STEIN 6/2020

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MINERALISCHE WERKSTOFFE FÜR ARCHITEKTUR UND HANDWERK

BRANCHENR E P O R T

WOHLFÜHLWELT DAHEIM

GESTRANDET IM SPA ANSICHTEN

PERSPEKTIVEN

STRATEGIEN

Frankfurt/Main: 177 Fassadenteile, mehr als 100 individuelle Formen aus Beton mit Keramikdeckschicht

Zwei Naturstein-Traditionsunternehmen im Interview: Wie wird das Geschäft nach der Covid-19-Krise?

Prioritäten zum betrieblichen Überleben der Pandemie: Was sagen Experten, wie machen es Kollegen?

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STEIN

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INHALT

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Ein Spa, inElemente dem die Moderne Bauherrin großzügig können alte Friedhöfe Naturstein auflockern,verbauen wenn sie ließ. am sich,Der wieKalkstein hier in Altdorf Boden soll sie immer bei Nürnberg, zurückwieder anund einen Sandnehmen nicht strand ihrer in denaus Vordergrund Kindheit drängen.erinnern.

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Den Wohn-Denkmalund HotelEin unter komplex Flare of Frankschutz stehender furt umgibt eine Hülle Bunker in München aus eigens angefertigten wurde behutsam renoFassadenelementen. viert und innen mit Die Waben bestehen „Fade aus dem Naturstein Keramik-Leichtbetonto Grey“ ausgelegt. Sandwich-Bauteilen.

STEIN ONLINE

In Zeiten von Corona stehen mancherorts die Betriebe still. Alle, die schon früh digitale Geschäftsmodelle umgesetzt haben, sind jetzt im Vorteil – auch in der Steinbranche.

SCHÖNE WELT DER STEINE

STEIN – auf Facebook Wissenswertes rund um das Thema Naturstein gibt es auf facebook.com/stein.magazin

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Am Strand der Kindheit Ein privates Spa, das mit einer ganz besonderen Auswahl von Natursteinen besticht.

STEIN – die Webseite Fachliches, Interessantes, aber auch Skurriles finden Sie auf unserer Homepage stein-magazin.de

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Südtiroler und Schweizer Küche Lasa Marmo liefert Orea das Material für hochwertige Designerküchen.

STEIN – der Newsletter Regelmäßig Neues aus der Stein-Welt, zu abonnieren auf stein-magazin.de

ZUM SAMMELN Die neue STEINKUNDE In dieser Ausgabe: Rosso Levanto

STEINE BEARBEITEN 20

Leichte Hülle mit Keramik Aluminiumprofile als Unterkonstruktion für Fassadenwaben aus Leichtbeton mit Keramikbelag.

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Retter bei Rissen Ein Reparatursystem, das kleine Schäden in Natursteinoberflächen beseitigen hilft.

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Rosso Levanto Die STEINKUNDE stellt einen Naturstein aus Levanto in Italien vor.

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SPEZIAL: Highlights trotz Lockdown Neue Maschinen, die auf der Stonetec in diesem Jahr zu sehen gewesen wären.

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Gemeinsam noch stärker Ein Doppelinterview mit den Geschäftsführern von Burkhardt-Löffler und Weha.

KUNDE

Handelsname:

ROSSO LEVANTO Petrografische Familie:

Serpentinit

Typische Farbe:

Rot

Herkunftsort:

Levanto/Italien Liefernachweis:

Überall im gut sortierten Fachhandel

Foto: Abraxas Stone Experts/Giesen

GEOLOGIE/PETROGRAFIE

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Serpentinite zählen zu den metamorphen Gesteinen. Sie sind aus ultrabasischen Magmatiten hervorgegangen. Bei vielen der am Markt angebotenen grünen Marmorsorten handelt es sich aus petrografischer Sicht um Serpentinite. In der DIN EN 12440 wird bei der Angabe der Gesteinsfamilie eine genaue wissenschaftliche Bezeichnung der jeweiligen Handelssorten gefordert. Bei Serpentiniten ist jedoch von Bedeutung, dass das Mineral Serpentin in der Lage ist, Wasser einzulagern und darüber sein Volumen zu vergrößern. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Verlegeeigenschaften der Serpentinite. Es wäre jedoch falsch, den Umkehrschluss zu ziehen, dass alle Serpentinite grün sein müssen. Die Farbe ist für das Vorliegen eines Serpentinits kein eindeutiges Indiz, wie der Rosso Levanto oder Handelssorten wie Bidasar Brown zeigen. Entscheidend für die

Bezeichnung ist das Vorhandensein des Minerals Serpentin, aus dem sie überwiegend aufgebaut sind.

ARCHITEKTUR Seine tiefrote Farbe in Verbindung mit den weißen Calcitadern macht den Rosso Levanto zu einem sehr interessanten Dekorgestein. Als weitere Sekundärfarbe tritt, wie bei vielen Serpentiniten, die Farbe Grün auf. Serpentinite werden zwar mit den gleichen Werkzeugen wie Marmor bearbeitet, dennoch handelt es sich bei Serpentiniten nicht um Marmor. Dies ist vor allem bei der Verlegung zu beachten. Da das Mineral Serpentin in der Lage ist, Wasser einzulagern, kann dies bei der Verlegung mit ungeeigneten Verlegeprodukten fatale Folgen nach sich ziehen. Es kann zu einer konkaven Verwölbung der Platte im Zuge der Verlegung kommen. Hier ist es vor allem wichtig, mit Verlegeprodukten zu arbeiten, die in kürzester Zeit Adhäsionskräfte aufbauen. Ist

der Adhäsionskräfteaufbau schneller als die einsetzenden Verwölbungskräfte durch die unterseitige Volumenzunahme, so werden die Platten im Kleberbett gehalten. Sind die Verwölbungskräfte größer als die sich entwickelnden Adhäsionskräfte, so kommt es zu einem Abriss des Klebemörtels an den Plattenflanken. Die Folgen sind entsprechende Hohllagen mit der Gefahr des anschließenden Plattenbruchs. Hierbei handelt es sich um eine irreversible Schädigung. Das Verwölbungsverhalten wird zusätzlich wesentlich durch die Plattengeometrie beeinflusst. Je dünner die Platten und größer die Kantenlängen, desto höher ist das Maß der Verwölbung. Bei ungünstigen Plattengeometrien sollte nach Rücksprache mit den anwendungstechnischen Abteilungen der bauchemischen Industrie eine Verlegung mit wasserfreien Klebern erfolgen. Dipl.-Ing.(FH) Detlev Hill www.steinkultur.eu

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So kommen Sie durch die Krise Wie man in schwierigen Zeiten Kontakt zum Kunden hält und weiter Vertrauen aufbaut.

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Krisengespräche: Perspektivfragen STEIN spricht mit Natursteinunternehmen über die aktuelle Krise und was danach kommt. PA

Dorfergrün

CHANCEN NUTZEN

Niederhofener Sandstein Dorfergrün Tennenbacher Sandstein

SPEZIAL: Der große STEIN-Branchenreport Auch wenn die Stonetec verschoben ist und viele Großveranstaltungen entweder ausfallen oder ihr Stattfinden unsicher ist: Wir zeigen Ihnen viele News aus den Bereichen Gestein, Bauchemie, Tools & More sowie Kunstgießereien.

Maulbronner Sandstein

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Tauerngrün

PANORAMA

RUBRIKEN 65 66

Vorschau Impressum

Lauster Steinbau Telefon 0711/59 67-0 www.laustersteinbau.de S06| 2020

Waldenbucher Sandstein ge-

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Krastaler Marmor dunkel

KUNDEN GEWINNEN

! Maßarbeiten ! Fassadenplatten ! Bodenplatten ! Mauersteine ! Gartensteine ! Tranchen ! Sägestücke ! Unmaßplatten

Waldenbucher Sandstein

Wie läuft das Geschäft in Corona-Zeiten, und was wird danach kommen? Die Inhaber der Traditionsbetriebe Natursteinwolf und Lasa Marmo über das Jetzt und das Morgen.

Gauinger Travertin

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Regionaler Naturstein – ein Beitrag zum Umweltschutz

Tauerngrün

Muschelkalk

Lausters Echte


SCHÖNE WELT DER STEINE

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Badelandschaften Mit einer Kombination aus drei sehr unterschiedlichen Natursteinen hat Huber Naturstein aus Markt Schwaben bei München einen privaten Spa-Bereich ausgestattet – und wie immer groß gedacht. Von Carolin Werthmann 6

Foto: Andreas Acktun

AM STRAND DER KINDHEIT S06 | 2020


SCHÖNE WELT DER STEINE

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Der dunkle, gelederte Kalksteinboden mit den zahlreichen weißen Muscheleinschlüssen erinnert die Bauherrin an einen Sandstrand, den sie als Kind besuchte

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SCHÖNE WELT DER STEINE

SÜDTIROLER UND SCHWEIZER KÜCHE

Orea trifft Lasa Die Küche ist schon lange mehr als ein zweckmäßiger Ort. Kochen, Essen und Wohnen rücken als Lebens- und Erlebnisräume immer näher zusammen, und das spiegeln auch moderne Raumkonzepte wider. Der Züricher Küchenhersteller Orea gestaltet in seinen Modulen genau diesen Trend mit. Minimalismus trifft hier auf Funktionalität und Ästhetik. Individuelle Lösungen stehen im Zentrum. Der Kunde kann aus vier Möbellinien wählen und diese mit exklusiven Materialien wie Holz, Aluminium und Stahl, aber auch mit massivem Beton kombinieren. Da lag es nahe, auch Optionen mit Naturstein anzubieten. Von Sofia Glasl

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Foto: Orea AG

SCHÖNE WELT DER STEINE

Kochen ist Leidenschaft, Naturstein auch: Das Schweizer Küchendesign-Studio Orea hat mit Südtiroler Marmor aus dem Weißwasserbruch hoch über Laas ein sehr ästhetisches und hochwertiges Dreigestirn aus Küchenblöcken in Monolith-Optik geschaffen. Wie passend, dass nicht nur das heutige griechische Wort „ “ (gesprochen „orea“) „schön“ bedeutet, sondern auch Bergnymphen in der griechischen Mythologie Oreaden genannt werden

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STEINE BEARBEITEN

Fassadenansicht von der Großen Eschenheimer Straße aus: Das „Flare of Frankfurt“ besteht aus dem Hotelkomplex „Flare Business“ (links) und dem „Flare Living“ mit rund 50 Eigentumswohungen (rechts). Im Hintergrund ist der über 130 Meter hohe „Nexttower“ zu sehen

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Foto: Neolith

LEICHTE HÜLLE MIT KERAMIK

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STEINE BEARBEITEN

Vorfabrizierte Fassaden In der Nähe der Frankfurter Altstadt steht der Hotel- und Wohnkomplex „Flare of Frankfurt“ mit seiner wabenartigen Außenhülle. Die großformatigen, vorgefertigten Fassadenelemente bestehen jeweils aus einer Aluminiumunterkonstruktion. Sie dienen als tragendes Gerüst für die darauf befestigten Leichtbetonträgerplatten, die Lithodecor mit einer dünnen Deckschicht aus naturweißer Keramik beschichtet hat. Von Tanja Slasten

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STEINE BEARBEITEN | BRANCHENREPORT 2020

Statt live auf der Stonetec (wie hier 2018): innovative Maschinenlösungen im fiktiven Messebericht

Maschinenreport Bei der Stonetec, die wie viele andere Ausstellungen verschoben werden musste, hätte sich eine Reihe von STEIN-Lesern einen Überblick verschafft, um sich für die passende Maschinenneuanschaffung zu entscheiden. Wir haben Maschinenhersteller gefragt, welche Messeschwerpunkte sie geplant hatten und welche Maschinen-Highlights sie in diesem Jahr in Nürnberg gezeigt hätten. Von Michael Spohr 30

Foto: Michael Spohr

HIGHLIGHTS TROTZ LOCKDOWN

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BRANCHENREPORT 2020 | STEINE BEARBEITEN

Wäre im Original erstmals auf der Stonetec zu sehen gewesen: Rendering der neuen kompakten Brückensäge LDZ 2000K von BurkhardtLöffler

Fotos: Burkhardt-Löffler BT GmbH, Bayreuth

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ür zwei Firmen kam die StonetecAbsage ganz besonders ungelegen: Burkhardt-Löffler und Weha. Wollten die beiden doch die neu vereinbarte Vertriebszusammenarbeit auf der Messe ihren Kunden im persönlichen Gespräch erläutern. Dies tun sie stattdessen in einem Interview (siehe Seite 38). Am Burkhardt-Löffler-Messestand hätten ansonsten drei Maschinen im Fokus gestanden: einmal die kompakte Brückensäge LDZ 2000K in Monoblock-Ausführung, besonders geeignet für den Einstieg in die Drehkopftechnik. Die Maschine richtet sich insbesondere an preisbewusste Verarbeiter, die keine Abstriche bei der Qualität machen möchten. Aber auch die Wasserstrahlanlage Powerjet 3D – bestückt mit dem neuen selbst entwickelten Wasserstrahlkopf – hätte die Bayreuther Firmengruppe vorgestellt. Wie bereits in STEIN anlässlich der letztjährigen Marmomac-Premiere berichtet, ist der 3-D-Schneidkopf insbesondere auf die einfache Wartung und Justierbarkeit durch den Bediener ausgerichtet. Schließlich hätten die Messebesucher eine Weiterentwicklung der Tischkantenschleifmaschine KSL 80 gesehen, mit der sich auch neue Materialien – wie zum Beispiel die boomenden dünnen Keramikplatten – problemlos in hoher Qualität und hoher Geschwindigkeit bearbeiten lassen. Auch für die Firma König war die Entscheidung, die wichtigste Branchenfachmesse zu verschieben, bedauerlich, aber angesichts der Pandemie erforderlich. Der Karlsruher Werkzeughersteller und

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Selbst konstruierter 3-D-Wasserstrahlkopf von Burkhardt-Löffler: Der wartungsfreundliche und vielfältig einstellbare neue Präzisionskopf des Unternehmens ist zum Beispiel bereits an der Wasserstrahl-Anlage Powerjet 3D bei Jetstone in den Niederlanden in Betrieb

-händler betreut seit vielen Jahren immer mehrere Großmaschinenhersteller; auf den Messen stehen König-Mitarbeiter an den Partnerständen mit Rat und Tat zur Verfügung. Dieses Jahr hätten sie bei den vier italienischen Anbietern Gmm, Comandulli, Omag und Italmecc die Kunden beraten. Am Gmm-Messestand beispielsweise hätten sie unter anderem die Wasserstrahl-Schneidanlage Intec 713-G2 vorgestellt, eine Maschine mit 5-AchsSchneidkopf und Endlosdrehung, die sich zudem durch eine Elektroservopumpe mit reduzierter Stromaufnahme für höhere Energieeffizienz auszeichnet. Dank der Wasserniveauregulierung im Wassertank mittels flexiblen Drucklufttanks lässt sich mit der Maschine geräuschreduziert unter Wasser schneiden. Vorgestellt hätten die Gmm- und König-Profis auch die Softec-Software des Maschinenherstellers mit ihrer umfangreichen Datenbank für optimale Schnittgeschwindigkeit und Schnittfehlerkompensation in Abhängigkeit vom Werkstückmaterial. Bei Comandulli hätte die Kunden sowohl die Linearkanten-Schleifmaschine Edilplus als auch die Tischprofilkanten-Schleifmaschine Athena erwartet. Während die Edilplus ausgerichtet ist auf die Fertigung anspruchsvoller Werkstücke aus Naturstein und technischen Werkstoffen in Stärken von sechs bis 80 Millimetern im exklusiven Innenausbau, präsentiert sich die Athena eher als vielseitig einsetzbare Maschine mit CNC-Steuerung für den Bauund Grabmalbereich, geeignet für Einzelstücke und Kleinserienfertigung. Die

Messeneuheit von BurkhardtLöffler: Weiterentwicklung der bekannten Tischkanten-Schleifmaschine KSL 80

STEIN stellt folgende Firmen vor: 1. Burkhardt-Löffler BT GmbH, Bayreuth www.burkhardt-loeffler.com 2. J - König GmbH & Co., Karlsruhe (mit Omag, Comandulli und Gmm) www.j-koenig.de 3. Thibaut Deutschland, Saarbrücken www.thibautdeutschland.de 4. MTM-MaschinentechnikMainbernheim GmbH, Mainbernheim www.maschinentechnik-main bernheim.de (mit Kasins und Edab Automation) 5. CMS-Steintechnik GmbH, Mintraching (mit CMS Brembana, CMS Tecnocut und Sassomeccanica) www.cms-steintechnik.de 6. Biesse Deutschland GmbH, Nersingen (mit Donatoni, Intermac und Montresor) www.biesse.de 7. Steup Engineering GmbH, Gehlert-Hachenburg www.steup-online.de 8. L. Hietel GmbH & Co. KG, Dillenburg (mit C.M.G. und Euro Masiv) www.hietel.com

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KUNDEN GEWINNEN

Vorausgesetzt weder Personal- noch Materialknappheit behindern die Arbeit: Dann kann der Betrieb auf der Baustelle dank gutem Vorlauf reibungslos laufen. Wie hier bei Glöckner Natursteine

Kunden, Projekte und Mitarbeiter sichern In Krisen verändern sich die Kundenbedürfnisse. Unternehmen müssen ihre Kommunikation und ihren Vertrieb umstellen. Das Gebot der Stunde: Vertrauen aufbauen und das eigene Team und die Kunden zusammenhalten! Dabei hilft auch die Digitalisierung. Von Annette Mühlberger 40

Foto: Prisma/Glöckner Natursteine

SO KOMMEN SIE DURCH DIE KRISE

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KUNDEN GEWINNEN

PLÖTZLICH KRISE: WAS NUN? Für Unternehmer, Kunden und Mitarbeiter bildet die aktuelle Krise eine gänzlich neue Erfahrung. Zwar liegt die

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Finanzkrise kaum mehr als zehn Jahre zurück, doch aus dieser hat sich Deutschland bekanntermaßen relativ schnell und schmerzfrei herausgearbeitet. 30-Jährige und jüngere Kollegen kennen bislang nur überquellende Auftragsbücher. Die einzig knappen Güter: Zeit und Personal. Hohe Arbeitslosenzahlen, vergebliche Jobsuchen oder das verzweifelte Bemühen um Kunden und Aufträge sind hingegen in der Erinnerung aller ziemlich verblasst.

NEUE PRIORITÄTEN Dabei fordern Krisen Unternehmer und Unternehmerinnen in besonderem Maße heraus. Jetzt, da bei Kunden und Mitarbeitern plötzlich eine ungewohnte Unsicherheit herrscht, ist eine andere Form von Kommunikation als im Dauerboom

gefragt. Zumal sich die Kundenbedürfnisse in Krisen ändern. Aufkommende Zukunftsängste verschieben die Prioritäten der Menschen: • Es kommt zu einer mehr oder weniger starken Kaufzurückhaltung. • Preise (insbesondere Preiserhöhungen) werden deutlich sensibler wahrgenommen. • Nutzen- und Kostenvorteile gewinnen beim Kauf an Bedeutung. • Kurzfristige Benefits und Überschaubarkeit (schnell fertiggestellt, Aufwand gespart) werden wichtiger. • Finanzierung und Zahlungskonditionen rücken in den Fokus. • Sicherheiten und Garantien gewinnen an Bedeutung. • Digitale Kommunikationskanäle werden noch entscheidender für den Geschäftserfolg.

Wachstumstreiber-Branchen beim Onlinekauf

Mittelstarke Betroffenheit Starke Betroffenheit Sehr starke Betroffenheit

Schwierigkeiten aufseiten des Angebots

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erglichen mit vielen anderen Gewerken hat das Ausbaugewerbe in der Corona-Krise bislang so etwas wie „Glück im Unglück“. Die Branche scheint im Handwerk, das zeigen Umfragen des Ludwig-Fröhler-Instituts und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), von den Einschränkungen des öffentlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens bisher am wenigsten betroffen. Vorausgesetzt ein einigermaßen normales Arbeiten ist möglich und weder Personal-, noch Materialknappheit behindern die Ausführung. Schließlich waren die Auftragsbücher im Natursteinbereich zu Jahresbeginn gut gefüllt, sodass viele Betriebe bis dato noch mit dem Abarbeiten der aufgelaufenen Projekte beschäftigt sind. Das bestätigt auch unsere Umfrage bei Verlegern, Planern und Steinmetzen: Auf den Baustellen wird gearbeitet, und nur in Ausnahmefällen wurden bereits vergebene Aufträge gänzlich verschoben oder storniert (siehe Seite 44–47). Allerdings gehen die Anfragen und Auftragseingänge seit dem Shutdown massiv zurück. Selbst avisierte Projekte, die kurz vor dem Abschluss standen, ruhen – zumal während der harten Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr. Nicht ganz so rosig ist denn auch das Stimmungsbild, das die zu Redaktionsschluss vorliegende ZDH-Umfrage für das Gesamthandwerk am 9. April 2020 zeichnet: Demnach klagen 74 Prozent der befragten Handwerker über einen Umsatzrückgang, 56 Prozent berichten von Auftragsstornierungen, ein Drittel kämpft mit fehlenden Fachkräften, viele mit fragilen Lieferketten.

Bauhauptgewerbe

Gesundheitsgewerbe

Industrienahe Zulieferergewerke (Meltallbau, Feinwerkmechanik, Maschinenbau, etc.) Ausbaugewerbe Lebensmittelgewerbe mit hoher Cateringabhängigkeit

Lebensmittelgewerbe (ohne Catering)

Kraftfahrzeuggewerbe Persönliche Dienstleistungen

Schwierigkeiten aufseiten der Nachfrage

Die wirtschaftlichen Folgen für die einzelne Gewerke sind sehr unterschiedlich. Auf der Nachfrageseite waren zum Start des Lockdowns bis Ende März insbesondere persönliche Dienstleistungen betroffen, auf der Angebotsseite (Stabilität der Lieferketten) hingegen am meisten das Bauhauptgewerbe. Quelle: Ludwig-Fröhler-Institut München 27. März 2020. Infos: glasl@lfi-muenchen.de

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CHANCEN NUTZEN

KRISENGESPRÄCHE: PERSPEKTIVFRAGEN „Digitalisierung vor Corona war nett, jetzt ist sie überlebensnotwendig“

Stefan Wolf führt seinen Familienbetrieb in vierter Generation und schlägt zum Beispiel mit Material-Kooperationen neue Wege ein.

STEIN: Wie geht’s Ihnen in Zeiten von Corona? Was beschäftigt Sie gerade am meisten? Stefan Wolf: Wir haben alle Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und Kunden ergriffen. Alle Betriebsbereiche sind komplett voneinander getrennt, um die physische Nähe zu verringern. Das Werk arbeitet in zwei Schichten, die meisten Baustellen auch. Insgesamt kommt uns zugute, dass wir mit der Digitalisierung schon vor Corona weit gekommen waren. Wir können nicht nur den Kundenkontakt digital pflegen, sondern

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auch intern komplett auf digitale Kommunikation umstellen – mit digitaler Zeiterfassung, digitalen Bauakten, Office 365, Microsoft Teams und Co. Vor Corona war das nett, jetzt ist es verpflichtend. Wir organisieren zum Beispiel Videokonferenzen mit Kunden und Architekten, in denen wir Projektdetails besprechen. Oder lassen uns von den Kunden Zeichnungen schicken und schicken unsererseits Materialmuster erst als Foto, und wenn gewünscht, als Originalmuster per Post. Der Showroom ist, wie alle nicht systemrelevanten Ladengeschäfte, vorübergehend geschlossen. Dass alle Kunden wissen, dass wir digital mit ihnen kommunizieren können, ist deshalb elementar wichtig. Mir ist egal, welchen Kanal der Kunde für die Kontaktaufnahme wählt, Facebook, Instagram, E-Mail... Vor der Krise kamen ungefähr 40 Prozent der Kunden über digitale Wege, jetzt müssten es bis zu 80 Prozent werden, um heil durch die Krise zu kommen. Denn die wegbrechende Laufkundschaft muss ich kompensieren, um das Natursteinwerk, das Herzstück der Firma, ausgelastet zu halten. In der Produktion selbst gibt es keine Probleme. Ich bekomme wie alle anderen auch zurzeit kein Material mehr aus Italien, habe aber den Hof voll mit Rohblöcken. Mit unseren eigenen Maschinen bilden wir außerdem den kompletten Produktionsprozess ab – ge-

Foto: natursteinwolf GmbH & Co. KG

Stefan Wolf, Geschäftsführer von Natursteinwolf aus Lübeck, setzt auf innovative CNC-Projekte, Massives und Nischen-Kooperationen. Die Zukunft sieht er in der Abdeckung der kompletten Produktionskette, dem Blick über den natursteinernen Tellerrand und enkeltauglicher Firmenphilosophie.

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CHANCEN NUTZEN

Interviews Man muss über die Covid-19-Krise reden. Neben den humanitären Aspekten auch über Ökonomie und Arbeitsbedingungen. Aber auch darüber, was nach Corona kommt und wie sich die Branche generell verändert. STEIN spricht mit zwei renommierten Traditionsbetrieben: aus Norddeutschland Natursteinwolf und aus Südtirol Lasa Marmo.

rade ein großer Vorteil. Wir versuchen, die Projekte am Laufen zu halten. Denn auf nach der Krise können wir nicht alles verschieben, da hat keiner Zeit.

Foto: natursteinwolf GmbH & Co. KG

Wie wird die Branche nach der Krise aussehen? Entweder wird sich das Ganze bis zum Sommer ziehen. Der Virologe Christian Drosten und das RKI prognostizieren aktuell ja, dass die Durchseuchungsphase im Juli und August sein wird. Wenn es so kommt, müssen wir in circa vier Wochen Überstundenkonten und Resturlaub abbauen, zur Not auf Kurzarbeit setzen. Das werden wir als Unternehmen glaube ich ganz gut wuppen. Ob alle Industriekunden es schaffen werden, weiß ich nicht. Ich halte eine Marktausdünnung für sehr wahrscheinlich – aber auch, dass nach der Krise wieder viel Arbeit da sein wird. Das andere Szenario wäre, dass es länger dauert als bis zum Sommer. Dann gnade uns Gott. Und mit uns meine ich die gesamte Wirtschaft. Das Nonplusultra ist, dass wir keine italienischen Verhältnisse kriegen und das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Darin sind wir uns alle einig. Auch darin, dass Menschenleben niemals in Wohlstand aufgewogen werden dürfen. Aber wir müssen es schaffen, in der Produktion zu bleiben. Fühlen Sie sich als Unternehmer von der Politik genügend gesehen und unterstützt? Ja und nein. Das Krisenmanagement der Bundesregierung ist gut, auch wenn ich mir weniger föderalistische Lösungen und mehr politischen Zusammenhalt wünschte. Andererseits dauert vieles doch noch zu lange, wir brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe. Es muss jetzt Geld auf den Markt. Auch die Rückzahlungsmodi mancher Hilfen halte ich für fragwürdig. In meinen Augen müssten sämtliche Hilfen mindestens zinsfrei sein.

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Ein Mammutprojekt in letzter Zeit: Fertigung, Lieferung und Einbau von mehr als 400 Tonnen skandinavischen Natursteins für Außenbereich und Nebenanlagen des Wellness Resorts Südstrand auf Föhr

Lassen Sie uns noch über die Branche abseits von Corona sprechen. Was ist Ihre Einschätzung zur Entwicklung von Arbeit und Absatzmarkt? Wo geht die Reise hin? Wer hochwertige Ware haben möchte, muss heutzutage in Deutschland produzieren lassen und am besten europäisches Material nutzen. Als Produktionsunternehmen bedeutet das für mich, dass CNC-Technik und CAD-Programme selbstverständlich sind. Im Grabmalbereich teile ich das oft gehörte Wehklagen der Branche nicht. Ich habe gerade mehrere umfangreiche Anfragen auf dem Tisch, etwa für ein komplettes Mausoleum und eine Gruft aus Sandstein. Wir haben mehrere Grabmalausstellungen und konzentrieren uns auf vor Ort hergestellte, mit den Kunden nach umfassender Beratung definierte Grabsteine. Aus europäischem Material. Wir verkaufen davon in der Stückzahl weniger als früher, bei gleichen Umsätzen. Denn die Kunden sind bereit, für Qualität und Individualität zu zahlen, das ist zumindest meine Erfahrung. Asiatische Steine einfach weiterzuverkaufen wird hingegen nicht mehr lange funktionieren. Das war mit indischen Steinen vor zehn Jahren kein nachhaltiges Geschäft und ist auch heute mit chinesischen keines.

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PANORAMA | BRANCHENREPORT 2020

Zwar keine Messe – aber ein kleiner Querschnitt:

DER STEIN-BRANCHENREPORT 2020 Was gibt’s Neues? Es fällt so einiges aus in diesem denkwürdigen Jahr der Corona-Krise. Die Urlaubsreisen an andere Ecken der Welt, die Playoffs beim Eishockey und Besuche im Fußballstadion, Kulturveranstaltungen und Familienfeiern, das Oktoberfest – und auch die Stonetec. Zumindest in Ermangelung Letzterer haben wir uns aktuell umgehört, was gerade neu für den Steinmarkt zu präsentieren ist – nicht nur bei Firmen, die auf der traditionsreichen Messe ausgestellt hätten, sondern ganz allgemein. Die entsprechende Auswahl für das Segment Großmaschinen finden Sie in diesem Heft im Maschinenressort ab Seite 30. Von Philipp Neuman

BAGNARA

DESTAG

Neu in der „Kitchen Selection“ von Bagnara ist der „Kuroca“. Dieser dunkle Quarzit aus Angola mit geaderter Struktur eignet sich gut für elegante Natursteininstallationen im Innen- und bedingt frostbeständig im Außenbereich. Säurebeständig kann das Material unter anderem sehr gut für Küchenarbeitsplatten verwendet werden sowie viele andere großflächige Anwendungen. Erhältlich in poliert oder satiniert. Unter dem Namen „Kitchen Selection“ bietet Bagnara eine exklusive Auswahl an Hartgesteinen, die sich hitze-, wasser-, kratz- und UV-beständig sowie pflegeleicht u. a. hervorragend für den Kücheneinsatz anbieten. www.bagnara.net

Das neue Grabmal RS-E20 baut auf dem beliebten „Pusteblume“Modell auf

Der Quarzit Kuroca aus Angola: links satiniert, rechts poliert

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Basierend auf dem Bestseller „Pusteblume“ aus der Rokstyle-Kollektion wurde das neue Modell RS-E20 kreiert. Ziel war, die überaus erfolgreiche Ornamentik weiter in die vom Zeitgeist gefragte Formensprache zu integrieren. Zweites aktuelles Thema bei Destag ist die Schrift-App mit eingebautem Konfigurator: Sie läuft auf allen Endgeräten und findet laut Hersteller bei den bisherigen Nutzern schon breiten Anklang und Zuspruch. www.destag-grabmal.de

Fotos: Nikolaus Bagnara AG, Stein Hanel GmbH

GESTEINE

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BRANCHENREPORT 2020 | PANORAMA

JUST Neben der Badthematik und einem weiter vorangetriebenen Ausbau des Just Architektur & Designzentrums mit dem 2020er-Schwerpunkt der Kooperation mit THG Paris in Hartha sollte es auf der Stonetec bei Just auch um die Weiterentwicklung des Themas Küche für die Verarbeiter-Kunden gehen. Nicht nur eine Kompaktvariante des neuartigen Just–Küchenkataloges sollte auf der Messe vorgestellt werden, sondern gleich auch noch drei neue Materialien: • Ceppo Grey (Just-Klassifikation 4 Sterne): Ein der modernen Architektur gerecht werdendes Konglomerat aus der Balkanregion, das mit Hartgesteineinstellung geschnitten und weiterverarbeitet wird. Geeignet z. B. für das Bad und mit Azerocarebehandlung auch für die Küche. Nicht zu verwechseln mit dem Namensvetter Ceppo di Gré. • Dover White (Just-Klassifizierung 5 Sterne): Ein spannender Marmor aus Brasilien für das Bad und in der Azerocare-Ausführung auch für die Küche geeignet. • Amazonite Extra Top (Just-Klassifizierung 7 Sterne): Ein Pegmatit, den der Händler zur Extraklasse zählt und wegen seiner außerordentlichen Erscheinung sowie PreisKategorie in seinen 7-Sterne-Bereich einordnet. www.just-naturstein.de

Fotos: JUST GmbH & Co Naturstein KG, Kalmo Marble / Klaus Peterlin, Lauster Steinbau GmbH

Beginnend oben: Ceppo Grey, Amazonite Extra Top, Dover White

LASA MARMO / KALMO MARBLE

Corona-Krise wären diese 2020 auf dem Salone del Mobile in Mailand ausgestellt worden. Die Ecke Südtirols, aus der Kalmo stammt, ist eigentlich eher der Holzschnitzerei verbunden. Aber in den Dolomiten kennt man sich naturgemäß auch mit Gestein aus. Übrigens: Wer die Designstücke an der Wand lieber dunkel hat, kann diese auch aus baskischem Negro-Marquina-Kalkstein erhalten. www.kalmo-marble.com/de www.lasamarmo.it

LAUSTER Dieses Jahr hätte Lauster Steinbau sich auf der Stone+tec als Partner für Steinmetze, GaLa-Bauer, Bildhauer und Restauratoren für regionale, klimafreundliche Natursteine mit stabilen Lieferketten präsentiert. In den letzten Jahren wurden drei neue Sandsteinbrüche erschlossen, die Materialien Lauchheimer Sandstein, Tennenbacher Sandstein und Waldenbucher Sandstein stehen daher aktuell im Fokus. Lauchheimer Sandstein ist ein gelblichgrüner, feinkörniger, homogen erscheinender, oft geäderter und dichter Eisensandstein. Er eignet sich für Restaurierungen und Bildhauerarbeiten sowie für den GaLa-Bau. Tennenbacher Sandstein ist ein feinkörniger, intensiv roter, homogener Buntsandstein. Er eignet sich für Fassadenbekleidungen, Bodenbeläge, Massivarbeiten und Restaurierungsarbeiten sowie für den GaLa-Bau. Waldenbucher Sandstein ist ein weißer bis weißlich-gelber, mittel- bis grobkörniger Stubensandstein mit geschichteten, teilweise bräunlichen Sedimentstrukturen. Er eignet sich für Fassadenbekleidungen, Bodenbeläge, Massivarbeiten und Restaurierungsarbeiten sowie für den GaLa-Bau. Ergänzt wird dieses Angebot durch die bekannten und bewährten Materialien Maulbronner Sandstein, Niederhofener Sandstein und Gauinger Travertin und die Lauster-Materialien aus den Alpen: Tauerngrün, Dorfergrün und Krastaler Marmor. Alles als Sägestücke, Tranchen und Maßarbeiten lieferbar. www.laustersteinbau.de

Wandelemente von Kalmo aus Laaser Marmor „Venato“

Das junge Unternehmen Kalmo Marble aus Lajen in den Südtiroler Dolomiten fertigt nun stylishe Wandelemente aus Laaser Marmor der Sorte „Lasa Venato“. Ohne

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Von oben nach unten: Lauchheimer gebürstet, Tennenbacher geschliffen, Waldenbucher geschliffen

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