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Digital fit sein für die Jobsuche
Sind Vorstellungsgespräche bei Kaffee vor Ort bald Vergangenheit? Die Digitalisierung macht auch vor der Bewerbung nicht Halt. Digitale Recruiting-Formate ersetzen immer mehr das klassische Jobinterview. Herkömmliche Bewerbungsunterlagen haben einen digitalen Schliff nötig, um sich durchsetzen zu können. Das fällt nicht allen leicht. Caritas Luzern unterstützt Stellensuchende dabei.
Text: Sara Bagladi Fotos: Johanna Unternährer und Samo Novotny
Statt beim Unternehmen zu klingeln, Hände zu schütteln, Kaffee zu trinken und sich vorzustellen, starrt Snezhana Veynberger in den Bildschirm und nimmt ein Video auf. Zuvor hat sie sich schick gemacht, die Kamera richtig eingestellt, einen neutralen Hintergrund gewählt – ganz so, wie sie es von ihrem Coach Sibylle von Matt im Programm JobFit+ gelernt hat. Die Digitalisierung verändert die Suche nach Arbeitskräften und hat durch Corona einen Schub erhalten.
«Ich bin wieder zuversichtlich, eine Stelle zu finden.»
Es ist zwar nicht neu, wird jedoch immer beliebter bei Firmen: Das zeitversetzte Interview, wie es Veynberger erlebte. Hier erhalten die Bewerbenden ein Video mit Fragen von Personalverantwortlichen. Diese beantworten sie nun vor der Webcam, nehmen die Antwort-Videos auf und schicken sie der Firma. Manche Unternehmen laden erfolgreiche Bewerbende darauf-
«Die Digitalisierung macht unser Leben leichter und die Kommunikation ist einfacher geworden.»
hin persönlich ein. «Dank der Übung mit meinem Jobcoach fiel mir das zeitversetzte Interview leichter. Ich bin sehr dankbar für ihre Unterstützung», erklärt die 54-jährige Teilnehmerin vom JobFit+-Programm. Die studierte Betriebsökonomin kam vor ein paar Jahren aus Moskau in die Schweiz: «Ich habe mich lange um verschiedene Stellen beworben, aber ich habe keine Rückmeldung erhalten. Ich war sehr enttäuscht, verlor meine Motivation und auch mein Selbstbewusstsein sank. Ich wusste nicht, woran es lag. Dank Sibylle von Matt bin ich wieder motiviert und zuversichtlich, dass ich bald eine Stelle finde.»
JobFit+ schafft Perspektiven
Bei JobFit+ erhalten Stellensuchende über 50 Jahre längerfristig eine persönliche Betreuung. Im Laufe der Coronakrise verlieren viele armutsbetroffene Personen in prekären Lebenssituationen ihre Stelle. Je älter eine Person ist, desto länger dauert tendenziell ihre Arbeitslosigkeit. Bei den Über-55-Jährigen war 2019
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Beim Coaching erhalten die Teilnehmenden individuelle Unterstützung bei der Jobsuche.
im Kanton Luzern jede vierte Person von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Ziel von JobFit+ ist, armutsbetroffenen und -gefährdeten Menschen in Notlagen eine möglichst unbürokratische und individuelle Unterstützung zu bieten. Dieses Pilotprojekt leistet einen Beitrag zur Mobilisierung und Perspektivenschaffung von Personen, die keine Existenzsicherung durch ein soziales Sicherungssystem erhalten. Schritt für Schritt erstellen sie gemeinsam mit dem Jobcoach eine Stärkenanalyse, eine Strategie, frischen Bewerbungen auf,
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Frau Stutz und Nurun lernen, wie sie ihre Bewerbung am Computer erstellen.
bauen ein Netzwerk auf und üben Vorstellungsgespräche. Der Fokus richtet sich darauf, die Stellensuchenden fit zu machen für die digitale Welt.
Seit ihre Söhne kürzlich ausgezogen sind, steht Marietta Stutz, gelernte Köchin und Pflegerin, bei digitalen Fragen an. Im Programm «Intervall» lernen sie und andere versicherte Stellensuchende neue Aufgabengebiete kennen und bereiten sich auf den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt vor. Neben Einzelcoachings, persönlichkeitsorientieren Kursen und Deutschkursen nehmen sie auch an PC-Kursen und digitalen Bewerbungsworkshops teil. Stutz besucht Letzteren. Sie sitzt
vor dem Computer und sucht passende Stelleninserate auf Onlineportalen raus, während die Kursleiterin bei Fragen vorbeikommt. «Ich habe Mühe, die MicrosoftProgramme zu bedienen und ich habe auch nicht so Freude mit den Geräten. Das Bewerbungscoaching am Computer bringt mir viel», sagt sie. Ihr gegenüber sitzt Nahar Nurun, die im Verkauf arbeitet. «Die Digitalisierung macht unser Leben leichter. Wir können Sachen in kürzerer Zeit erledigen, und die Kommunikation ist einfacher geworden», findet die 36-Jährige. «Das erste Mal war es schwierig für mich, einen Computer zu bedienen, doch jetzt fällt es mir leicht», sagt sie.
«Mein Jobcoach ist eine wunderbare Hilfe.»
«Bei grossen Firmen läuft die erste Sortierung über eine Software, die Unterlagen nach Begriffen scannt. Wenn bestimmte Schlüsselwörter in der Bewerbung nicht erscheinen, fliegt die Person durch, obwohl sie vielleicht die gewünschten Qualifikationen mitbringt. Darauf machen wir die Teilnehmenden aufmerksam», erzählt von Matt. Immer mehr Personalverantwortliche betreiben auch sogenanntes Active Sourcing, vor allem in akademischen Berufen. Auf Online-Netzwerken wie LinkedIn durchforsten sie Profile und begeben sich aktiv auf die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten. Manche Firmen begehen auch neue Wege wie Vorstellungsgespräche oder virtuelle Rundgänge mit einer VR-Brille. VR steht für virtuelle Realität und bezeichnet eine interaktive virtuelle Umgebung. Durch die Brille sieht die Anwenderin computergenerierte Bilder direkt vor den Augen, die eine künstliche erschaffene Welt simulieren. Von Matt unterstützte Veynberger bei vielen technischen Angelegenheiten. «Sie zeigte mir beispielsweise, wie ich alle Dokumente als PDF speichern kann, Online-Portale mit Stelleninseraten und eine App, die mir den Zugang zum Schweizer Stellenmarkt ermöglicht. Sie ist wirklich eine wunderbare Hilfe und ich finde JobFit+ grossartig. Ich kann es weiterempfehlen», sagt Veynberger.
JobFit+
Im Programm JobFit+ begleiten Jobcoaches stellensuchende Menschen 50+ bei der beruflichen Perspektivenschaffung. Die persönlichen Beratungen finden regelmässig während bis zu vier Monaten statt. Mehr Infos und Anmeldung: www.caritas-luzern.ch/jobfit