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Nach der Explosion leistet Caritas rund um die Uhr Nothilfe für die Betroffenen. Sie verteilt Medikamente, warme Mahlzeiten und Essenspakete.

Eine Explosion in einem Land, das schon am Boden liegt

Die Explosion in der libanesischen Hauptstadt traf ein Land, das mitten in der Corona-Pandemie wirtschaftlich und sozial bereits am Abgrund steht. Seit 2012 leistet die Caritas im Libanon Hilfe im Rahmen der durch den Syrienkrieg entstandenen Flüchtlingskrise. Sie bleibt auch jetzt an der Seite der Menschen. Eine kurze Chronologie der Krisen – und der Hilfe, die nun dringender nötig ist denn je.

Januar 2016 Gastgeber in Not

Rund 1,5 Millionen Syrerinnen und Syrer leben nun im Libanon, eine Zahl, die bis heute gleich hoch geblieben ist. Die meisten Flüchtlinge wohnen in ärmlichsten Verhältnissen. Die Infrastruktur, der Arbeitsmarkt und das Schulsystem sind heillos überlastet. Auch die libanesische Bevölkerung verarmt zusehends. Spannungen zwischen Flüchtlingen und Gastgesellschaft nehmen zu. Die Caritas unterstützt mit ihren Projekten im Libanon sowohl syrische Flüchtlinge als auch benachteiligte Libanesinnen und Libanesen. Oktober 2019 Kein Bargeld mehr an den Automaten

Eine schwere Finanzkrise bricht sich Bahn. Inflation greift um sich. Bis zum Sommer 2020 wird das libanesische Pfund 80 Prozent seines Werts verloren haben, die Preise für Nahrungsmittel werden um fast 90 Prozent gestiegen sein.

15. März 2020 Das Coronavirus im Libanon

Ein nationaler Lockdown von über zwei Monaten beginnt, auch, um die Spitäler in der Corona-Krise zu entlasten. Wegen der Finanzkrise können sie kein Personal bezahlen und veraltete Geräte nicht ersetzen. Unzählige Menschen haben gar keinen Zugang zu nötiger medizinischer Versorgung.

30. Juli 2020 Armut greift um sich

Weil die Corona-Fälle rapide zunehmen, verhängt die Regierung erneut Lockdown-Massnahmen. Knapp die Hälfte der Menschen ist nun arbeitslos. Die Ärmsten können sich kaum noch Lebensmittel und medizinische Grundversorgung leisten. «Auch die Mittelschicht stürzt jetzt ab, weil die Kosten für Bildung stark gestiegen sind», sagt Frederic Wiesenbach, Caritas-Programmmanager im Libanon. Neben der Überlebenshilfe sind Projekte im Bildungsbereich inzwischen ein zentraler Schwerpunkt der CaritasArbeit im Libanon.

4. August 2020 Überall Trümmer und Verletzte

«Die Druckwelle schleuderte mich 10 Meter weit», erzählt der junge Friseur Hamid. Kurz nach 18 Uhr ereignet sich im Hafen von Beirut eine massive Explosion. Über 150 Menschen sterben, 300 000 werden obdachlos. Auch die bedeutendsten Spitäler sind getroffen. «In der Notaufnahme sah es aus wie im Krieg. Zwischen den Trümmern versuchte das Personal verzweifelt, die Verletzten zu versorgen», sagt die medizinische Assistentin Lauren. Caritas Libanon, Partnerin von Caritas Schweiz, beginnt noch am Abend mit Nothilfe. 5. August 2020 Warme Mahlzeiten und Medikamente Weiterhin irren verletzte und obdachlose Menschen in den Strassen umher. Rund um die Uhr ist die Caritas für die Betroffenen da. Sie hat in den besonders betroffenen Quartieren Zelte als Anlaufstellen errichtet und leistet medizinische Hilfe, verteilt Medikamente, warme Mahlzeiten und Essenspakete. 7. August 2020 Zerstörte Existenzen Überall wird aufgeräumt. Caritas-Teams helfen auch beim Räumen und leisten psychologische Unterstützung. Viele Menschen stehen jetzt vor dem Nichts: «Wir schlafen in unserem einsturzgefährdeten Haus», erzählt die Helferin Zara. Und Hamid ergänzt: «Mein Coiffeursalon liegt in Schutt und Asche, Reserven habe ich keine. Wovon soll ich leben?» 30. August 2020 «Wir stehen zusammen» Die Caritas hat mit ihrer Ersthilfe 50 000 Menschen unterstützt. Dafür konnte sie auf eine grosse Solidarität zählen: Viele lokale Freiwillige halfen, wo sie konnten, obwohl viele Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus hatten – und verloren dabei weder Humor noch Hoffnung. «Wir stehen zusammen in Beirut!», sagen sie. September 2020 Bargeldhilfe und psychologische Betreuung

Dank der grossen Solidarität auch der Spenderinnen und Spender in der Schweiz kann die Caritas mit einem längerfristigen Projekt starten: Über Bargeldhilfe werden besonders verletzliche Familien die nötigsten Dinge einkaufen und Reparaturen finanzieren können. Und Caritas Schweiz wird die Menschen psychologisch begleiten.

Taima Khaltoum steht am Abend des 4. August in der Küche ihrer winzigen Beiruter Wohnung. Die Kinder spielen nebenan. Taima bereitet gerade das Abendessen zu, als der Strom ausfällt. Das kommt im Libanon täglich vor. Ihr Mann

Abbas kommt in die Küche, um nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Da lässt eine massive Explosion das Haus beben. Instinktiv drückt Taima ihre Kinder gegen die Wand und legt schützend ihre Arme um sie. Glassplitter, Bretter und

Steine regnen auf das kleine Menschengrüppchen. Zwei ihrer vier Mädchen werden verletzt. Türen und Fenster bersten, die Küche und das Badezimmer liegen in

Trümmern. November 2020 Die Zukunft ist ungewiss

Das im September begonnene Projekt wird bis Ende April 2021 8800 Menschen erreichen. Daneben engagiert sich die Caritas mit ihren laufenden Projekten weiterhin für eine bessere Bildung und menschenwürdigen Wohnraum im Libanon. Die Zahl der Corona-Fälle steigt weiter, auch bei der Inflation zeichnet sich kein Ende ab. Das Schicksal des Libanon ist auf der Kippe. «Mein Land stirbt langsam», sagt Hamid. «Ohne internationale

Die Geschichte von Taima und Abbas

Hilfe geht es nicht.» (ah)

Es ist bereits das zweite Mal, dass Taima und Abbas erleben müssen, wie ihr Zuhause verwüstet wird. 2015 wurde ihr Haus in Syrien im Krieg komplett zerstört. Die Familie floh daraufhin in den Libanon, wo Abbas sie gerade so durchbringen konnte. Doch seit der Finanzkrise hat er immer weniger Arbeit. Die Corona-Krise verschärft die Situation weiter. Abbas macht sich riesige Sorgen, dass er seine Familie bald nicht mehr ernähren kann. Taima lernt nun nähen, kann damit aber noch kein Geld verdienen. Die kleine Familie ist sehr dankbar, dass ihr die Caritas in dieser schweren Zeit unter die Arme greift. (ah)

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