Christkind Als Kind ging ich gern mit meinem Vater im Wald spazieren. Mein Zwillingsbruder Ralf kam manchmal mit, aber am liebsten blieb er mit meiner Mutter zu Hause, um Krimis zu sehen. Er wollte unbedingt Dieb werden. Als sich Weihnachten näherte, redeten mein Vater und ich über den bestmöglichen Weihnachtsbaum im Wald, aber die Unterhaltung war eher ein Scherz, denn wir hatten eine riesige Tanne vor unserem Haus. Sie zu schmücken war ein Extremsport. Wir wohnten in einer Feldhütte auf den Bergen, mein Vater schrieb Romane, meine Mutter kümmerte sich um uns und ich war glücklich. Dann, als ich sechs war, hat sich alles geändert. Meine Groβeltern haben aufgehört zu arbeiten, und sie entschieden sich, nach Teneriffa zu ziehen. Wir wollten das schönste Tannenbäumchen im Wald aussuchen und es zu meinen Groβeltern in die Groβstadt bringen. -
„Danach bleiben wir in der Stadt“, sagte meine Mutter, „ihr seid schon groβ und Anfang nächsten Schulhalbjahres müsst ihr euch in der Schule anmelden.“
Immer noch erinnere ich mich an diesen Heiligabend. Wir erwarteten die Bescherung, als ein schrecklicher Schrei aus dem Wohnzimmer kam. -
„Hände hoch, Christkind“, rief mein Bruder.
Wir alle rannten ins Zimmer. Es war kaum beleuchtet, mein Bruder hielt ein Spielzeuggewehr in der Hand und meine Groβmutter lag auf dem Boden, aschgrau vor Angst. Sie hat ein goldgelbes Kleid getragen. -
„Ich habe mich geirrt...“ sagte mein Bruder.
Seit diesem Tag hat er immer gesagt, dass es nur ein Witz war, aber ich weiβ, dass er lügt. Er hat versucht, die Geschenke zu rauben. Ich säβe nicht hier, wenn ich nicht gelernt hätte zu erkennen, ob ein Mann die Wahrheit sagt oder nicht. Ich bin Polizistin. Ralf erfüllte übrigens auch seinen Traum. Er ist Schauspieler geworden und hat eine Rolle als Meisterverbrecher in einer Krimisendung.
Inés Soler Soler Alemán Nivel Intermedio 1º A