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STEIN

S 10 | 2020

MINERALISCHE WERKSTOFFE FÜR ARCHITEKTUR UND HANDWERK

SHOWROOMS

DIE SCHOKOLADENSEITE DES VERKAUFS KAUFERLEBNIS

KRAFT SPAREN

KOMMUNIZIEREN

Das Frankfurter MyZeil hat sich für seine Kunden neu in Schale geworfen und überrascht an allen Orten

Mit Exoskeletten können Handwerker zu neuen Höchstleistungen gelangen. Ganz ohne Rückenprobleme

Der Platz als Treffpunkt im Ort. In Òdena ist mit Granit und Marmor eine neue Mitte entstanden


INHALT

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Showrooms schaffen Moderne Elemente Shoppingerlebnisse. In der können alte Friedhöfe Pralinenwelt auflockern,Wenschitz wenn sieim österreichischen Allhaming sich, wie hier in Altdorf sorgen gigantische Maxbei Nürnberg, zurückfine-Feinsteinzeugfliesen nehmen und nicht von FMGVordergrund dabei für ein in den appetitliches drängen. Flair.

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Das Ein Einkaufszentrum unter DenkmalMyZeil Frankfurt zieht schutzinstehender mit seinerintrichterförmigen Bunker München Glasfassade Passanten in wurde behutsam renoeinzigartiger Weisemit ins viert und innen Innere. Dort erwartet sie dem Naturstein „Fade ein spektakulärer, to ziemlich Grey“ ausgelegt. moderner Konsumtempel.

STEIN ONLINE

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Die Plaça Major der kleinen Gemeinde Òdena wurde von einer Straßenkreuzung zum attraktiven Treffpunkt für Feste umgestaltet – mit viel Kreativität, Granit und Marmor.

SCHÖNE WELT DER STEINE

STEIN – auf Facebook Wissenswertes rund um das Thema Naturstein gibt es auf facebook.com/stein.magazin

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Show must go stone Das Interieur in den Showrooms von Luxusmarken kann nicht spektakulär genug sein.

STEIN – die Webseite Fachliches, Interessantes, aber auch Skurriles finden Sie auf unserer Homepage stein-magazin.de

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Zeigefreudig Ausstellungen in den Räumen der Steinhändler sollen die Kunden inspirieren und informieren.

STEIN – der Newsletter Regelmäßig Neues aus der Stein-Welt, zu abonnieren auf stein-magazin.de

ZUM SAMMELN Die neue STEINKUNDE In dieser Ausgabe: Silver Cloud KUNDE

Handelsname:

SILVER CLOUD

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Zu Füßen gelegt In Frankfurt am Main lädt ein Konsumtempel zu besonderen Erlebnissen ein.

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Silver Cloud Die STEINKUNDE stellt einen Naturstein aus der Nähe von Atlanta in den USA vor.

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Platz da Durch Einsatz von heimischem Granit und Marmor ist in Òdena ein lebendiger Ortskern entstanden.

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Industrie 4.0 ist kein Hexenwerk Wie Maschinen sinnvoll mit CAD-Programmen vernetzt werden können.

● Petrografische Familie:

Paragneis

● Typische Farbe:

Grauweiß

● Herkunftsort:

Lithonia nahe Atlanta / Georgia / USA ● Liefernachweis:

Foto: Abraxas Stone experts/Giesen

Nikolaus Bagnara AG / Eppan / Italien

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● GEOLOGIE/PETROGRAFIE

● ARCHITEKTUR

Gneise sind in ihrem Mineralbestand den Graniten sehr ähnlich. Im Gegensatz zu den Graniten, die ein richtungsloses Gefüge aufweisen, ist bei den Gneisen ein Richtungsgefüge erkennbar. Während Granite zur Gesteinsgruppe der Magmatite zählen, handelt es sich bei den Gneisen um metamorphe Gesteine. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen Orthogneisen und Paragneisen. Zu Letzteren zählt auch der Silver Cloud. Der Unterschied zwischen beiden liegt im Ursprungsgestein, aus dem sie durch metamorphe Umwandlung entstanden sind. Während Orthogneise aus magmatischen Gesteinen entstanden, sind die Ursprungsgesteine der Paragneise Sedimentgesteine. Daneben gibt es auch noch die Migmatite, die auch als Mischgneise bezeichnet werden. Sie stellen eine eigenständige Gesteinsfamilie dar, die ebenfalls ein stark texturiertes Gefüge aufweist.

Silver Cloud ist ein sehr helles Gestein. Die hellen, zum Teil stark gewolkten oder gefalteten Lagen bestehen überwiegend aus Quarz und Feldspat. Der Stein zeigt ein überwiegend feinkörniges Gefüge mit eingeregelten Glimmerlagen. Silver Cloud ist ein Zweiglimmer-Gneis. Während die silbrigen Hellglimmer Serizit und Muskovit (sehr wahrscheinlich ist hierauf auch der Name Silver Cloud = silbrige Wolke zurückzuführen) die Helligkeit des Steins noch stärker zum Ausdruck bringen, zeichnen die Dunkelglimmer für ein kontrastreiches Dekor verantwortlich. Dieses Dekor kommt bei Bodenbelägen am besten in Verbindung mit großformatigen Platten zur Geltung. Polierte Oberflächen erzeugen lichtdurchflutete Räume. Sollten bei diesen Bodenbelägen im Innenbereich Anforderungen an die Rutschhemmung bestehen, so kann trotz Politur durch zu-

sätzliche Bearbeitung mit Haid-tecVerfahren, Lasertechnik oder chemotechnischen Verfahren die Rutschsicherheit erhöht werden. Der Stein verfügt über gute technische Gebrauchseigenschaften und hat eine hohe Resistenz gegenüber chemischen und mechanischen Angriffen. Silver Cloud wird in großen Rohblöcken abgebaut, sodass großformatige Werkstücke wie Küchenarbeitsplatten oder Thekenabdeckungen kein Problem darstellen. Er ist sowohl für den Einsatz im Innen- als auch im Außenbereich geeignet. Da der Stein ein wechselhaftes Dekor aufweisen kann, das vor allem bei ausgeprägten, durchgängigen Dunkelglimmerlagen im Handmuster nicht immer klar erkennbar ist, sollte die Auswahl möglichst an den Rohtafeln erfolgen, aus denen die Werkstücke gefertigt werden. Dipl.-Ing.(FH) Detlev Hill www.steinkultur.eu

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Der neue Katalog

»SAKRALE KUNST« 2020/22

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Tragbare pneumatisch oder motorisch betriebene Hebe- und Montagehilfen, sogenannte Exoskelette, können den Alltag im Handwerk erheblich erleichtern und so den Gelenkapparat schonen.

KUNDEN GEWINNEN 44

In den nächsten Wochen erhalten Sie als treuer Strassacker-Kunde unseren neuen Katalog mit allen Produkt-Neuheiten, kreativen Gestaltungsideen sowie optimierter Funktionalität – zur umfassenden und erfolgreichen Beratung Ihrer Kunden.

Digital erfolgreich Wie im Handwerk interne Abläufe optimal auf den Kunden ausgerichtet werden können.

CHANCEN NUTZEN 52

Hightech zum Anziehen Was Exoskelette inzwischen am Bau für die physische Entlastung der Mitarbeiter leisten können.

PANORAMA 60

Maschinenreport Die Highlights der virtuellen Marmomac in Verona

RUBRIKEN 65 66 74

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Vorschau Impressum STEINLUPE: Almute Grossmann-Naef, Schulleitung der Scuola di Scultura in Peccia, Vallemaggia, Tessin

shop.strassacker.com


SCHÖNE WELT DER STEINE

SHOW MUST GO STONE

Luxuskonzepte In Showräumen soll – wie der Name es sagt – eine Show veranstaltet werden. Dafür muss das Interieur möglichst spektakulär sein. Was bietet sich da mehr an, als Aufsehen erregende Steine zu verwenden? Seit die großformatige Keramik hinsichtlich der Brillanz und Tiefenwirkung mit Naturstein gleichgezogen hat, findet sich auch der neue Werkstoff in immer mehr Ausstellungen von Luxusartikeln. Von Michael Spohr

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SCHÖNE WELT DER STEINE

Foto: GranitiFiandre Spa, Castellarano (I)

Wasserfall-Duschsystem: Der Aquamoon von Dornbracht sorgt im Hamburger Port 1-Showroom für eine besondere Wasseraufführung. Mit dabei: Dark MarquinaFeinsteinzeugfliesen von Fiandre im Baqua-Duschsystem am Boden

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SCHĂ–NE WELT DER STEINE

Zeigen, was man hat und kann: Unternehmen setzen in ihren Showrooms auf Wohnumfelder, in denen sie ihr Angebot lebensnah in Szene setzen

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SCHÖNE WELT DER STEINE

ZEIGEFREUDIG Außergewöhnliches aus Stein Naturstein, Kunststein und Keramik sind Materialien mit eindrucksvoller Wirkung – in der Realität. Wer sie lediglich in einem Katalog oder als kleine Musterplatte sieht, dem fällt es häufig schwer, sich Raumwirkung und Co. vorzustellen. Diese visuelle Lücke gilt es in der Kundenberatung zu überbrücken. Von Anne Fischer

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ier renommierte Branchenunternehmen geben Einblicke, wie sie ihre Showrooms zur Kundenberatung nutzen und welche Strategien sie dabei verfolgen.

Fotos: Bagnara

MAGNA GLASKERAMIK UND NEOLITH IN DÜSSELDORF

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In einer aufwendig umgebauten, ehemaligen Produktionshalle aus Backstein mit großen Industriefensterfronten präsentieren sich seit 2019 Magna und Neolith. Der 250 Quadratmeter große Showroom ist das Werk des Inneneinrichters Niels Karsten Kniest von nkk Raumkonzepte. In einzelnen „Kabinen“ setzt er rund zwölf sehr verschiedene Anwendungsbeispiele in Szene, vom frei stehenden Bad mit Waschtisch, Runddusche und großformatigen Fliesen über die hinterleuchtete Theke im Ladenbau und einen Bibliotheksbereich bis zur gesinterten Fassaden-Lösung. Dank Kooperationen mit dem Armaturenhersteller Dornbracht und dem Beleuchtungsspezialisten Kreon/Belux sehen die Besucher – Architekten, Planer, Designer und Steinmetzen – komplette Raumkonzepte. Auf diesen Kombinationen lag das Hauptaugenmerk bei der Planung, erzählt Rolf Hecker, verantwortlich für den Neolith-Vertrieb in Deutschland: „Die Anwendungen in verschiedenen Stilen helfen Designern, Architekten und Fachhändlern, das kreative Potenzial von Neolith und Magna Glaskeramik zu erfassen. Wir wollen Vielfalt zeigen. Denn die Kunden können sich oft überhaupt nicht vorstellen, wie variantenreich unser Material eingesetzt werden kann.

Wir setzen deshalb auf inspirierende und ganzheitliche Praxisbeispiele.“ Neolith präsentiert in dem Showroom vor allem Ideen für Bad, Wohnraum und Fassade. Denn in der Küchenbranche ist das Unternehmen in Deutschland laut Hecker hinlänglich bekannt, viele Küchenstudios zeigen Neolith-Arbeitsplatten in ihren Verkaufsräumen. Einen Showroom empfiehlt Hecker „allen Akteuren im mittelund hochpreisigen Segment, die mehr sein wollen als reine Plattenhändler“. Für Düsseldorf sprechen die hohe Präsenz der angestrebten Zielgruppe und der Umstand, dass ein Partner-Steinmetzbetrieb direkter Nachbar ist und den Standort vorschlug, als der vorherige Mieter auszog. Für Neolith kann Hecker sich in Zukunft auch weitere Showrooms vorstellen, etwa in Hamburg oder München. In Düsseldorf können Interessenten individuelle Termine für Beratungen vereinbaren, dienstags bis donnerstags aber auch spontan vorbeischauen. Mindestens einmal pro Monat nutzen Magna und Neolith ihren Showroom außerdem als Veranstaltungsort: Sie laden Architekten aus der Region zu Thementagen, etwa „Oberflächenreinigung“, „Fassadengestaltung“ oder zu Produktpräsentationen und Materialschulungen ein. Der Showroom selbst bekommt in regelmäßigen Abständen ein Makeover, so Hecker: „Neuheiten und technische Entwicklungen müssen sich widerspiegeln. Deshalb passen wir unsere Anwendungen immer dann an, wenn wir neue Kollektionen herausbringen. Darüber hinaus analysieren wir regelmäßig, welche Anwendungen besonders interessant für die

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STEINE BEARBEITEN

Markant im Einkaufszentrum MyZeil in Frankfurt ist das trichterförmige Glasdach. Lässt man sich von der mehr als 40 Meter langen Rolltreppe in den vierten Stock tragen, fährt man direkt daran vorbei

ZU FÜSSEN GELEGT Shoppingparadies Das Einkaufszentrum MyZeil in Frankfurt am Main zieht mit seiner trichterförmigen Glasfassade Passanten wie durch einen Schlund ins Innere. Dort wartet nun eine modernisierte Konsumoase mit ästhetischem Ausrufezeichen an einem Ort, der beim Shoppen sonst nur notgedrungen aufgesucht wird. Von Carolin Werthmann

Foto: Carolin Werthmann

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er Vorteil am Shoppen in Einkaufszentren ist, dass sie sowohl im Hochsommer als auch im Winter, im Herbst als auch im Frühling Obhut vor den Launen des Wetters bieten. Shopping im Hochsommer, auch wenn dieser zum jetzigen Zeitpunkt passé ist, ist immer ein bisschen selbstkasteiend. Hetzt man doch durch die Fußgängerzone von einem Laden zum nächsten, zwängt sich verschwitzt in zu enge Kleider und Hosen, während man eigentlich am See oder im Freibad liegen könnte in der Hoffnung, die Alpinablässe der Corona-Isolationsmonate in helles Beige zu verwandeln (um dann doch nur rot zu werden). Tröstlich und rechtfertigend für gelegentliches Shopping in der Hitze sind die Klimaanlagen der Läden, die Kühle, in die man sich zu flüchten sehnt, wenn in Städten wie Frankfurt am Main wieder einer dieser heißen Tage herrscht. Im Herbst? Im Winter? Da flieht man dann vor dem Regen in die Konsumoase, flieht vor der Kälte, vor dem Schnee. So betrachtet, sind Einkaufszentren wie das MyZeil in Frankfurt saisonale Allrounder, klimaneutrale Tempel sozu-

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sagen, die nicht nur angenehme Temperaturen, sondern auch Konsumwünsche zu befriedigen versprichen. Das MyZeil liegt nicht weit entfernt vom Bankenviertel und von den Hochhäusern der Mainmetropole. Man darf sie wohl durchaus Wolkenkratzer nennen, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen mit der Überheblichkeit. Das Centermanagement von MyZeil ist wie wohl alle anderen Centermanagements darauf erpicht, den Besuchern eine gute Zeit zu bieten – weswegen die Modernisierung des nach eigenen Angaben recht abgenutzten Einkaufszentrums höchste Priorität hatte. Vor wenigen Monaten hätte man hier nicht sein können. Vor wenigen Monaten war alles hier gesperrt, der Öffentlichkeit unzugänglich gemacht. Undenkbar eigentlich, dass eine Selbstverständlichkeit wie der Zugang zu Einkaufszentren wie diesem zumindest zeitweise nur noch zu einer Erinnerung verkommen war. Grund war die Ansteckungsgefahr durch das neuartige Coronavirus und die von Bundes- und Landesregierung verhängten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Verschwunden

ist das Virus nie, blauäugigerweise aber ein wenig in den Hinterkopf geraten, weil das gesellschaftliche Leben wenigstens ein Stück weit wieder in Richtung präcoronale Normalität gerückt ist. Maskenpflicht und physisches Abstandgebot vorausgesetzt. Einkaufszentren wie das MyZeil halten sich natürlich daran. Ein Security-Mann, der gerade die Rolltreppe herunterfährt, erinnert einen Besucher mit Handzeichen daran, doch bitte den Mund-Nasen-Schutz hochzuziehen, der um seinen Hals baumelt.

DREI SCHICHTEN, 24 STUNDEN AM STÜCK Volker Schwenk kommt mit schwarzem Schal über dem Gesicht und giftgrünem Hemd zum Treffpunkt im vierten Obergeschoss des Shoppingcenters. Schwenk ist Geschäftsführer der Schwenk Projektbau GmbH, einer seiner drei Firmen im hessischen Eppstein, eine halbe Autostunde von Frankfurt entfernt. Er verantwortete die Sanierung der Bodenbeläge und den Einbau neuer Fliesen und Materialien auf etwa 5.000 von 52.000

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STEINE BEARBEITEN

PLATZ DA

Um die Höhenunterschiede auszugleichen und Bereiche mit weniger Gefälle, wie vor der Kirche und dem Rathaus, zu Treffpunkten zu machen, ließen die Architekten Stufen anlegen

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großer regionaler Bedeutung, wie das Festival „La Vinyala“ – eine in der Restaurantbranche hochgeschätzte Schneckensorte – oder das Festival „Espelt“, das dem Craft Beer gewidmet ist.

PLAÇA MAJOR ALS HERZ Derartige Feste finden in Spanien häufig auf öffentlichen Plätzen, wie der Plaza Mayor (katalanisch Plaça Major), statt. Sie ist die gute Stube, der urbane Knotenpunkt der Städte und Dörfer Spaniens und damit Mittelpunkt des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, aber gleichzeitig auch beliebte Einkaufsgegend. Das Prinzip Plaza Mayor setzte sich in den spanischen Städten im Spätmittelalter durch und wurde im Laufe der Zeit in unterschiedlichen Stilrich-

tungen, wie beispielsweise im Renaissancestil, im klassizistischen oder im Barockstil, erbaut. An einer Plaza Mayor lag das Rathaus. Dieses Gebäude war das Einzige, was die katalanisch benannte „Plaça Major“ in Òdena als solche kennzeichnete. Ein Beisammensein der Bevölkerung war an diesem Ort bisher kaum möglich, denn hier hatte der Verkehr Vorrang, es kreuzten sich mehrere Straßen.

TREFFPUNKT, NICHT NUR KREUZUNG Deshalb schrieben das Rathaus von Òdena und der Provinzrat von Barcelona einen Wettbewerb aus, die Plaça Major von Òdena neu zu gestalten. Der Provinzrat von Barcelona ist eine öffentliche Einrich-

Foto: Adria Goula

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napp 70 Kilometer beziehungsweise etwa eine Stunde mit dem Auto von Barcelona landeinwärts liegt Òdena. Die Ursprünge dieser kleinen Gemeinde in der Mitte des Òdena-Beckens auf der Seite eines kleinen Hügels lassen sich bis in vorchristliche Zeiten zurückverfolgen. Das alte Stadtzentrum befand sich am Hang und stammt aus der iberischen Zeit zwischen dem zweiten und dem ersten Jahrhundert vor Christus. Die Überreste der Burg Òdena mit ihrem achteckigen Turm aus dem zehnten Jahrhundert befinden sich oben auf dem Hügel. Heute gehört der kleine Ort mit etwa 3.500 Einwohnern zum Weinbaugebiet Anoia in der Provinz Barcelona. Die Stadt organisiert neben dem traditionellen Erntefest weitere Festivals von

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STEINE BEARBEITEN

Stadtgestaltung Ein Architekturbüro aus Barcelona verwandelte die Plaça Major einer kleinen Gemeinde in der katalanischen Provinz von einer Straßenkreuzung in einen großzügigen Platz. Dafür wurden heimische Natursteinplatten auf mehr als 5.000 Quadratmetern Fläche verlegt. Ziel war es, dort Feste veranstalten zu können und den Bewohnern einen Treffpunkt zu bieten. Von Dr. Alexandra Nyseth

tung, deren Ziel es ist, kleine Gemeinden in technischen, administrativen und wirtschaftlichen Dingen zu unterstützen. Sergi Carulla und Oscar Blasco, beide Architekten und Landschaftsarchitekten und Inhaber des „SCOB architecture and landscape studio“ in Barcelona, gewannen mit ihrem Entwurf diesen Wettbewerb und realisierten ihn von 2017 bis 2019. Vor dem Umbau war Òdenas Plaça Major kein Platz, sondern lediglich der Mittelpunkt des Stadtzentrums, an dem sich eine Verkehrskreuzung befand – mit einer neoklassizistischen Pfarrkirche von 1942 und dem Rathaus, dessen älterer Teil aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt und das zum Gotteshaus hin einen kubischen neuzeitlichen Erweiterungbau aufweist. Dieser unübersicht-

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liche und unzusammenhängende öffentliche Raum, der außerdem von einem starken Gefälle vom Nord- zum Südende charakterisiert war, ließ für die Bewohner der Gemeinde nur einige kleine, verstreute und isolierte Bereiche übrig und behinderte die Entwicklung des Gemeinschaftslebens deutlich. Eine Nutzung der Stadtbewohner als Zentrum der Gemeinde, wie es auf anderen Plazas Mayores in Spanien üblich ist, war daher kaum möglich. SCOB gestaltete diesen öffentlichen Raum in einer einfachen Art um. „Wir Architekten haben in Barcelona studiert und arbeiten hier. Bei der Entwicklung der neuen Plaça Major in Òdena war das Modell des öffentlichen Raums, das die Stadt Barcelona seit Anfang der 1990er-Jahre entwickelt, immer ein Maßstab“, so Oscar Blasco.

EBENEN SCHAFFEN Um das Bild der Straßenkreuzung verschwinden zu lassen, realisierten die Architekten eine einheitliche Bodengestaltung mit Naturstein über das gesamte Gebiet des öffentlichen Raums, in dem Fahrzeuge zwar erlaubt sind, die Bürger des kleinen Orts allerdings Vorrang haben. Diese einheitliche Natursteinverlegung begrenzt nicht, sondern verbindet alle Bereiche zu einem geschlossenen Platz. Das Gelände hat eine sehr komplexe Topografie mit zum Teil steilen Hängen und Höhenunterschieden. Die Herausforderung bestand darin, mehr horizontale Räume für die Nutzung durch die Bewohner und für alle Veranstaltungen, Fiestas und Festi-

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STEINE BEARBEITEN

Vernetzen von Maschinen und CAD-Programmen Für viele Stein verarbeitende Betriebe ist Industrie 4.0 noch ein Buch mit sieben Siegeln. Auch wenn dahinter ein riesiger Themenkomplex zu stecken scheint, muss doch kein Handwerksbetrieb Berührungsängste haben, denn das für ihn entscheidende Erfassen, Strukturieren und Verarbeiten sämtlicher Produktionsdaten in einer automatisierten Fertigung lässt sich auch mithilfe der speziell für unsere Branche verfügbaren Software leicht einrichten und nutzbringend einsetzen. Von Michael Spohr 34

Foto: Michael Spohr

INDUSTRIE 4.0 IST KEIN HEXENWERK

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STEINE BEARBEITEN

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ndustrie 4.0 heißt für die Steinbranche, in Büro, Lager und Produktion alle relevanten Informationen in Echtzeit verfügbar zu haben – und zwar durch die IT-Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Parameter sowie durch die Fähigkeit, aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Selbstregelnde Systeme und intelligente Steuerungsmechanismen ersetzen hierbei mehr und mehr die mündlichen und papiergebundenen Absprachen. Dennoch sollte gewährleistet sein, dass der einzelne Mitarbeiter anstehende Entscheidungen mit eigenen Erkenntnissen anreichern und basierend darauf Entscheidungen treffen, das System also überstimmen kann. Ist der Betrieb bereit, der Software sämtliche Prozesse anzulernen, und kommunizieren die einzelnen Softwarekomponenten nahtlos miteinander, beherrscht die IT die betriebliche Komplexität, was die Effizienz steigert. Leider bedeuten derartige Umstellungen – gerade innerhalb der Fertigung – zunächst hohe Investitionen, deren Amortisationszeit oft nicht exakt berechnet werden kann. Viele Unternehmen scheuen daher diesen Schritt, weil einwandfrei funktionierende Prozesse, auch wenn sie nicht optimal und nicht mehr zeitgemäß sind, Sicherheit bieten. Wer jedoch entschlossen ist, sich vom Alten und Bewährten zu lösen, um sich für eine digitale Zukunft zu rüsten, sollte sich zum einen verlässliche Ratgeber und Fachleute suchen sowie die vom Bund und von den Ländern für Industrie- 4.0-Projekte gewährte finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen.

Foto: Michael Spohr

STEIN stellt folgende Firmen vor: 1. Sekon Software GmbH, Bonn sekon.de 2. CB Stone-Tec, Ungerhausen cb-stone-tec.de 3. DDX Deutschland GmbH, Löhne ddxgroup.com 4. Paetzke GmbH, Hörstel-Bevergern paetzke.de

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FLUSS IN DIE PRODUKTION BEKOMMEN Gerd Senel erläutert, dass auch ein mittelständischer „Papierhandwerksbetrieb“ seine Maschinen so vernetzen kann, dass er „in seine Produktion einen Fluss hineinbekommt“. Der Inhaber der Bonner Sekon Software GmbH empfiehlt hierfür ein PPS-System (Produktions-, Planungs- und Steuerungssoftware).

Sämtliche Informationen jederzeit digital verfügbar: Gerd Senel zeigt an zweien seiner PCs, wie die Produktion einer Küchenarbeitsplattenkommission von der Sekon-Software gesteuert wird

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evor sich ein Betriebsinhaber für ein System aus Computerprogrammen entscheidet, das den Anwender bei der Planung und Steuerung des Produktionsprozesses unterstützt, sollte er über ein funktionierendes Warenwirtschaftssystem verfügen. Derartige ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning, übersetzt Planung von Geschäftsressourcen) sorgen dafür, dass im produzierenden Unternehmen eine Software genau weiß, welche Materialien wo und wann verfügbar sind; sie übernimmt die Materialbedarfsplanung und sorgt für die rechtzeitige sowie bedarfsgerechte Planung und Steuerung aller betrieblichen Abläufe. Mit der Installation der beiden Softwaresysteme ist es laut Gerd Senel indes nicht getan. Der Diplom-Maschinenbauingenieur warnt davor, dass die Steinmetze sich die Abläufe in ihren

Betrieben nicht vorher klarmachen und daher die Arbeit unterschätzen würden, die vor der Umstellung auf eine gelungene Automatisierung erforderlich seien. „Hinterher habe ich es viel einfacher, aber dafür muss ich vorher richtig Arbeit reinstecken“, erklärt der Computerfachmann. Da man einen Betrieb nicht halb umstellen könne, müsse jeder einzelne Arbeitsschritt, der später automatisch ablaufen soll, den Computerprogrammen „beigebracht“, also konfiguriert werden. Zudem müsse das System immer vorab wissen, aus welchem Block eine Tafel kommt, wo diese im Lager zu finden und wie sie beschaffen ist. Hierfür müssen sämtliche Rohtafeln im ERP-System hinterlegt und gelabelt sein. Da es in vielen Firmen einer Sisyphusaufgabe gleicht, den gesamten Lagerbestand zu digitalisieren, rät Senel dazu, mit neu ankom-

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ie das Krisen so mit sich bringen, hat auch Corona das Zeug zum Trendbeschleuniger. Sowohl für die Digitalisierung, als auch für eine Unternehmensführung, die zwischen online und offline nicht mehr differenziert und alle Kanäle gleichermaßen nutzt, um mit Mitarbeitern, Kunden und Partnern zu kommunizieren. Wer diesen Ansatz schon vor der Krise verfolgt hat, hatte selbst im Lockdown Spielräume, neue Aufträge – online wie offline,

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regional wie überregional – zu generieren (siehe auch STEIN 6/2020 sowie unsere Success Story ab Seite 52).

2020 zeichnet ein sehr gutes, repräsentatives Bild zur digitalen Situation des Handwerks kurz vor dem Lockdown.

WO STEHT DAS HANDWERK?

ZWEI DRITTEL SEHEN DIGITALE CHANCEN

Anfang 2020 wollten der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Digitalverband Bitkom genauer wissen, wie es um die Digitalisierung im Handwerk steht. Die Umfrage unter 502 Unternehmen im Januar und Februar

„Damals“ begriffen zwei Drittel (66 Prozent) der Betriebe die Digitalisierung bereits als Chance, 19 Prozent sahen durch die Digitalisierung keinen Einfluss auf ihren Geschäftserfolg, 13 Prozent empfan-

Foto:pexels-bongkarn-thanyakij

KUNDEN GEWINNEN

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KUNDEN GEWINNEN

Digitalisierung macht das Handwerk kundenorientierter und effizienter. Fachkräftemangel und veränderte Kundenansprüche treiben den Wandel

DIGITAL ERFOLGREICH Fit für die Digitalisierung Die Corona-Krise ist in vielerlei Hinsicht ein Trendbeschleuniger – auch für die Digitalisierung. Ziel ist es, die betrieblichen Abläufe optimal in Richtung Kunde auszurichten. Von Annette Mühlberger

den den Wandel zu Jahresbeginn als Risiko. Dabei sagten 56 Prozent der Inhaber: „Die Digitalisierung ist für uns eine Herausforderung“, und mehr als ein Drittel (36 Prozent) gibt Anfang 2020 zu, Probleme zu haben, die Digitalisierung zu bewältigen: • So empfinden die allermeisten (79 Prozent) viele Anwendungen als völlig überdimensioniert. • Auch von Kammern und Verbänden erwartet die Mehrzahl (67 Prozent) mehr Unterstützung.

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• 58 Prozent fehlt der Überblick, was es alles gibt und was überhaupt möglich ist. • 47 Prozent geben an, sich viele digitalen Anwendungen gar nicht leisten zu können.

die Anschaffung von Computern, Smartphones, Software sowie weitere digitale Güter und Leistungen investiert. Für 2020 planen die Befragten eine durchschnittliche Investitionssumme von 2.110 Euro.

GENÜGEN DIE INVESTITIONEN?

DIE HÄLFTE HAT EIN CRM-SYSTEM

Dabei sind die getätigten Investitionssummen überschaubar: Im Mittel 2.130 Euro haben Handwerksbetriebe 2019 in

Am weitesten verbreitet sind mit 52 Prozent Kundendatenbanken (CRMAnwendungen), gefolgt von Lösungen

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