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Verlierer der digitalen Revolution? Von wegen!
Der digitale Wandel stellt die Arbeitswelt auf den Kopf. In unseren Arbeitsintegrationsprogrammen üben Stellensuchende aus schwächeren, weniger gebildeten und älteren Bevölkerungskreisen, mit digitalen Hilfsmitteln zurechtzukommen, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Mit Erfolg!
Text: Sara Bagladi Bild: Johanna Unternährer
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Sie beschleunigt Arbeitsprozesse, macht Arbeit örtlich und zeitlich flexibel, ermöglicht neue Geschäftsmodelle und neue Formen der Zusammenarbeit. Gleichzeitig birgt sie gewisse Gefahren: Eine davon lauert beim «grossen Stellenabbau in manchen Branchen und Berufen, der gerade schwächere, weniger gebildete und ältere Bevölkerungskreise mehr treffen könnte als die Gebildeten und Jüngeren», wie es im Sozial almanach «Digitalisierung – und wo bleibt der Mensch?» von Caritas steht. Gabriela Riemer-Kafka schreibt darin weiter, dass «für die Verlierer der digitalen Revolution» Abklärungs- und Beratungsangebote sowie Umschulungs- und Weiterbildungsmassnahmen wichtig sind.
In den Arbeitsintegrationsprogrammen lernen Stellensuchende, mit digitalen Tools zu arbeiten.
INTERVIEW
Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Arbeitswelt hat und was Caritas Luzern macht, um Stellensuchenden in Arbeitsintegrationsprogrammen digitale Kenntnisse näherzubringen, weiss Karin Hunziker. Sie ist Leiterin der Beruflichen Integration bei Caritas Luzern.
Nehmen die Maschinen den Menschen die Arbeit weg? Karin Hunziker: Einfachere Arbeiten werden immer häufiger automatisiert. Das ist auch eine Herausforderung. Wir werden alle zu Prosumentinnen und Prosumenten, wenn wir beispielsweise selbst ein Billett auf der SBB-App lösen. Somit produzieren und konsumieren wir den Fahrschein gleichzeitig. Dies überfordert viele Menschen. Zugleich führt dies zu einem Abbau an Arbeitsstellen. Andere Arbeiten wie Beratungen können nicht von Maschinen ersetzt werden, hier braucht es den persönlichen Kontakt.
Wie verändert die Digitalisierung die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt? Karin Hunziker: Damit Menschen wieder Anschluss im ersten Arbeitsmarkt finden, brauchen sie beispielsweise Sozialkompetenzen und aktuelles Wissen im Fachgebiet. Jetzt kommt die Dimension mit dem Umgang von digitalen Hilfsmitteln dazu. Das trägt einen wesentlichen Teil dazu bei, ob eine Person arbeitsmarktfähig ist. Dies gilt auch für Hilfskräfte, denn digitale Kenntnisse sind auch in einfachen Arbeitsabläufen gefragt. Wir sehen, dass dies für viele eine Herausforderung darstellt und sie Mühe haben, digitale Geräte zu bedienen.
Wie geht Caritas Luzern dieses Problem an? Karin Hunziker: Die Teilnehmenden von Arbeitsintegrationsprogrammen erhalten einen sinnvollen und realitätsnahen Arbeitsplatz, wo sie ihren Erfahrungsschatz erweitern können. Einige Einsatzplätze verfügen bereits über digitale Elemente wie bei der Bewirtschaftung des Veloverleih-Systems nextbike. Unser Ziel ist, die digitalen Arbeitsschritte weiter auszubauen. Auch in der Bildung oder im Bewerbungscoaching wird die Digitalisierung wichtiger. Damit alle Teilnehmenden Schritt halten können, wird unsere Herausforderung sein, dass es bei einigen Menschen zuerst darum geht, ihnen digitale Grundkompetenzen zu vermitteln.
Agogische Mitarbeitende betreuen Stellensuchende individuell am Arbeitsplatz.
Deshalb lernen die Teilnehmenden bei den Arbeitsintegrationsprogrammen der Velomobilität, mit digitalen Tools zu arbeiten. Die Abteilung Velomobilität von Caritas Luzern wird als Sozialfirma betrieben. Stellensuchende und Ausgesteuerte erhalten hier im Rahmen von Arbeitsintegrationsprogrammen zur beruflichen Integration sinnvolle Einsatzplätze. Dabei werden die Programmteilnehmenden arbeitsagogisch begleitet, in ihren fachlichen und sozialen Kompetenzen gefördert und so auf den (Wieder-)Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet. «Unser Ziel dabei ist, die Teilnehmenden zur Anwendung von digitalen Hilfsmitteln zu befähigen, dass sie danach in den Zielmärkten, wo sie auf vergleichbare Instrumente treffen, Arbeit finden», erklärt Oliver Rippstein, Leiter der Abteilung Velomobilität. Wer im Verteilerzentrum der Post arbeitet, muss mit einem Lesegerät scannen können und wer beim Lieferdienst arbeitet, muss eine App bedienen und Twint-Zahlungen entgegennehmen können. «Wir vermitteln Kompetenzen, die danach bei der Arbeit effektiv gebraucht werden. Die Digitalisierung bei uns dreht sich um sehr einfache Anwendungen.»
Neue Fundvelo-App
Erich Betschart, Leiter Velodienste, arbeitet in der Velostation beim Bahnhof Luzern und betreut die Teilnehmenden. «Die digitalen Anwendungen kommen gut an bei ihnen. Die meisten besitzen ein Smartphone und so sind ihnen diese Aufgaben nicht völlig fremd», sagt der agogische Betreuer. Wichtig sei auch, dass auch Menschen, die nicht geübt seien im Lesen, diese Anwendungen bedienen können. Deshalb werden viele Schritte visualisiert. Gerade ist Caritas Luzern dabei, eine neue App zu entwickeln. Im Auftrag der Luzerner Polizei sammelt und registriert die Veloabteilung verlassene Velos auf fundvelo.ch. Mit der neuen Fundvelo-App können verlassene Velos nicht nur gemeldet, sondern auch gesucht werden. Kundinnen und Kunden wenden eine App an, wenn sie ihr Velo suchen, und die Teilnehmenden benutzen eine Bearbeitungssoftware, um die Velos zuzuordnen. Kurt Ammann* absolvierte in der Velowerkstatt einen Einsatz und fand danach Arbeit als Kurierfahrer in der Autobranche. Er liefert Ersatzteile und bedient dafür ein Tablet. «Das sind vergleichbare Prozesse und dank unseren Programmen hatte er viel Übung darin», sagt Rippstein.
Weitere Infos: www.caritas-luzern.ch/arbeitsintegration