen und doch gleichförmigen Grabstelen: Christoph Determann maß das dauergepflegte Grabfeld auf und zeichnete es am PC
GRABMAL MADE IN GERMANY Grabmalfertigung 80 Prozent der Grabsteine entstehen heute in Indien und China. Trotzdem kann Grabmalfertigung hierzulande für Steinmetze ein lukratives Feld sein. Es kommt dabei auf die richtige Strategie an. Dazu stellen wir ein neues Hilfsmittel zum Sandstrahlen auf dem Friedhof vor. Von Michael Spohr 32
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STEINE BEARBEITEN
1. GRABMAL AUS WARSTEIN Flexibilität ist wichtig, das hat Tobias Griese, Geschäftsführer des Natursteinwerks Dassel in Warstein, schon lange verstanden. Er hat in seinem Unternehmen eine perfekte Balance aus Importware und eigenen Grabmalen geschaffen. Um die Nachfrage nach individuellen Grabmalen zu bedienen, kombiniert er die importierten Steine mit eigenen Kreationen.
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as auf Grabmale fokussierte Natursteinwerk Dassel GmbH im westfälischen Warstein bezieht heute den überwiegenden Teil seiner Waren aus Fernost. Zu der Fertigware
aus Indien (rund 65 Prozent) und China (rund 20 Prozent) kommen aber nach wie vor etwa 15 Prozent im eigenen Werk produzierte Stücke. Firmenchef Tobias Griese freut sich, dass er mit der
Fotos: Michael Spohr
STEIN stellt folgende Firmen vor: 1. Naturstein Dassel GmbH, Warstein dassel-gmbh.de 2. Naturstein Determann, Kamen determann.de 3. Steinmetz Schuster, Laufach stein-beschriftung.de
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Ein Baustein des Firmenerfolgs: Tobias Griese präsentiert ein um Dorfer-Grün-Elemente ergänztes und damit individualisiertes Fertiggrabmal aus Indisch Black poliert
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