Perspektive LEBEN 03/2014

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Perspektive DAS SCHWEIZER MAGAZIN FÜR MENSCHEN MIT KREBSDIAGNOSE UND IHRE ANGEHÖRIGEN

LEBEN Ausgabe 3 � NOVEMBER 2014

Hodentumor Fast immer heilbar

Wiederaufbau der Brust Für jede Frau gibt es eine Lösung

Ernährung Gesunde Genüsse für den Speiseplan

Stress mindern

hmen e Massna ie d n e z n ä Erg bstherap bei der Kre

Therapien beim Darmkrebs

Was Patienten heute hilft

Fotos: thinkstock

Online-Dienst bietet Hilfe


Die Sprache des Lebens in lebenswichtige Medikamente umsetzen. Wir bei Amgen glauben, dass die Antworten auf die dringendsten Fragen der Medizin in der Sprache unserer DNA formuliert sind. Als Pioniere der Biotechnologie setzen wir unser tiefes Verständnis dieser Sprache für die Entwicklung lebenswichtiger Medikamente ein, besonders für diejenigen Patienten, für deren spezifische Erkrankungen bis heute nur wenige oder keine effektiven Therapien zur Verfügung stehen – um deren Gesundheit und Lebensqualität entscheidend zu verbessern. Weitere Informationen über Amgen finden Sie unter: www.amgen.ch

AMGEN SWITZERLAND AG Dammstrasse 21 Postfach 1459 6301 Zug www.amgen.ch ©03-2014 AMGEN SWITZERLAND AG


Vorwort · Perspektive leben

Krebs in der Schweiz: gute und schlechte Nachrichten Liebe Leserin, lieber Leser, in Bern fand Anfang September der erste Schweizer Krebskongress statt. Fachpersonen aller Richtungen diskutierten, wie sie zu einer noch besseren Zusammenarbeit kommen können. Da es immer mehr Patienten mit und nach Krebserkrankungen zu betreuen gibt, wird die Frage nach einer schweizweiten Vernetzung immer drängender. Der Anfang ist gemacht, die Umsetzung der nationalen Strategie gegen Krebs auf dem Weg. Dr. med.

Dick- und Enddarm sehr häufig befallen. Die Vorstufen und Krebsläsionen können direkt mit einer Darmspiegelung betrachtet und im Idealfall in derselben Sitzung entfernt werden. Sind bei der Diagnose eines Darmkrebses bereits Absiedelungen in die Lymphknoten, die Leber oder andere Organe erfolgt, so bedeutet das heute nicht mehr gleich das Todesurteil. Dank neuer Operationstechniken, Krebsmedikamente und Bestrahlungsmöglichkeiten steigen auch die Überlebenschancen bei fortgeschrittener Erkrankung. Mehr dazu in unserem Schwerpunkt.

In der Schweiz werden die KrebserkrankunSusanne Schelosky, gen kantonal von Krebsregistern erfasst. Zwölf Projektleiterin und Register decken 16 Kantone und knapp 70 % Redaktorin der Bevölkerung ab. Für schweizweite Zahlen Die gute Nachricht: Es steigt zwar die Zahl der werden diese Daten mit Hochrechnungen für Krebserkrankungen, das Risiko an Krebs zu die fehlenden Kantone ergänzt und vom Bundesamt für sterben geht aber in der Schweiz zurück. Das liegt wohl Statistik im Internet zur Verfügung gestellt. auch daran, dass die Bevölkerung wachsamer geworden ist und die Angebote zur Früherkennung genutzt werden. Das grösste Organ unseres Die schlechte Nachricht: Noch immer werden bösartige Körpers ist der Darm – Tumoren erst in weit fortgeschrittenen Stadien entdeckt, «Die Diagnose flächenmässig. Lange ein wo nur noch palliativ, also nicht mehr heilend, behandelt Darmkrebs ist Tabu, ist es gerade auch werden kann. kein Todesurteil» unter jungen Leuten sehr modern, sich mit der Verdauung und den vielfältigen Aufgaben dieses Organes zu befassen. Bestseller seit Monaten ist das Buch einer deutschen MedizinstudenHerzlichst, tin «Darm mit Charme», das humorvoll erklärt, wie der Darm funktioniert. Bei kaum einer Krebserkrankung weiss man so viel über die Stadien der Entstehung wie beim Darmkrebs. Während der Dünndarm nur sehr selten betroffen ist, sind der Susanne Schelosky

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Perspektive leben · INHALT

42 Gesund geniessen – das sollte auf den Speiseplan

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Bei Darmkrebs sind die Heilungschancen gross

Neue Therapien gegen bösartige Hirntumoren

Themenschwerpunkt DARMkrebs   7 Mythen und Fakten Was weiss man heute über die dritthäufigste Krebsart?

8 Vorbeugung und Früherkennung So können Sie Ihr Darmkrebsrisiko senken

10 Gute Chancen für Patienten Wie Therapien heute helfen

14 Künstlicher Darmausgang Auch mit Stoma ein gutes Leben führen

Fotos: thinkstock

Brustaufbau nach derBrustkrebsoperation

36 Fortschritte in der Behandlung von Hirntumoren Neue Operationsmöglichkeiten und Medikamente, die heute helfen können

38 Blutarm durch den Krebs Wie Ärzte die Anämie in den Griff bekommen – ohne Blutkonserven

40 Minimalinvasive Prostata-Operation Wenn die Robotermedizin mitwirkt: Die moderne Technik schont Nerven und Gefässe – und hilft damit Patienten

Rat und Hilfe 17 Hodenkrebs-Therapie: Weniger ist mehr

Menschen und Erfahrungen 20 «Wir sind stolz auf unser Angebot» Interview mit Elisabeth Herzog-Engelmann, Leiterin der Krebsliga Thurgau

24 Unterstützung für Frauen mit Brustkrebs Zu Besuch bei der Breast Care Nurse Irene Brenneisen

35 Krebspreis und Krebsmedaille 2014 Auszeichnung für Verdienste im Kampf gegen den Krebs

Medizin und Forschung

Der Männertumor kann heute erfolgreich behandelt werden

49 STREAM – Ein Online-Portal bietet Hilfe Lernen Sie, Stress aktiv zu mindern

Leben und Gesundheit 42 Das sollte Ihr Speiseplan beherzigen Essen und geniessen – auch das gehört zur Krebstherapie. Erfahren Sie, was Ihrem Körper hilft

46 Unterstützende Massnahmen: So geht es leichter! Damit die Krebstherapie besser wirkt und besser vertragen wird – es gibt viele Möglichkeiten

26 Meilensteine der Chirurgie Die Krebschirurgie hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt

30 Wiederaufbau der Brust Damit Sie sich wieder ganz und gesund fühlen

32 Dem Tumor-Erbgut auf der Spur Interview mit Dr. Rudolf Morant, Tumor- und Brustzentrum Ostschweiz, zu medizinischen Gentests

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Service-Rubriken  3 Vorwort 51 Wissenschaftlicher Beirat 51 Impressum

Möchten Sie uns Ihre persönliche Frage stellen? info@medicaltribune.ch


Darmkrebs · Perspektive leben

Foto: fotolia/ Style Media & Design

«Über den Darmkrebs kursieren eine ganze Reihe von Halbwahrheiten – was sind die Fakten?»

Mythen und Fakten zum Darmkrebs

Was weiss man über die dritthäufigste Krebsart? Darmkrebs ist für viele Menschen immer noch ein Tabu, denn über den Darm und seine Funktionen «spricht man nicht». Dementsprechend gross ist auch das Unwissen bezüglich des Darmkrebses, und es werden Halbwahrheiten zum Thema verbreitet. Höchste Zeit also, mit den zwölf häufigsten Mythen aufzuräumen und die Fakten sprechen zu lassen.

Mythos 1:

Mythos 2:

«Darmkrebs ist die Nicht richtig. Die häufigste Krebshäufigste Krebsart.» art in der Schweiz ist Prostata-

Im Prinzip richtig, aber ... «Mit Aspirin kann man Darmkrebs vorbeugen.» Verschiedene Studien zeigen,

krebs (rund 6000 Neuerkrankungen pro Jahr), auf Rang 2 folgt Brustkrebs (rund 5500 Neuerkrankungen). Dickdarmkrebs ist die dritthäufigste Krebsart mit rund 4100 Neuerkrankungen jährlich, davon 2300 Männer und 1800 Frauen. Pro Jahr sterben rund 1600 Menschen an Darmkrebs, das sind 10 % aller Krebs-Todesfälle. Damit ist Darmkrebs nach Lungenkrebs die zweithäufigste Ursache für Todesfälle durch Krebs.

dass bei Personen, die über mehrere Jahre geringe Dosen des Wirkstoffs Acetylsalicylsäure (Aspirin) einnehmen, das Risiko für Darmkrebs sinkt. Und wenn bei den Personen, die Aspirin einnehmen, dennoch Darmkrebs auftritt, ist ihre Überlebensrate leicht höher als diejenige von Darmkrebspatienten, die kein Aspirin eingenommen haben. Daraus lässt sich aber nicht schliessen, dass nun alle Menschen zur Vorbeugung von Darmkrebs re- » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Darmkrebs

gelmässig Aspirin schlucken sollten. Denn dieser Wirkstoff kann Nebenwirkungen auslösen, die für die Gesundheit risikoreicher sind als das Darmkrebsrisiko (z. B. Blutungen im Magen-Darm-Trakt). Es wird unter medizinischen Experten allerdings diskutiert, ob eine regelmässige Einnahme von Aspirin – zusammen mit anderen Vorsorgemassnahmen – sinnvoll sein könnte für Personen, die wegen einer erblichen Veranlagung ein sehr hohes Risiko für Darmkrebs haben.

Mythos 3: Nur halb richtig. Heute weiss man, dass manche Ernährungsfaktoren das Risiko für Darmkrebs erhöhen können. Dazu gehören n häufiger Genuss von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Kalb, Lamm) n häufiger Genuss von verarbeitetem Fleisch (Wurst, Schinken, Fleischkäse etc.) n mässiger bis hoher Alkoholkonsum (mehr als ein bis zwei Gläser pro Tag) n Rauchen während Jahrzehnten (30 Jahre und mehr). Eine ausgewogene Ernährung mit vielen Früchten, Gemüsen und Ballaststoffen kann das Erkrankungsrisiko senken. Die Ernährung ist aber nur einer von vielen Faktoren, die das Darmkrebsrisiko beeinflussen. Weitere wichtige Risikofaktoren sind eine erbliche Veranlagung, Übergewicht, Bewegungsmangel oder das Vorliegen von bestimmten anderen Darmkrankheiten (s. Tabelle). Es ist also falsch, bei Menschen mit Darmkrebs davon auszugehen, sie hätten sich ungesund ernährt. Auch Personen mit einem gesunden Lebensstil können an Darmkrebs erkranken. «Ungesunde Ernährung ist schuld an Darmkrebs.»

Mythos 4: «Wer häufig an Verstopfung leidet, Nicht richtig. Diehat ein höheres Darmkrebsrisiko.» ser hartnäckige

Mythos taucht immer wieder auf. Eine chronische Verstopfung kann sehr unangenehm sein und auch zu bestimmten Folgeerkrankungen wie beispielsweise Hämorrhoiden führen – Darmkrebs gehört aber nicht dazu. Personen mit Verstopfung bekommen nicht häufiger Darmkrebs als Menschen mit regelmässigem Stuhlgang.

Mythos 5:

Mythos 6: «Wer viel Vitamin D zu sich nimmt, kann damit Darmkrebs vorbeugen.»

Wahrscheinlich nicht richtig. Verschiedene Studien legten vor einigen Jahren die Vermutung nahe, dass Personen mit einem hohen Vitamin-D-Gehalt im Blut seltener an Darmkrebs erkranken würden als Menschen mit einer Vitamin-D-Unterversorgung. Neueste Studien, die mit einer sehr grossen Anzahl Teilnehmer durchgeführt wurden, zeigten als Ergebnis aber keinen Zusammenhang zwischen der Vitamin-D-Versorgung und dem Darmkrebsrisiko. Momentan gehen Experten davon aus, dass die Einnahme von Vitamin D das Darmkrebsrisiko nicht senkt. Eine gute Versorgung mit Vitamin D hat aber andere Vorteile, z. B. eine Verbesserung der Knochengesundheit.

Mythos 7: Nur halb richtig. Manche «Das Risiko für Darmkrebs wird vererbt.» Menschen haben eine erbliche Veranlagung, die ihr Risiko für Darmkrebs stark erhöht. In Familien mit den entsprechenden genetischen Veränderungen sind oft mehrere Mitglieder an Darmkrebs erkrankt, und häufig sind die Patienten bei der Erkrankung ungewöhnlich jung (jünger als 50 Jahre). Man nimmt an, dass ca. 10–15 % aller Darmkrebserkrankungen auf solche genetischen Veränderungen zurückzuführen sind. Bei den restlichen Fällen von Darmkrebs sind andere Faktoren für die Krankheit verantwortlich.

Mythos 8: Nicht richtig. Zur Diagno«Darmkrebs lässt sich mit einem Bluttest feststellen.» se von Darmkrebs sind in der Regel verschiedene Untersuchungen nötig, die das Innere und die Umgebung des Darms darstellen. Die wichtigsten Methoden sind die Darmspiegelung (Endoskopie), bildgebende Verfahren (Röntgen, Computertomografie, Kernspintomografie) sowie Ultraschall. Es gibt keinen Bluttest, mit dem man Darmkrebs nachweisen kann. Bei einem Verdacht auf Darmkrebs werden aber im Blut sogenannte Tumormarker bestimmt. Das sind Substanzen, die in Krebszellen verstärkt produziert werden. Der Nachweis von Tumormarkern im Blut kann auf Krebs hinweisen – doch können erhöhte TumormarkerWerte auch bei Personen ohne Krebs vorkommen.

dem Darm nicht schadet, wurde im Rahmen einer gros­sen europäischen Studie mit über einer halben Million Teilnehmern festgestellt. Die Forscher untersuchten nicht nur den Tee- und Kaffeekonsum, sondern unterschieden auch, ob die befragten Personen koffeinhaltigen oder koffeinfreien Kaffee tranken. Das Ergebnis: Der Kaffee- oder Teekonsum hatte keinen Einfluss auf das Darmkrebsrisiko. 6·

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Nicht richtig. «Kaffee ist schlecht für den Darm und verstärkt das Darmkrebsrisiko.» Dass Kaffee ot

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Darmkrebs · Perspektive leben

Mythos 9: Nur halb richtig. Blut im Stuhl kann, muss aber nicht auf Darmkrebs hinweisen. Deshalb werden Tests, die Blut im Stuhl nachweisen, zur Früherkennung von Darmkrebs genutzt. Ist Blut im Stuhl vorhanden, muss abgeklärt werden, woher es stammt. In den meisten Fällen ist nicht Darmkrebs die Ursache, sondern eine andere Erkrankung wie beispielsweise Hämorrhoiden oder blutende Darmpolypen. Wird kein Blut im Stuhl nachgewiesen, kann man dennoch nicht sicher sein, dass kein Darmkrebs vorhanden ist, denn nicht alle Tumoren im Darm bluten. «Blut im Stuhl ist ein Zeichen für Darmkrebs.»

Mythos 10: «Eine Darmspiegelung zur Früherkennung von Darmkrebs wird nicht von der Krankenkasse bezahlt.»

Nicht richtig. Massnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs werden in der Schweiz bei Personen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr seit dem 1. Juli 2013 von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt. Die Versicherung übernimmt die Kosten für eine Darmspiegelung (Koloskopie) alle zehn Jahre für einen Test auf Blut im Stuhl alle zwei Jahre, die dazugehörenden Labortests und eine Darmspiegelung, falls Blut im Stuhl nachgewiesen werden kann. Die Patienten müssen sich allerdings an den Kosten für die Untersuchungen in Form von Franchise und Selbstbehalt beteiligen.

Mythos 11: «Wenn ich eine Darmspiegelung mache und das Ergebnis ist normal, kann ich sicher sein, dass ich keinen Darmkrebs bekomme.»

Leider nicht richtig. Bei einer normalen Darmspiegelung ist die Wahrscheinlichkeit zwar gering, dass in den nächsten paar Jahren Darmkrebs auftritt – aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Wenn bei Personen ohne Risikofaktoren für Darmkrebs die Darmspiegelung normal ausfällt, wird eine Wiederholung der Untersuchung alle zehn Jahre empfohlen.

Mythos 12: «Wer an Darmkrebs erkrankt, bekommt einen künstlichen Darmausgang.»

Nicht richtig. Die meisten Menschen, die an Darmkrebs erkranken, können heute so operiert werden, dass sie keinen künstlichen Darmausgang (Stoma) brauchen. Der Abschnitt des Darms, wo sich der Tumor befindet, wird entfernt, und anschliessend werden die beiden gesunden Enden des Darms wieder zusammengefügt. Nach der Operation können die operierten Personen wieder ganz normal auf die Toilette gehen. Die Anlage eines endgültigen

Stomas ist nur in speziellen Fällen nötig, wenn beispielsweise der Tumor sehr tief im Enddarm (Rektum) sitzt und der Schliessmuskel mit entfernt werden muss. In manchen Fällen erhalten die Patienten auch ein vorübergehendes Stoma. Nach der Operation mit Anlage des Stomas wartet man einige Monate ab, bis die Wundheilung am Darm abgeschlossen ist. Anschliessend wird in einer zweiten Operation das Stoma aufgehoben, was bedeutet, dass die beiden Darmenden im Bauch wieder zusammengefügt werden. Eva Ebnöther

Übersicht über die Faktoren, die das Risiko für Darmkrebs erhöhen oder senken Alter, Geschlecht und Vererbung Höheres Alter Männliches Geschlecht Darmkrebs in der Familie Medizinische Faktoren Chronische entzündliche Darmkrankheit (z. B. Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) Diabetes Infektion des Magen-Darm-Trakts mit dem Bakterium Helicobacter pylori Andere Infektionskrankheiten Darmspiegelung Hormonersatzbehandlung bei Frauen nach der Menopause Langjährige Einnahme von Aspirin Einnahme von Medikamenten zur Senkung der Blutfettwerte (Statine) Lebensstil-Faktoren Rauchen Übermässiger Alkoholkonsum Übergewicht Regelmässige körperliche Aktivität Ernährungs-Faktoren Hoher Konsum von rotem und/oder verarbeitetem Fleisch (z. B.Wurstwaren) Konsum von Früchten und Gemüsen Konsum von Ballaststoffen und Vollkornprodukten Konsum von Fisch Konsum von Milchprodukten

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 = sehr starke Erhöhung des Risikos  = starke Erhöhung des Risikos,  = moderate Erhöhung des Risikos

= starke Senkung des Risikos, = moderate Senkung des Risikos Pfeile in Klammern zeigen eine wahrscheinliche, aber noch nicht bewiesene Beeinflussung des Darmkrebsrisikos an.

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Perspektive leben · Darmkrebs

Vorbeugung und Früherkennung

So können Sie Ihr Darmkreb Das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, lässt sich durch einen gesunden Lebensstil senken. Je früher Sie damit anfangen, desto besser. Wichtig ist ausserdem, den Krebs möglichst früh zu erkennen, z. B. mit der Darmspiegelung. Die Kosten für diese Vorsorgeuntersuchung werden von der Grundversicherung für Personen zwischen 50 und 69 Jahren übernommen.

Altersabhängig. Jedes Jahr erkranken in der Schweiz

n viel Gemüse und Früchte, am besten fünf Portionen

über 4000 Personen an Darmkrebs und 1200 versterben an diesem Tumor. Die Zahl der Patienten mit DickdarmKrebs, der häufigeren Form, wird in den nächsten 20 Jahren um 40 % «Gesund essen steigen. Das liegt einerseits daran, dass die Menschen älter werden, hilft bei der und andererseits tragen falsche ErPrävention» nährung, wie zu viel Fleisch oder zu wenig Ballaststoffe, sowie mangelnde Bewegung, Übergewicht und genetische Veranlagung zu einem erhöhten Risiko bei. Auch die Darmbakterien scheinen eine Rolle bei der Krebsentstehung zu spielen. Erkennt man den Darmkrebs in einem frühen Stadium, ist eine Heilung möglich.

pro Tag n wenig rotes Fleisch, lieber Fisch und Geflügel n wenig Alkohol n ausreichend Bewegung: Empfohlen wird eine körperliche Aktivität von fünfmal 30 Minuten pro Woche. Je mehr, desto besser.

Bewegung und Lebensstil Der Lebensstil wirkt sich bekanntlich auf das Krebsrisiko aus. Auch wenn viele es nicht mehr diskutieren wollen: Rauchen, falsche Ernährung und Bewegungsmangel sind wesentliche Risikofaktoren für Darmkrebs. Die wichtigsten Schutzfaktoren sind: n normales Körpergewicht

Wann ist eine Darmspiegelung angezeigt: n Verdacht auf eine ernsthafte Erkrankung im Darmtrakt n Vorsorge, Früherkennung n Eingriffe zur Entfernung von Darmpolypen, Blutstillung n Sicherung der Diagnose röntgenologischer Befunde n Verlaufsbeobachtung und Nachsorge Quelle: Urs A. Marbeta, Hanspeter Reglib, Präventionsstrategien beim kolorektalen Karzinom. Schweiz Med Forum 2011; 11 (13): 227–232.

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Darmbakterien Studien zeigen, dass die Zusammensetzung der Darmbesiedelung das Risiko für Darmkrebs beeinflusst. Diese Zusammensetzung der Darmbakterien verändert sich mit der Art der Ernährung. Essgewohnheiten können daher zur präventiven Massnahme werden. Vergleicht man die Darmflora von Darmkrebspatienten mit der von Menschen, die nicht erkrankt sind, so ist bei den Patienten eine deutlich geringere bakterielle Artenvielfalt festzustellen. Die aktuelle Empfehlung lautet, den Anteil von Fleisch und Fett bei üblicher westlicher Ernährung zu halbieren und mindestens 50 Gramm Ballaststoffe pro Tag zu sich zu nehmen.

Warnzeichen Leider wird nach wie vor etwa die Hälfte aller Krebspatienten erst dann auf ihre Erkrankung aufmerksam, wenn der Krebs schon weit fortgeschritten ist und gestreut hat. In diesem Stadium ist die Krankheit sehr viel schwieriger zu behandeln und meist nicht mehr vollständig heilbar. Es ist deshalb von immenser Bedeutung, den Krebs so früh wie möglich zu entdecken, wenn er möglichst noch auf seinen Ursprungsort begrenzt ist. Darmkrebs ist der einzige Krebs, der sich durch Vorsorge verhindern lässt. Das hat damit zu tun, dass er sich aus gutartigen Vorstufen, den Polypen, entwickelt, die bei einer präventiven Darm-


Darmkrebs · Perspektive leben

bsrisiko senken

Darmspiegelung Magen- und Darmspiegelung haben längst ihren Schrecken verloren, die Gerätschaften sind kleiner als früher

«Auf mögliche und in der Regel wird dem Patienten vor der Untersuchung ein MeWarnzeichen dikament zur Beruhigung verabachten» reicht. Die Darmspiegelung ist meist schmerzarm. Vor der Behandlung ist eine Darmentleerung nötig. «Ist es schon vorbei?» ist eine der häufigsten Fragen, die Gastroenterologen gestellt wird. Seit Juli 2013 übernimmt die Grundversicherung die Kosten für Darmkrebs-Früherkennungsuntersuchungen bei Personen im Alter von 50–69 Jahren. Es werden alle zwei Jahre ein «Blut-im-Stuhl-Test» oder alle zehn Jahre eine Darmspiegelung bezahlt. Die Franchise und der Selbstbehalt gehen jedoch zulasten der Versicherten.

«Im Alter erkranken mehr Menschen an Darmkrebs. Aber Vorbeugung ist möglich.» Ausgabe Schweiz

Fotos: thinkstock

spiegelung erkannt und abgetragen werden können. Mögliche Warnzeichen für Darmkrebs sind: n Blut im Stuhl n ungewohnte Ermüdbarkeit, Leistungseinbusse n Änderung der Stuhlgewohnheiten: Durchfall, Verstopfung, Blähungen n ungewollter Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit n Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung, Bleistiftstuhl n Bauchschmerzen.

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Perspektive leben · Darmkrebs

Gute Chancen für Patienten

Wie Therapien heute helfen Ihr Arzt hat Darmkrebs bei Ihnen festgestellt. Lesen Sie hier, welche verschiedenen Stufen der Erkrankung die Medizin unterscheidet, wie sie sich therapieren lassen – und wie heute die Aussichten auf eine vollständige Heilung aussehen.

lie, die Freunde, der Beruf, aber auch die «Es gibt viele Ernährung und – besonders wichtig – die zur Vorsorge gegangen sind! Natürlich geht neue Behandeigene Einstellung zum Leben. Sind Sie ein man vor allem deshalb zu einem solchen lungschancen» Termin, weil man bestätigt haben möchglücklicher, positiver Mensch oder neigen Sie te, dass schon alles in bester Ordnung sein dazu, sich in Ihren Problemen zu vergraben? wird. Doch dann das erste Gespräch mit dem Alle diese Faktoren können den Verlauf Ihrer Arzt nach der Untersuchung, der erste Verdacht, die Krebserkrankung beeinflussen. Ergebnisse der Gewebeuntersuchungen und schliesslich Letztendlich hilft es Ihnen, wenn Sie mit Ihrem behandie Gewissheit: Darmkrebs. delnden Arzt ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen, Diese Diagnose ist für jeden Betroffenen erst einmal ein damit er Sie möglichst gut bei der folgenden notwendiSchock – genauso wie für die Familie und die Bekanngen Therapie unterstützen kann. Je genauer Ihr Arzt Ihre ten. So gross der Schock sein mag – umso wichtiger ist, persönlichen Lebensumstände kennt, desto eher ist er in dass Sie die Untersuchung für eine Früherkennung haben der Lage, Ihnen die richtigen Therapien zu empfehlen. durchführen lassen. Denn sonst wüssten Sie nichts von Die vier Stufen der Erkrankung Ihrer Erkrankung – und wären weiterhin ahnungslos. Auch wenn die Diagnose Darmkrebs ernst ist, gilt wie Stadium I bei jeder anderen Krebserkrankung: Je früher die ErkranMit dem Stadium I beschreibt die Medizin die frühe kung erkannt wird, desto grösser sind die Aussichten auf Form von Krebs. In dieser Phase ist das krankhafte KrebsHeilung! gewebe noch äusserst klein und erstreckt sich nur auf die Darmschleimhaut oder zusätzlich auf die untere Schicht Beim Darmkrebs sind viele Faktoren wichtig! der Darmwand. So ein kleiner Tumor kann immer mit einer Operation entfernt werden und im Anschluss daInsgesamt vier Stadien der Erkrankung kennt die Meran sind normalerweise keine weiteren Therapiemassdizin. Bei den ersten drei bestehen besonders gute Ausnahmen notwendig. Auch wenn bei einer erfolgreichen sichten auf Heilung. Sie sind die häufigsten Stadien, die Operation der Tumor entfernt worden ist, gibt es keine bei den Vorsorgeuntersuchungen festgestellt werden. Im Garantie, dass Sie zukünftig nicht mehr an Darmkrebs vierten Stadium, dem Endstadium, ist der Darmkrebs so weit fortgeschritten, dass sich die Medizin auf die Linerkranken können. Darum sollten Sie sich unbedingt und derung der Beschwerden und die Verbesserung der Lekonsequent an den Plan Ihrer Nachsorgeuntersuchungen bensqualität konzentriert. Eine Aussicht auf vollständige halten. Heilung ist dann jedoch eher gering. In welchem Krankheitsstadium sich der Darmkrebs in Stadium II Ihrem Fall befindet, wird anhand aufwendiger UntersuIm Stadium II befindet sich der Krebs noch immer im chungen festgestellt. Ganz wichtig ist hierbei die sogeFrühstadium, er hat weder Lymphknoten befallen noch nannte histologische Untersuchung des entnommenen Metastasen gebildet. Der Unterschied ist, dass das krankGewebes. Denn sie erlaubt auf Basis von statistischen hafte Krebsgewebe schon alle Schichten der Darmwand Werten, die Heilungschancen einzuschätzen und die befallen hat und sich in manchen Fällen in benachbartes Therapie entsprechend auszurichten. Gewebe oder benachbarte Organe ausgebreitet hat. Und dabei verlaufen viele Erkrankungen deutlich günstiEine Operation ist auch in diesem Stadium der Erkranger als erwartet. Der Verlauf wird nicht nur vom inneren kung die bestmögliche Therapie, um den Darmkrebs dauerhaft zu besiegen. Nach einer erfolgreichen OperaZustand Ihres Körpers beeinflusst, sondern er hängt auch tion sind bei Dickdarmkrebs üblicherweise keine weitevon den äusseren Lebensumständen ab. Dazu gehört vor ren Therapien notwendig und die Aussichten auf » allem die persönliche Lebenssituation, wie z. B. die FamiDie DiaGNose ist klar.  Wie gut, dass Sie

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Darmkrebs · Perspektive leben

Nachsorge: Warum sie so wichtig ist Die Nachsorgeuntersuchungen bieten Chancen und Gewissheit. Eventuell auftretende weitere Tumore können entdeckt und behandelt werden. Welche Untersuchungen durchgeführt werden sollten, bestimmt Ihr Arzt ganz individuell. Üblich sind Befragung, Blutuntersuchungen, Stuhluntersuchung auf Blut, Ultraschalluntersuchungen, die Darmspiegelung sowie Röntgen- und computertomografische Untersuchungen. Bis zu zwei Jahre nach einer Behandlung werden die Untersuchungen relativ dicht aufeinanderfolgen – zur Sicherheit!

querverlaufender Dickdarm

aufsteigender Dickdarm Dünndarm

bildet die Fortsetzung des Dünndarms. Er liegt wie ein Halbrund im Bauch und mündet in den Mastdarm und schliesslich in den Darmausgang. Bei der Vorsorgeuntersuchung wird die Innenseite des Dickdarms auf Veränderungen überprüft.

Blinddarm Mastdarm Foto: thinkstock

Der Dickdarm

absteigender Dickdarm

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Perspektive leben · Darmkrebs

Heilung sehr gut. Bei Mastdarmkrebs wird ab Stadium II zusätzlich eine Radio-Chemotherapie empfohlen. Wie im Stadium I gilt auch hier: Der Plan für die Nachsorgeuntersuchungen sollte unbedingt eingehalten werden, um einen möglichen Rückfall rechtzeitig zu erkennen. Stadium III

Bei Stadium III ist die Krebserkrankung schon fortgeschritten, trotzdem besteht noch bei mehr als der Hälfte der Patienten eine Chance auf Heilung. Der Krebs hat alle Schichten der Darmwand befallen und sich in benachbartes Gewebe und Organe ausgebreitet. In der Regel sind ein bis mehrere Lymphknoten in der näheren Umgebung im Stadium III betroffen. Es haben sich keine Fernmetastasen in anderen Organen oder weiter entfernten Lymphknoten gebildet. Es besteht die Gefahr, dass der Tumor nicht vollständig entfernt werden kann. Ist der Dickdarm betroffen, wird eine zusätzliche Chemotherapie empfohlen, bei Mastdarmkrebs eine zusätzliche Radio-Chemotherapie. Der gesamte Behandlungszeitraum kann sich im Stadium III über ein Jahr erstrecken. Stadium IV

Der Krebs hat Stadium IV erreicht, sobald der Tumor so gewachsen ist, dass er bei einer Operation meist nicht komplett entfernt werden kann. In Medizinerkreisen

spricht man von metastasiertem Darmkrebs. In diesem fortgeschrittenen Stadium der Krebserkrankung ist auch das umliegende Lymphgewebe befallen, und es haben sich zudem Metastasen in anderen Organen des Körpers gebildet. Operative Eingriffe, die auch Metastasen als Ziel haben können, werden in diesem Stadium meist mit einer Chemotherapie ergänzt, die oft mit neu entwickelten Medikamenten kombiniert werden kann. Die Chemotherapie kann bereits vor einer Operation zum Einsatz kommen. Auf diese Weise kann das krankhafte Tumorgewebe verkleinert und die Krebszellen in den befallenen Lymphknoten und Metastasen können weitgehend vernichtet werden. Bei der nachfolgenden Operation muss dann weniger Gewebe entfernt werden.

Welche Therapien die Medizin heute bietet Die Medizin hat im Laufe der Jahre recht gute Behandlungsmöglichkeiten bei Darmkrebs entwickelt. Wie unterscheiden sich nun die verschiedenen Therapieverfahren? Die sicherste und verträglichste Methode in frühen Stadien ist die Operation. Das Ziel ist, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen. Ergänzend kann, je nach Grad der Erkrankung, mit einer Chemotherapie und/oder einer Strahlentherapie versucht werden, sämtliche Krebszellen im gesamten Körper zu vernichten. So werden mit der Chemotherapie betroffene Zel-

«Ich bin froh, dass die Ärzte so schnell gehandelt haben!» – Ein Patient berichtet. fernt werden. Als der histologische Befund vorlag, Karl-Heinz E., heute 56 Jahre alt, erzählt: «Ich war sagte mir der behandelnde Stationsarzt, dass der 1997 zur turnusgemässen Vorsorgeuntersuchung Polyp bereits Darmkrebs im Stadium 1 war. Ich empbei meinem Hausarzt. Er meinte, ich solle möglichst fand es als grosses Glück, dass ich so schnell gehanbald eine Darmspiegelung machen lassen, da eine delt hatte. Ausserdem freute ich mich, dass ich als von sechs Stuhlproben Blut enthielt. Daraufhin verNachbehandlung weder zur Chemo- noch Strahleneinbarte ich einen Termin beim Gastroenterologen. therapie musste. Bei meiner Entlassung Bei der Darmspiegelung wurde ein kleiner gab man mir einen engmaschigen Plan Polyp entdeckt, der an einer schwer für Nachsorgeuntersuchungen mit. zugänglichen Stelle war. Der Arzt riet «Geht bitte zur Ich habe mich strikt an den Nachsorgemir, den Polypen stationär entfernen Vorsorgeunteruntersuchungsplan gehalten und bin zu lassen, und erklärte mir, dass der suchung!» seit der Operation geheilt. Nach der Polyp eine gutartige Zellveränderung Operation habe ich besonders auf meisei, die in ihrer weiteren Entwicklung ne Ernährung geachtet. Ich hatte anfängbösartig werden könne. Ich müsse mir lich Verdauungsprobleme und es dauerte einige Mozwar keine allzu grossen Sorgen machen, aber ich nate, bis die Verdauung wieder normal funktionierte. sollte unbedingt versuchen, möglichst rasch einen Seit vielen Jahren lebe ich nun beschwerdefrei, gehe Operationstermin zu bekommen. regelmässig zur Vorsorgeuntersuchung und versuEine Woche später war es so weit. Die Operation che, mich gesund und ausgewogen zu ernähren. verlief ohne Komplikationen, und der Polyp konnte Aus eigener Erfahrung kann ich alle Menschen nur komplett entfernt werden. Allerdings war der Polyp dazu ermutigen: «Geht bitte zur Vorsorgeuntersunur über die Öffnung der Bauchdecke zu erreichen. chung!» Es mussten 30 Zentimeter meines Dickdarmes ent-

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Darmkrebs · Perspektive leben

Die stufenweise Entwicklung von Darmkrebs Über die Lymphbahnen haben Krebszellen in den Darm umgebende Lymphknoten gestreut.

Lymphbahnen und Blutgefässe

Tumorzellen können über Blutgefässe in andere Organe gelangen und Metastasen bilden.

Darmwand

Darmschleimhaut Der Polyp entartet, im Inneren bilden sich Krebszellen.

len des Lymphgewebes und die Metastasen bekämpft, falls der Tumor schon gestreut haben sollte. Die Strahlentherapie wirkt punktuell und speziell gegen das Tumorgewebe. Als sogenannte Radio-Chemotherapie werden beide Therapien in Kombination angewendet. So besteht die Möglichkeit, dass möglichst viele Krebszellen zerstört werden. Ausschlaggebend für die Anwendung der verschiedenen Therapiemöglichkeiten ist das Stadium der Krebserkrankung. Wird diese bereits rechtzeitig im Frühstadium erkannt, besteht meist allein schon bei einer erfolgreichen Operation sehr gute Aussicht auf Heilung.

Der Tumor wächst über die Schleimhaut hinaus und dringt in die Darmwand ein.

Der Tumor durchdringt die Darmwand und wächst in umliegendes Gewebe ein.

Abb.: MT-Archiv

gutartiger Darmpolyp

>> Hilfreiche Informationen unter: www.darmkrebs.de/frueherkennung-diagnose/ stadieneinteilung/darmkrebsstadien www.krebsgesellschaft.de/pat_ka_darmkrebs_ therapie,107915.html www.onmeda.de/krankheiten/darmkrebs.html https://assets.krebsliga.ch/downloads/1063.pdf www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/darmkrebs/ index.php

Auch wenn der Tumor schon gestreut hat, ist das kein Grund aufzugeben. Selbst wenn bei einer Erkrankung an Darmkrebs bereits Metastasen gefunden werden, kann noch eine Heilung möglich sein. Gastroenterologe, Chirurg, Pathologe, Onkologe und Strahlentherapeut arbeiten dann eng zusammen, um den Tumor und die Metas­ tasen so stark zu verkleinern, dass sie später besser mit einer Operation entfernt werden können. Ist eine Heilung nicht mehr möglich, so wird alles getan, um die Lebensqualität zu erhalten und Komplikationen durch die Krebserkrankung zu vermeiden

Neue Medikamente, die helfen können Bei fortgeschrittenen Erkrankungen wird zusätzlich zur Operation meist eine Behandlung mit mehreren Krebsmedikamenten und/oder eine Bestrahlung notwendig. Neben den Chemotherapeutika werden sogenannte zielgerichtete Substanzen eingesetzt. Hierzu zählen Antikörper, die das Tumorwachstum und Antikörper, welche die Gefässneubildung (Angiogenese) hemmen. Aber nicht jeder Patient ist für die Therapie mit den neuen Medikamenten geeignet. So wirken Antikör-

per, die das Tumorwachstum hemmen, «Zielgerichtet nur dann, wenn ein gegen bestimmter «SignalTumorzellen» übermittler» (RAS) innerhalb der Dickdarmkrebszellen nicht mutiert, also nicht genetisch verändert ist. Das ist bei etwa der Hälfte der Betroffenen der Fall. Am entnommenen Gewebe kann dieser so genannte RAS-Status geprüft werden. Je nach Ergebnis entscheiden die Ärzte, welche Medikamente zum Einsatz kommen.

>> Hilfreiche Informationen: http://youtu.be/KIiP9pb6ggo Hier wird die RAS-Testung genauer erläutert.  QR-Code für Ihr Smartphone.

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Perspektive leben · Darmkrebs

Künstlicher Darmausgang – eine Herausforderung

Auch mit Stoma ein gutes Leben führen Darmkrebs, aber auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen, machen in manchen Fällen einen künstlichen Darmausgang notwendig. Ein solches Stoma stellt die Betroffenen plötzlich vor völlig neue Herausforderungen. Obwohl dies kurz nach der Operation als starke körperliche und seelische Belastung empfunden wird, ist mit der Zeit wieder ein gutes Leben möglich.

Mein persönlicher Rat Werner Droste Vorsitzender der Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde

jedoch eine Krebserkrankung, vor allem Dickdarm- bzw. Enddarmkrebs, die Ursache einer solchen Operation.

Endgültige und vorübergehende Stomata

Um alle Krebszellen auszuräumen, ist es bei fortgeschrittenen Tumoren im Enddarm manchmal notwendig, auch den Schliessmuskel am unteren Ende des Dickdarms mit zu entfernen. Ohne funktionierenden Schliessmuskel «Nach der Einheilung des Stomas sind auch die lässt sich aber der Stuhlgang nicht mehr zurückhalten. meisten Freizeitaktivitäten wieder möglich.» Deshalb wird der Anus verschlossen und der Darm auf die Bauchdecke ausgeleitet, meist im linken unteren Bereich. Die Austrittsstelle erhält einen geruchsdichten Auffangbeutel, in dem sich der Stuhlgang sammelt. Es Wenig Einschränkungen. Das Wort «Stoma» kommt ist aber auch möglich, die Bauchdeckenöffnung mit eiaus dem Griechischen und heisst Mund, Mündung oder ner Klappe abzudecken und einmal am Tag den Darm Öffnung. Es steht für künstliche Ausgänge beispielsweimit einer Spülflüssigkeit zu leeren. Je nach individueller se des Dünndarms, des Dickdarms oder der Blase. Bei künstlichen Darmausgängen wird ein Darmstück zur Erkrankung werden vor allem zwei Varianten der künstAusleitung der Ausscheidungen auf unterschiedliche Weilichen Ausleitung beim Dickdarm durchgeführt. Bei der se durch die Bauchdecke nach aussen geführt. Ein «Anus endständigen Kolostomie werden Mastdarm, Schliesspraeter», so der lateinische Name für einen solmuskel und ein kleiner Teil des Dickdarmes chen operativ herbeigeführten Darmausgang, endgültig entfernt. Da nahezu der gesamte Dickdarm in seiner Funktion erhalten kann aus sehr verschiedenen Gründen not«Ausblick auf wendig, ja überlebensnotwendig, werden. bleibt, hat der Stuhl in der Regel die gleiche ein Stoma So können chronisch entzündliche ErkranBeschaffenheit wie vor dem Eingriff. Hinmacht Angst» kungen des Dickdarms wie Colitis ulcerosa gegen besteht die doppelläufige Kolostomie oder Morbus Crohn die Darmwände trotz zumeist nur vorübergehend. Sie soll z. B. bei Medikamenten so stark schädigen, dass die entzündlichen Darmerkrankungen, aber auch betroffenen Darmabschnitte herausgenommen werden bei Karzinomen tiefere Darmabschnitte ruhig stellen und müssen. Dazu zählen auch Komplikationen wie Fisteln entlasten. Dabei zieht der Chirurg den Darm in einer oder Abszesse im Darm, ein drohender Darmverschluss Schlinge durch die Bauchdecke. Dann wird der Darm geöffnet und beide Enden werden an der Bauchdecke oder ein stark verengter Darmbereich. Daneben können entzündete Aussackungen am Dickdarm, Darmdurchfestgemacht. Somit entsteht ein zum Stoma hinführender brüche, unzureichende Schliessmuskelfunktion, VerletDarmteil und ein vom Stoma wegführender Darmteil. Auch bei der zeitlich begrenzten Ileostomie werden bezungen, Schäden durch Strahlentherapie oder angeborestimmte Abschnitte unterhalb des ausgeleiteten Dünnne Fehlbildungen des Darmes einen künstlichen Ausgang darmes vorübergehend ruhig gestellt. Solche Entlastunnotwendig machen. Bei rund 70 % aller Stomaträger ist 14 ·

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Darmkrebs · Perspektive leben

«Auch mit einem Stoma geht das Leben weiter – meist sogar ganz gut.»

Tipps für Stomaträger n Es sollte durch einen Hautschutz verhindert werden,

dass die Haut mit Ausscheidungen in Berührung kommt. Foto: thinkstock

n Im Umkreis des Stomas keine hautreizenden, alkohol-

haltigen Reinigungsmittel benutzen. Sie trocknen die Haut unnötig aus und machen sie empfindlich. n Auf Seife und Bodylotion verzichten oder diese nur

nach Rücksprache mit der Stomatherapeutin benutzen.

gen werden für mehrere Monate durchgeführt. Hat sich der erkrankte Darmabschnitt erholt, kann der Chirurg die beiden Darmenden aneinanderfügen und in den Bauch zurückverlegen.

Völlig neue Situation Bei all diesen wichtigen technischen Details sollte man nicht vergessen: Sowohl die Konfrontation mit der Krankheit als auch die Aussicht auf ein Stoma versetzt die Patienten in grosse Angst. Allerdings müsse nach der Art der Krankheit unterschieden werden, erklärte »

n Regelmässig Haare im Bereich des Stomas rasieren.

Das erleichtert den Beutelwechsel und beugt Entzündungen vor. n Stoma kontinuierlich kontrollieren. Mit der Zeit

kann sich seine Grösse verändern: Innerhalb von ca. sechs Wochen nach der Operation verkleinert es sich. Entsprechend sollte der Ausschnitt in der Hautschutzplatte angepasst werden. n Eine möglichst dichte Versorgung ist geruchssicher. Quelle: Die Ileostomie – Ein Ratgeber der Schweizerischen Krebsliga

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Perspektive leben · Darmkrebs

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Werner Droste, Vorsitzender der Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde, am Rande einer Fachtagung der Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs in Freiburg i. Br. Denn Patienten mit schweren chronisch entzündlichen Darmerkrankungen leiden oft über Jahre extrem. «Solche Menschen haben durch die Operation und das Stoma in kürzester Zeit eine deutlich verbesserte Lebensqualität.» Ganz anders bei Krebspatienten. Nicht nur die Diagnose Krebs selbst, sondern auch die bevorstehenden belastenden Behandlungen mit Bestrahlung und Chemotherapie sowie die Operation mit nachfolgender Stomaanlage können das Weltbild der Betroffenen in kürzester Zeit aus den Fugen heben. Die Menschen haben Angst davor, mit dem Stoma aufzufallen, den eigenen Körper nicht mehr in den Griff zu bekommen, oder Komplikationen, die z. B. als Hautirritationen immer wieder auftreten können, nicht zu beherrschen. Viele stellen die Frage, ob sie sich

Ernährungsempfehlungen n Anfänglich eher stärkehaltige Nahrungsmittel wie Reis,

Brot, Zwieback, Teigwaren, Kartoffeln etc. wählen. n Nach Verträglichkeit und Vorliebe schrittweise Fleisch,

Fisch, Eier, Käse etc. in den Menüplan aufnehmen. n Die Fasermenge durch den Konsum von Früchten,

Gemüsen und Vollkornprodukten allmählich erhöhen. n Pro Tag fünf bis sechs kleinere Mahlzeiten zu sich

nehmen. n Ausreichend trinken (1,5 bis 2 Liter pro Tag). n Mangelernährung vorbeugen, ggf. Multivitamin-

Mineralstoffpräparate bzw. Vitamin-B12-Präparate ergänzen. n Stomablockaden vermeiden, indem Nahrung langsam

und gut gekaut gegessen wird. n Stark faserhaltige Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte,

Spargel, Sellerie, Ananas, Mango, Maiskörner, Popcorn, Nüsse etc. mit Vorsicht geniessen. n Zähe Fruchtschalen, Zwischenhäute und Kerne von

Zitrusfrüchten, die Haut von Tomaten, Peperoni, Auberginen, Gurken möglichst meiden. n Sehr dünnflüssiger Stuhl kann mit wasserbindenden

Nahrungsmitteln (Reis, Reiswaffeln, Weissbrot, Zwieback, Salzstängelchen) eingedickt werden. Auch Karottensuppe, fein geriebene Äpfel, Schwarztee, Wasser, Kakao, schwarze Schokolade können helfen. n Treten solche Komplikationen längerfristig auf,

Arzt aufsuchen. Quelle: Die Ileostomie – Ein Ratgeber Schweizerischen Krebsliga

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jemals mit dieser Veränderung abfinden können. In solchen Situationen spielen Selbsthilfeorganisationen eine entscheidende Rolle. Die «Schweizerische Vereinigung der regionalen Gruppen von Stomaträgern» (ilco-Schweiz: www.ilco.ch) mit ihrem Präsidenten Peter Schneeberger will hier Hilfestellung leisten und Perspektiven aufzeigen. Besonders frisch Operierte profitieren von den Erfahrungen langjähriger Stomaträger.

Arbeit, Freizeit, Sex – alles möglich «Auch wenn es für die Betroffenen am Anfang nicht vorstellbar ist, das Leben geht weiter, und zwar gar nicht schlecht», sagt Werner Droste. So kann nach der Einheilung des Stomas zumeist der gewohnten Arbeit nachgegangen werden. Allerdings ist es je nach Tätigkeit ratsam, wieder schrittweise einzusteigen oder die Arbeitszeit zu reduzieren. Auch gewisse Tätigkeiten, wie Arbeiten in der Hitze, Hebearbeiten, häufiges Bücken oder Armehochstrecken, können das Risiko für Komplikationen erhöhen. Es ist auch sinnvoll, zumindest die Vorgesetzten zu informieren. Ebenso sind Freizeitaktivitäten wie Theater, Konzerte, Kino, Wandern und Sport, wie z. B. Jogging, Velofahren, Skifahren, Tennis oder Tanzen, mit Stoma möglich. Sogar Schwimmen ist kein Problem, da im Fachhandel Spezialbadehosen und -anzüge erhältlich sind, welche den Stomabeutel gut verdecken. Wer sich gut vorbereitet, kann auch problemlos reisen. So erspart ein Stomapass z. B. bei der Kontrolle am Flughafen unschöne Situationen. Zum Reisen gehören auch Medikamente gegen Durchfall sowie ausreichend Versorgungsmaterial und Pflegeutensilien. Wer einen Koffer auf Rollen dabei hat, kommt nicht in die Versuchung, schwer zu lupfen. Zudem sollte vor allem bei Ferien in tropische Länder bei erfahrenen «StomaGlobetrottern» der ilco Rat eingeholt werden. Obwohl manche Betroffene befürchten, dass körperliche Nähe nicht mehr möglich ist, können auch Stomaträgerinnen und Stomaträger ein erfülltes Sexualleben haben. Auch eine Schwangerschaft und Kinder sind kein Problem, da die Gebärmutter von Stomaträgerinnen nicht beeinträchtigt ist. Natürlich ist ein Stoma mit einer gewissen körperlichen Versehrtheit verbunden. Wer sich jedoch auf diese Situation einlässt, sich gut informiert und entsprechend handelt, wird im Alltag nur wenige Einschränkungen erleben. Klaus Duffner >> Hilfreiche Informationen unter: www.ilco.ch


HodenKrebs · Perspektive leben

Wichtig bei der Hodentumor-Therapie

Weniger ist mehr! Die häufigste bösartige Tumorerkrankung des Mannes im Alter zwischen 20 und 40 Jahren betrifft ihn zwischen den Beinen. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute lautet: Gleichzeitig gehört der Hodentumor zu den am besten heilbaren Krebsarten – selbst im fortgeschrittenen Stadium wird er in der Regel erfolgreich behandelt.

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erühmt wurde er durch seine Krankheit, berüchtigt später durch sein Doping: Der amerikanische Radrennprofi Lance Armstrong erkrankte an Hodenkrebs – und gewann nur drei Jahre nach seiner erfolgreichen Behandlung die Tour de France. Die Krankheit, über die man wenig hört, ist also gar nicht selten. In der Schweiz werden jährlich etwa 400 Hodenkrebs-Diagnosen gestellt. Perspektive Leben sprach darüber mit Professor Dr. Markus A. Kuczyk, Direktor der Klinik für Urologie und Urologische Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

«Man kann mit dieser Krankheit sogar noch die Tour de France gewinnen!» PRof. Dr. Markus A. Kuczyk

Am Anfang steht die Operation Nach einer Diagnose wird schnell gehandelt: Der Hodentumor muss entfernt werden. Das bedeutet für den Patienten in der Regel auch den Verlust des betroffenen Hodens. Auf Wunsch des Patienten kann im Rahmen der Operation eine Hodenprothese implantiert werden. Einige Männer tun dies aus ästhetischen Gründen. Die grösste Angst vieler Patienten ist unbegründet: Die Zeugungsfähigkeit wird allein durch die Entfernung eines Hodens meist nicht eingeschränkt. Trotzdem raten Ärzte vor der Operation zu einer Aufbewahrung von Spermien vor dem Eingriff. Sie werden eingefroren

und können so über sehr lange Zeit zeugungsfähig bleiben – und falls nötig, im Rahmen einer künstlichen Befruchtung eingesetzt werden. «Die Tumoroperation dient in erster Linie dazu, die nächsten Therapieschritte zielgerichtet steuern zu können», erläutert Prof. Kuczyk. «Wir müssen als Erstes wissen, um welche Tumorart es sich genau handelt.» Nach der Operation erfolgt eine Computertomografie. Mit diesem speziellen Röntgenverfahren können mögliche Metastasen erkannt werden. Zusätzlich werden die Tumormarker bestimmt. Tumormarker sind Substanzen im Blut, deren erhöhte Konzentration auf einen Tumor hindeuten kann.

Wichtig für die Behandlung: das Tumorstadium

Professor Dr. Markus A. Kuczyk ist Direktor der Klinik für Urologie und Urologische Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Foto: Privat

Auf der Grundlage der Informationen kann nun das Tumorstadium bestimmt werden. Dies sowie die Tumorart sind entscheidend für die weitere Behandlungsplanung. Etwa 90 % der Hodentumoren entstehen aus dem Keimzellgewebe des Hodens. Je nach Art des Gewebes werden die Keimzelltumoren in weitere Gruppen unterteilt: Etwa die Hälfte sind sogenannte «Seminome», die andere Hälfte «Nichtseminome» oder Mischformen. Wurden beispielsweise keine Metastasen gefunden, dann ist der nächste Therapieschritt noch » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · HodenKrebs

Fotos: fotolia/Uwe Grötzner (1), thinkstock (1)

«Das Thema ist für viele Männer immer noch ein Tabu!»

Der Arzt weiss: Es gibt heute verblüffende Fortschritte im Kampf gegen den Hodentumor – vertrauen Sie sich ihm an!

Kinderwunsch trotz Hodentumor? Heutzutage kein Problem mehr Die gute Nachricht: Die Entfernung eines tumorbefallenen Hodens hat keine Auswirkungen auf Sexualität und Potenz des Mannes. Ein gesunder Hoden garantiert zudem eine ausreichende Zeugungsfähigkeit. Chemo- und Strahlentherapie sowie die Lymphknotenentfernung können die Samenproduktion und somit die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Sexualität und Potenz werden durch diese Behandlungsmassnahmen nicht beeinflusst. Männern mit Kinderwunsch wird aus Sicherheitsgründen geraten, vor einer Hodenkrebsbehandlung Samen in einer Samenbank zu deponieren. Sie werden tiefgefroren gelagert und können bei einem späteren Kinderwunsch wieder aufgetaut und genutzt werden. Man spricht hier von Kryokonservierung.

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Jeder Patient sollte seinen Arzt hierzu ansprechen! Mehrere Depots zur Anlage von Kryospermien sind in den grösseren Hodentumorbehandlungszentren vorhanden. Die Kosten für die Kryokonservierung werden nicht generell von den Krankenkassen übernommen, ein Antrag zur Kostenübernahme sollte jedoch auf jeden Fall gestellt werden. Über das persönliche Risiko einer behandlungsbedingten Zeugungsunfähigkeit berät der behandelnde Arzt. Ebenso ob und wie im Falle einer späteren Zeugungsunfähigkeit mithilfe moderner medizinischer Massnahmen, wie beispielsweise durch medikamentöse Behandlung oder künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation), der Kinderwunsch erfüllt werden kann.

Tipp!


HodenKrebs · Perspektive leben

nicht eindeutig definiert. Das Fehlen von Metastasen ist nämlich bei einem Patienten mit einem Seminom anders zu beurteilen als bei einem Nichtseminom-Patienten. Denn wenn bei einem Nichtseminom bereits Tumorzellen in die Hodengefässe eingedrungen sind, ist die Wahrscheinlichkeit hier recht hoch, dass es zur Metastasenbildung gekommen ist – auch wenn diese bisher noch nicht festgestellt wurde. Grundsätzlich werden folgende Stadien definiert: n Stadium I:

Der Tumor ist lediglich auf den Hoden beschränkt. n Stadium II:

Metastasen haben sich bereits im Bauch ausgebreitet. Die Lymphknoten sind befallen. Hier gibt es dann eine weitere Unterscheidung der jeweiligen Lymphknoten in Grössenklassen. n Stadium III:

Der Tumor hat sich oberhalb des Zwerchfells ausgebreitet.

Die Therapieschritte Die nachfolgenden Therapien sind von der Tumorart und dem Stadium abhängig. Die grundsätzlichen Therapiemassnahmen sehen folgendermassen aus: n Die Strahlentherapie:

Hiermit werden meist kleinere Metastasen in den Lymphknoten des hinteren Bauchraumes behandelt. Dies trifft insbesondere bei Seminomen zu. n Die Chemotherapie:

Sie wird bei Hodenkrebs in der Regel dann eingesetzt, wenn sich die Erkrankung im Körper ausgebreitet hat. Oft ist eine Kombination von Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie notwendig. n Zusätzliche Operationen können notwendig sein, um befallene Lymphknoten im hinteren Bauchraum oder Metastasen zu entfernen. Prof. Kuczyk betont an dieser Stelle: «Die richtige Auswahl der verschiedenen Behandlungsmethoden ist kompliziert. Dies sollte ausschliesslich von einem Arzt durchgeführt

werden, der über gute Erfahrungen in der Behandlung von Hodentumoren verfügt.»

Die Seminom-Therapie Die gute Nachricht ist: Heutzutage wird bei einem Seminom immer mehr die «Wait-and-see-Strategie» angewandt. «Der Patient wird also nur noch beobachtet. Man weiss nämlich, dass auch wenn später noch Metastasen auftreten sollten, diese mit einer Chemotherapie sehr wirkungsvoll bekämpft werden können», berichtet Prof. Kuczyk. Diese Therapieform setzt natürlich eine hohe Verlässlichkeit des Patienten in der Nachsorge voraus. Dabei wird in engen Intervallen der Verlauf der Erkrankung kontrolliert. Werden bei einem Seminom zusätzliche Lymphknotenmetastasen festgestellt, erfolgt eine Bestrahlung sowohl der Bauch- als auch der Beckenlymphbahnen auf der Seite des Tumorbefalls. Liegt ein fortgeschrittenes Stadium mit sehr grossen Lymphknotendurchmessern vor oder sind bereits Metastasen in Organe wie Lunge oder Leber vorgedrungen, wird eine Chemotherapie bevorzugt.

Die Nichtseminom-Therapie Bei Nichtseminomen im sehr frühen Stadium wird ebenfalls immer mehr die «Wait-and-see-Strategie» angewandt. Auch hierbei muss der Patient sehr engmaschig überwacht werden. Dieses Vorgehen sollte ebenfalls nur durch Ärzte erfolgen, die in der Behandlung von Hodentumoren erfahren sind. Sollten vergrösserte Lymphknoten im Bauch vorhanden sein, ist entweder die operative Entfernung oder eine Chemotherapie notwendig. Im

«Wichtig sind die verbindlichen Leitlinien, die zur Behandlung aufgestellt wurden»

fortgeschrittenen Stadium, mit grossen Lymphknoten im Bauchraum und Metastasen in den Organen, ist eine Chemotherapie unumgänglich. Diese sollte unbedingt in einem spezialisierten Krankenhaus durchgeführt werden.

Zweitmeinung einholen «Die Standardtherapie war früher, unabhängig vom Tumorstadium, die Bestrahlung. Hiervon sind wir mittlerweile weg! Die Zielsetzung bei Hodentumoren ohne Metastasen ist, die Behandlungsintensität immer weiter zu reduzieren. Hier­ auf sollten Patienten unbedingt achten! Kommen Zweifel über die Behandlungsmethoden auf, sollten Sie eine Zweitmeinungsempfehlung einholen», mahnt Prof. Kuczyk ausdrücklich. Obwohl der Hodentumor sehr gut behandelbar ist, gibt es immer noch tödlich verlaufende Fälle. Das ist leider oft auf Therapiefehler des behandelnden Arztes zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund wurden von deutschen und europäischen Expertengruppen verbindliche Behandlungsleitlinien für die Therapie von Hodentumorpatienten erarbeitet. Gleichzeitig gründete man sogenannte Zweitmeinungszentren. Hier besteht für Patienten die Möglichkeit, den individuell erstellten Therapieplan überprüfen zu lassen. Ziel ist es, die Intensität der Therapie möglichst gering zu halten. Auch sollen so die Nebenwirkungen für die betroffenen jungen Männer im Langzeitverlauf reduziert werden.

Heilung: Ziemlich schnell! Wenn Patienten die ersten zwei Jahre überstanden haben, dann sind sie in der Regel geheilt. Das liegt daran, dass nicht gefundene Metastasen zu Beginn der Behandlung resp. spätestens innerhalb dieses Zeitraums sichtbar werden. Wenn nichts sichtbar wird, dann ist auch in der Regel nichts mehr vom Tumor da. Dennoch gilt: Da es seltene Ausnahmen geben kann, läuft die Nachsorge noch drei Jahre weiter.

PRof. Dr. Markus A. Kuczyk

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Perspektive leben · Menschen

Ein Besuch bei der Thurgauischen Krebsliga

Nicht nur die Dienstleistung Wichtigstes Ziel der Thurgauischen Krebsliga ist es, Menschen mit einer Krebserkrankung kompetent und beratend zu begleiten. Strukturell und personell ist man so aufgestellt und vernetzt, dass alle Hilfsangebote dort erbracht werden können, wo die Patienten sie brauchen: ein Kompetenzzentrum für Stomatherapie, je eine Abteilung für Sozialdienst und Palliative Care sowie eine Hospizwohnung sind eingebunden. Bekanntheitsgrad und Spendenbereitschaft sind gut, so können auch wissenschaftliche Forschungsprojekte unterstützt werden.

Hand in hand. Ein Rundgang durch die Räumlichkei-

Stock. Während einer kleinen Stärkung werden bereits ten der Thurgauischen Krebsliga und die Begrüssung der wichtige Punkte des Tages besprochen und die Zeitungen Mitarbeiter dauert etwas länger. Die Arbeitsräume und studiert. «Alles aus einer Hand» ist das Motto des Teams die an diesem Morgen Anwesenden sind auf zwei Stockum Elisabeth Herzog Engelmann, die seit 13 Jahren die werken in einem Geschäftshaus in BahnhofsnäGeschäftsstelle leitet (s. Interview). Das Ziel he in Weinfelden verteilt. Zum Znüni um der Thurgauischen Krebsliga sei, alle An9.00 Uhr versammeln sich dann aber alle fragen von Krebspatienten und ihren An«Probleme im grossen Besprechungsraum im zweiten gehörigen entweder lösen oder zumindest

Foto: thinkstock

lösen, Hilfe organisieren»

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Menschen · Perspektive leben

gs-Palette kann überzeugen Unterstützte Projekte zur Krebsforschung: n Bestrahlung bei Brustkrebs während der Operation – IORT-

Studie zur Qualitätssicherung am Kantonsspital Münsterlingen, Radioonkologie n Krebsforschungsprojekt über die Einwanderung von Brustkrebszellen in die Lymphdrüsen und die Bildung von Absiedelungen (Metastasen) am Biotechnologie Institut Thurgau n Krebsforschungsprojekt zu gynäkologischen und urologischen Tumoren am Institut für Pathologie am Kantonsspital Münsterlingen

Kompetenz und Hilfe 24 Stunden am Tag Das Team von Palliative Care wird relativ früh mit einHilfe organisieren zu können. «Die Zusammenarbeit mit bezogen, wenn sich abzeichnet, dass ein Krebspatient anderen Ligen, der Spitex, den Spitälern, Hausärzten, freinicht mehr geheilt werden kann. «Wir regen an zum beruflichen Pflegefachfrauen usw. funktioniert sehr gut, Nachdenken und besprechen mit der Familie, wie es im weil man sich eben kennt», erklärt die Geschäftsführerin. Sozialberatung, psychoonkologische Beratung, die letzten Abschnitt organisiert werden kann», erklärt Birgit Auskunft am Krebstelefon, finanzielle Unterstützung in Moser. «Wir wollen Ängste nehmen, die Trauer ist imNotsituationen, die Stomatherapie sowie die Betreuung mer da. Wir bauen die Puzzlesteine so zusammen, dass und Begleitung in Palliativsituationen und der ein Patient möglichst daheim sein kann, wenn er das will.» Das Team von Palliative Hospizwohnung werden von geschulten Mitarbeiterinnen geleistet. Zudem unterstützt Plus bietet eine schnittstellenübergreifende «Die Sorgen die Krebsliga Aktionen und beteiligt sich an 24-Stunden-Helpline zusammen mit der Betroffener Spital Thurgau AG und betreut im spitazahlreichen Veranstaltungen. Im Thurgau abfangen» lexternen Bereich. Die Bewohner der Hoswerden die Informationsmaterialien für die pizwohnung begleiten wir gemeinsam mit Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit vor dem Personal des Alterszentrum Weinfelden. Ort hergestellt, um so aktueller und flexibler Die Anfragen von Spitexorganisationen, Pflegeheimen, zu sein, betont Elisabeth Herzog Engelmann. Mit der Krebsliga-Post werden die Unterstützer – acht SelbsthilHausärzten und anderen Institutionen an Palliative Plus nehmen zu. Pflegefachpersonen äussern, dass die 24-hfegruppen – informiert. Helpline Sicherheit und Kompetenz vermittelt. Enge Verzahnung mit den Spitälern Im 1. Stock in der Bahnhofsstrasse findet sich eine weitere Besonderheit: der Onko-Treffpunkt. Ein gemütlicher Das Kompetenzzentrum für Stomatherapie arbeitet eng mit den Spitälern und bietet Schulungen an. StoRaum für informelle Gespräche mit Angehörigen oder Menschen, die noch im Arbeitsprozess stehen, aber Framaträger werden im Stomaambulatorium medizinisch gen zu Krebserkrankungen haben. «Nicht jeder geht gerund pflegerisch betreut. Durch psychische und soziale Unterstützung der Betroffenen und ihrer Angehörigen ne ins Spital, mit diesem Hilfsangebot möchten wir zeitsoll die Lebensqualität verbessert werden. Durch eine nah Sorgen abfangen», erklärt Elisabteh Herzog enge Verzahnung mit den Spitälern und der Spitex im Engelmann die Motivation zu dieser Einrichtung. Jeweils von 9–12 Uhr steht eine Fachperson für EntlastungsgeThurgau können Patienten bereits vor einer Operation spräche zur Verfügung. Ein guter Draht zur Lokalpresse von der Erfahrung und Kompetenz der Stomapflegeunterstützt die Krebsliga bei der Bekanntmachung des frauen profitieren. Auch der Materialverkauf für die neuen Angebotes. Stomatherapie mit mehr als 250 Artikeln und die Stomasprechstunde seien eine Besonderheit, die von den Betroffenen sehr geschätzt werde, erzählt die Stoma­ >> Hilfreiche Informationen unter: fachfrau Lydia Keller. www.tgkl.ch » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Menschen

Interview mit Elisabeth Herzog Engelmann, Thurgauische Krebsliga

Unterstützung in allen Phasen der Krankheit Die Thurgauische Krebsliga unterstützt Betroffene und ihre Angehörigen mit einem breitem Dienstleistungsangebot. Dort ist man stolz auf eine gute Vernetzung.

Engelmann: Ja, diese Frage kommt

Mein persönlicher Rat Elisabeth Herzog Engelmann, Geschäftsführerin der Thurgauischen Krebsliga, unterstützt Betroffene darin, die Krankheit anzunehmen und den Lebensmut nicht zu verlieren.

«Krebs kann jeden Menschen treffen, das hat nichts mit Schuld zu tun.»

Was macht die Arbeit für die Thurgauische Krebsliga schwer? Engelmann: Die Arbeit am Pa-

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tienten und mit den Angehörigen und die Dienstleistungen werden zu wenig geschätzt. Ich bin seit 13 Jahren Geschäftsleitung und jedes Jahr nimmt der Aufwand für die Verwaltung zu. Ich sehe da eine gewisse Eigendynamik in die falsche Richtung. Wir werden überhäuft durch externe administrative Umfragen und Abfragen. Ich arbeite gerne, aber der externe Aufwand sollte sich in Grenzen halten. Welche Herausforderung sehen Sie für die Zukunft? Engelmann: Wir müssen uns ein-

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stellen auf Patienten, die sehr lange mit einem Tumorleiden überleben. Und dass es Rückfälle nach vielen Jahren geben kann. Unser Angebot ist darauf ausgerichtet, dass jederzeit wieder jemand Hilfe findet, wenn es nötig ist. Wir unterstützen in allen Phasen der Krankheit gerne. 22 ·

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Welche Patienten beeindrucken sie am meisten? Engelmann: Jeder ist bewunderns-

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wert, der neu leben lernt trotz einer Krebserkrankung. Jene mit einer positiven Einstellung, die das halb volle Glas sehen können, bewundere ich. Es ist ein Geschenk, wenn man sich mit diesem Motto auf die Krebserkrankung einlassen kann. Stichwort Prävention: Was machen Sie selbst? Engelmann: Ich persönlich rauche

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nicht, probiere, viel zu trinken und esse viel Obst und Gemüse. Ich achte auf mich und wenn ich sehr gestresst bin, suche ich Wege, den Druck abzubauen. Prävention ist auch ein wichtiges Thema der Krebsliga. Viele Menschen sind übergewichtig, das ist ein weiterer Risikofaktor. Zu viel Zucker in den Lebensmitteln und auch in Früchten ist ein Thema, auf das wir hinweisen.

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Die Suche nach der Schuld am Krebs: Ist das ein Thema?

immer wieder. Ich denke, es entlastet, wenn man 80 % Schuld den Anlagen anlasten kann. Es ist wichtig, das den Patienten mitzugeben. Krebs kann jeden treffen, das hat nichts mit Schuld zu tun. Erkrankte sind schon genug belastet, die Schuldfrage sollte da zweitrangig sein. Für uns zählt der Einzelfall, die Lebensgeschichte, die Lebensumstände, das Berufsleben, die Umwelt – mit dem Blick nach vorne. Sie werden Anfang 2016 nach 15 Jahren in den Ruhestand gehen. Was ist Ihr «Erbe» an die Thurgauische Krebsliga? Engelmann: Die Professionali-

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sierung und die Entwicklung einer breiten Dienstleistungspallette für Betroffene, das ist mein Erbe. Mir war es immer wichtig, durch gute Kontakte mit Vereinen, Organisationen und engagierten Leuten etwas zu bewegen. Wir haben an jährlich über 100 speziell durchgeführten Anlässen die Krebsliga vorgestellt und ein Netzwerk, zu dem rund 250 Freiwillige gehören. Wir können diese Helfer für Fahrdienste, Gespräche und sonstige Einsätze abrufen.

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Und nach der Krebsliga: Welche Pläne haben Sie persön-

lich? Engelmann: Mit einem World Ti-

cket einmal um die Welt reisen. Und danach engagiere ich mich weiter, ich kann gar nicht anders.


Engagement f端r medizinische Innovationen Unsere Motivation in der Forschung, Entwicklung und Herstellung bei Merck Serono ist es, richtungsweisende Therapien zur Verf端gung zu stellen. Wir investieren jedes Jahr mehr als 1 Mrd. EUR in die Erforschung vielversprechender neuer Molek端le und ihrer Weiterentwicklung zu Arzneimitteln. Im Fokus dieses Einsatzes stehen immer die Patienten und die Chance, einen Beitrag zu deren Gesundheit und Lebensqualit辰t zu leisten.

Merck (Schweiz) AG Merck Serono Chamerstrasse 174 CH - 6300 Zug www.merckserono.com

Merck Serono is a division of Merck


Perspektive leben · Menschen

Beruf und Berufung «Breast Care Nurse»

Es geht um Zuhören und Erk Die Breast Care Nurses unterstützen Frauen ab dem Zeitpunkt der Brustkrebsdiagnose auf vielfältige Art und Weise. Dank meist jahrelanger Erfahrung sind sie gute Zuhörerinnen und erfassen die Wünsche der Patientinnen in dieser besonderen Situation. Damit die Patientinnen bei wichtigen Entscheidungen die notwendige Unterstützung erhalten, bieten die Breast Care Nurses Beratung, Diskussion und Begleitung an. Unter www.breastcarenurses.ch finden sich Informationen zu diesem interessanten Berufszweig und zu den Standorten.

Begleitung in jeder Phase. Eine Zeitpunkt der Diagnose in verschiedenen «Sich gemeinsam Breast Care Nurse ist eine diplomierte Stadien bei und informiert sie über allden Ängsten Pflegefachfrau, die Brustkrebspatientinfällige Nebenwirkungen der oft längeren stellen» nen auf allen Stationen der Genesung und anstrengenden Behandlung. Insbebegleitet: von der Diagnose bis zum Absondere bei Chemotherapien und Antischluss der Therapie sowie in der Phase der hormontherapien, die nicht nur psychisch, Nachsorge. Auch steht die Breast Care Nurse den Patiensondern auch aufgrund der Nebenwirkungen sehr belastinnen bei einem Wiederauftreten der Krebserkrankung tend sein können, macht eine Begleitung der Breast Care stets zur Seite. Sie verfügt über das notwendige Wissen, Nurse Sinn. Frau Brenneisen ist auch bei Gesprächen mit um Brustkrebspatientinnen und deren Angehörige zu beden behandelnden Ärzten dabei, wenn eine Patientin dies treuen. Ihre Teilnahme am Tumorboard, einem fächerwünscht. Die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit übergreifenden Treffen, in dem alle Patientinnen vorgeden Ärztinnen und Kollegen zeigt sich in einem Buchprojekt (s. Kasten). stellt und Empfehlungen für die Behandlung besprochen Entscheidend bei der Arbeit sei oft, Informationen zu werden, ist eine weitere wichtige Aufgabe. Dort nimmt übersetzen und auf sehr persönliche Fragen antworten sie die Interessen aller Patientinnen wahr. zu können. «Wir sehen eine grössere Zahl von jüngeren Brustkrebs ist die zweithäufigste Ursache für Tod durch Krebs bei Frauen in der Schweiz. Dank früherer DiagFrauen, und ihre Situationen zeigen andere Schwerpunknose und verbesserter Behandlung ist die Sterberate te als bei älteren Patientinnen, da sie oft mitten in der in den letzten 15 Jahren um 30 % gefallen. Die höhere Familienplanung und im Arbeitsleben stehen. Da sind Überlebensrate bedeutet jedoch oft ein Leben mit einer Themen wie z. B. Sexualität und Fruchtbarkeit Bestandteil fortgeschrittenen Krebserkrankung. Die Forschung hat der Beratung», sagt Frau Brenneisen. Sich gemeinsam den gezeigt, dass Frauen grossen Wert auf Kontinuität in der existenziellen Ängsten zu stellen und Lösungen aufzuzeiVersorgung legen und das Angebot, sich von einer Breast gen, erfordert viel Einsatz von beiden Seiten. Bei einer geplanten Brustentfernung arbeitet die Breast Care Nurse begleiten zu lassen, begrüssen. Care Nurse mit Anschauungsmaterial, z. B. mit Gel geEin kurzer Arbeitsbericht füllten Brustepithesen und künstlichen Brustwarzen, oder Ein schwieriger und oft schmerzhafter Aspekt der Arbeit mit Bildmaterial, welches zeigt, wie eine neue Brust aus als Breast Care Nurse ist der Moment der DiagnosestelEigengewebe geschaffen werden kann. Eine wichtige Forlung, wenn es sich tatsächlich um Brustkrebs oder einen derung der Breast Care Nurses ist, dass den Patientinnen sämtliche Möglichkeiten einer Brustrekonstruktion und Rückfall handelt. «Wenn eine Frau die Ergebnisse der der Versorgung mit Epithesen aufgezeigt werden, damit Untersuchungen erklärt bekommt und eine schlechsie ihre persönliche Entscheidung treffen können. te Nachricht erhält, so macht Wie schafft man so einen Beruf, der einen doch mit viel einen das immer wieder aufs «Am schwierigsten Neue betroffen», sagt Irene Leid konfrontiert? Frau Brenneisen: «So unterschiedlich Breast Care Nurse wie die Krebserkrankungen, so unterschiedlich sind auch ist der Moment der Brenneisen, am Brustzentrum in Zürich. Sie die Reaktionen. Es ist ein emotional anstrengender Job Diagnose» und es gilt immer wieder, neue Energie zu tanken. steht den Patientinnen ab dem

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Bücher, die helfen und Mut machen Buchtipp 1 Brustkrebs – Der aktive Weg durch die Erkrankung Herausgeberinnen: Dr. Teelke Beck, Irene Brenneisen (BCN) Mit der Diagnose Brustkrebs entstehen bei den betroffenen Frauen, aber auch in Ihrem Umfeld viele Unsicherheiten und Fragen. Dieser Ratgeber ist eine Sammlung von Antworten, die den Frauen Mut machen will, den eigenen Weg in und durch die Erkrankung zu finden. Die Praxisnähe und die liebevolle Fürsorge für Brustkrebspatientinnen sind immer spürbar. Aus ihrer täglichen Arbeit in einem grossen Brustzentrum haben die Herausgeberinnen die häufigsten Fragen rund um das Thema Brustkrebs zu den medizinischen, komplementärmedizinischen Fragen des Lebensalltages und der möglichen Unterstützung gesammelt und unterschiedlichen Experten zur Beantwortung gegeben. Ergänzt werden diese Antworten durch die Erfahrungsberichte betroffener Frauen sowie durch alltagstaugliche und in der Praxis erprobte Tipps der Breast Care Nurse. www.buchverlag-fuer-die-frau.de ISBN 978-3-89798-454-7 Buchtipp 2 Vom Anfangen und Weitermachen. Frauen erzählen von ihrem Leben nach Brustkrebs Porträts von an Brustkrebs erkrankten Frauen und ihren einzigartigen, persönlichen Wegen. ISBN 978-3-907625-75-0

Tipp!

«Es ist viel Einsatz von beiden Seiten gefragt»

Fotos: zVg

klären können

Menschen · Perspektive leben

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Perspektive leben · Meilensteine

Meilensteine der Chirurgie Chirurgen gelten vielen als Helden und tragen zur Faszination an der modernen Medizin bei. All das, was die neuzeitliche Chirurgie auszeichnet, ist im Wesentlichen eine Errungenschaft der letzten 200 Jahre. Die Feinde des Chirurgen, wie Schmerz, Infektion oder Thrombosen, sind heute dank Anästhesie und moderner technischer Hilfsmittel sowie Medikamente kaum noch ein Problem.

Fotos: thinkstock

Die Chirurgie hat sich in den letzten 200 Jahren enorm weiterentwickelt.

Handwerk und Chirurgie Digital vernetzt. Altgriechisch «Cheir urgia» heisst übersetzt «mit der Hand machen» und ist der älteste Teil der gesamten Medizin. Heute sind Chirurgen Fachärzte mit einer der längsten Ausbildungszeiten und höchsten Spezialisierung. Der tech-

nische Aufwand ist bereits für eine einfache Operation enorm. In modernen Spezial-Operationssälen hat die digitale Technik Einzug gehalten. Im Klinikum Grosshadern in München wurde mit einem Investitionsvolumen von 200 Millionen Euro

eine der modernsten Operationseinheiten der Welt eröffnet. Dort sind sämtliche behandelnden Ärzte einschliesslich des Pathologen per Video zuschaltbar. Via Telemedizin kann von überall auf der Welt Rat geholt werden.

Theodor Kocher, der erste Chirurg, der einen Medizinnobelpreis erhielt, fingen an, möglichst langsam und sorgfältig zu operieren. Die erste Krebsstatistik der Krebsliga Schweiz aus den 1910er-Jahren zeigte, dass drei Jahre nach einer Operation 30 % der Brustkrebspatientinnen gestorben waren. Nach sechs Jahren lebten nur noch rund 10 %. Bei Brustoperationen wurden früher die Brustdrüse, die Achsellymphknoten und

die darunter liegende Muskulatur entfernt. Heute wird normalerweise brusterhaltend operiert. Mittlerweile können nahezu alle von Krebs befallenen Organe operiert werden. Bei der Entfernung eines Tumors ist das Heraustrennen «im Gesunden», das heisst mit einem Sicherheitsabstand von mind. 1 mm wichtig. Wenn möglich, sollten Lymphknoten, die befallen sein könnten, ebenfalls entfernt werden.

Krebschirurgie Schonende Verfahren.

Die Onkologische Chirurgie kam im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf. Die Entwicklung der Anästhesie und der Antisepsis, mit deren Hilfe Infektionen während und nach der Operation verhindert werden konnten, spielte dabei eine wichtige Rolle. Davor nahm ein Chirurg seinen Eingriff möglichst schnell vor, und es war ein Glück, wenn ein Patient in Ohnmacht fiel. Ärzte wie der Berner

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Meilensteine · Perspektive leben

Frühmobilisation

Aufklärungspflicht

Auf die Beine.

Einverständnis einholen. Ärzte

Der Verlauf nach der Operation hängt im Wesentlichen von der Operationsmethode, aber auch von der nachfolgenden Behandlung ab. Unter Sofortmobilisation wird das Umhergehen noch am Operationstag verstanden, unter dem Begriff Frühmobilisation das am 1. postoperativen Tag. Sie dient auch dazu, den gefürchteten Komplikationen wie der Bildung von Blutgerinnseln (Thrombose) und Lungenembolie vorzubeugen. Eine wirksame Schmerztherapie unterstützt die frühe Bewegung. Auch wird meist schon am Abend der Operation mit dem Kostaufbau begonnen.

Risikofaktoren für Operationen Erhöhtes Risiko. Bei höhe-

rem Alter, Rauchen, Alkoholkonsum, starkem Über- oder Untergewicht, bestimmten Vorerkrankungen oder der Einnahme von Medikamenten ist das Operationsrisiko erhöht.

Patientenverfügung Vorausplanung. Für viele ist es eine beängstigende Vorstellung, durch eine Krankheit oder infolge einer Operationskomplikation nicht mehr selbst entscheiden zu können. Mit einer Patientenverfügung sorgt man für solche Situationen vor und hält fest, welchen medizinischen Massnahmen man zustimmt und welche man ablehnt. Das erleichtert es Ärztinnen und Ärzten, schwierige Entscheide zu fällen, und entlastet auch Angehörige. Spitäler oder die Ärzteverbindung FMH bieten Vordrucke an.

verschwiegen ihren Patienten bis in die 1970er-Jahre eine Krebsdiagnose. Jede Operation stellt nach bundesgerichtlicher Beurteilung eine Körperverletzung dar und ein Chirurg darf nur mit dem Einverständnis des Patienten operieren. Vor der Operation erklärt der Arzt den Ablauf und die Risiken des Eingriffs im Gespräch. Eine alleinige schriftliche Information ist nicht ausreichend. Der Arzt fragt ausserdem nach Vorerkrankungen und ob schon einmal Probleme bei Operationen aufgetreten sind. Patienten sollten angeben, ob sie

Allergien oder sonstige Unverträglichkeiten haben. Ausschlaggebend ist nicht das Alter, wesentlich sind vielmehr die geistige und körperliche Verfassung und die Lebensbedingungen eines Kranken. In einem weiteren Gespräch klärt der Narkosearzt über das geplante Narkoseverfahren auf. Er fragt ebenfalls nach Tabakoder Alkoholkonsum, verwendeten Medikamenten, Drogen oder Unverträglichkeiten. Jeder Patient hat das Recht, bestimmte Einzelheiten des Eingriffs auszuschliessen oder den Umfang einer Operation anderweitig zu begrenzen.

Anfänge und Historie Lehrbücher des Medizinwissens. Der ägyptische Universalge-

lehrte Imhotep (2625 vor Christus) beschrieb in einer medizinischen Abhandlung insgesamt 48 Gebrechen vom Hautabszess bis zum Schädelbruch. Den Begriff «karkinoma», Karzinom, gaben griechische Gelehrte besonders schweren Verlaufsformen von Krebs. Geschwülste waren auch ein Stigma, und die Betroffenen versuchten, sie zu verstecken. Die grosse Enzyklopädie des Celsus «De medicina» (1. Jahrhundert nach Christus) beschreibt u. a., wie man Blutungen aus verletzten Gefässen unterbinden kann, Gliedmassen am-

putiert und wie man Defekte decken kann. Im Mittelalter war es nur noch heilkundigen Mönchen erlaubt, Hand an den Körper anzulegen, da man dachte, Schmerz gehöre zur Heilung und sei von Gott gewollt. In Basel verfasste der Chirurg Wilhelm Fabry von Hilden (1560–1634) eine Zusammenfassung zeitgenössischer Operationstechniken. Erst mit den grossen Kriegen in Europa wurden die Kriegsfeldschere, Chirurgen, Wundärzte und das medizinische Wissen der Ärzteschaft wieder zusammengeführt und ein Medizinstudium erforderlich.

Die Vorgänger moderner chirurgischer Instrumente

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Perspektive leben · Meilensteine

Hirntumor und Schädeleröffnung Wege zum Gehirn. Ausgrabungen

Traditionelles Handwerkszeug Nadel und Faden.

Neben Hightech-Geräten sind Skalpell, Nadel und Faden immer noch das alltägliche Handwerkszeug jedes Chirurgen. Ein Grossteil des Nahtmaterials in den OP-Schränken ist heute aus Kunststoffen, das Catgut aus Schafdarm wurde ersetzt durch resorbierbares Nahtmaterial (Dexon, Vicryl).

Minimalinvasive Chirurgie Auf kleinstem Raum. Bei der Schlüssellochchirurgie wird in Organen und Körperhöhlen wie dem Bauch- oder Brustraum mithilfe einer Kamera und kleinen Instrumenten über kleine 0,5–2 cm grosse Schnitte operiert. Der Vorteil dieser Methode besteht in kleinen Verletzungen der Haut respektive der Bauchdecke und dem kosmetischen Ergebnis. Geübte Operateure können Magen, Leber, Gallenblase, Dünn- und Dickdarm, Mastdarm, Eierstöcke und Gebärmutter untersuchen und behandeln.

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konnten zeigen, dass Steinzeitheiler bei ihren Patienten nicht nur Schädel aufgebohrt, sondern auch Gliedmas­ sen amputiert haben. Die Trepanation, die Kunst der Schädelöffnung zur Behandlung von Kopfverletzungen, findet sich bei allen Hochkulturen. Das Zeitalter der modernen Neurochirurgen begann mit Harvey Cushing, einem Ausnahmetalent mit Mut. Er fand einen Weg, bis dahin unerreichbare Tumoren im Kopf zu operieren, indem er durch die Nase eindrang. Cushing war einer der Ersten, der Puls und Blutdruck der Patienten während einer Operation überwachen liess. Hirntumor ist eine Sammelbezeich-

nung für alle gutartigen und bösartigen Geschwulste, die innerhalb des Hirnschädels auftreten (intrakranielle Tumoren). Grundsätzlich stehen für die Behandlung bei einem Hirntumor die Operation, die Bestrahlung oder die Chemotherapie bzw. eine Kombination der Möglichkeiten zur Verfügung, wobei meist eine operative Entfernung des Tumors angestrebt wird. Die vorrangigen Ziele einer Hirntumor-Operation bestehen in der Entnahme einer Gewebeprobe, die anschliessend feingeweblich (histologisch) untersucht wird, in der Druckentlastung des Gehirns sowie in der möglichst vollständigen Entfernung der Tumormasse.

Medizintechnik KOllege Roboter. «Ich möchte einmal nicht an Geräten hängend sterben», ist ein viel gehegter Wunsch. Technik ist neutral, weder gut noch böse. Ohne den technischen Fortschritt gäbe es weder ein modernes Rettungswesen, noch eine Narkose, keine Überwachung der Lebensfunktionen und keine sterilen Instrumente oder modernen Operationssäle. Voll- und halbautomatische «Helferlein» bei Operationen aller Art sind nicht neu und führen zu präziserem sowie schnellerem Ausführen bestimmter Operationsschritte. Es wird nicht mehr genäht

Moderne Geräte sind aus der heutigen Medizin nicht mehr wegzudenken.

und getupft, sondern getackert, geklebt und gesaugt. Roboter wie Penelope in der Pflege und Da Vinci im Operationssaal gehören mancherorts bereits zum Team. Gelernt wird nicht mehr am toten Gewebe, sondern an Simulatoren, die auch mal bluten. Die Operation unter dem Mikroskop, die Mikrochirurgie, wurde bereits vor mehr als 40 Jahren eingeführt. Moderne Operationsmikroskope sind in der Neurochirurgie, bei Gefässoperationen, endoskopischen Eingriffen, plastischen Operationen und in der Wiederherstellungschirurgie unverzichtbar.

Fotos: thinkstock

Nadel und Faden gehören auch heute noch zum Handwerkszeug der Chirurgen


Meilensteine · Perspektive leben

Plastische Chirurgie Wiederherstellen. Die Plastische

und Wiederherstellungschirurgie befasst sich mit Geburtsfehlern und Missbildungen, mit Unfallursachen sowie Haut- und sonstigen anatomischen Verlusten, die durch Tumoren verursacht werden. Bereits im alten Persien und Indien kannte man Methoden, um eine abgefallene oder abgeschnittene Nase durch einen gestielten Lappen zu ersetzen. Die plastische, rekonstruktive und äs-

thetische Chirurgie von heute deckt ein breites Feld ab. Die Entwicklung in der Mikrochirurgie, neue Instrumente und Materialien ermöglichen es, Narben und onkologische Defekte, Erkenntnisse aus der regenerativen Medizin und dem «tissue engineering» (englisch Gewebekonstruktion bzw. Gewebezüchtung) werden dabei die tägliche Praxis der chirurgischen Wiederherstellung bereichern.

Blutstillung Unblutige Eingriffe. Operatio-

nen und Amputationen gehen mit Blutverlusten einher, da Gefässe eröffnet werden. Im Zeitalter der frühen Heiler presste man ein glühendes Eisen auf die Operationswunde oder verwendete ätzende Stoffe. Heute erfolgt die Kauterisierung

(Ätzung, Verbrennung) mit Strom und feinsten Präzisionswerkzeugen während der Operation. Auch bei der Schlüssellochchirurgie sind diese Instrumente unverzichtbar und führen dazu, dass praktisch kein Blut im Operationsfeld zu sehen ist.

Desinfektion Bakteriengefahr. Wundinfek-

tionen führten bis vor 200 Jahren häufig auch nach erfolgreicher Operation zum Tod. Die Geschichte der Hygiene im Spital ist untrennbar mit Ignaz Semmelweiss verbunden, der den Zusammenhang von Kindbettfieber und Schmutzinfektion über die Hände erkannte. Fast zeitgleich fand der schottische Arzt Joseph Lister heraus, dass Karbol – bis dahin als Abflussreiniger genutzt – auch Keime in Wunden bekämpft. Joseph Lister, Louis Pasteur und Robert Koch gelten als bedeuten-

de Wegbereiter der Verhütung von Infektionen durch Mikroorganismen. MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ist ein multiresistenter Erreger, der in Spitälern Infektionen verursacht. Wenn das Immunsystem durch eine Erkrankung oder eine Wunde – etwa nach einer Operation – geschwächt ist, kann das Bakterium für den Patienten zur Gefahr werden. Der beste Schutz vor einer Infektion mit Spitalkeimen ist die Desinfektion der Hände oder Geräte.

Quellen: 1. Ausstellungskatalog 1996 150 Jahre Anaesthesie. 2. Michael Sachs: Geschichte der operativen Chirurgie in 5 Bänden, Kaden Verlag Heidelberg 3. Kauz D. Vom Tabu zum Thema? 100 Jahre Krebsbe-

ISBN 978-3-7965-2671-8. 4. Vincent T. DeVita, Jr., M.D., and Steven A. Rosenberg, M.D., Ph.D.: Two Hundred Years of Cancer Research. N Engl J Med 2012;366:2207-14.

kämpfung in der Schweiz 1910–2010. Basel: Schwa-

5. www.safesurgery2015.org

be; 2010. Ca. 240 Seiten, 140 Farbabbildungen.

6. www.plasticsurgery.ch

Anästhesietechniken Schmerzfreiheit. Fast 170 Jah-

re liegt der Tag zurück, an dem unter der ersten erfolgreichen Allgemeinnarkose mit Äther eine Tumorentfernung in Amerika durchgeführt wurde (Boston, 16. Oktober 1846). Bis dahin standen mit Mohnsaft, Bilsenkraut, Alraune, Laudanum und Branntwein nur völlig unzureichende Schmerzstiller zur Verfügung. Die erste Mitteilung zur Äthernarkose in der Schweiz erschien bereits Anfang 1847. «Anästhesie» (griechisch Unempfindlichkeit) und im deutschen Sprachgebrauch das Wort «Narkose» (griechisch Lähmung) waren rasch bekannt. Königin Viktoria von England gebar zweimal unter Chloroform-Einwirkung – die Schmerzfreiheit war hoffähig. Interessanterweise war es Sigmund Freud, der erste entscheidende Schritte zur Lokalanästhesie mit Kokain bei Augenoperationen setzte. Beruhigungsmittel und Lokalanästhetika wie Novocain, Curare oder Barbiturare, Inhalationsnarkotika und starke Schmerzmittel erlauben heute eine individuelle Steuerung der Narkose. Eine Operation wird dank Bewusstlosigkeit, Schmerzlosigkeit oder Muskelerschlaffung verschlafen. Die Überwachung von wichtigen Körperfunktionen, Atmung und Kreislauf übernimmt der Anästhesist, auch die weitere Betreuung auf der Aufwach- und Intensivstation.

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Perspektive leben · Brustkrebs

Wiederaufbau der Brust und Asymmetriekorrektur

Damit Sie sich wieder ganz und gesund fühlen Für Brustkrebsbetroffene ist die Wiederherstellung der Brust von enormer Bedeutung für das eigene Körpergefühl und Wohlbefinden. Viele Frauen benötigen jedoch auch eine Korrektur an der gesunden Brust, wenn eine an Brustkrebs erkrankte Brust abgenommen wurde. Neben ästhetischen Gründen ist diese auch wichtig, um späteren Haltungsschäden vorzubeugen. Zur Brustangleichung stehen verschiedenen Verfahren zur Wahl.

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s gibt mehrere Möglichkeiten, wie ein Wiederaufbau der weiblichen Brust nach einer Brustamputation erfolgen kann. Jede Patientin hat den Anspruch, schon vor der Tumorentfernung über die verschiedenen Techniken des Brustaufbaus informiert zu werden. Für die Patientinnen werden jeweils individuelle Lösungen entwickelt, das Ergebnis sollte für die Frau so gut als möglich stimmen. Das setzt voraus, dass die Frau sich schon früh überlegt, was ihr am wichtigsten ist. In manchen Spitälern erfolgt der Brustaufbau bereits während der ersten Operation. Das hängt vom Stadium der Erkrankung, der Vorgeschichte und den Vorstellungen der Frau ab. Vorrang hat die Behandlung der Krebserkrankung. Es gilt, dass die Entscheidung nicht in einer Hauruck-Aktion gefällt werden muss. Wenn eine Frau erst nach erfolgter Krebstherapie wieder nachdenken und entscheiden kann, ist das auch gut.

wiederherstellende Chirurg sollte in der Lage sein, der Patientin verschiedene Techniken des Eigengewebsaufbaus anbieten zu können, und nicht nur auf ein oder zwei Techniken beschränkt sein. Die verschiedenen Rekonstruktionsarten unterscheiden sich wesentlich in ihrem Schwierigkeitsgrad und werden nicht von jedem beherrscht.

Lipofilling – Eigenfettbehandlung

Die sogenannte autologe Fetttransplantation, also das Einbringen von zuvor an anderer Stelle entnommenen Fettzellen, erlebt nach der Erstanwendung vor über hundert Jahren eine Renaissance. Sie wird sowohl im Bereich der Rekonstruktion eingesetzt, z. B. zur Narbentherapie, zur Formkorrektur im Bereich der Brust, zur Brustrekonstruktion oder bei der Kapselfibrose (harte bindegewebsartige Kapsel) nach Einsetzen eines Implantats. Volumenergänzung und Vergrösserung der Brüste sind möglich, Wiederaufbau mit Eigengewebe daher wird diese Methode auch in der SchönheitschirurDie Wiederherstellung der Brustform und der Brustgie angewendet. Der grosse Vorteil dieser Art der Brustwarze ist bei einseitig und beidseitig amputierter Brust wiederherstellung ist ein sehr natürliches und ästhetisches Ergebnis. Der operative Eingriff ist möglich. Muss bei einer Patientin nur eine Seite jedoch aufwendiger, es entstehen Wunden aufgebaut werden, kann für ein symmetrisches Aussehen eine angleichende Operati«Für jede Frau in zwei Regionen mit zusätzlichen Narben. Am Fachkongress Senologie (französisch: on der anderen Brust nötig sein. Bei einem gibt es eine Wiederaufbau ohne Implantat wird nach Lehre von der weiblichen Brust) in St. GalLösung» Möglichkeit Gewebe vom Bauch genomlen stellte Dr. Klaus Ueberreiter, Plastische men, auch der Rücken oder das Gesäss bzw. Chirurgie, Klinik Birkenwerder, Berlin, seine der Oberschenkel kommen als Spender infraErgebnisse mit Lipofilling vor. Dabei müssen ge. Haut, Unterhautgewebe und Muskel werden je nach Absaugung, Aufbereitung und das Wiedereinbringen des Bedarf entnommen und an Ort und Stelle gebracht. Fettes in einem Vorgang erfolgen. Möglichst viele Zellen Es gibt zahlreiche Methoden mit Vor- und Nachteilen, sollten den Prozess überstehen. Die Aussagen zur Einheiüber die betroffene Frauen informiert sein sollten. Der lungsrate schwanken beträchtlich zwischen 30 % und 30 ·

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Brustkrebs · Perspektive leben

Das will Europa Donna Schweiz – das Schweizer Brustkrebsforum Brustkrebs ist die häufigste Krebsdiagnose bei Frauen: Jede zehnte Frau in der Schweiz wird im Verlauf ihres Lebens mit dieser Krankheit konfrontiert. Jährlich erhalten in der Schweiz rund 5000 Frauen die Diagnose Brustkrebs, rund 1350 Frauen sterben an dieser Krankheit. Doch Brustkrebs ist kein reines Frauenproblem, sondern wirkt sich auf das gesamte Gesundheitswesen, das Erwerbs- und Privatleben aus. Europa Donna Schweiz setzt sich mittels Vernetzung und politischer Überzeugungsarbeit für die Anerkennung und die rechtliche Umsetzung der Qualitätssicherung und der Behandlung von Brustkrebs ein. www.europadonna.ch

Foto: thinkstock

Mittels Lipofilling können bei der Rekonstruktion und der Formkorrektur sehr natürliche Ergebnisse erzielt werden.

über 80 %. Die Durchblutungssituation im Bereich der Fettinjektion ist entscheidend, sie kann nach einer Vorbestrahlung oder auch bei Raucherinnen schlechter sein. Häufig sind wiederholte Fetttransplantationen notwendig. Besonders erstaunlich sei, dass durch das Verfahren offenbar auch regenerative Effekte stimuliert werden,

erklärte Dr. Ueberreiter. So können sehr gute Ergebnisse bei stark vernarbtem oder auch durch Bestrahlung geschädigtem Gewebe erreicht werden. Quelle: Kongress Senologie St Gallen 2014, Website Europa Donna Schweiz, Broschüre «Eine neue Brust? Chirurgischer Wiederaufbau nach Brustkrebs» der Krebsliga Schweiz – www.krebsliga.ch

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Perspektive leben · Forschung

Dem Tumor-Erbgut auf der Spur

Was medizinische Gentests h Fortgeschrittene Tumorerkrankungen sind durch eine grosse Vielfalt an Erbgutdefekten in den Krebszellen gekennzeichnet. Spricht eine Erkrankung nicht wie erwartet auf eine Behandlung an, so kann durch eine gezielte Suche im Erbgut möglicherweise noch ein weiterer Ansatzpunkt gefunden werden. Fachleute sehen in diesem Ansatz, auch als zielgerichtete Medizin bezeichnet, die Zukunft. Perspektive LEBEN fragte Dr. Rudolf Morant, medizinischer Leiter vom Tumor- und Brustzentrum ZeTuP in der Ostschweiz, wann er seinen Patienten eine solche Untersuchung empfiehlt.

Mein persönlicher Rat Dr. Rudolf Morant Medizinischer Leiter vom Tumor- und Brustzentrum ZeTuP in der Ostschweiz

«Wer sich auf einen genetischen Test einlässt, sollte genau wissen, welche Informationen er bekommt und was diese bedeuten.»

Wie weit sind die in den Medien propagierten Möglichkeiten genetischer Tests bereits verbreitet? Kommen Patienten mit Krebsangst mit Testergebnissen zur Interpretation? Dr. Morant: Ja, es gibt Patienten,

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die über das Internet ausführliche Untersuchungen über ihr gesamtes Erbgut durchführen liessen. Das ist aber eher die Ausnahme. Diese Tests sind dann an gesunden Körperzellen vorgenommen worden. Das sind teilweise sehr ausführliche Analysen, die Frage der Interpretation und der konkrete Nutzen dieser Ergebnisse ist jedoch oft schwierig und komplex. Eine Studentin befragte mich kürzlich zu ihrer Analyse. Ihr Brustkrebsrisiko sei dreifach erhöht. Sie wisse nun nicht, was das bedeute. Ich habe ihr zu einer Vorsorgeuntersuchung geraten, mal einen Ultraschall machen zu lassen. Ich denke, solche Tests sind nur sinnvoll, 32 ·

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wenn schon vorher mit einem Arzt gesprochen wurde. Wer sich auf einen genetischen Test einlässt, sollte genau wissen, welche Informationen er bekommt und was diese bedeuten. Manche Patienten möchten sich darauf einstellen, wenn sie z. B. ein höheres Alzheimerrisiko haben. Andere möchten sich über ihre für Veranlagung von Krankheiten informieren, um vorbeugend zu handeln. Womit befassen Sie sich vorwiegend? Dr. Morant: Für mich als Onkolo-

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ge sind die medizinischen Gentests wichtiger, die im Zusammenhang mit einer familiären Krebserkrankung oder von den Krebszellen aus Tumoren gemacht werden. Etwa 10 % der Erkrankungen sind genetisch bedingt, also Mutationen. Sie führen zu einer Veranlagung, die das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöht. Wenn man die

bekannteste genetische Veränderung hat, wie Angelina Jolie, so ist das eine Mutation im Brustkrebsgen 1 oder 2. Das heisst, dass die Wahrscheinlichkeit, Brustkrebs zu bekommen, im Lauf des Lebens bei um 80 % liegt, oder für Eierstockkrebs um 40 %. Solche zu Krebs führenden Erbgutveränderungen kennen wir auch beim Schilddrüsenkarzinom, beim Dickdarmkrebs, beim schwarzen Hautkrebs und bei zahlreichen weiteren Tumoren. Es sind zahlreiche Gene bekannt, die verändert sein können und das Risiko für Krebs erhöhen können. Das sind aber alles nur ungefähre Zahlen, viele Zusammenhänge kennen wir noch nicht. Wann machen Sie so eine Testung? Dr. Morant: Wir gehen meist von

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der Familienanamnese aus. Wenn Geschwister, Eltern oder Grosseltern an einem bestimmten Krebs erkrankt sind, dann könnte eine erbliche Veranlagung vorhanden sein. Man sollte schon eingrenzen können, auf welche Gene sinnvollerweise getestet werden soll. Früher hat man einzelne Gene untersucht, heute schaut man auf eine Serie der bekanntesten für Krebs besonders empfänglichen Gene. Gen-Analysen sind teuer, solche Tests kosten etwa 4000 Franken. Wenn die Familien-


Forschung · Perspektive leben

heute leisten können

Foto: Sabrina Eichler/AG Jochen Meier/MDC Berlin

«Die Untersuchung des Erbguts von Tumorzellen kann bei der Diagnose und Therapie helfen.»

anamnese eine Mutation nahe legt, dann ist die Abklärung eine Kassenleistung. Was bedeutet es für den Patienten, wenn Mutationen gefunden werden? Dr. Morant: Das hängt vom Alter

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ab und was der Patient möchte. Wenn eine Mutation vorliegt, dann kann eine intensive Vorsorge mit regelmässigen Untersuchungen erfolgen oder

als konsequenteste Massnahme eine prophylaktische Operation, z. B. eine Brustamputation. Das hat Folgen für die Patienten und die Verwandtschaft. Das Recht auf Wissen und das Recht auf Nichtwissen müssen garantiert werden. Was ist ein Tumorprofiling und wie häufig ist das nötig? Dr. Morant: Tumorprofiling ist

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ein ganz anderes Gebiet. Hier geht

es darum zu untersuchen, ob der Tumor biologische Eigenschaften hat, gegen die sich bestimmte Medikamente richten. Bestimmte Stoffwechselwege in den Krebszellen sind blockierbar, das kann alles aus den Genen abgelesen werden. Bei einem Mammakarzinom mit bestimmten Eigenschaften beispielsweise wissen wir, welche Medikamente in der ersten, zweiten, dritten Linie gegeben werden können. Ist das » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Forschung

Hintergrund medizinische Gentests Krebserkrankungen sind sehr vielfältige Krankheiten, es gibt nicht «den Krebs». Durch Gen-Analysen, also die die Aufschlüsselung der Erbanlagen in Tumorzellen, verstehen Wissenschaftler und Kliniker immer genauer, welche Veränderungen zum Wachsen anregen oder eine Tumor-Absiedelung in andere Organe ermöglichen. Für die mehr als 200 Krebsarten sind bereits Millionen Gen-Veränderungen bekannt, die in beliebigen Kombinationen auftreten können. Das macht es einem einzelnen Arzt quasi unmöglich, ständig auf dem neuesten Stand zu bleiben. Mittels grosser Gen- und Behandlungsdatenbanken will man das Problem lösen. Aufgrund der Erfolge in der Krebsforschung steigt die Zahl der Arzneien, die erst nach einem genetischen Test angewendet werden sollen, um das beste Behandlungsergebnis zu erzielen. Schon lange richten Krebsmediziner z. B. die Brustkrebstherapie Rezeptorstatus für Hormone oder Wachstumsfaktoren aus. Die Akzeptanz von Patienten für Gentests ist vorhanden. Bei einer Befragung in Toronto gaben 70 % der Patienten an, dass die Testergebnisse das Potenzial hätten, die Richtschnur für die beste Wahl der Behandlung zu sein. Angst vor den Ergebnissen hatten sie nicht. Und auch die Bereitschaft, für die Forschung ihre Daten in Biobanken zur Verfügung

ausgereizt, also keine Standardtherapie mehr vorgegeben, dann kann man eventuell Hinweise auf weitere noch wirksame Behandlungen durch Tumorprofiling bekommen. Die Antwort ist leider nicht immer hilfreich, das kann aber durchaus ein möglicher Weg sein. Eine wichtige Indikation sind die Krebserkrankungen, bei denen man nicht feststellen kann, wo der Ersttumor sitzt. Da hilft das Genprofiling, die Herkunft einzugrenzen und damit Hinweise auf eine mögliche Behandlung zu erhalten. Kürzlich hatte ich den Fall einer Patientin mit zahlreichen Sarkommetastasen (Sarkome sind Tumoren, die vom Bindegewebe ausgehen). Der Pathologe konnte es nicht eingrenzen. Die Frau bekam eine wirksame, aber belastende Chemotherapie, und wollte anlässlich 34 ·

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zu stellen, ist gross. Medizinische Gentests sind dem Gesetz für genetische Untersuchungen am Menschen (GUMG) unterworfen und streng reguliert. Sie dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten veranlasst werden. Am grössten amerikanischen Krebskongress 2014 zeigten viele Studienergebnisse, wofür medizinische Gentests bereits zum Einsatz kommen: n bei der Vorhersage, ob eine Behandlung wirken könnte n zur Vermeidung von unangemessenen bzw. nicht wirksamen Behandlungen n für die Vorhersage zu schlimmen Nebenwirkungen von Behandlungen n zur Information über gefährliche Wechselwirkungen zwischen Krebsmedikamenten und anderen Mitteln n zur Bestimmung genetischer Veränderungen, welche die Krebszellen angreifbar durch massgeschneiderte Medikamente machen n zum Abgleich mit Datenbanken und Interpretation der Ergebnisse über die standardmässige DNS-Analyse hinaus n zu Studien in der Nähe, an denen ein Patient teilnehmen kann n um Rückschlüsse auf den Krebsursprung zu ziehen, wenn kein Ersttumor gefunden wurde.

eines Rückfalls keine aggressive Behandlung mehr. Eine Biopsie wurde im Labor aufgearbeitet. Das Sarkom war östrogenpositiv und wir konnten erfolgreich mit einem Aromatasehemmer (reduziert die Produktion von Östrogen) behandeln. Die Laboruntersuchungen führten so zur genauen Diagnose eines Stromasarkoms des Uterus. Bei solchen speziellen Fällen hilft das sehr weiter. Vor allem weil die Relevanz auch interpretiert wird und man gezielte Vorschläge gemäss Literatur bekommt. Bei Problemen kann man mit dem Experten in der Firma telefonieren. Kann man sagen: Mutation bekannt, Tumor gebannt? Dr. Morant: Das wäre zu einfach.

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Wir gehen davon aus, dass jedem

Krebsleiden mehrere genetische Mutationen zugrunde liegen. Diese entstehen im Laufe der Zeit und sind im Tumor und den Absiedelungen auch nicht ganz gleich. Erbgutveränderungen treten auch im Laufe der Krebserkrankung auf, ein fortgeschrittener Tumor besteht aus einer Gruppe von verschiedenen «Tochterklonen». Die verschiedenen Klone unterscheiden sich in klinischen Aspekten, etwa im Ansprechen auf die Behandlung. Darum kann eine Behandlung auch für den Ersttumor wirksam sein, nicht aber für die Absiedelungen. Das bedeutet, dass eine Analyse aus älterem Gewebe nicht unbedingt zielführend ist. Die genetische Abklärung zu einem bestimmten Zeitpunkt kann Hinweise geben, welche Medikamente noch wirken könnten. Interview: Dr. Susanne Schelosky


Menschen · Perspektive leben

Krebspreis und Krebsmedaille 2014

Unermüdlicher Einsatz im Kampf gegen Krebs Felix Gutzwiller wurde Mitte September in Fribourg mit dem Krebspreis 2014 ausgezeichnet. Dank seiner beharrlichen Arbeit als Präventivmediziner und Gesundheitspolitiker konnte die Krebsbekämpfung in der Schweiz entscheidend vorangetrieben werden. Beatrice Tschanz bekam ihre Krebsmedaille bereits im August überreicht. Als langjährige Verbündete und Botschafterin der Krebsliga setzte sie markante Zeichen für Krebsbetroffene und ihre Angehörigen.

ihm stets im Fokus seiner Arbeit. Nachhal«Engagiert jährige Krebspreis geht an Professor Dr. im Dienste der tig setzte er sich für das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen und für das PräFelix Gutzwiller, ehemaliger und langjähKrebsliga» riger Direktor des Instituts für Sozial- und ventionsgesetz ein. Er engagiert sich für ein Präventivmedizin der Universität Lausanne gesamtschweizerisches Krebsregister und für (1983–1988) und des gleichnamigen Instituts in den Forschungsplatz Schweiz. Als Mediziner und Gesundheitspolitiker stellt er sein ausgezeichnetes Zürich (1988–2013). Mit dem seit 1960 verliehenen und mit 10 000 Franken dotierten Preis würdigt die Krebsliga Netzwerk in Medizin, Wissenschaft und Politik sowie sein seinen Einsatz. umfassendes Wissen auch in den Dienst der Krebsliga: Prof. Gutzwiller ist Mitglied des Vorstandes der Krebsliga Zürich. Beruf und Berufung in einem – Felix Gutzwiller hat Die Krebsmedaille der Krebsliga Schweiz wird zur Würsein Leben der Verbesserung der «Public Health», der digung hervorragender Verdienste auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit, gewidmet. GesundheitsfördePrävention, der Früherkennung sowie der Bekämpfung rung und Krankheitsprävention sowie die Erhöhung der Lebensqualität der Bevölkerung standen und stehen bei der Krebskrankheiten und ihrer Folgen verliehen. Dieses Jahr ging die Medaille an Beatrice Tschanz für ihr langjähriges Engagement und die überzeugende, emotionale Vermittlung der Botschaften der Krebsliga. Im jährlich wiederkehrenden InfoMonat Brustkrebs war Beatrice Tschanz als Botschafterin für die Solidarität mit Brustkrebsbetroffenen aufgetreten. Bei ihrem 100-jährigen Jubiläum durfte die Krebsliga Schweiz 2010 von Beatrice Tschanz‘ geballtem Know-how und umfassendem Netzwerk profitieren. Eines hatte Beatrice Tschanz bei der EntDie Krebliga würdigt gegennahme der KrebsmedailBeatrice Tschanz le klar gefordert: «Die Krebsliund Professor Felix ga soll sich immer bewusst Gutzwiller für ihre sein, dass der betroffene Verdienste im Kampf Mensch und die Angehörigen gegen den Krebs. im Zentrum stehen.» Dieser Fotos: zVg (2) Forderung kommt die Krebsliga auch in Zukunft mit vollem Einsatz nach. Verdienstvoller Einsatz. Der dies-

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Perspektive leben · hirntumor

Wie neue Operationsmöglichkeiten und Medikamente helfen

Fortschritte bei der Behandlu Die Diagnose eines bösartigen Hirntumors ist auch heute noch sehr oft der Beginn eines Dramas. Im Mittel überleben Patienten mit einem Glioblastom, der häufigsten bösartigen Form, etwa eineinhalb Jahre. Umso energischer wird in der Neuroonkologie nach neuen Therapiemöglichkeiten geforscht.

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erscheinungen wie creening und Vorbeugung spielen «Hirntumoren epibei den Tumoren, die vom Hirnkann man nicht Lähmungen, leptische Anfälle gewebe ausgehen, bislang keine vorbeugen» und psychische Rolle. Die Liste von angeführten Veränderungen Ursachen ist lang, nicht zuletzt wurden immer wieder Handystrahlen erwähnt. (s. Kasten). Die DiEine von der WHO initiierte Studie konnte keine Hinweiagnose erfolgt mit Magnet resonanztomografie, auch se auf eine krebsfördernde Wirkung der Handynutzung Kernspintomografie geerkennen. Hingegen fanden französische Wissenschaftler nannt, mit und ohne heraus, dass Personen, die mehr als 15 Stunden pro Monat Kontrastmitteldarstelüber fünf Jahre mit dem Handy telefonieren, ein erhöhtes lung. Mit der Angiografie Risiko haben, bestimmte Gehirntumoren zu entwickeln. wird die Durchblutung Die Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation des Gehirns radiologisch WHO der Tumoren des Zentralnervensystems beruht untersucht. darauf, aus welchen Zellen des Gehirns sich die Zellen Mithilfe von Erbgutanades Tumors entwickelt haben. Man unterscheidet z. B. lysen lassen sich heute Gliome, die sich aus den Gliazellen, dem Stützgewebe zahlreiche genetische des Nervensystems bilden, oder Meningeome, die aus Veränderungen diden Hirnhäuten (Meningen) entstehen. Wichtig ist es, agnostizieren. Die das Gewebe histologisch zu untersuchen, da die weitere Zukunft liegt dartherapeutische Vorgehensweise davon abhängt. In der in, anhand dieser wissenschaftlichen Literatur werden mehr als 130 verVer ä n der u n gen schiedene Arten von Tumoren des zentralen Nervensysgezielte Behandtems beschrieben. lungen einzusetDas mittlere Alter von Glioblastom-Patienten liegt bei zen, die das Wachsüber 60 Jahren. Es sind die ersten Symptome, die den tum des Tumors und Weg weisen. Typisch sind Hirndruckzeichen, Ausfallsseiner Gefässe sowie das Umfeld des Tumors so verändern, dass er nicht mehr weiterwächst. Auch die BlutMögliche Symptome eines Hirntumors Hirn-Schranke, die eigentlich n K opfschmerzen, die oft in der Nacht oder in den ersten einen wichtigen Schutz für das Morgenstunden auftreten Organ darstellt, soll zeitweilig n Übelkeit und Erbrechen infolge des erhöhten Schädeldrucks für Medikamente gegen den Tun Schwindel und Gleichgewichtsstörungen mor durchlässig gemacht werden. n Sehstörungen, Sprachstörungen und Wortfindungsprobleme Welche der zahlreichen Ansätze n Veränderung der Stimmung und des Verhaltens erfolgreich sind, werden die nächsQuelle: Krebsliga Schweiz ten Jahre zeigen. Studien sind in allen Bereichen vielversprechend. 36 ·

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Hirntumor · Perspektive leben

ung von Hirntumoren Neue Operationsmethode Wenn möglich wird der Tumor, so gut es geht, operativ entfernt und nachbestrahlt. Ein Team von Neurochirurgen um Professor Dr. Andreas Raabe vom Inselspital Bern hat ein weltweit neues bahnbrechendes Sicherheitskonzept bei Hirnoperationen entwickelt. Während einer Operation müssen die Neurochirurgen besonders auf die Zentren, welche die Bewegung, die Sprache und das Sehen steuern, achten. Wenn diese Zentren beschädigt werden, kann es zu Lähmungen oder zu einem Verlust der Verständigung mit der Umwelt kommen. Durch besondere Techniken wird bereits während der Operation geprüft, ob die entsprechende Hirnregion auch tatsächlich noch funktioniert.

«Im Gehirn können verschiedene Tumoren entstehen. Am häufigsten sind die bösartigen Glioblastome.»

Foto: thinkstock

Welche Medikamente wirken Kortison ist ein wichtiges Medikament, um lebensbedrohliche Hirnschwellungen zu behandeln. Anti­ epileptika wirken gegen Anfälle. Bei einem neu diagnostizierten Glioblastom kann das Chemotherapeutikum Temozolomid bei jüngeren Patienten «Vertrauen auf während oder nach eine sichere der Strahlentherapie Operation» verabreicht werden. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Hemmern der Gefässneubildung wie Bevacizumab oder noch neuerer Substanzen, die derzeit noch geprüft werden. Von besonderer Bedeutung ist ein früher und konsequenter Einsatz der Neurorehabilitiation. Vorhandene Fähigkeiten können bestmöglich verbessert werden. Kommt es zu einem Rückfall, kann in vielen Fällen ein zweites Mal operiert und bestrahlt werden. Bis vor Kurzem glaubte man, dass ein Glioblastom keine Metastasen ausserhalb des Nervensystems bilden kann. Forscher haben aber bei einigen der von ihnen untersuchten Glioblastom-Patienten Krebszellen im Blut nachgewiesen. Quellen: EANO Guidelines Lancet Oncol 2014; 15: e395–403. www.jamaneurology.com www.hirntumorhilfe.de www.krebsliga.ch

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Perspektive leben · Blutarmut

Blutarmut bei Krebspatienten

Konserven nur selten notwen Im Rahmen einer Krebserkrankung kann es durch das Tumorleiden selbst oder aber die Behandlungen zu einer Blutarmut kommen. Es ist wichtig, diese rechtzeitig zu erkennen und mit geeigneten Massnahmen zu behandeln. Ziel ist es, Bluttransfusionen zu vermeiden, da diese mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden sind.

«Müdigkeit ist Patienten zuerst vor allem Müdigkeit und ter einer Blutarmut (Anämie) versteht man Abgeschlagenheit. Durch die Sauerstoffunein häufiges eine Verminderung der Anzahl roter Blutterversorgung sind Haut und Schleimhäute Symptom.» körperchen (Erythrozyten) oder des roten oft blass. Da auch das Gehirn nicht mehr Blutfarbstoffes. Das Blut wird im Knochengenug Sauerstoff erhält, kommt es zu Konmark gebildet. Dieses kann durch bestimmte zentrationsstörungen, Schwindel, Kopfweh oder bösartige Tumoren, Absiedelungen und BlutkrebserÜbelkeit. All diese Symptome wirken sich sehr häufig nekrankungen so geschädigt werden, dass zu wenig neue gativ auf die Lebensqualität aus. Blutzellen gebildet werden können. Auch eine StrahlenBei Blutarmut in Folge einer Chemotherapie misst der behandlung, Chemotherapie und Infektionen können Arzt verschiedene Laborwerte. Wird bei der Blutuntersuzur Blutarmut führen. Die Anämie macht sich durch chung ein Eisenmangel festgestellt, muss dieser behoben unterschiedliche Symptome bemerkbar. Oft spüren die werden. Zu wenig rote Blutkörperchen. Un-

Blutkonserven sollten bei Blutarmut nur im Notfall eingesetzt werden.

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Blutarmut · Perspektive leben

Blut – was ist das eigentlich? n Blut macht etwa 7 % des Körpergewichts aus.

ndig

n Ein Erwachsener mit einem durchschnittlichen Gewicht

hat etwa 5–6 Liter Blut. n Blut enthält rote und weisse Blutkörperchen, Plasma

sowie Blutplättchen. n Rote Blutkörperchen transportieren Sauerstoff von der

Lunge in die Gewebe des Körpers. n Es gibt etwa eine Milliarde rote Blutkörperchen in zwei

bis drei Tropfen Blut. n Das gesunde Knochenmark liefert die zellulären Blutbe-

standteile nach Bedarf. n Weisse Blutkörperchen dienen der Immunabwehr. n Plasma hilft, den Blutdruck aufrecht zu erhalten, führt

Blutzellen, Nährstoffe, Enzyme und Hormone und liefert Proteine zur Blutgerinnung und Abwehr. n Es gibt bis heute keinen Ersatz für menschliches Blut. n Kranke und Verletzte sind auf Blutspenden ange-

wiesen.

Eine Anämie kann bei Krebspatienten auch durch chronische Blutungen in Verbindung mit gewissen Tumortypen, z. B. Magen-Darm-Tumoren, ausgelöst werden oder Fol-

ge einer gestörten Eisenverwertung sein, die durch den Tumor selbst oder durch Medikamente der Chemotherapie verursacht wird.

Fotos: thinkstock (3), fotolia/kasto (1)

Die Therapie Um eine Blutarmut zu behandeln, die durch eine Chemotherapie hervorgerufen wurde, werden an erster Stelle Medikamente eingesetzt, welche die Bildung von roten Blutkörperchen anregen, die sogenannten Erythropoese-stimulierende Substanzen (ESA) wie Erythropoetin. Auch können Konzentrate von roten Blutkörperchen gegeben werden. Blut-Transfusionen werden angesichts der damit insbesondere bei Krebspatienten verbundenen Risiken wie Transfusionsreaktionen, Infektionen oder Thromboembolien, nur dann eingesetzt, wenn die anderen Möglichkeiten zu wenig rasch greifen. Bei Eisenmangel und gleichzeitiger Therapie mit Erythropoese-stimulierenden Substanzen hat sich die intravenöse Gabe von Eisen bewährt. Das empfiehlt auch ein aktueller Leitfaden für Ärzte.1 Gemäss dieser Richtlinie sind Eisenpräparate, die direkt in die Vene gegeben werden, im Vergleich zu den häufiger eingesetzten Eisentabletten besser wirksam. Der Arzt kann sie mit den Medikamenten, die zusätzlich die Bildung von roten Blutkörperchen anregen, kombinieren. 1. National Comprehensive Cancer Network. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®). Cancer- and Chemotherapy-Induced Anaemia. Version 1.2013. Verfügbar unter: www.nccn.org

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Perspektive leben · Schonende Chirurgie

Operation von Prostatakrebs

Klein, aber fein: wenn der Roboter hilft Bösartige Prostatatumoren werden häufig schon früh erkannt. Digitale Technik kann die Behandlungs- und Heilungserfolge erheblich steigern. Wie die Roboter-Methode hilft und wann sie zum Einsatz kommen kann, erläutert dieser Beitrag.

Stahl-Helfer. Jährlich werden in der «Heute genügt schränkt und in einem frühen Stadium. Bei derartigen Befunden kann auf die Schweiz etwa 6000 neue Fälle von Prostaoft ein kleiner konventionelle Operation oft verzichtet takrebs diagnostiziert. Noch immer gilt die Schnitt» vollständige Entfernung der Prostata als die werden. Der Operateur wählt dann immer beste Methode, den Prostatakrebs zu besiehäufiger eine sogenannte minimalinvasive gen. Ist die Erkrankung weiter fortgeschritten, Operation. Im Unterschied zu konventionelwird die Operation meist nach «konventioneller» Techlen Operationen werden bei dieser Methode wenige nur nik durchgeführt. Dazu wird meist ein 8–10 cm grosser sehr kleine Schnitte durch die Bauchhöhle gemacht. Schnitt durch die Bauchdecke notwendig. Diese OperaDurch diese Schnitte werden dann kleine und vielseititionsmethode wird seit Anfang des letzten Jahrhunderts ge Instrumente und Kameras zum Operationsfeld eingeführt. Der Operateur führt die Operation sozusagen angewendet und ständig verbessert. Argumente für dieses Vorgehen sind, dass der Chirurg bei fortgeschrittenen Tumoren das Becken gut überblicken kann, dass die Prostata oft gross ist und dass Lymphknoten – wenn nötig – mit Überblick besser entfernt werden können.

Frühe Erkennung – kleinere Schnitte Den verbesserten Vorsorgeprogrammen und moderner Diagnostik ist zu verdanken, dass bösartige Prostatatumoren schon frühzeitig erkannt werden können. Der Krebs ist dann meist noch klein, auf die Prostata be-

So finden Sie Ihr Behandlungszentrum n Holen Sie eine Zweitmeinung ein. n Bevorzugen Sie ein zertifiziertes Prostatazentrum.

Mindestens sollten: n roboterassistierte und konventionelle Operationen an der Tagesordnung sein n interdisziplinäre Sprechstunden angeboten werden n Schnellschnitte im OP durchgeführt werden können n für den Notfall ein Herz-Lungen-Spezialist und Röntgengerät verfügbar sein n die Arbeit von Schmerztherapeuten und Diätassistenten etabliert sein

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Der Roboter ermöglicht es dem Arzt, mit grosser Präzision zu operieren: Das Gerät gleicht sogar das natürliche Zittern der Hände aus. Fotos: [2014] Intuitive Surgical, Inc. (2)


Schonende Chirurgie · Perspektive leben

von aussen aus. Diese Methode reduziert die Belastung der Patienten vor und nach der Operation erheblich.

Der Roboter als Assistent

«Der Roboter verringert die Belastung»

Die Fortentwicklung der klassischen minimalinvasiven Operation ist die roboterassistierte Operation. Bei dieser Methode werden die winzigen Instrumente und die Kamera durch fünf kleine Schnitte an das Operationsfeld geführt und dann an einen elektrisch gesteuerten Roboter angeschlossen. Der Operateur sitzt neben dem Patienten an einer Bedienungskonsole, die Arme aufgestützt und die Hände in einer sehr feinfühligen Übertragungseinheit. Im Gegensatz zur klassischen minimalinvasiven Operation werden dadurch die Bewegungen des Operateurs nicht freihändig, sondern eben durch den Roboter auf die Instrumente am Patienten übertragen. Daher der Name roboterassistierte Operation: Der Operateur steuert. Der Roboter führt aus. Ein Assistent nimmt darüber hinaus direkt beim Patienten weitere unterstützende Massnahmen vor.

«Ferngesteuerte» Operationen als Ziel Entwickelt wurde diese Technik, um ferngesteuerte Operationen – auch über Kontinente hinweg – durchführen zu können. Damit sollte der oft langwierige Transport von Patienten oder der Operateure vermieden

werden – und sollten trotzdem bestmögliche Behandlungen möglich sein. Der mechanische Teil, bestehend aus Instrumenten, Kamera und Bedienungskonsole, ist ausgereift, voll einsatzbereit und «arbeitet zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk». Jedoch sind weder Satellitenleitungen noch das Internet heute in der Lage, die notwendigen Informationen zuverlässig zu transportieren. Daher sind flächendeckend ferngesteuerte Operationen bis heute nicht möglich.

Die Technik schont Nerven und Gefässe Der Trick der Entwickler des roboterassistierten Operationssystems ist, die mechanischen, optischen und physikalischen Vorteile der roboter-unterstützten Operationstechnik und die Expertise der Operateure vor Ort zu vereinen. Es gleicht das natürliche Zittern eines Operateurs aus, ermöglicht eine dreidimensionale Sicht des Operationsfeldes und reduziert durch Überdruck das Risiko venöser Blutungen beträchtlich. Für den Patienten resultiert daraus der Vorteil, dass durch mehr Flexibilität wichtige Gefäss-Nerven-Strukturen umgangen und damit viel besser geschont werden. Dies ist für die Patienten eine wichtige Nachricht – denn das bedeutet: Potenz und Kontinenz können bei dieser Art Eingriff meist erhalten werden. Darüber hinaus sind der Verlauf der Operation und der Heilungsprozess meist deutlich weniger belastend. In der Regel dürfen die Patienten schon nach fünf bis sechs Tagen das Krankenhaus verlassen.

Tipp!

Viel hilft viel! Vorbereitung auf die Operation: Bewegen Sie sich viel und fordernd: n Ideal sind ausdauerndes schnelles Gehen und Radfahren. n Trainieren Sie Ihre körperliche Geschicklichkeit: Geeignet sind Balanceübungen auf einer Linie oder auf einem Bordstein. Auch die Jonglage trainiert Körper und Geist. Trainieren Sie den Beckenboden:

n Anspannen und entspannen, egal wo Sie stehen

oder gehen. Immer wieder üben! Das haben Sie davon: n Sie steigern Ihre körperliche Leistungsfähigkeit. n Sie trainieren Ihr Gehirn, Bewegungsabläufe

besser zu steuern. n Sie fördern die Durchblutung: Sie bringen mehr

Sauerstoff und mehr Nährstoffe in den Körper. n So werden Heilungsprozesse beschleunigt sowie

Potenz und Kontinenz leichter wiederhergestellt.

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Perspektive leben · RICHTIG ERNÄHREN

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen – wenn

Was Ihr Speiseplan be Welche Rolle spielt die Auswahl der Nahrung für Menschen mit der Diagnose Krebs? Sollten Krebspatienten andere Lebensmittel essen? Doch welche Nahrungsmittel sollten sie wählen, damit sie ihren Körper mit allem versorgen, was er braucht? Perspektive LEBEN sagt, warum Sie gerade jetzt auf Ihr Essen besonders achten müssen.

Essbewusst.  Zugegeben: Es ist noch keine

n Fleisch, Wurstwaren sowie Eier sollten Sie

Ernährungsform bekannt, die einen Tumor zerstören könnte. Hingegen aber weiss die Wissenschaft schon seit Längerem: Eine gute Ernährung kann Ihre Krebstherapie günstig beeinflussen. Denn sie hilft, Mangelernährung vorzubeugen, die zielgerichtete Zufuhr von Nährstoffen sicherzustellen und Gewichtsverluste zu vermeiden. Das ist wichtig, denn so verbessern sich Allgemeinbefinden und Lebensqualität.

nur massvoll geniessen. Hinzu kommen als weitere Grundregeln der richtige Umgang mit Flüssigkeit und Fetten. Hier gilt für eine gesunde Ernährung: Meiden Sie Fett und fettreiche Lebensmittel sowie Zucker und Salz. Und: Nehmen Sie reichlich Flüssigkeit zu sich. Täglich zwei bis drei Liter Wasser, Tee oder verdünnte Säfte sind optimal.

So meistern Sie Ihre Behandlung

Je nachdem, wie Ihre persönliche Therapie aussieht, kann Ihre Ernährung auch an die Veränderungen des Organismus angepasst Mit den richtigen Nährstoffen halten werden, die durch die Behandlungen hervorKrebspatienten zudem ihre körpereigenen gerufen werden. So lassen sich auch gezielt Abwehrkräfte aufrecht. Sie beugen AlltagsNebenwirkungen lindern. Ein gutes Zeichen krankheiten vor, die sie während ihrer Thedafür ist folgende Tatsache: rapie nun wirklich nicht sonderlich gut geImmer mehr Erkrankte erleben heutzutabrauchen können. Es macht also viel Sinn, ge ihre Chemotherapie ganz ohne Übelkeit sich während Ihrer Chemo- oder Strahlenoder Erbrechen. Hierfür gibt es jedoch keine Garantie. Beschwerden entstehen oft, weil therapie richtig zu ernähren. Und hier gelten die Medikamente (Zytostatika) die gleichen Ernährungsgrundsätdirekt auf den Bereich des Geze wie für gesunde Menschen auch. Diese Klassiker der hirns wirken, der das Erbrechen «Gutes Essen Ernährungslehre lassen sich auslöst. Dagegen gibt es mittlerist Ihr Therapiein folgenden sechs Punkten weile Medikamente, die diesen zusammenfassen: Brechreiz unterdrücken können. begleiter» n Ernähren Sie sich abwechsEine Krebserkrankung zieht lungsreich und geniessen Sie meist nicht nur das betroffene Ordie Lebensmittelvielfalt. gan in Mitleidenschaft, sondern oft auch n Essen Sie reichlich Getreidevollkornproden ganzen Körper. Im Rahmen der Theradukte sowie Kartoffeln. pie nehmen einige Erkrankte beispielsweise n Geniessen Sie fünf Portionen Obst und ab oder ernähren sich unbewusst unvollstänGemüse am Tag, möglichst frisch und nur dig, weil sie einige Lebensmittel nicht mehr kurz gegart. vertragen. Auch gibt es einige Begleiterschein Nehmen Sie täglich Milch- oder Milchpronungen. dukte zu sich. n Essen Sie ein- bis zweimal in der Woche Hier unsere Tipps, wie Sie auf unterschiedliFisch. che Situationen am besten reagieren.

Die richtige Ernährung: Tragen Sie zum Therapieerfolg bei

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RICHTIG ERNÄHREN · Perspektive leben

nicht jetzt, wann dann?

eherzigen sollte Was Sie bei Geschmacksstörungen tun können: Die Chemo- oder Strahlentherapie kann Ihren Geschmackssinn verändern. Aber bitte keine unnötigen Sorgen machen, denn das gibt sich nach der Behandlung wieder. Bis dahin können Sie Folgendes tun: n Trinken Sie häufig kleine Mengen, um den schlechten Geschmack herunterzuspülen. n Bei einem metallischen Geschmack sollten Sie mit einem Plastikbesteck essen. n Essen Sie nur Lebensmittel, die Ihnen gut schmecken.

n Benutzen Sie milde Gewürze. Be-

sonders empfehlenswert sind Oregano, Basilikum und Rosmarin. n Bevorzugen Sie weisses Fleisch und meiden Sie rotes. n Legen Sie Ihr Fleisch vor dem Braten oder Kochen ein: in Sojasauce, Wein, süsse Marinaden. n Regen Sie Ihren Speichelfluss an: Kauen Sie Kaugummi oder trinken Sie bittere oder saure Getränke.

Was Sie bei Appetitlosigkeit und Übelkeit tun können n Essen Sie viele kleine Portionen. Ein zu reichlich gefüllter Teller

Richten Sie Ihre Speisen möglichst appetitlich an, denn denken Sie daran: Das Auge isst stets mit. Weitere Kniffe für eine anregende Mahlzeitengestaltung sind: n Probieren Sie Gewürze aus. Sie können den Appetit anregen. n Bevorzugen Sie kalte Speisen. Diese sind oft bekömmlicher als warme. Gleichzeitig riechen sie nicht so stark. n Vermeiden Sie zu fette und überwürzte Speisen. Diese fördern die Übelkeit. n Probieren Sie einen kleinen Aperitif vor dem Essen, das kann den Appetit anregen. n Grundsätzlich wirken Bitterstoffe appetitanregend. Beispiele sind Tees, Grapefruitsaft, Tonic Water oder Bitter Lemon. n Legen Sie sich einen Vorrat an hochwertigen Fertiggerichten an. So können Sie bei Appetit schnell etwas kochen.

Tipp!

Wenn Ihre Chemotherapie bei Ihnen zu Übelkeit führt, dann essen Sie davor möglichst nicht ihre Lieblingsspeise. Sie könnten nämlich eine Abneigung dagegen entwickeln. Am besten ist es, wenn Sie vor einer Chemo- oder Strahlentherapie nichts essen. Halten Sie möglichst zwei Stunden Abstand. Ausgabe Schweiz · 3/2014 ·»43

Fotos: fotolia/detailblick (1), thinkstock (2)

vermittelt den Eindruck, die Portion sei zu gross und nicht zu schaffen. n Essen Sie langsam und kauen Sie gut. n Bei manchen Menschen hilft Ablenkung beim Essen, andere brauchen ihre Ruhe. Probieren Sie aus, was für Sie das Beste ist. n Trinken Sie kleine Mengen in kleinen Schlucken über den Tag verteilt. Zum Essen sollten Sie wenig trinken, da sonst das Sättigungsgefühl schneller eintritt.


Perspektive leben · RICHTIG ERNÄHREN

Was Sie bei Durchfall tun können:

Ärzte empfehlen in einem solchen Fall Folgendes: n Essen Sie stopfende Nahrungsmittel: Kakao, schwarzer oder grüner Tee, bittere Schokolade, Blaubeeren. n Meiden Sie Zuckeraustauschstoffe. Sie können abführend wirken. Süssstoffe sind dagegen kein Problem.

Was Sie bei Kau- und Schluckbeschwerden tun können: Die Begleiterscheinungen Ihrer Therapie können auch Kau- und Schluckbeschwerden sein. Das verleidet vielen Betroffenen das Essen.

n Würzen Sie mit Muskat-

nuss. Es verzögert den Transport der Speisen in den Darm. n Trinken Sie mindestens zwei bis drei Liter pro Tag. Sie gleichen so den Flüssigkeitsverlust aus. Geeignete Getränke sind: Wasser ohne Kohlensäure, verdünnte Saftschorlen oder Kamillentee. Und schliesslich gilt wie bei allen Durchfallerkrankungen: Meiden Sie eiskalte Getränke, Kohlensäure und Milchzucker sowie die Genussstoffe Alkohol und Kaffee. Dann kommt die Verdauung rasch wieder ins Lot.

Was Sie bei Entzündungen im Mundbereich tun können: Chemo- und Strahlentherapie können in manchen Fällen zu Entzündungen der Schleimhäute im Mundraum führen. Doch auch hier gibt es Abhilfe: n Essen Sie viele kleine Mahlzeiten. n Vermeiden Sie harte und bröselige Speisen, die im Mund scheuern. n Trinken Sie viele kleine Schlucke zum Essen und feuchten Sie so Ihre Nahrung an. n Bevorzugen Sie weiche und flüssige Kost. Babykost ist gut und schmeckt gar nicht schlecht. n Vermeiden Sie zu heisse Speisen und Getränke. Diese reizen die Schleimhaut besonders.

Hier helfen folgende Tipps: n Bevorzugen Sie weiche oder pürierte Kost: Nudeln, gekochtes Fleisch, passiertes Obst und Gemüse. n Trinken Sie nicht in Extremen – nicht zu heiss und nicht zu kalt. n Benutzen Sie einen Strohhalm. n Vermeiden Sie kohlensäurehaltige Getränke. Stilles Wasser, Leitungswasser oder Tee sind bei Schluckbeschwerden genau das Richtige. n Vermeiden Sie trockene, raue Lebensmittel wie Flakes, Rohkost, Salzstangen oder Cracker. n Reichern Sie Ihre Mahlzeiten mit Butter oder Sahne an. So lässt sich alles besser schlucken.

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Fotos: thinkstock (5)

Manchmal rebelliert unter einer Chemotherapie auch der Darm. Er reagiert mit Durchfall als Nebenwirkung auf die Chemo- oder Strahlentherapie.

Und natürlich gilt: Vermeiden Sie Lebensmittel, die Ihre Schleimhäute zusätzlich angreifen. Dazu gehören u. a.: scharfe Gewürze, Zitrusfrüchte, Fruchtsäfte, Tomaten oder Früchtetees.

>> Hilfreiche Informationen unter: Krebsliga: www.krebsliga.ch. «Ernährungsprobleme bei Krebs» Krebsinformationsdienst: www.krebsinformationsdienst.de Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr,«Ernährung und Krebs»: www.biokrebs.de/images/stories/download/broschueren/ Ernaehrung-und-Krebs.pdf


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Perspektive leben · supportivmedizin

Unterstützende und ergänzende Methoden

Damit die Krebstherapie gut Stahl, Strahl, Chemo: Zu den klassischen Behandlungen bei einer Krebserkrankung treten heutzutage zusätzlich auch die unterstützenden und ergänzenden Therapien. Was sich dahinter verbirgt, wie sie helfen können und wie sie die Lebensqualität des Patienten verbessern, erklärt die Expertin Dr. Jutta Hübner von der Deutschen Krebsgesellschaft.

Perspektive Leben sprach mit Dr. Jut«Wichtig zu ta Hübner über die Möglichkeiten dieser Krebs von seinem Arzt erhält, will selbstverwissen, dass Therapieformen. Sie ist Expertin auf den ständlich wissen, was ihm alles helfen kann. es das gibt» Gebieten der supportiven und kompleDie gute Nachricht für Patienten lautet: Es mentären Onkologie und bei der Deutschen gibt mittlerweile ein ganzes Bündel von eiKrebsgesellschaft e. V. beschäftigt. Zuvor leitete nerseits akuten und andererseits begleitenden sie u. a. die Abteilung Palliativmedizin, supportive und Therapieverfahren. Sie werden in der Medizin entweder als unterstützende – supportive – Verfahren oder als erkomplementäre Onkologie am Universitären Zentrum für gänzende – komplementäre – Therapien bezeichnet. Tumorerkrankungen des Universitätsklinikums Frankfurt. Rückendeckung.  Wer die Diagnose

Foto: thinkstock

«Dank der Supportivmedizin werden klassische Therapien viel besser vertragen»

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supportivmedizin · Perspektive leben

angenommen wird Beide Therapiearten verstehen sich als begleitend und unterstützend. Ihr Spektrum an einzelnen Behandlungsmethoden ist sehr breit. Sie basieren zum Teil auch auf anderen Modellen der Entstehung von Krankheiten als die der Schulmedizin. Wichtig ist für Patienten zu wissen: «Die supportiven Therapien sind Verfahren, die nicht primär der Heilung einer Erkrankung dienen!», sagt Dr. Hübner. «Sie sollen vielmehr den Heilungsprozess durch zusätzliche Behandlungen beschleunigen und die Nebenwirkungen der eigentlichen Therapie lindern.»

Zu den supportiven Therapieformen zählen vor allem: n Massnahmen, die Übelkeit und Erbrechen verhindern n Massnahmen, die Schmerzen lindern n Massnahmen, die Infektionen vorbeugen n Bewegungs- und Sportprogramme n Ernährungsunterstützungen n psychiatrische Massnahmen

Unterstützende Therapien: Bitte stets aktiv nachfragen!

dernfalls kann er seinem Onkologen ein Feedback geben Supportive Massnahmen werden individuell auf den Paund die Dosierung wird so lange verändert, bis er sie gut tienten abgestimmt. Sie richten sich vor allem nach der annimmt. Art der aktiven Tumortherapie. «Eine Chemotherapie erEs gilt in diesem Zusammenhang auch Folgendes zu befordert in der Regel andere supportive Massnahmen als denken: Mittlerweile sind bestimmte therapiebegleitende eine Strahlentherapie», erklärt Dr. Hübner. «Und wird ein supportive Massnahmen standardisiert. So werden beispielsweise zu einer Chemotherapie immer vorbeugend Patient ausschliesslich operiert, wird er ebenfalls anders Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen verordnet. begleitet.» Ziel ist es, den Patienten beschwerdefrei zu halten. «Beschwerden können durch die Erkrankung selbst Patienten werden also oft von einer supportiven Therapie oder durch die Therapie in Form von Nebenwirkungen begleitet. Auch das müssen sie wissen. hervorgerufen werden. Der grösste Die wichtige Botschaft für Teil der supportiven Therapie ist Patienten lautet daher: Sie sollten sich immer nach medikamentengestützt», erklärt die supportiven Massnahmen Expertin. erkundigen und während Durch die supportive Therapie der Therapie immer Feedwerden heutzutage die klassischen back geben. Therapiemassnahmen sehr gut vertragen. Es gibt Medikamente, die Schmerzen gehören z. B. sehr wirksam Übelkeit und nicht zur Therapie Erbrechen verhindern. Sie werden im Rahmen einer Chemotherapie Eine besondere Rolle meist vorbeugend eingesetzt. nimmt die supportive Be«Ganz wichtig ist natürlich, dass handlung bei der SchmerzPatienten von diesen therapiebetherapie ein. Dazu hat Dr. gleitenden Massnahmen überhaupt Hübner sehr gute Nachrichwissen. Und, dass immer zahlreiten: «Die supportive Medizin che Alternativen bei der Behandermöglicht es den Patienten lung zur Verfügung stehen», betont heutzutage, ihre Erkrankung Dr. Hübner. «Gerade während der und Therapie weitgehend schmerzfrei zu durchlaufen. Therapie ist dieses Wissen für den Patienten dürfen also mit Patienten von besonderer Bedeueiner guten Lebensqualität tung!» rechnen.» Verträgt er nämlich beispielsweise Wichtig ist auch hier: Patieneine bestimmte Medikamententen sollten frühzeitig ihrem dosierung nicht, fügt er sich vielDr. Jutta Hübner leicht aus Unwissenheit seinem Onkologen mitteilen, wenn sie Deutsche Krebsgesellschaft Schicksal. Das wäre unnötig. AnFoto: ro-b.com Photography – R. Boeckmann Schmerzen haben. Das » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · supportivmedizin

Komplementäre Methoden können ganz unterschiedliche Ansätze haben: n Die Kräuterheilkunde und Naturheilkunde setzt pflanz-

liche Substanzen wie Kräuter, Salben oder Tees ein. n Amtlich zugelassene Fertig-Arzneimittel auf Pflanzen-

basis wie Extrakte aus der Mistel werden seit vielen Jahren als unterstützende Therapie eingesetzt. n Die körperbezogenen Praktiken beruhen auf manuellen Techniken. Hierzu zählen z. B. alternative Massagetechniken wie das japanische Shiatsu. n Die «Mind-Body-Medizin» setzt am Denken oder Erleben an, um Veränderungen am Körper zu bewirken. Hier werden z. B. Meditations- oder Entspannungstechniken praktiziert. n Energetische Methoden basieren auf der Vorstellung besonderer Kräfte oder Energien. Hierzu zählen u. a. die Bioresonanz und der Biotensor.

muss nämlich nicht sein. Man sollte also keinesfalls annehmen, Schmerzen gehören zur Therapie dazu. Falls das einmal nicht funktioniert, empfiehlt die Krebsexpertin: «Suchen Sie einen Spezialisten für Schmerztherapien oder einen Palliativmediziner auf. Diese kennen sich ebenfalls bestens mit dem Thema aus.» Im Rahmen der supportiven Schmerztherapie wird übrigens oft und meist gleich zu Beginn mit Opiaten gearbeitet. «Viele Patienten deuten das leider falsch. Sie befürchten, sie seien ein besonders schwerer Fall», stellt Dr. Hübner fest. «Das ist aber nicht so. Opiate sind heute normaler Standard in der Schmerzbehandlung – und werden zu Unrecht von manchen Patienten misstrauisch betrachtet.»

Medikamentöse Unterstützung: individuell für jeden Patienten Die supportive Medizin stellt sehr individuelle Konzepte bereit. Diese richten sich allerdings nicht nur nach der Art der Tumortherapie aus. Auch die Bedürfnisse des einzelnen Patienten werden berücksichtigt. Dr. Hübner verdeutlicht dies mit folgenden Beispielen: Opiate machen müde. Möchte ein Patient aber nicht so

müde sein, kann seine Dosierung so individuell gewählt werden, dass er zwar leichte Schmerzen hat, aber dafür nicht mehr so müde ist. Das kann so genau austariert werden, bis aus Patientensicht der Idealzustand gefunden ist. Andere Patienten nehmen Übelkeit im Rahmen ihrer Chemotherapie in Kauf und haben dafür keinen Haarausfall. Oder auch andersherum. Die gute Botschaft für den Patienten also lautet: Durch die vielfältigen Möglichkeiten der supportiven Medizin kann er auch bei standardisierten Abläufen – beispielsweise einer Chemotherapie – in einem gewissen Masse mitwirken. Er fühlt sich daher nicht ausgeliefert und ist deshalb motivierter. Das hilft allen Beteiligten.

Die Möglichkeiten der komplementären Therapie Die komplementärmedizinische Therapie konzentriert sich auf die Stärkung der Selbstheilungskräfte. Sie weist dem Patienten eine aktive Rolle bei der Wiedererlangung der eigenen Gesundheit zu. «Bei komplementären Therapieformen handelt es sich ebenfalls um begleitende Massnahmen. Sie sind jedoch noch nicht wissenschaftlich belegt», sagt Dr. Hübner. «Das Wissen über die Wirkung dieser Massnahmen ist deshalb noch relativ gering und basiert auf Annahmen aus Einzelfällen.» Dr. Hübner betont: «Ist der Patient an komplementären Massnahmen im Rahmen seiner Therapie interessiert, sollte er das unbedingt mit seinem Onkologen abstimmen. Nur so lassen sich unerwünschte Wechselwirkungen zwischen beiden Therapieformen vermeiden.» Ein Vorteil der komplementären Massnahmen ist, dass der Patient diese selbst vornehmen kann. Beispielsweise kann er Ingwertee vorbeugend gegen Übelkeit bei der Chemotherapie trinken oder geraspelte Karotten, Kartoffelpüree und geriebenen Apfel gegen Darmprobleme essen. Bei der komplementären Medizin geht es also weniger um maximal gesicherte wissenschaftliche Anwendungen. Das Ziel einer solchen Behandlung ist vielmehr, den Patienten in seiner eigenen Handlungsfähigkeit zu stärken – und am Heilungsverlauf aktiv zu beteiligen. Dietmar Kupisch

Foto: thinkstock

Die Kunst des zarten Knetens: Spezielle Massagetechniken wie hier aus der Lehre des Shiatsu können das Wohlbefinden steigern.

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Rat und Hilfe · Perspektive leben

Online-Portal bietet Hilfe

Stress aktiv zu mindern, kann man lernen Die Diagnose Krebs ist für viele Betroffene mit grossen psychischen Belastungen verbunden. Mit einem neuen Online-Portal will ein Team aus Onkologen und Psychologen vom Universitätsspital Basel – in Zusammenarbeit mit den Universitäten Basel und Bern – Krebspatienten helfen, Stress aktiv zu mindern. Unterstützt von der Krebsliga Schweiz und dem Schweizerischen Nationalfonds soll eine Studie die Wirkung analysieren.

«Weniger Stress jetzt zeigen, ob und wie dieses Angebot von kung geht für viele Patienten mit grossen Krebspatienten genutzt wird. An ihr teilnehfür mehr psychischen Belastungen einher. Häufig men können Patienten aus dem gesamten Therapieerfolg» deutschen Sprachraum, die erstmalig an führt dies zu unerwünschten Nebenwirkungen und schmälert den Erfolg der Beeiner Krebserkrankung leiden, minimale handlung. Die Online-Plattform «Stress aktiv Computer- und Internetkenntnisse haben und mindern» (Stream) soll nun Krebspatienten helfen, Stress mindestens 18 Jahre alt sind. Zudem sollte der Beginn der Krebsbehandlung nicht länger als zwölf Wochen zu reduzieren. «Es ist wichtig, dass die Patienten Wege zurückliegen. Die Teilnehmer werden über E-Mail von finden, mit psychischen Belastungen umzugehen, um Psychologen aus dem Studienteam begleitet. bestmögliche Bedingungen für eine Behandlung zu haben», so Professor Dr. Viviane Hess, Leitende Ärztin der Online-Interventionen immer beliebter Onkologie am Universitätsspital Basel. «Stream» ist ein achtwöchiges Online-Programm, das Das Internet bietet für viele Krebspatienten eine wichtige anhand von Informationen, Übungen und spezifischen Plattform. So zeigen Studien, dass 71 % der KrebspatienAnleitungen Bewältigungsmöglichkeiten im Umgang ten das Internet nutzen, um sich über ihre Krankheit zu mit der Krebserkrankung aufzeigt. Eine erste Studie soll informieren. Die dabei am häufigsten benutzte WebseiBelastung abbauen. Eine Krebserkran-

Foto: zVg

Studienteam Stress: vordere Reihe v. l. n. r.: Astrid Grossert, M. Sc., Dr. Corinne Urech, Leitende Psychologin Gyn. Sozialmedizin und Psychosomatik, und Prof. Viviane Hess, Leitende Ärztin Onkologie

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Perspektive leben · Rat und Hilfe

Das Online-Portal STREAM bietet Hilfe zur Stressbewältigung.

Tipp!

Über die Einstiegsseite www.stress-aktiv-mindern.ch können Sie Fotos: zVg mehr über das Programm und die Studie erfahren.

Während des Programms lernen Sie Übungen und Strategien kennen, um mit Belastungssituationen besser umzugehen.

onen eine höhere Anonymität. So sinkt für te ist die des behandelnden Spitals. Doch «Das Internet Patienten die Hemmschwelle, sich für nicht nur als Informationsquelle dient das für Information die eine psychotherapeutische Behandlung zu Internet kranken Menschen, es gewinnt nutzen» entscheiden. auch zusehends an Bedeutung für OnlineIn der Psychoonkologie sind Online-CoaInterventionen. chings bislang noch kaum anzutreffen. Doch Verschiedene Studien der letzten Jahre belegen, dass interaktive Online-Interventionen eine vergleichbare Professor Dr. Thomas Berger von der Universität Bern ist Wirksamkeit wie herkömmliche persönliche Begegnunvom Nutzen des Internets in diesem Bereich überzeugt: gen haben und sich einer immer grösseren Beliebtheit «Das Internet bietet bereits heute eine wichtige Plattform erfreuen. Online-Interventionen können jederzeit von für Krebspatienten, um sich über ihre Krankheit zu inüberall aus genutzt werden und ersparen Patienten das formieren oder mit anderen Betroffenen auszutauschen. Warten auf einen Termin oder eine aufwendige Fahrt Ein psychoonkologisches Online-Coaching ist daher nur zum Therapeuten. Zudem gewähren solche Interventidie logische Schlussfolgerung.» 50 ·

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Perspektive leben

Wissenschaftlicher Beirat Prof. Franco Cavalli

Dr. Stephan Eberhard

PD Dr. Christoph Rageth

Direktor des Oncology Institute of Southern Switzerland in Bellinzona sowie Professor an den Universitäten Bern und Varese

Onkologische Rehabilitation, Berner Klinik Montana

Brust-Zentrum, Zürich

Prof. Thomas Cerny

Leben wie zuvor, Kontaktstelle für Frauen nach Brustkrebs, Reinach

Chefarzt Onkologie Kantonsspital St. Gallen, Präsident der Krebsforschung Schweiz

Donatella Corbat Präsidentin Europa Donna Schweiz, Bern

Dr. Heidi S. Dazzi Leitende Ärztin Palliativmedizin an der Klinik für Onkologie am UniversitätsSpital Zürich und TUCARE, Ambulatorium für Tumor- und Bluterkrankungen

Susi Gaillard

Dr. Agnes Glaus Expertin Onkologiepflege Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, St. Gallen

Prof. Viviane Hess Leiterin klinische Forschung (CCRC), Universitätsspital Basel

Prof. Richard Herrmann Ehemaliger Chefarzt der Klinik für Medizinische Onkologie, Universitätsspital Basel

Prof. Christoph Renner Onkozentrum Hirslanden, Zürich

Dr. Marc Schlaeppi Leitender Arzt Onkologie/Hämatologie und Zentrum für Integrative Medizin, Kantonsspital St. Gallen

Dr. Christian Taverna Leitender Arzt Onkologie, Kantonsspital Münsterlingen

Prof. Frank Zimmermann Chefarzt Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsspital Basel

Dr. phil. Kathrin Kramis-Aebischer

Foto: thinkstock

Geschäftsführerin Krebsliga Schweiz, Bern

Impressum

Chefredaktion: Dr. med. Petra Genetzky, Winfried Powollik Redaktion: Dr. med. Susanne Schelosky, Prof. Dr. phil. Christoph Fasel, Jochen Schlabing, Dietmar Kupisch, Felix Schlepps, Sandro Most, Jonas Lisker, Jörg Schumacher

Perspektive LEBEN – Das Schweizer Magazin für Menschen mit Krebsdiagnose und ihre Angehörigen © 2014 Verlag: swissprofessionalmedia AG Geschäftsleitung: Oliver Kramer Verlagsleitung: Dr. med. Theo Constanda Projektleitung: Dr. med. Susanne Schelosky

Lektorat: Dr. phil. Regine Schricker Creative Director: Anette Klein Layout: Andrea Schmuck, Laura Carlotti Herstellung: Olivier Kilchherr Vertriebsleitung: Carolyn Kretzschmar, carolyn.kretzschmar@s-p-m.ch Marketing und Anzeigenadministration: Daniela Uhl, daniela.uhl@s-p-m.ch

Verkauf: Marc Philipp (Rx) Tel. 058 958 96 43, mphilipp@medical-tribune.ch Antonino Diaco (Rx) Tel. 058 958 96 17, adiaco@medical-tribune.ch Biagio Ferrara (Rx) Tel. 058 958 96 45, bferrara@medical-tribune.ch Rahel Saugy (OTC) Tel. 062 966 03 69, rsaugy@medical-tribune.ch Druck: PRINTEC OFFSET medienhaus, D-34123 Kassel Reproduktion nur mit schriftlichen Genehmigung des Verlags. Mit der Einsendung eines Manuskriptes erklärt sich der Urheber damit einverstanden, dass sein Beitrag ganz oder teilweise in allen Printmedien und elektronischen Medien der Medical Tribune Group, der verbundenen Verlage sowie Dritter veröffentlicht werden kann.

Ausgabe Schweiz

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3/2014

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Den Krebs zu besiegen ist unser Ziel. Mit vereinten Kräften. Wir arbeiten mit Leidenschaft an der Zukunft der Krebsmedizin, um den Patienten bestmöglich zu unterstützen. Unsere jahrzehntelange Erfahrung und innovativen Forschungstechnologien sind die Basis für neue, richtungsweisende Therapien in der Onkologie. Symptome nicht nur behandeln, sondern langfristig Krebs besiegen: Das ist für uns kein Traum, es ist das Ziel.

2-2014

www.roche-pharma.ch


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