Perspektive LEBEN 04/2014

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Perspektive DAS SCHWEIZER MAGAZIN FÜR MENSCHEN MIT KREBSDIAGNOSE UND IHRE ANGEHÖRIGEN

LEBEN Ausgabe 4 � DezeMBER 2014

Über Sterben sprechen Ein Krebsspezialist berichtet aus seinem Alltag

Essen, was schmeckt Diese Nährstoffe helfen bei der Genesung

Heilende Strahlen Mit Technik gegen den Brustkrebs

Pankreaskrebs

nd ge für Mu e fl P e t u G e und Zähn

Wege aus der Krankheit

Aufatmen bei Lungenkrebs

Fotos: thinkstock

Neue Therapien lassen hoffen


Die Sprache des Lebens in lebenswichtige Medikamente umsetzen. Wir bei Amgen glauben, dass die Antworten auf die dringendsten Fragen der Medizin in der Sprache unserer DNA formuliert sind. Als Pioniere der Biotechnologie setzen wir unser tiefes Verständnis dieser Sprache für die Entwicklung lebenswichtiger Medikamente ein, besonders für diejenigen Patienten, für deren spezifische Erkrankungen bis heute nur wenige oder keine effektiven Therapien zur Verfügung stehen – um deren Gesundheit und Lebensqualität entscheidend zu verbessern. Weitere Informationen über Amgen finden Sie unter: www.amgen.ch

AMGEN SWITZERLAND AG Dammstrasse 21 Postfach 1459 6301 Zug www.amgen.ch ©03-2014 AMGEN SWITZERLAND AG


Vorwort · Perspektive leben

Die meisten Lungenkrebsfälle wären vermeidbar ... Liebe Leserin, lieber Leser! Was hat der Marlboro-Mann mit der Schweiz Wissen, Erfahrung und Zeit erfordert. Damit zu tun? Die Werbe-Fotos stammen von eisich niemand allein gelassen fühlen muss, bienem Schweizer. Und was mit Lungenkrebs? Er tet die Krebsliga Ostschweiz neu ein spezielstarb daran. Pro Jahr erkranken 2400 Männer les Beratungsangebot. Lesen Sie mehr dazu in und 1250 Frauen, so steht es in der Broschüdieser Ausgabe Perspektive LEBEN. re des «Nationalen Krebsprogrammes für die Schweiz» zu lesen, neu an Lungenkrebs. Auch Während einer Krebsbehandlung sind es oft dafür ist der Marlboro-Mann als Raucherdie Nebenwirkungen der Behandlungen, die Ikone indirekt verantwortlich. Selbst wenn körperlich am meisten zu schaffen machen. Je viele es nicht mehr hören wollen: Rauchen ist besser der Allgemeinzustand ist, umso besser tödlich. Und mit dafür verantwortlich, dass kann der Körper die Prozeduren überstehen. Dr. med. der Lungenkrebs bei jüngeren Frauen besorgSind die Schleimhäute im Mund und RachenSusanne Schelosky, niserregend ansteigt. Im Themenschwerpunkt raum wund und entzündet, werden MahlzeiProjektleiterin und Lungenkrebs finden Sie auch Informationen ten zur Tortur. Warum die Zahngesundheit Redaktorin zu Radon, einem Edelgas, das leider gar nicht bei einigen Behandlungen besonders wichtig edel ist, sondern auch als bedenkliche Ursache für Lunist und wie Sie einem Gewichtsverlust vorbeugen können, genkrebs anzuführen ist. lesen Sie ebenfalls in dieser Ausgabe. Im letzten Vierteljahrhundert konnte das Verständnis der Biologie nahezu bei fast allen Krebserkrankungen enorm erweitert werden. Die Heilungschancen sind dadurch bei vielen Tumoren gestiegen und der «Kampf gegen den Krebs» wird für immer mehr Betroffene zu einem Leben mit oder nach der Erkran«Immer mehr kung. 1990 lebten in der Menschen überSchweiz schätzungsweise leben den Krebs» 140 000 Menschen, bei denen einmal eine Krebsdiagnose gestellt worden war («cancer survivors»). 2010 waren es fast 300 000 Menschen. Die Beratung und Begleitung von Langzeitüberlebenden nach einer Krebserkrankung ist eine Aufgabe, die

Zu guter Letzt bringen wir einen Artikel aus der Berner Zeitung, in dem der Onkologe Prof. Martin Fey vom Inselspital erzählt, wie er mit Patienten über ihre Erkrankung und das Sterben spricht. Prognosen abzugeben, gehöre nicht dazu, Zeit einzuräumen aber sehr wohl.

Herzlichst,

Susanne Schelosky

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Perspektive leben · INHALT

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Neue Therapieansätze bei Lungenkrebs

Praktische Tipps zum richtigen Ernährungsalltag

Trotz Krebs: Achten Sie auf Ihre Zähne!

Themenschwerpunkt Lungenkrebs   6 Diagnose: Bronchialkarzinom Warum Lungenkrebs so heimtückisch ist – und dennoch immer mehr Patienten überleben

8 Künstliche Lunge für Medikamententests Forscher setzen Hoffnung in ein neues Testsystem

10 Screening für Risikogruppen Ist die frühzeitige Reihenuntersuchung sinnvoll?

12 Lungenkrebs: Wege aus der Krankheit Ein Experte berichtet über medizinische Fortschritte

Menschen und Erfahrungen 14 Der Arzt als Krebspatient Perspektive LEBEN traf einen Mediziner aus Bayern

16 «Wir sind da für alle Fragen rund um Krebs» Interview mit Regula Schneider, Krebsliga Ostschweiz

44 Wie man über das Sterben spricht Krebsspezialist Prof. Martin Fey vom Berner Inselspital über ein falsches Image und eine gesunde Routine

Medizin und Forschung 22 Strahlentherapie bei Brustkrebs

Fotos: thinkstock (3), fotolia/Maksim Shebeko (1)

Eine Impfung im Jugendalter kann vor Kopf-HalsTumoren schützen

30 Kurznachrichten: Für Sie gelesen Übergewicht – Blutdruck – Stiftungsgründung – Malignes Melanom – Brustkrebsrisiko

32 Bauchspeicheldrüsenkrebs Der Tumor, der sich häufig versteckt. Was Ärzte heute über die Behandlung von Pankreaskrebs wissen

Rat und Hilfe 20 Häufig gestellte Fragen Der Krebsinformationsdienst Heidelberg gibt Antworten

25 Spiritual Care im Spital Seelsorger: Ein offenes Ohr und Gespräche von Mensch zu Mensch

Leben und Gesundheit 35 Mundgesundheit bei Krebs Bestrahlungen im Kopfbereich haben Folgen, doch es lässt sich vorbeugen

38 E-Zigaretten sind wenig hilfreich Mit geeigneter Unterstützung kann man es schaffen, mit dem Rauchen aufzuhören

40 Erlaubt ist, was Ihnen schmeckt Die Behandlung ist beendet. Doch wie sieht eine ausgewogene Ernährung nach der Therapie aus?

Mit Energie gegen die Krankheit: Patientinnen profitieren vom Fortschritt der Technik

26 Kopf-Hals-Tumoren werden immer häufiger

Service-Rubriken

3 Vorwort

Auch eine Impfung kann Schutz bieten

28 Wer ist in der Krebsforschung tätig? Das Interview mit Dr. Vivianne Hess gibt einen Einblick in ihren Werdegang und die aktuellen Projekte

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47 Wissenschaftlicher Beirat 47 Impressum

Möchten Sie uns Ihre persönliche Frage stellen? info@medicaltribune.ch


Engagement f端r medizinische Innovationen Unsere Motivation in der Forschung, Entwicklung und Herstellung bei Merck Serono ist es, richtungsweisende Therapien zur Verf端gung zu stellen. Wir investieren jedes Jahr mehr als 1 Mrd. EUR in die Erforschung vielversprechender neuer Molek端le und ihrer Weiterentwicklung zu Arzneimitteln. Im Fokus dieses Einsatzes stehen immer die Patienten und die Chance, einen Beitrag zu deren Gesundheit und Lebensqualit辰t zu leisten.

Merck (Schweiz) AG Merck Serono Chamerstrasse 174 CH - 6300 Zug www.merckserono.com

Merck Serono is a division of Merck


Perspektive leben · Lungenkrebs

Diagnose: Bronchialkarzinom

Warum Lungenkrebs so heimtückisch ist Noch immer gilt er als eine der gefährlichsten Krebsarten: Lungenkrebs – verantwortlich für ein Viertel aller durch Krebs verursachten Todesfälle. Tumoren der Atmungsorgane kommen häufig vor und sind heimtückisch, weil es nur wenig frühe Anzeichen gibt und sie rasch wachsen können. Die Überlebenschancen haben sich jedoch in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Rascher Verlauf. Lungenkrebs, auch Lungenkarzi-

nom oder Bronchialkarzinom genannt, kann sich überall in der Lunge und aus den verschiedensten Zelltypen und Geweben der Atemwege bilden. Ältere Raucher und Ex-Raucher haben ein besonders hohes Risiko und der Verlauf ist bei ihnen schwerer. Es sind aber nicht nur Raucher, die erkranken. Lungenkrebs ist heimtückisch, weil er sehr rasch wachsen kann und es über die Lymphgefäs­ se oder die Blutbahn schnell auch zur Absiedelung von Krebszellen in die benachbarten Lymphknoten und in andere Organe kommt. Zudem treten Schmerzen oft

Mögliche Symptome bei Lungenkrebs zum Zeitpunkt der Diagnose n untypischer lang anhalten-

Foto: thinkstock

der Husten/Bluthusten n Raucherhusten, der schlimmer wird n Atemnot n Gewichtsverlust

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n Appetitmangel n Schmerzen im Brustraum n Fieber, Nachtschweiss n Heiserkeit,

Schluckstörungen n Knochenschmerzen

erst auf, wenn die Lungengrenze überschritten wird. Der Schmerz der Lunge ist der «Husten». Anhaltenden unklaren Husten sollte der Arzt genau abklären. Gewichtsabnahme und Appetitstörung sind meist schon alarmierende Signale. Oft wird Lungenkrebs erst entdeckt, wenn bereits Metastasen vorliegen. Bei der Hälfte der Patienten ist der Verlauf rasch und die Fünfjahresüberlebensraten liegen bei unter 15 %. Überlebte früher nur jeder Zwanzigste die ersten fünf Jahre nach der Diagnose, ist es heute schweizweit jeder Sechste.

Zunahme bei jüngeren Frauen In der Schweiz erkranken rund 3200 Menschen pro Jahr an Lungenkrebs. Die Tendenz ist steigend, vor allem bei jungen Frauen. Über eine Million Todesfälle sind weltweit pro Jahr zu verzeichnen. Der Altersgipfel liegt bei 55–60 Jahren und sinkt. Auslösender Faktor sind in über 80 % die Inhaltsstoffe von Rauchwaren. Zigaretten enthalten Chemikalien, die in anderen Produkten streng verboten sind. Es stirbt etwa jeder 200. Nichtraucher an Lungenkrebs, aber jeder 10. Raucher. Besonders Jugendliche und Frauen reagieren empfindlich auf die Inhaltsstoffe von Zigaretten. Rauchende Frauen haben je nach Dauer und Intensität des Tabakkonsums auch ein 20–60 % er-


Lungenkrebs · Perspektive leben

höhtes Brustkrebsrisiko, zeigten Daten aus einer grossen kanadischen Studie. Bei Rauchern ist das Risiko einer Krebserkrankung auch nach einem Rauchstopp noch während 30 Jahren erhöht. All dies sind Argumente, mit dem Rauchen sofort aufzuhören! Lungenkrebs trifft aber auch Nichtraucher. Neben dem Rauchen sind Asbest, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Chrom, Nickel oder Arsen bekannte Gifte für die Lunge.

Diagnostik bei Verdacht auf Lungenkrebs n Erhebung der Krankengeschichte n körperliche Untersuchung n Röntgenbild der Lunge n Lungenfunktionsprüfung n Computertomografie (CT)

n Positronen-Emissions-

Tomografie (PET) n Bronchoskopie mit Biopsie n endobronchialer Ultraschall n Mediastinoskopie n Thorakoskopie n Skelettszintigrafie

Behandlung nach Zelltyp Die Lunge liegt wie ein auf dem Kopf stehender Baum lich günstigen Einbezug der Bestrahlung und erheblicher im Brustkorb, die Luftröhre bildet den Stamm, die Brontechnischer Neuerungen bei den Geräten sowie einer Aufchien zweigen sich als Äste auf und werden immer feiner, teilung der geamten Dosis auf viele kleine Einzeldosen (Fraktionierung) überleben in einzelnen Studien bis zu bis sie in den Lungenbläschen münden, wo der Gasaus25 % der Patienten fünf Jahre. tausch stattfindet. Aus allen Zelltypen kann ein Krebs entstehen, die innere Auskleidung des Bronchialbaumes Abwägung von Nutzen und Risiko ist aber besonders gefährdet, da sie direkt mit den Schadstoffen der Luft in Kontakt kommen. Zwei Haupttypen Welche Behandlungsmöglichkeiten im Einzelfall infrage kommen, wird bestimmt durch die Lage, Grösse und werden unterschieden: nicht kleinzellige und kleinzellige Ausdehnung des Tumors. Auch beim Lungenkrebs wird Lungenkarzinome. Die beiden Begriffe beziehen sich auf heute im sogenannten Tumorboard mit allen Fachdiszidie tatsächliche Grösse der Zellen unter dem Mikroskop. plinen diskutiert, welche Behandlung die besten Erfolge Die Unterscheidung der beiden Haupttypen ist wichtig, verspricht und was als die beste Vorgehensweise angeseda sie unterschiedlich behandelt werden. hen wird. Der Patient wird, auch durch den Hausarzt, Seit es möglich ist, Tumoren auf ihr Erbgut hin zu unterausführlich informiert, und letztlich sind es seine Wünsuchen, wird die Liste an möglichen genetischen Veränsche und Erwartungen, die zur Entscheidung führen. Ziel derungen immer länger und es gibt bereits mehr als 100 ist nicht nur die Lebensverlängerung um jeden Preis, es Unterkategorien bei diesen Tumoren. Für neue Medikaist vor allem die Lebensqualität, deren Ermente, wie Antikörper gegen Wachstumsfaktohalt im Vordergrund steht. ren oder Hemmstoffe des Gefässwachstums, Die Behandlungsmöglichkeiten Bestrahgilt häufig, dass diese nur bei bestimmten «Ziel ist es, lung, Chemotherapie und Operation Untertypen wirksam sind. Das kann durch Lebensqualität können kombiniert werden. Die Abfolge eine genetische Untersuchung festgestellt zu erhalten» kann variieren, es kann offen oder mit der werden. Diese neuen Behandlungsmöglichkeiten werden meist im Rahmen von «Schlüssellochchirurgie» operiert werden. In manchen Fällen kann ein ganzer Lungenflügel Studien angeboten. Am UniversitätsSpital Züoperativ entfernt werden oder nur der befallene Lappen. rich werden z. B. in einer Tumordatenbank seit mehr als Wird ein Teil eines Lungenflügels oder mehr entfernt, so zehn Jahren Proben von Tumorgewebe für die Forschung sinkt die körperliche Belastungsfähigkeit. gespeichert. Sind die zu erwartenden chirurgischen Belastungen zu Das nicht kleinzellige Bronchialkarzinom wird je nach gross oder die verbleibenden Atemreserven zu gering, Ursprungsgewebe in das Plattenepithel- und das Adenomuss eine andere Behandlungsstrategie gewählt werden. karzinom eingeteilt. Das Plattenepithelkarzinom ist mit Die gute Verträglichkeit einer medikamentösen Behandca. 45 % der häufigste nicht kleinzellige Bronchialtumor. lung rückt bei einer fortgeschrittenen Erkrankung zuEr entsteht nach chronischer Schleimhautreizung häufig nehmend ins Blickfeld. Auch nicht chemotherapeutische an Verästelungsstellen des Bronchialbaumes. Das WachsMassnahmen und Behandlungen mit Tabletten sind bei tum kann langsam sein, es gibt Tumoren mit und ohne bestimmten Tumoren möglich. Wenn eine Behandlung Verhornung. Adenokarzinome haben ihren Ursprung in erfolgreich ist, stellt sich die Frage, wie lange sie fortgeden schleimproduzierenden Zellen. setzt werden muss. Auch solche Entscheidungen fallen Kleinzellige Lungenkarzinome sind durch ein rasches oft nach einer Beratung im Tumorboard. Wachstum und eine frühe Neigung zur Metastasierung charakterisiert. Die Tumore reagieren sehr empfindlich auf eine Chemotherapie und auf Bestrahlung, eine Ope>> Hilfreiche Informationen unter: ration kann bei einer günstigen Ausgangslage zur Heilung führen. Wenn bereits Lymphknoten befallen sind, ist ein www.krebsliga.ch, Broschüre Lungenkrebs chirurgischer Eingriff meist nicht mehr möglich. Eine www.lungenliga.ch, Broschüre Lungenkrebs vorbeugende Bestrahlung des Schädels und Brustraumes www.krebsinformationsdienst.de kann die Überlebenschancen erhöhen. Durch einen zeitwww.krebsforum.ch Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Forschung

Neues aus Forschung und Wissenschaft

«Künstliche Lunge» für Medikamententests Wie lassen sich Diagnose und Therapie von Lungenkrebs verbessern? Wissenschaftler haben nun eine Art künstliche Lunge entwickelt, mit der sich die Wirksamkeit von Medikamenten testen lässt. Das Testsystem besteht aus Lungenkrebszellen, die auf einem Gerüst von normalen Lungenzellen und Bindegewebe wachsen.

Hoffnung auf Neue Therapien. Die künstliche

Mini-Lunge wird beatmet und mit einem Nährmedium versorgt, das der natürlichen Blutversorgung entspricht. Per Computer können die Forscher auf der künstlichen Lunge Behandlungen unter verschiedenen Bedingungen simulieren – zum Beispiel mit neuen Wirkstoffen. Zeigt sich in den Versuchen, dass der Tumor in der künstlichen Lunge schon bald nicht mehr auf den Wirkstoff reagiert, kann man die Kombination von mehreren Wirkstoffen testen und beobachten, ob sich der Tumor damit effektiver bekämpfen lässt. Die Forscher hoffen, dass es dank der Testergebnisse zukünftig einfacher wird, vorauszusagen, welche Behandlungen bei welchen Patientengruppen am besten wirken. Ausserdem können Medikamententests an der künstlichen Lunge dazu beitragen, die Zahl von Tierversuchen zu senken.

Lungenkrebs-Diagnose durch die Atemtemperatur? Italienische Forscher haben untersucht, ob die Temperatur der Luft, die ausgeatmet wird, dazu beitragen könnte, Lungenkrebs zu diagnostizieren. Sie testeten die Temperatur der Ausatemluft von 82 Personen – 40 davon hatten Lungenkrebs, 42 waren gesund. Die Krebspatienten hatten durchschnittlich eine höhere Atemtemperatur als die anderen Studienteilnehmer. Zudem war «Heisser Atem die Temperatur der Atemluft umso höher, je fortgeschrittener der Lunfür die genkrebs bereits war. Die WissenDiagnose? » schaftler hoffen, dass sie ihren Test noch so verbessern können, dass man ihn zukünftig in der Klinik breit einsetzen kann. Die Messung der Atemluft-Temperatur hätte gewichtige Vorteile: Sie wäre einfacher und kostengünstiger als die bisherigen Diagnosemethoden und für die Patienten weniger belastend. 8·

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Rauchen schadet – auch bei der Krebstherapie Viele Patienten mit Lungenkrebs sind Raucher. Ihre Motivation zum Rauchstopp ist meistens gering, weil sie sich sagen: «Jetzt habe ich ja schon Krebs, da bringt es mir nichts mehr, mit Rauchen aufzuhören.» Diese Einstellung ist jedoch falsch. Ein Rauchstopp vor oder während der Krebstherapie senkt das Risiko für Komplikationen. Studien zeigen, dass Raucher während einer Krebsbehandlung oft länger im Spital bleiben müssen als Nichtraucher. Ausserdem heilen ihre Wunden nach einer Krebsoperation langsamer und es besteht bei ihnen ein höheres Risiko für eine Störung der Lungenfunktion. Ein Rauchstopp kann dazu beitragen, die Wirksamkeit einer Chemo- oder Strahlentherapie zu verbessern, denn das Immunsystem von Nichtrauchern kann besser gegen Krebszellen ankämpfen als das Immunsystem von Rauchern. Also: Für einen Rauchstopp ist es wirklich nie zu spät!

Kommen bald Früherkennungsmassnahmen für Lungenkrebs? Je früher Lungenkrebs entdeckt wird, umso besser sind die Heilungschancen. Deshalb wird unter Experten diskutiert, ob ein Lungenkrebs-Screening sinnvoll wäre – zumindest für Personen mit einem erhöhten Risiko wie Raucher oder Menschen, die mit krebserregenden Substanzen wie Asbest in Kontakt gekommen sind. Mögliche Früherkennungsmethoden sind die Computertomografie CT oder Röntgenaufnahmen des Brustkorbs sowie die Bestimmung von Tumormarkern im Blut. In der Schweiz werden Massnahmen zur Früherkennung von Lungenkrebs momentan jedoch nicht empfohlen, auch nicht für Personen mit hohem Risiko. Ein Grund dafür besteht darin, dass die Ergebnisse von solchen Untersuchungen (noch) zu ungenau sind: Bei manchen Patienten ergeben die Untersuchungen einen falschen Tumorverdacht, bei anderen wird ein bestehender Tumor nicht entdeckt.


Foto: fotolia/palau83

Forschung · Perspektive leben

Ausserdem verursachen CT oder Röntgen eine Strahlenbelastung, die der Gesundheit schaden kann. Zurzeit laufen verschiedene grosse Studien, die Nutzen und Risiken einer Früherkennung untersuchen.

«Vermutung: Milchprodukte fördern Krebs»

Laktose-Intoleranz senkt das Krebsrisiko Laktose-Intoleranz, also die Unverträglichkeit auf Milchzucker, ist weit verbreitet – in der Schweiz sind rund 20 Prozent der Bevölkerung betroffen. Sie vertragen Milchprodukte mit einem hohen Gehalt an Milchzucker, Laktose, nur schlecht und reagieren darauf mit Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Übelkeit. Deshalb sollten Personen mit Laktose-Intoleranz bei Nahrungsmitteln wie Milch, Joghurt, Rahm, Mozzarella, Ricotta, Hüttenkäse oder Quark laktosefreie Produkte bevorzugen. Eine Laktose-Intoleranz

hat aber nicht nur Nachteile. Schwedische Forscher haben herausgefunden, dass Personen mit Milchzucker-Unverträglichkeit ein geringeres Risiko für Brust-, Eierstockoder Lungenkrebs haben als die Durchschnittsbevölkerung. Die Gründe dafür sind momentan noch nicht bekannt, es bestehen nur Vermutungen. So könnte es sein, dass ein hoher Konsum von Milch und Milchprodukten die Entstehung von Krebs fördert. Oder dass Nahrungsmittel wie Sojamilch, die von Personen mit Laktose-Intoleranz vermehrt konsumiert werden, krebshemmend wirken. Es ist auch möglich, dass Menschen mit Laktose-Intoleranz allgemein weniger Kalorien zu sich nehmen und deshalb seltener übergewichtig sind, was das Krebsrisiko senkt. Noch gibt es aber für keine dieser Vermutungen Beweise, schreiben die Forscher in der Fachzeitung British Journal of Cancer. Eva Ebnöther Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Lungenkrebs

Vorbeugung und Früherkennung von Lungenkrebs

Ist ein Screening für Risikogruppen sinnvoll? Früherkennungsmöglichkeiten bei Krebserkrankungen sind ein aktuelles Thema. Im Gegensatz zu anderen Krebsarten gibt es bisher bei Lungenkrebs keine Programme für Vorsorgeuntersuchungen. Erfahrungen aus dem In- und Ausland mit der NiedrigdosisComputertomografie haben gezeigt, dass die Früherkennung Leben rettet, aber auch zu Überdiagnosen und unnötiger Angst führen kann. Ob ein Lungenkrebs-Screening für Risikogruppen sinnvoll ist, wird noch erforscht.

dingungen erfüllt werden. Im Januar 2014 Optimales Screening. Lungenkrebs ist «Anrecht auf erschien dazu ein Positionspapier, an der in der Öffentlichkeit weniger präsent als frühzeitige Umsetzung wird im Rahmen eines natioandere Krebsarten und gilt als RaucherDiagnose» nalen Früherkennungsprogrammes gearkrankheit. Jede fünfte Frau und jeder zehnte Mann mit Lungenkrebs haben zeitlebens jebeitet. Ein wichtiger Unterschied zu anderen doch nie geraucht. «Alle LungenkrebspatienFrüherkennungsprogrammen: Ein optimales ten – ob Raucher oder Nichtraucher – haben Anrecht Lungenkrebs-Screening soll nicht möglichst grosse Beauf eine frühzeitige Diagnose», fordert nicht nur das völkerungsgruppen umfassen, sondern setzt nur bei PerSchweizer Forum Lungenkrebs. Auch zahlreiche Schweisonen mit hohem Lungenkrebsrisiko an. Das Schweizer zer Ärzte vertreten die Ansicht, dass aufgrund der akScreening-Programm sollte mit einem Programm komtuellen Datenlage ein Screening von starken Rauchern biniert werden, das die Untersuchten dazu motiviert, mit medizinisch vertretbar erscheint, wenn bestimmte Bedem Rauchen aufzuhören. Ein häufig geäussertes Argument gegen die Reihenuntersuchung von Rauchern ist, dass diese bei einer Entwarnung weiter zur Zigarette greifen und sich in falscher Sicherheit wiegen. Es zeigt sich aber, dass Raucher durch Es gibt keinen sicheren Weg, um die regelmässigen Untersuchungen nicht beruhigt werLungenkrebs zu verhindern, aber: den. Das Risiko deutlich verringern können Sie, wenn Sie n Ihrer Umgebung und ihren Kindern ein Vorbild sind und nicht rauchen. n jetzt sofort einen Rauchstopp beschliessen (Hilfe bieten die Krebsliga, die Lungenliga, ihr Hausarzt). n Tabakrauch aus dem Weg gehen, Raucher um Rücksicht bitten. n krebserregende Stoffe bei der Arbeit und in der Freizeit vermeiden. Halten Sie Schutzmassnahmen ein. n Ihr Radon-Risiko erkunden. n auf eine Ernährung achten, die reich an Obst und Gemüse ist. n Ihren Körper ertüchtigen: Regelmässige Bewegung trainiert das Herz-Kreislauf-System und senkt das Risiko für zahlreiche Krebsarten.

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Methodenwahl Tests wie Blutuntersuchungen auf Tumormarker oder Sputumanalysen, d. h. Untersuchungen von Auswurf, werden bislang von den zuständigen Fachgesellschaften nicht empfohlen. Eine einfache Röntgenaufnahme der Lunge ist zur Früherkennung ungeeignet. Die jährliche Untersuchung von Risikopatienten, also in erster Linie langjährige ältere Raucher, mit einer jährlichen Niedrigdosis-Computertomografie konnte sich bisher zwar noch nicht als Screening-Massnahme etablieren, stellt aber die derzeit beste Methode dar. Auch in der Schweiz wird diese Untersuchung angeboten und jetzt auf ihre Tauglichkeit für eine breitere Anwendung geprüft. Professor Dr. Jens Bremerich, leitender Radiologe am Universitätsspital Basel, stellte bei einer Fortbildung für


Lungenkrebs · Perspektive leben

Edelgas als Schadstoff für die Lunge Radon – unterschätztes Riskio im Wohnraum

Mehr Personen betroffen als gedacht Der Radonaktionsplan wurde ins Leben gerufen, weil die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2009 sowie weitere internationale Instanzen neue, tiefere Referenzwerte empfohlen haben, um das gesundheitliche Risiko infolge der Radonbelastung in Innenräumen zu verringern. Diese tieferen Referenzwerte basieren auf neueren Studien, die zeigen, dass das Risiko einer langfristigen Radonbelastung im Wohnbereich grösser ist, als früher angenommen wurde. Den neuen Risikoeinschätzungen zufolge sind alle Regionen der Schweiz von der Radonproblematik betroffen und nicht nur die bis anhin definierten Risikogebiete der Alpen und der Jurakette. Radon ist nach dem Rauchen die wichtigste Ursache für Lun-

genkrebs: 200–300 der rund 3000 Todesfälle durch Lungenkrebs in der Schweiz werden durch Radon verursacht.

Radonschutz im Bausektor Die Förderung des Radonschutzes im Bausektor stellt ein zentrales Element des Radonaktionsplans dar: Durch geeignete Massnahmen bei Neu- und Umbauten lässt sich die Radonbelastung in Innenräumen mit wenig Aufwand erheblich senken. Bereits angepasst wurde die für das Bauwesen relevante SIA-Norm 180, die seit Juli 2014 in Kraft ist. In dieser Norm wird Radon erstmals als Schadstoff berücksichtigt und der Radonschutz in den Planungsprozess bei Neubauten einbezogen. Für eine wirkungsvolle Krebsprävention ist es von grosser Bedeutung, dass die neuen Richtlinien in der Praxis umgesetzt werden. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Baubranche und die kantonalen Behörden.

Was ist Radon? Das radioaktive Edelgas Radon ist unsichtbar, geruch- und geschmacklos und entsteht durch den Zerfall von Uran in der Erdkruste. In der freien Umgebungsluft ist es unbedenklich für die Gesundheit. Es kann jedoch durch undichte Stellen in Bodenplatten und Kellerwänden in Häuser eindringen und sich dort anreichern. Radonatome können weiter zerfallen. Werden diese radioaktiven Zerfallsprodukte eingeatmet, setzen sie sich in der Lunge fest und bestrahlen das Lungengewebe. Mit steigender Radonkonzentration erhöht sich das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Quelle: Medienmitteilung der Krebsliga Schweiz

Fotos: thinkstock (1), fotolia/nmcandre (1), fotolia/Onidji (1)

Das radioaktive Edelgas Radon verursacht in der Schweiz jährlich 200–300 Todesfälle durch Lungenkrebs. An der Krebstagung 2014 wurden der aktuelle Wissensstand und die neue Risikoeinschätzung aufgezeigt und diskutiert. Mit baulichen Massnahmen bei Neu- und Umbauten kann die Radonbelastung in Innenräumen stark gesenkt werden. Die Fachwelt ist sich einig: Der Schutz der Bevölkerung ist unerlässlich. Am 4. Dezember trafen sich in Bern rund 200 Fachleute aus Bauwesen, Medizin, Public Health und Wissenschaft sowie Behördenvertreter, um sich über das natürlich vorkommende Edelgas Radon zu informieren und auszutauschen. Im Zentrum stand dabei der Radonaktionsplan des Bundesamtes für Gesundheit, der zum Ziel hat, den Schutz der Schweizer Bevölkerung vor Radon sicherzustellen. Schlüsselelement des Aktionsplans ist die Revision der Strahlenschutzgesetzgebung, bei der die gesetzlichen Werte angepasst werden sollen.

«Basler Modell: nung gestellt. Den Untersuchten wird dabei Krebsärzte das «Basler Modell» vor, das im Rahmen des nationalen Früherkennungsauch eine Raucherentwöhnung nahegelegt. Angebot für programms angeboten wird. Teilnehmen Resümee bisher: Bei einem sehr hohen RisiRaucher ab 55» können Raucher im Alter von 55–74 Jahren ko ist Screening möglich, sinnvoll und senkt mit mindestens 30 Packungsjahren, die also die Sterblichkeit an Lungenkrebs. 30 Jahre lang jeden Tag eine Schachtel oder 15 Quellen: Respiration 2014; 87 (3): 254–64, N Engl J Med 2013; 368: Jahre zwei Schachteln geraucht haben. Die Kosten betra1980–1991, The Lancet Oncology 2014, 15 (12): 1342–1350. www.forum-lungenkrebs.ch gen 375,- CHF und werden den Teilnehmern in RechAusgabe Schweiz

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Perspektive leben · Fortschritte der medizin

Lungenkrebs: Wege aus der Krankheit Ärzte und Wissenschaftler kämpfen seit Jahrzehnten dafür, dem Lungentumor seinen Schrecken zu nehmen. Zum aktuellen Stand der Therapiemöglichkeiten haben wir uns bei Professor Dr. Tobias Welte erkundigt. Er ist Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, die auch das weltweit grösste Lungentransplantationszentrum beherbergt.

Unser Experte: Prof. Dr. med. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover

«Die Fortschritte in der Diagnostik von Lungenkrebs sind eine wichtige Grundlage für die Fortschritte in der Therapie.» Sorgfältige Planung

Ist ein Lungentumor diagnostiziert, stellt sich dem Patienten die Frage: Welche Schritte muss ich nun unternehmen? Bevor die Behandlung beginnt, wird erst einmal die Art des Tumors bestimmt. Dies ist ganz wesentlich für den Behandlungserfolg. Als Nächstes wird untersucht, ob der Tumor auf die Lunge begrenzt ist oder bereits Metastasen gebildet hat.

Stahl, Chemo und Strahl: wie sie heute helfen können Sind Art und Ausdehnung des Tumors bekannt, lautet die nächste Frage: Ist der Tumor operabel? Kann man ihn entfernen? Denn die Operation ist das einzige Therapieverfahren, das zu einer vollständigen Heilung führen kann. Eine Chemotherapie als Vorbehandlung kann helfen, den Tumor so zu verändern, dass er leichter zu operieren ist. Doch manchmal ist eine Operation nicht möglich – sei es wegen der Art des Tumors, sei es wegen seiner Lage

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in der Lunge. Dann entscheiden sich die Ärzte meist für Chemotherapie als die beste Behandlungsmethode. Ein Beispiel: Kleinzellige Tumoren werden oft nicht operiert, weil sie häufig Metastasen bilden. Die beruhigende Nachricht: Kleinzellige Tumorarten kommen nur in einem Fünftel aller Fälle vor. Bei der überwiegenden Mehrzahl handelt es sich um die besser therapierbaren Formen, die als «nicht kleinzellige Karzinome» bezeichnet werden. Allerdings haben Chemotherapien einen Nachteil: Es gibt beim Lungenkrebs keine heilenden Chemotherapeutika. Ihr Einsatz soll vor allem eines bewirken – er soll die Lebensqualität der Patienten erhalten.

Wenn es sinnvoll ist, werden Therapien kombiniert Eine dritte grundsätzliche Behandlungsmöglichkeit ist die Bestrahlung. Meist wird diese Behandlungsart in Kombination mit einer Chemotherapie gewählt. Ein Verfahren unter-

stützt dabei das andere. Dank der enormen Fortschritte der pharmazeutischen Forschung und der Medizintechnik kann bei beiden Methoden heutzutage sehr zielgerichtet dosiert werden. Das ist gut für den Patienten. Denn der Behandlungserfolg wird maximiert, die Nebenwirkungen werden minimiert. Je nachdem, welche Ausgangssituation beim Patienten vorliegt, werden die drei Therapieformen auch kombiniert. Wesentliche Entscheidungsfaktoren können dabei sein: Alter und körperliches Befinden des Patienten, die Art des Tumors und seine Grösse.

Forschung: immer schneller mehr Erfolge Die Diagnostik hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch fortentwickelt. So sind Ärzte heute in der Lage, spezifische Therapieverfahren anzuwenden, die genau auf den jeweiligen Tumortyp zugeschnitten sind. Ein Beispiel: Etwa jeder zehnte Patient mit Lungenkrebs hat eine Mutation, die dazu führt, dass die Tumorzellen ständig ein Signal zum Wachstum erhalten. Diese Veränderungen im Erbgut sind zwar bei weiblichen Nichtrauchern häufiger – Experten weisen aber darauf hin, dass bei einem bestimmten Typ von fortgeschrittenem nicht kleinzelligem Lungenkrebs alle Patienten unabhängig von ihrem jetzigen oder


Fortschritte der medizin · Perspektive leben

Foto: thinkstock

früheren Rauchverhalten überprüft werden sollen. Liegt eine dieser Veränderungen vor, können sogenannte Tyrosinkinase-Hemmer eingesetzt werden. Dies sind einfache Tabletten, die dauerhaft genommen werden.

Chemotherapie: heute zielgenauer und schonender Ein weiteres Therapieverfahren, das bei bestimmten Patienten mit fortgeschrittenem nicht kleinzelligem Lungenkrebs infrage kommt, sind sogenannte Angiogenese-Hemmer: Diese sollen verhindern, dass der Tumor eigene Blutgefässe bilden kann,

um sich mit Nährstoffen zu versorgen. Und Jahr für Jahr lernt die Forschung dazu. Immer schneller verbucht sie Erfolge. Ein Zeichen, das wirklich Mut macht in der Hoffnung auf zukünftige Therapiechancen. Gleichzeitig verliert auch die Chemotherapie ihre Schrecken. Neue Substanzen und alternative Dosierungen wirken nicht länger als Keule, sondern wesentlich zielgenauer und somit auch für den Patienten angenehmer und verträglicher als noch vor ein paar Jahren.

Erfahrene Behandlungszentren Die Kombinationsmöglichkeiten der Therapiewege machen die Tumorbehandlung komplex. Man sollte sich solchen Tumorzentren und Kliniken anvertrauen, die entsprechende Erfahrungen mit diesen Me-

thoden nachweisen können. Je mehr Patienten mit der Diagnose Lungenkrebs ein Facharzt behandelt, desto routinierter und erfolgreicher wird er sein. Laut Aussage des Experten sollte für eine positive Klinikauswahl die Zahl von 250 Tumorbehandlungen pro Jahr nicht unterschritten werden. In anderen Ländern gibt es in diesem Zusammenhang sogenannte Mindestzahlregelungen. Der Gesetzgeber dort erlaubt nur Kliniken mit einer entsprechenden Mindestzahl an Behandlungen, tätig zu werden.

Kämpfer und Optimisten: bessere Heilungschancen Natürlich stellt sich jeder Krebspatient die wichtige Frage: Wie gross sind meine persönlichen Heilungschancen? Die medizinische Forschung hat in den letzten Jahren neben allen naturwissenschaftlichen Fortschritten zudem einen wichtigen psychischen Aspekt festgestellt: Patienten, die sich aktiv für Ihre Gesundung interessieren, um ihre Heilung kämpfen und optimistisch mit ihrer Krankheit umgehen, haben eine deutlich bessere Prognose, gesund zu werden und zu bleiben.

>> Hilfreiche Informationen unter: www.der-zweite-atem.de

Sowohl bei Krebszellen als auch bei Abwehrzellen werden biologische Vorgänge über komplizierte Signal­ systeme gesteuert.

Foto: fotolia/fotoliaxrender

Wächst ein bösartiger Tumor in der Lunge, wird zuerst untersucht, um welche Krebsart es sich handelt. Denn davon hängt ab, welche Therapie der Patient erhalten soll.

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Perspektive leben · Patienten-Porträt

Der Arzt als Krebspatient

«Du, in Deinem Bauch stimmt was nicht!» Niemand ist gegen sie gefeit. Und jeder verarbeitet sie anders – die Diagnose Krebs. Doch wie geht ein Medizin-Profi mit ihr um? Wie verhält er sich, was denkt er und wie verarbeitet er die Krankheit – mit Leib und Seele? Perspektive Leben traf einen Arzt aus Bayern und sprach mit ihm. Lesen Sie seinen sehr persönlichen Bericht.

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anchmal spielt einem das Leben ganz eigene Streiche. Warum sonst sollte mir als Mediziner ausgerechnet in meiner eigenen Praxis etwas passieren, was mein Leben von Grund auf veränderte? Es ist der 3. März des Jahres 2008. Ich beende in meiner Gemeinschaftspraxis gerade eine Vorsorgeuntersuchung bei einem Patienten. Genau während der Verabschiedung passiert es: Ich verspüre schlagartig einen so starken Schmerz im Bauch, dass ich fast zusammenbreche. Ich muss mich sofort hinsetzen. Als sich der Kreislauf ein wenig stabilisiert, wende ich mich, unter Schmerzen gekrümmt, in das Behandlungszimmer meines Kollegen. Er führt unverzüglich eine Ultraschalluntersuchung am Bauch durch. Sichtbar ist eine Blinddarmentzündung, aber auch noch etwas mehr …! Ein Krankenwagen bringt mich in die Klinik. Der Schmerz lässt nicht nach. Mein Kreislauf bricht wieder zusammen. Ich werde sofort operiert.

Dies ist eine sehr persönliche Geschichte. Deshalb bat uns der Arzt, der sie uns erzählt hat, sein Gesicht nicht zu zeigen. Foto: thinkstock

Die Erinnerung: Mein Vaters hatte Darmkrebs Kurz vor dem Einschlafen denke ich an meinen Vater. Er litt an einem Krebs des Dickdarms, an einem Kolonkarzinom, wie die Mediziner sagen. Deshalb hatte er einen künstlichen Darmausgang. So kannte ich ihn. Er trug immer diesen Beutel am Körper. Den musste er sich anschnallen. Damals war die Medizintechnik noch nicht so weit wie heute. Ich dachte auch an meine letzte «Plötzlich spüre Vorsorgeuntersuchung vor fünf Jahren: Lediglich mein Stuhl wurich den Schlag de untersucht, eine Darmspiegeim Bauch» lung wurde nie durchgeführt. Ich erinnerte mich an die letzten Monate: Da war hin und wieder etwas im Bauch zu spüren. Und ich ignorierte meine innere Stimme, die mir sagte: «Du, in Deinem Bauch stimmt was nicht!» 14 ·

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Als ich aufwache, ist mein erster Gedanke: «Hoffentlich kein künstlicher Darmausgang!» Ich untersuche mich am Bauch und bin vorerst erleichtert. Ich kann nichts ertasten. Bei der Operation wurde ein Zökumkarzinom, ein Tumor nahe dem Blinddarm, entfernt. 21 Lymphknoten wurden herausgenommen, drei davon waren befallen.

Die grosse Frage: Wie geht es weiter? Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Direkt nach der Operation befinde ich mich in einer gewaltigen Krise mit mir selbst! Mein ganzer Lebensplan steht plötzlich auf dem Spiel. Wie soll es im Beruf für mich weitergehen? Gleichzeitig mache ich mir Vorwürfe: Ich habe zu sehr auf andere und zu wenig auf mich geachtet. Habe mich immer für unentbehrlich in meinem Beruf gehalten. Stellte meine eigene Gesundheit hintan. Arbeiten hatte immer


Patienten-Porträt · Perspektive leben

erste Priorität, danach kam lange nichts. Bis jetzt. Ich merke: Ich muss umdenken.

Ich merke es deutlich: Auch meine Seele braucht Hilfe Eine Psychoonkologin hilft mir. Sie steht mir in den ersten wichtigen Tagen nach der Operation zur Seite. Wir führen hoch konzentrierte Gespräche während meines ganzen Klinikaufenthaltes. Dabei zeigt sie mir einen Weg durch den eigenen Urwald der Gefühle. Ich merke, wie gut mir das tut! Nach zehn Tagen werde ich entlassen. Komisch: Aber nun fühle ich mich sowohl innerlich als auch äusserlich sehr stabil. So stabil, dass ich nach nur wenigen Wochen wieder in der Praxis stehe. Parallel zur Arbeit mache ich meine Chemotherapie, immer an einem Freitag. Am Wochenende erhole ich mich und kann so montags erneut in der Praxis für meine Patienten sorgen. Das Ganze geht so über ein Jahr. Dann die Entwarnung – es sind keine weiteren Anzeichen von Metastasen zu entdecken. Ich atme noch mehr auf.

Darmkrebs: Früherkennung schützt! Insgesamt vier Stadien der Darmkrebserkrankung unterscheiden die Ärzte heute. n In den ersten drei Stadien hat der Tumor noch keine Metastasen gebildet. Wird er so früh durch eine Früherkennungsuntersuchung festgestellt, bestehen besonders gute Heilungsaussichten. n Die ersten drei Stadien sind übrigens die häufigsten bei der Früherkennung und Vorsorgeuntersuchung. n Im vierten Stadium ist der Darmkrebs so weit fortgeschritten, dass sich die Medizin auf die Linderung der Beschwerden und Verbesserung der Lebensqualität konzentriert. n Der Rat der Ärzte: Unbedingt die Vorsorge nutzen!

nur vorwärts blicken. Das ist so wie mit den Zeigern der Uhr, die auch nur vorwärts laufen. Die Krankheit hilft mir, Zuversicht, das weiss ich auch als Arzt, stärkt das Immundas Wichtige zu erkennen system. Das ist auch für mich ganz wichtig! In der Zeit nach der Erkrankung verfolge ich Natürlich achte ich heute auch mehr auf nun – ohne Einschränkungen – meinen mich als früher. Ich setze Prioritäten anders, «Man muss Lebensplan konsequent und mutig weiter: ernähre mich bewusster: Vitamine und Midie Krankheit Ich treibe nun nebenberuflich meine Aktineralstoffe, nicht mehr ganz so viel Fleisch akzeptieren» vitäten bei der kassenärztlichen Vereinigung und möglichst naturbelassene Vollwertkost. voran und widme mich weiterhin meinem Das mache ich bis heute und auch zukünftig Steckenpferd Diabetes. Mittlerweile arbeite ich so. Es tut mir einfach gut. Für mich gilt: Ich bin zwar geheilt, aber noch nicht fernun in einem medizinischen Versorgungszentrum. tig mit dem Auskurieren. Ich mache damit weiter. Das Heute, nach sechs Jahren, fühle ich mich geheilt. Auf sagt mir meine innere Stimme, auf die ich nun höre. Sie dem Weg dahin half mir immer mein Blick nach vorne. ist mein Ja zum Leben. Die Angst hingegen hilft keinem Zurückschauen bringt nichts. Man muss die Krankheit weiter – denn sie ist das Nein. akzeptieren. Sie auch als neue Chance sehen. Es hat keiAufgezeichnet von Dietmar Kupisch nen Sinn, jammernd rückwärts zu schauen. Man sollte

Foto: thinkstock

«Für mich gilt: Ich bin geheilt, aber noch nicht ganz fertig mit dem Auskurieren. Ich mache damit weiter!»

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Ein Besuch bei der Krebsliga Ostschweiz

Anlaufstelle während und au nach einer Krebserkrankung Die Krebsliga Ostschweiz ist aus dem Zusammenschluss der ehemaligen Krebsligen St. Gallen-Appenzell und der Krebsliga Glarus entstanden und bietet damit in vier Kantonen Beratungs- und Anlaufstellen. 35 Mitarbeitende gehören der Organisation an. Mehrheitlich sind sie direkt für Krebspatienten und Angehörige tätig und begleiten mit ihrer unterschiedlichen Fachkompetenz Betroffene durch alle Phasen der Erkrankung.

«Wünsche am dizinischen Behandlung zu beraten und zu liga Ostschweiz in St. Gallen konnte dank begleiten. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit Lebensende sind Fortbildungen für das Pflegepersonal einer grösseren Zuwendung ganz nach den erfüllen» Wünschen und Vorstellungen der Organiin Spitälern, Heimen und für die Spitex. Im sation gebaut werden. Sie befindet sich im Krebsregister werden wichtige Daten gesamErdgeschoss einer modernen Liegenschaft in melt und ausgewertet, um auf Fragestellungen der Nähe des Kantonsspitals St. Gallen. Regula Schneirund um Krebs Antworten und Zahlen angeben zu könder ist die Geschäftsführerin und lenkt von St. Gallen aus nen sowie vorausschauend zu planen. Diese Arbeit wird nun auch von der Politik anerkannt, die eine flächendeauch die Aussenstellen in Buchs, Uznach, Glarus. Dorthin ckende Einführung von Krebsregistern in der Schweiz kommt sie nur selten, sie sieht aber die Mitarbeitenden beschlossen hat. bei der monatlichen Teambesprechung in St. Gallen. Seit 15 Jahren ist sie für die Krebsliga tätig. Ihr Team ist in St. Gallen war und ist auch Vorreiter beim Mammografiedieser Zeit so gewachsen, dass sie selbst nicht mehr direkt Screening in der deutschsprachigen Schweiz. Das Programm «donna» kann nach Abschluss der ersten Einin der Beratung tätig ist. Durch die koordinierende Funkladungsrunde eine positive Bilanz ziehen und stösst bei tion kennt sie aber die aktuellen Herausforderungen und Probleme in den einzelnen Beratungsbereichen. ERWEITERT. Die Geschäftsstelle der Krebs-

Spezielle Angebote Besonders stolz ist man auf das vielseitige Angebot der Beratung. Neben der psychosozialen Beratung und Begleitung von Betroffenen und Angehörigen bietet der mobile palliative Brückendienst beratende Unterstützung zu Hause. Dem Kernteam gelang es bisher meistens, die Wünsche von Patienten am Lebensende zu erfüllen und daheim gut versorgt zu sterben. «Aktuell fehlen im Personalpool manchmal die Ressourcen, um bei zeitlich erhöhten Herausforderungen flexibel reagieren zu können», erzählt Regula Schneider. Durch eine bereits geplante personelle Aufstockung ist in diesem Bereich Entlastung in Sicht. Die Stomaberatung wird in Spitälern und ambulant in der Geschäftsstelle in St. Gallen angeboten. Die Nähe zum Kantonsspital St. Gallen erlaubt es, die Betroffenen kurzfristig zu besuchen und sie in allen Phasen der me16 ·

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Menschen · Perspektive leben

uch g den Frauen auf Akzeptanz. Offenbar ist es gelungen, die Teilnehmerinnen durch die von Anfang an gewährleistete hohe Qualität und Kundenfreundlichkeit zu überzeugen.

Neu: Cancer Survivorship Neu wird im Rahmen eines Projektes eine Beratung für die spezifischen Bedürfnisse von Krebs-Überlebenden aufgebaut. Oft fühlt sich diese Gruppe der sogenannten «Cancer Survivors» nach abgeschlossener Therapie nicht mehr genügend betreut. Die Fachberatung Cancer Survivorship wird von einer Onkologie-Pflegefachfrau durchgeführt, welche über 20 Jahre Berufserfahrung im Bereich Onkologie einbringt. Sie berät bei chronischen Gesundheitsproblemen als Langzeitfolgen der Krankheit und Behandlung wie beispielsweise: n Gewichtsprobleme, Ernährung, Verdauung n Erschöpfung, Depression, Schlafprobleme n hormonelle Symptome, Menopausen-Symptome n Gedächtnisprobleme n chronische Schmerzen, neurologische Langzeitfolgen

n krebsspezifische körperliche Be-

«Beratung für

einträchtigungen. Überlebende Das neue Angebot bietet keine menach Krebs» dizinische Behandlung, sondern Unterstützung in der Bewältigung auftretender Schwierigkeiten. Bei Bedarf kann die Zuweisung an spezialisierte Therapeuten oder themenspezifische Programme in die Wege geleitet werden. Manchmal sind es aber nicht nur die körperlichen Folgen der Krebserkrankung, die das Leben nicht mehr sein lassen wie vor der Erkrankung. Oft ist die Angst vor einer Wiedererkrankung und vor den Kontrolluntersuchungen so gross, dass sie alles Positive überschattet. Bei anderen Personen leidet durch die Körperbildveränderung das Selbstwertgefühl. Auch Probleme in der Partnerschaft und Sexualität sind oft belastend, die Rolle in der Familie und im Beruf will neu definiert werden. «Ängste und Probleme können abnehmen, wenn sie ausführlich mit einer neutralen Fachperson besprochen werden können», ist Regula Schneider überzeugt.

Interview mit Regula Schneider, Krebsliga Ostschweiz

«Wir sind da für alle Fragen rund um Krebs» Seit wann sind Sie bei der Krebsliga, beraten Sie selbst auch noch? Schneider: Ich arbeite seit 15 Jah-

Haben sich in dieser Zeit auch die Ratsuchenden verändert? Schneider: Ja, doch sehr. Eine

ren bei der Krebsliga. Seither hat sich eine enorme Entwicklung ergeben, neue Angebote wurden aufgebaut oder erweitert und der Kanton Glarus ist dazugekommen. Von damals zehn Mitarbeitern ist die Zahl auf 35 angestiegen. Ich bin nach wie vor mit ganzem Herzblut dabei, auch wenn ich keine Beratungen mehr selbst mache. Aber bei Problemen und in den Teamsitzungen bekomme ich noch die ganze Vielseitigkeit mit.

Krebserkrankung wird heute nicht mehr sofort mit Sterben und Tod assoziiert. Krebs hat sich dank der Forschung und verbesserten Behandlungsmöglichkeiten zu einer chronischen Krankheit entwickelt. Langzeit- und Spätfolgen der Therapie und die Angst vor Rezidiven sind für ehemalige Krebsbetroffene Anlass zu Unsicherheit und Sorge. Es gibt immer mehr Langzeitüberlebende mit ganz unterschiedlichen

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Bedürfnissen. Um diesen Anliegen in der Beratung gerecht zu werden, müssen wir unser Angebot stetig anpassen. Was sind die Hauptprobleme am Anfang einer Krebsdiagnose? Schneider: Schock und Unsicher-

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heiten, Angst und die grosse Frage: Wie geht es weiter? Wir helfen, die Ressourcen bei der betroffenen Person selbst und auch im Umfeld zu sortieren und gezielt einzubeziehen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Freunde, Verwandte, Nach- » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Menschen

Mein persönlicher Rat Regula Schneider, Geschäftsführerin Krebsliga Ostschweiz

«An Krebs zu erkranken, bedeutet eine Herausforderung auf verschiedenen Ebenen. Wir helfen auch, mit den körperlichen und seelischen Folgen und Ängsten vor einem Rückfall zu leben oder sich neu zu orientieren.»

barn einbringen, wenn man sie lässt. Die betroffenen Menschen reagieren jedoch ganz unterschiedlich, ob sie Hilfe annehmen oder lieber alleine klarkommen möchten. Das ist einerseits abhängig von der ganz persönlichen Art, wie man mit Herausforderungen im Leben umgeht und andererseits auch von äusseren Rahmenbedingungen, beispielsweise ob man in einer Stadt oder auf dem Land lebt. Wir machen die Erfahrung, dass Betroffene in ländlichen Gebieten wie zum Beispiel dem Appenzellerland eher dazu neigen, so lange wie möglich allein mit der Situation fertigzuwerden, und erst dann Hilfe suchen, wenn sie mit ihren Belastungen an die Grenzen kommen. Schützen Sie manchmal auch Menschen vor den Mühlen der Medizin? Schneider: Wir suchen die Zusam-

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«Wir warnen, wenn es sich um unseriöse Hilfsangebote handelt, oder bestärken Patienten in ihrem Willen, wenn sie etwas nicht mehr möchten.» regula schneider

deren Quellen ausgeschöpft sind. Es erfolgt in jedem Fall eine detaillierte Abklärung der finanziellen Situation. Wir springen ein, wenn durch die Erkrankung Mehrkosten entstehen, die nicht gedeckt sind. Wenn jemand zum Beispiel 30 Mal zu einer Bestrahlung fahren muss und die Fahrtkosten nur teilweise übernommen werden, dann können wir einen Zuschuss geben. Oder wenn keine Zusatzversicherung vorhanden ist und eine kranke Mutter vorübergehend eine Haushaltshilfe braucht, dann vermitteln wir und helfen bei den Kosten.

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Hatten Sie auch mal Wartelisten? Kommt jeder gleich

dran? Schneider: Für das Grundangebot

der psychosozialen Beratung steht immer eine Fachperson zur Verfügung. Bei Anmeldungen für die Beratung durch den Brückendienst mussten wir aufgrund der grossen Auslastung auch schon kurzfristig vertrösten. In solchen Fällen sprechen wir uns mit unseren Netzwerkpartnern ab und sind stets bemüht, unser Angebot den Entwicklungen anzupassen. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Dr. Susanne Schelosky

Foto: thinkstock

menarbeit mit den Ärzten, wenn das gewünscht wird, bieten aber keine

medizinische Beratung. Allerdings warnen wir, wenn es sich um unseriöse Hilfsangebote handelt, oder bestärken Patienten in ihrem Willen, wenn sie etwas nicht mehr möchten. Gerade Alleinstehende, die keinen Partner haben zum Reden, unterstützen wir bei ihrer Entscheidungsfindung. Wir können grundsätzlich sehr flexibel auf die vielseitigen Bedürfnisse eingehen.

Wann unterstützt die Krebsliga finanziell? Schneider: Erst dann, wenn alle an-

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Perspektive leben · Wissen

Krebsinformationsdienst DKFZ Heidelberg

Häufig gestellte Fragen und die Antworten PSA-Test ab wann und wie häufig? – Schluckimpfung gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs? – Nussverzehr und Krebssterblichkeit – Wirkstoffe der Stachelannone zur Krebstherapie? Lesen Sie hier einige der Antworten des Krebsinformationsdienstes KID in Heidelberg. Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg macht es sich zur Aufgabe, regelmässig über die am häufigsten gestellten Fragen zu berichten. Die aktuellen Themen aus onkologischer Forschung, Klinik und Versorgung werden auf ihren wissenschaftlichen Hintergrund geprüft. Zuletzt standen neue Daten zum PSA-Screening und zur Impfung gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs im Mittelpunkt des Interesses. Beleuchtet wurde auch der Stellenwert von Nüssen zur Vorbeugung von Krebs und was die Stachelannone kann.

PROBASE-Studie zur Früherkennung von Prostatakrebs Kaum eine Massnahme ist so ausführlich diskutiert worden wie das Screening auf Prostatakrebs. Vor- und Nachteile halten sich die Waage, kein Land hat bisher ein flächendeckendes ScreeeningProgramm eingeführt. Die Schweizerische Gesellschaft für Urologie befürwortet zurzeit kein systematisches Screening der Männer, unterstützt jedoch das individuelle Gespräch zur Prostatakrebsfrüherkennung. Mit einer gross angelegten Untersuchung (PROBASEStudie) wollen vier universitäre Zentren in Deutschland Klarheit auf folgende Fragen bekommen: Ab wann sollte eine PSA-Bestimmung durchgeführt werden? Ist

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eine an das Risiko angepasste Staffelung der weiteren Zeitabstände von Untersuchungen möglich? 50 000 Studienteilnehmer werden angestrebt. Die einen werden mit 45 Jahren, die anderen mit 50 Jahren die erste PSA-Messung erhalten. Danach werden je nach Höhe des PSA-Wertes zusätzliche Messungen oder weiterführende Untersuchungen durchgeführt. Es geht darum, Überdiagnosen und Übertherapie zu vermeiden.

Schluckimpfung gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs? Die Bauchspeicheldrüse ist eine für die Verdauung und den Zuckerhaushalt wichtiges Organ. Sie liegt in der Tiefe des oberen Bauchraumes im Bogen des Zwölffingerdarms, hinter dem Magen eingebettet. Als Produzent der Hormone Insulin und Glukagon sowie der Verdauungssäfte ist die Bauchspeicheldrüse im Stoffwechsel unverzichtbar. Bei einer Krebserkrankung in diesem Organ ist die Sterblichkeit hoch. Die Operation ist oft schwierig oder gar unmöglich. Auf der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten wurde in Heidelberg eine Impfung eingesetzt, mit der die Tumorgefäs­ se am Wachstum gehindert werden sollen. Der Impfstoff der Firma VAXIMM mit der Bezeichnung VXM01 besteht aus ungefährlichen Bakterien, in deren Erbgut

die genetische Information für den VEGF-Rezeptor 2 eingeschleust wurde. VEGF ist ein Rezeptor, der das Gefässwachstum fördert. Das Immunsystem erkennt diesen als fremd und Immunzellen sollen so die Gefässneubildung hemmen. Die ersten Untersuchungen dienten nur der Überprüfung, ob das Prinzip funktioniert und wie hoch die Dosis sein muss. Zum Stellenwert der Behandlung weisen die Experten vom DKFZ darauf hin, dass es sich um einen interessanten, aber experimentellen Ansatz handelt, der noch weit von der klinischen Routine entfernt ist.

Senken Nüsse die Krebssterblichkeit? Zwei grosse Langzeitstudien aus den USA haben bei knapp 120 000 Personen 30 Jahre lang untersucht, ob der Verzehr von Nüssen einen Einfluss auf die Gesundheit hat. Untersucht wurden die Gesamtsterblichkeit sowie das Risiko für Herz- und Gefässkrankheiten und die Sterblichkeit an Tumoren. Die Studienteilnehmer mussten Angaben zum Verzehr von Nüssen, zur Ernährung allgemein und zum Lebensstil machen. Rauchen und Zuckerkrankheit waren Ausschlussfaktoren. Die Auswertung zeigte eine statistisch signifikant verringerte Gesamtsterblichkeit bei Nussessern. Auch das Risiko, an Herzerkrankungen und Krebs


Wissen · Perspektive leben

zu sterben, reduzierte sich mit der Häufigkeit des Nusskonsums deutlich. Die Art der Nüsse spielte dabei keine Rolle. Diese Resultate bestätigen die Vielzahl von Daten, die für einen gesundheitlichen Nutzen von Nüssen sprechen: Sie sind wertvolle Nährstofflieferanten und enthalten überwiegend ungesättigte Fettsäuren. Der Gehalt an Pflanzenfasern, Vitaminen und Spurenelementen ist hoch. Laut den Empfehlungen des World Cancer Research Fund sollten sie neben der üblichen Kost verzehrt werden.

Das Bundesamt für Gesundheit und die Schweizer Gesellschaft für Ernährung empfehlen den täglichen Verzehr von einer Portion (20–30 g) ungesalzener Nüsse, Samen oder Kernen.

Was ist und kann die Stachelannone? Gesundheitssendungen im Fernsehen sind beliebt und können zu zahlreichen Nachfragen bei Beratungsstellen und Ärzten führen. Die Information, dass die Früchte der Annonengewächse, vor allem

die Stachelannone, Krebs besser als Chemotherapeutika behandeln könne, führte zu zahlreichen Anrufen beim DKFZ. In den Heimatländern der Baumfrüchte werden diese als Obst und Gemüse verzehrt, die Samen sind sehr giftig für die Nerven. Basierend auf den Inhaltstoffen gibt es bisher keine geprüften Medikamente. Ein gegen Krebs gerichteter Effekt der bislang angebotenen Produkte ist nicht erwiesen. Quelle: Onkologe 2014, 20: 169–172.

Der Krebsinformationsdienst bietet Informationen zu allen krebsbezogenen Fragestellungen – aktuell, individuell, evidenzbasiert und unabhängig, für die allgemeine Öffentlichkeit und für Fachkreise. Telefondienst: +49 (0) 6221 999 8000, täglich 8–20 Uhr • E-Mail-Service: krebsinformationsdienst@dkfz.de Internet: www.krebsinformationsdienst.de • Facebook: www.facebook.de/krebsinformationsdienst

Tipp!

Forschungspraktika schon im Studium

2500 Studenten hatten bereits die Gelegenheit, modernste Forschungsmöglichkeiten bei weltweit anerkannten Be-

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ratern zu nutzen. Die beteiligten Einrichtungen sind führend in der Forschung, neu werden das National Institutes of Health (NIH), die Harvard University, das Institut Pasteur, die Kyoto Universität, die Universität von Tokio und auch die ETH mitmachen. Für das Programm in Japan sind Studenten aus aller Welt teilnahmeberechtigt. Das Programm wurde 2006 in den USA ins Leben gerufen und 2008 auf Europa ausgeweitet. Während der nächsten zwei Jahre werden 20 Studierende das Programm an der ETH nutzen können. Ihnen werden jeweils im Sommer Forschungspraktika angeboten. Im Rahmen dieses Sommerprogramms können die Studierenden direkt mit den Forschungsteams zusammenarbeiten. Die Unterstützung der Studenten gewährleistet, dass qualifizierte Bewerber unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation teilnehmen können. Foto: obs/Amgen Gm

In Zeiten des Nachwuchsmangels gewinnt, wer junge Menschen möglichst früh für eine zielgerichtete Ausbildung begeistern kann. Für Studierende der Fachgebiete Naturwissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik ist das Amgen Scholars Program ein interessantes Angebot. In den Sommermonaten können die Studenten Laborluft schnuppern und internationale Kontakte knüpfen. Beliebt sind Stipendien für Auslandsaufenthalte und damit die Möglichkeit, international anerkannte Universitäten und Forschungseinrichtungen Die Forschung braucht kennenzulernen. Die ETH Zürich dringend Nachwuchs wird jetzt Teil eines Netzwerks von 17 Bildungsinstitutionen weltweit, die am Stipendiatsprogramm der Amgen Foundation teilnehmen. Seit acht Jahren unterstützt die Biotechnologie-Firma die Ausbildung der Wissenschaftler von morgen. Amgen entwickelt neue Behandlungen gegen Krebs, Nierenleiden, Rheumatoide Arthritis und andere schwere Erkrankungen.

>> Mehr Informationen sind zu finden unter www.AmgenInspires.com oder über Twitter unter @AmgenFoundation

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Perspektive leben · Bestrahlung bei Brustkrebs

Kombinierte Behandlungsmöglichkeiten bei Brustkrebs

Strahlen-Energie für eine ges Neben Operation und Chemotherapie ist die Strahlentherapie ein wichtiger Teil der Behandlung von Brustkrebs. Möglicherweise aber auch derjenige Teil, der besondere Ängste auslösen kann. Allein das Wort «Strahlung» wird von vielen Menschen als Zeichen vermeintlicher Gefahr gedeutet. Doch wie kann etwas helfen, was sich so gefährlich anhört? Lesen Sie die Fakten: Wie Strahlentherapie heute hilft.

«Strahlen sind aus der Brustkrebsbehandlung nicht mehr wegzudenken.»

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Bestrahlung bei Brustkrebs · Perspektive leben

Foto: fotolia/royaltystockphoto

sunde Zukunft Unsichtbare Hilfe. «Die Strahlentherapie ist aus der

modernen Behandlung der Brustkrebserkrankung nicht wegzudenken», sagt Dr. Almut Artmann aus München, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe mit Spezialisierung im Bereich der Brustdiagnostik. Denn die Bestrahlung hat zwei Ziele. Ziel Nummer eins: den Tumor in der Brust unter Kontrolle bringen. Und Ziel Nummer zwei: die Überlebensrate erhöhen, indem Metastasen, also Tochtergeschwülste, verhindert werden. «Damit leistet die Strahlentherapie einen für die Behandlung des Brustkrebses wichtigen Beitrag», stellt die Münchner Brustkrebsspezialistin fest.

Die Teilung der Krebszellen verhindern! Wie andere Zellen auch vermehren sich die Tumorzellen in der Brust durch Zellteilung. Der Unterschied zum normalen Zellwachstum liegt in dem rasanten Tempo, in dem diese Teilungen ablaufen. Durch die Operation wird der eigentliche Tumor so gut wie möglich entfernt. Die Chemotherapie sorgt dafür, dass im Körper verbliebene Krebszellen aufgespürt und vernichtet werden. Die Bestrahlung schliesslich wird in der Praxis zusätzlich eingesetzt, um das Entstehen von Tochtergeschwülsten zu verhindern.

Die Anwendung heute: immer zielgenauer Dank moderner Gerätetechnik und zielgenauer Anwendung, die sich am individuellen Tumorstadium und Operationsverfahren orientiert, können Ärzte heute den Einsatz der Strahlentherapie auf das unbedingt Notwendige beschränken. So können sie die Behandlung individuell genau abstimmen und damit «Strahlen die Nebenwirkungen für die bringen den Krebs Patientin so gering wie mögunter Kontrolle!» lich halten. Die grundsätzliche Wirkungsweise der Strahlentherapie ist bei allen angewendeten Verfahren ähnlich: Energie in Form von Strahlen trifft auf Körperzellen und schädigt diese. Gesunde Zellen können die Schäden reparieren, kranke Zellen hingegen sterben ab, weil sie aufgrund ihrer wuchernden Natur in der Regel nicht mehr über die notwendigen Reparaturmechanismen verfügen. n Wird die Strahlentherapie nach einer erfolgreichen Operation eingesetzt, sprechen die Ärzte von einer sogenannten adjuvanten Therapie. n Palliativ eingesetzt, zeigt die Strahlentherapie beeindruckende Verbesserungen bei örtlich beschränkten Rückfällen, sogenannten «Rezidiven», oder Metastasen.

Foto: thinkstock

Bei brusterhaltender Operation ist Bestrahlung wichtig «Die Radiotherapie der betroffenen Brust, der Brustwand und eventuell auch der Lymphabflusswege ist nach einer Operation, die die Brust erhält, bei allen Tumoren angezeigt», sagt Dr. Almut Artmann. Mit der Bestrahlung können die Ärzte mögliches erneutes Tumorwachstum in der Brust verhindern. Und sie vermindern ebenfalls

die Gefahr, dass die Tumorzellen in den Körper streuen – und damit das Risiko, an der Erkrankung zu sterben. Deshalb wird bei brusterhaltenden Operationen nahezu immer bestrahlt. In zahlreichen Studien wurde mittlerweile nachgewiesen: Die Behandlungserfolge sind für die Patientinnen gleich gut, ob im ersten Fall die Brust entfernt wird oder ob sie im zweiten Fall erhalten werden kann im Zusammenspiel mit einer anschliessenden Strahlentherapie. Bei nicht brusterhaltenden Operationen und vollständiger Entfernung des Tumors kann möglicherweise auf eine Bestrahlung verzichtet werden.

Für jede Anwendung die richtige Bestrahlung Zum Einsatz kommen in der Untersuchung wie der Behandlung verschiedene energetische Kräfte. In den meisten Fällen handelt es sich um hochenergetische Strahlen. Diese Art von Strahlen – wie Gammastrahlung, Röntgenstrahlung oder Elektronenstrahlung – ist in der Lage, einzelne Teile aus einem Krebsmolekül «Brusterhaltung? direkt oder mittelbar herausImmer mit zubrechen und damit diese Bestrahlung!» Zellen zu schädigen. Stand der Technik sind heute folgende Verfahren: n Linearbeschleuniger mit Photonen niedriger Energie. Das Gerät ermöglicht die Bestrahlung tiefliegender Tumoren mit grösstmöglicher Präzision und höchstmöglicher Dosierung n Hyperthermiebehandlung, also Wärmeanwendungen mithilfe elektromagnetischer Wellen n Untersuchungen mit radioaktiven Substanzen, beispielsweise als Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und als Szintigrafie. » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Bestrahlung bei Brustkrebs

«Start vier Wochen nach dem Eingriff»

Die Dosis wird langsam gesteigert Die Bestrahlung erfolgt durch die Anwendung kleinerer Mengen der energetischen Strahlen in aufeinanderfolgenden Terminen meist über fünf bis sieben Wochen hinweg mit bis zu fünf Terminen pro Woche. Man nennt dieses Vorgehen Fraktionierung. Die Bestrahlung selbst erfolgt durch die Haut hindurch, dau«Bis zu fünf ert nur wenige Minuten und ist Termine pro schmerzfrei. Woche» In geeigneten Fällen wird diese «fraktionierte Therapie» mit einem sogenannten «Boost» gestartet, also der Verabreichung einer erhöhten Strahlendosis in der ersten Sitzung. Erfahrungen liegen auch zur hyperfraktionierten Bestrahlung vor. Bei dieser Anwendung 24 ·

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hilfreichen Spezialisten vorhanden? n Sind sie am neuesten Fortschritt der Wissenschaft ausgerichtet? n Ist die notwendige technische Ausstattung auf modernstem Stand? n Stimmen Umfeld und Entfernung vom Wohnort? Das alles sind Fragen, die für den Heilungseffekt und das Wohlbefinden während der Strahlungstherapie ausschlaggebend sein können. Mit der Bestrahlung wird begonnen, wenn die Operationswunde gut verheilt ist. Das ist in der Regel vier Wochen nach dem Eingriff der Fall. Sollte nach der Operation noch eine Chemotherapie erfolgen, so wird der Beginn der Bestrahlung zeitlich nach hinten verschoben, um eine Belastung des Körpers durch gleichzeitige Behandlungen zu vermeiden. Eine Antihormontherapie spricht nicht gegen einen frühen Bestrahlungstermin.

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n Sind alle für die Beratung

Der Nutzen einer Strahlentherapie ist für Patientinnen mit brusterhaltender Operation mittlerweile belegt. Neue Studien zeigen, dass sich die Gefahr einer Rückkehr des Tumors binnen zehn Jahren nach der Erkrankung von rund 25–40 % bei Nichtbestrahlung auf etwa 5–10 % mit Bestrahlung senken lässt. Das sind klare Zahlen. Auch sterben offensichtlich dank der Bestrahlung rund 4 % weniger Patientinnen innerhalb von 15 Jahren. Auch wenn die Erkrankung bereits weiter fortgeschritten ist, wird der Nutzen noch deutlich: So sinken bei Bestrahlung die Rückfallquote um 22 % und die statistische Sterblichkeitsquote um 8 %. ink

Sie sollten auf folgende Kriterien achten:

Die Hilfe für Patienten: klar bewiesen!

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Welche Art moderner Strahlentherapie im konkreten Fall in der Therapie zum Einsatz kommt, wird am besten in einer Gruppe behandelnder Spezialisten beraten. Mit der Erfahrung aus verschiedenen Fachdisziplinen kann ein auf die einzelne Patientin eigens zugeschnittener Bestrahlungsplan erarbeitet werden, in dem die zu bestrahlenden Bereiche, die Art der Bestrahlung, die Dosierung und die zeitliche Abfolge festgelegt werden. Gerade weil eine individuelle Therapie für die Patientin grosse Vorteile birgt, ist die Wahl eines geeigneten Behandlungszentrums eine wichtige Entscheidung für die eigene Gesundheit.

wird für die gesamte Behandlungsdauer die Stärke der Einzeldosen erhöht. Damit kann die Anzahl der Bestrahlungstermine reduziert werden, möglicherweise jedoch verbunden mit stärkeren Nebenwirkungen. Neuere Therapieansätze basieren auf der Idee, die Bestrahlung nicht durch die Haut, sondern innerhalb des Körpers durchzuführen mithilfe der sogenannten perkutanen Strahlentherapie, bei der mit unter der Haut eingebrachten Strahlenquellen gearbeitet wird.

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Jede Behandlung wird individuell erwogen

Die Strahlentherapie: schmerzfrei und wirkungsvoll Ist die Strahlentherapie selbst schmerzlos, so darf nicht vergessen werden, dass der Körper durch Erkrankung, Chemotherapie und Operation bereits stark in Anspruch genommen und empfindlicher für mögliche Nebenwirkungen ist. Da die energetischen Strahlen dank moderner Technik sehr zielgenau lokalisiert und so gering wie möglich und nötig dosiert werden können, lassen sich diese Nebenwirkungen aktuell deutlich reduzieren. Aufmerksam sollten die Patienten während der Bestrahlung mit ihrer Haut sein. Sie bedarf achtsamer Pflege und Verzicht auf alles, was die Haut zusätzlich reizen könnte – seien es Kosmetik, kratzende Kleidung, Sonnenbäder oder extreme Temperaturen. Fazit also für alle Menschen mit einer Krebsdiagnose, die eine Bestrahlung erfordert: Der Einsatz energetischer Strahlung in der Krebstherapie ist eine ausgereifte Technik, auf die im Interesse der eigenen Gesundheit nicht aus falschen Befürchtungen heraus verzichtet werden sollte. Im Gegenteil: Es ist ein Glücksfall, dass diese hilfreiche Technik zur Verfügung steht – und die Patientinnen einen Schritt weiter auf dem Weg in eine gesunde Zukunft bringt.


Rat und Hilfe · Perspektive leben

Spiritual Care im Spital

Begleitung durch Tiefen und Höhen Ein Spitalaufenthalt und schlechte Nachrichten zeigen Menschen nicht selten auf, was sie ertragen können. Spital-Seelsorger bieten Patienten und Angehörigen, wenn diese es wünschen, zu jeder Zeit ein offenes Ohr und Gespräche von Mensch zu Mensch. Besteht der Wunsch nach geistlichem Beistand einer bestimmten Religion, so gibt es schweizweit ein grosses interreligiöses Netzwerk. Spirituelle Begleitung bedeutet aber mehr, als über Religion zu sprechen.

unser Experte Pascal Mösli Spital-Seelsorger Inselspital Bern

«Einfach im Hier und Jetzt da zu sein, hilft oft am besten.»

Spiritualität ist die Verbindung zu einer den Einzelnen tragenden, inspirierenden, übersteigenden Lebensenergie und Kraft. Gerade kranke Menschen erfahren und benötigen sie, um besser gesund werden oder mit der Krankheit leben und schliesslich gut sterben zu können. Spiritualität und Gesundheit sind eng verbunden. Auch Ärzte, Pflegende, Angehörige, jeder Mensch, nicht nur im Spital, hat eine spirituelle Ebene in sich. Über diese nachzudenken, kann dazu beitragen, in der Hektik des Alltags Momente der inneren Ruhe zu finden und Krisen besser zu meistern. Eine Fachtagung am Inselspital Bern aus Anlass des Wegganges des geschätzten und beliebten Seelsorgers Pascal Mösli gab Einblicke in das Denken und Wirken von Seelsorgern.

Sich gemeinsam dem Unbekannten stellen Pascal Mösli liess seine sieben Jahre am Inselspital Revue passieren. Nichtwissen, Verletzlichkeit, Endlichkeit und Unkontrollierbarkeit waren immer wieder die Themen, über die gesunde und kranke Menschen mit ihm sprechen wollten. Die Suche nach Sicherheit wird im Spital durch zahlreiche Ereignisse erschüttert: eine niederschmettern-

de Diagnose, kein Austritt wie erhofft, Komplikationen und Kontrollverlust treffen tief. In vielen Situationen ging es darum, gemeinsam mit dem Patienten eine Situation auszuhalten und sich Unbekanntem zu stellen. Aber auch das Team von der Krebsstation fand in Mösli einen Ansprechpartner und Wegweiser für spirituelle Themen. Als eindrückliches Beispiel seiner Arbeit erzählte Mösli von einem Mann, der an einem unheilbaren Bauchspeicheldrüsenkrebs litt und der den Tod nahen fühlte. Er verspürte eine innere Unruhe, im Liegen ein Vibrieren und wollte sich aufsetzen. In ihm baute sich das beruhigende Bild auf, beim Fischen am Fluss zu sitzen. «Nochmals fischen gehen» war einer seiner grossen, aber schon unerfüllbaren Wünsche. Im Gespräch über das «Humor ist wie Fischen kam es zu einer grossen ein Lichtblitz Nähe. «Wir waren zwei Männer bei Gewitter» am Fluss, die fischten, die Zeit stand still», beschrieb Mösli diesen befriedigenden Moment. Zuhören ohne zu antworten, sehend, hörend, mitfühlend, reicht oft aus. Mit der Haltung, einfach im Hier und Jetzt da zu sein, helfe man am besten, so der Spital-Seelsorger. Der Soziologe Stefan Vanistendael ist Resilienzforscher. Resilienz ist die Fähigkeit, in schwierigen Umständen weiterzumachen. Ein ganz bedeutender Faktor dafür ist der Humor. «Humor ist alles, was uns lachen lässt, mit Ausnahme von Kitzeln. Wenn uns das Leben umklammert, hilft er, einen Schritt zur Seite zu gehen», führte er aus. Humor sei wie ein Lichtblitz bei einem Gewitter und lasse uns klar sehen. Das Wichtigste in der Resilienz sei das Gespür für realistische Hoffnung. Quelle: Spiritualität & Gesundheit. Eine Tagung zu Spiritual Care für Fachleute und Interessierte am Inselspital Bern am 20. August 2014

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Perspektive leben · Kopf-Hals-Tumoren

Kopf-Hals-Tumoren werden immer häufiger

Auch eine Impfung kann Schutz bieten Kopf-Hals-Tumoren umfassen Krebserkrankungen in der Schleimhaut von Mundhöhle und Rachen. Der Konsum von Zigaretten und Spirituosen stellt wichtige Ursachen dar, aber auch Viren und ein schlechter Zustand der Zähne können Gründe für eine Erkrankung sein. Die Impfung gegen sexuell übertragbare humane Papillomaviren kann schützen. Und auch Inhaltsstoffe von Kaffee scheinen eine günstige Wirkung zu haben.

«Papillomaviren im Mund gesenkt, die für die steigende Zahl des letzten Jahrhunderts kam es nicht nur in von Kopf-Hals-Tumoren verantwortlich gekönnen Krebs den USA zu einer dramatischen Zunahme macht werden. Da allerdings derzeit nicht verursachen» alle Mädchen geimpft werden, können sich von Kopf-Hals-Tumoren ausserhalb der bis dahin bekannten Risikogruppen wie AlkoMänner nicht darauf verlassen, von ihren Seholiker oder Raucher. Als eine Ursache der bei xualpartnerinnen nicht angesteckt zu werden. Männern unter 60 auftretenden Tumoren in der MundDie Eidgenössische Kommission für Impffragen EKIF und und Rachenhöhle wurde eine Infektion mit den humadas Bundesamt für Gesundheit BAG empfehlen eine Impnen Papillomaviren (HPV) 16 und 18 identifiziert. HPV fung für alle Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren sowie können neben Krebserkrankungen des Muttermundes an für 15- bis 19-jährige Mädchen eine Nachholimpfung. der Gebärmutter der Frau auch Genitalwarzen bei FrauAuch für Frauen bis 26 Jahre kann eine Impfung sinnvoll en und Männern auslösen. Zudem können Viren auch sein. Dies muss jedoch mit dem Arzt individuell entschieKrebserkrankungen an den äusseren Geschlechtsorganen den werden. Im Rahmen der kantonalen Impfprogramme und nach Oralsex in der Mundhöhle oder im Rachenraum ist die HPV-Impfung gemäss diesen Empfehlungen kostenlos. Das BAG hält zur Sicherheit der in der Schweiz mitverursachen. Infektionen mit HPV sind für sexuell aktive Menschen kaum vermeidbar. Etwa 70–80 % der Frauzugelassenen Impfstoffe fest: Angesichts der Erfahrungen en infizieren sich im Laufe des Lebens, schreibt Dr. Gisela mit weltweit 175 Millionen abgegebenen Impfdosen hanGille von der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsfördelt es sich um eine der sichersten Impfungen. derung aktuell in der Deutschen Medizinischen WochenGenveränderungen schrift. In den USA ist der Anteil der Kopf-Hals-Tumoren, in denen onkogene, also krebsauslösende, Varianten von Es ist seit Längerem bekannt, dass bestimmte Genveränderungen die Prognose bei Kopf-Hals-Tumoren beHPV nachgewiesen wurden, in den letzten Jahren von 16 einflussen. Dazu gehören Mutationen im p53-Gen, das auf 70 % gestiegen. Umso wichtiger ist die Impfung. Für normalerweise für die Reparatur der Erbinformation beide Geschlechter. zuständig ist und defekte Zellen zur Selbstvernichtung Kostenlos und sicher antreibt. Der Ausfall dieses Selbstschutzmechanismus ist bei Kopf-Hals-Tumoren häufig. Weitere Mutationen Die meisten Krebserkrankungen durch HPV können sind bekannt. Ein doppelter oder mehrfacher Genschadurch eine Impfung verhindert werden, die jungen den verkürzt die Überlebenszeiten. Das Ansprechen auf Mädchen und Frauen angeboten wird. Ziel ist in erseine Behandlung mit Kombinations-Chemotherapien ter Linie die Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs. Erste Studien­ergebnisse aus Australien, Dänemark und und zielgerichteten Behandlungen, wie mit Antikörpern, Deutschland belegen laut Dr. Gille, dass auch die Zahl sowie auch die Strahlenempfindlichkeit hängen von der Genitalwarzen rückläufig ist. Männer erkrankten Genveränderungen ab. Der epidermale Wachstumsfakebenfalls seltener. Zudem wird die Rate von Infektionen tor (engl. Epidermal Growth Factor, EGF) zum Beispiel Steigendes Risiko. In der zweiten Hälfte

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Kopf-Hals-Tumoren · Perspektive leben

Foto: thinkstock

«Die Impfung gegen humane Papillomaviren kann Mädchen und Jungen vor Krebs schützen.»

wird von Kopf-Hals-Tumoren vermehrt gebildet. Wird er durch einen Antikörper blockiert, führt das zu einem gestörten Wachstum der Krebszellen und gleichzeitig zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Strahlen- und Chemotherapie, die dann besser wirken können.

Ursache Zahnersatz Ein auffällig hoher Anteil von Kopf-Hals-Tumoren entwickelt sich – auch bei Nichtrauchern – am Mundboden und im Randbereich der Zunge. Australische Forscher suchten nach Ursachen und haben nun herausgefunden, dass die Reibung von Zähnen, insbesondere aber schlecht sitzender Zahnersatz, die Krebsentwicklung fördern könnte. Haben Menschen im höheren Alter schlecht sitzende Brücken oder Gebisse, «Reibung von kann dies ihr Risiko für Zähnen fördert so Karzinome am Zungenrad Karzinome» erhöhen. Typisch für Raucher sind Mundbodenkarzinome. Krebsexperten führen dies auf die Konzentration von Karzinogenen zurück, die sich seitlich der Zunge am Mundboden sammeln und

die Einwirkungszeit der Karzinogene aus Tabakrauch verlängert.

Schutz durch Kaffee? Die Angst, dass Kaffeegenuss das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen könnte, sei unbegründet, gab die Deutsche Gesellschaft für Neurologie 2013 Entwarnung. Man hat sogar festgestellt, dass Menschen, die bis zu fünf Tassen Kaffee pro Tag trinken, seltener einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erleiden als diejenigen, die gar keinen Kaffee trinken. Auch Onkologen interessieren sich für das Kaffeetrinken und gingen der Frage nach, ob die in Kaffee enthaltene Wirkstoffe Krebserkrankungen abwehren können. Die Antwort: Es gibt ernsthafte Hinweise für einen Schutz. Personen, die mit mehr als vier Becher Kaffee à 240 ml pro Tag tranken, starben seltener am Kopf-HalsKarzinom. Die Schutzwirkung nahm mit der Dosis zu, was für eine direkte Verbindung spricht. Die Kaffee-Inhaltsstoffe scheinen tatsächlich eine schützende Wirkung gegen Krebserkrankungen im Mund- und Rachenbereich zu haben. Wichtiger für die Vorbeugung von Kopf-Hals-Karzinomen sind allerdings der Verzicht auf Zigaretten, auf exzessiven Alkoholkonsum und die HPV-Impfung. Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Medizin und Forschung

Krebsforschung in der Schweiz

Können Stressbewältigung u bei der Heilung helfen? Über die Menschen, denen man sich bei einer Krebserkrankung anvertraut, möchte man als Patient oft mehr wissen. Welche Beweggründe haben junge Mediziner oder Wissenschaftler, eine Arbeit im Forschungslabor oder zur Entwicklung von Medikamenten zu wählen? Wer ist in der Krebsforschung tätig? Das Interview mit Professor Dr. Viviane Hess, Leitende Ärztin/Leiterin Klinische Forschung Onkologie des Universitätsspitals Basel, gibt einen Einblick in ihren Werdegang und die aktuellen Projekte.

Unsere expertin: Prof. Dr. Viviane Hess, Leitende Ärztin/Leiterin Klinische Forschung Onkologie Universitätsspital Basel

«Ein Themenschwerpunkt liegt bei den Tumoren des Magen-DarmTraktes und dem Einsatz von neuen Medikamenten.»

Frau Prof. Hess, wann und warum haben Sie sich für den Arzt-Beruf entschieden? Prof. Hess: Mein Kinderarzt hat

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sicher eine Rolle gespielt: Dr. Beat Richner, bekannt als Beatocello. Als Arzt baute er in Kambodscha Kinderspitäler auf, als Musiker spielte er Cello, und er war in der Rolle als Musikclown Beatocello unterwegs. Ich fand, dass Kinderarzt ein Traumberuf ist und lernte auch Cello spielen. Für das Medizinstudium habe ich mich entschieden, weil es sowohl die menschliche als auch die wissenschaftliche Komponente hat. Wie sind Sie zur Onkologie und in Ihren jetzigen Forschungsbereich gekommen? Prof. Hess: Geplant war das nicht,

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es hat sich so ergeben. Zwei Sachen 28 ·

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machen die Faszination für mich aus: Man hat einen sehr engen Kontakt zu seinen Patienten, übernimmt eine wichtige Aufgabe für eine gewisse Zeit im Leben eines Menschen und kommt ihm nahe. Es ist ein

«Man hat einen engen Kontakt zu den Patienten.»

Privileg, an ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten teilzuhaben. Das Andere ist die wissenschaftliche Neugier, die mich antreibt. Ich sehe jeden Tag, dass wir noch besser werden müssen. Ich möchte Dinge hinterfragen, will mithilfe von Untersuchungen nachweisen, ob Medikamente oder Unterstützungsmassnahmen wirklich helfen. Die Onkologie hat sehr früh mit evidenzbasierten Studien den Nachweis einer Wirksamkeit gesucht. Das hat mir gefallen. Ich möchte nicht einfach etwas aus dem Bauch heraus empfehlen. Welche Forschungsthemen bearbeiten Sie zurzeit? Prof. Hess: Ein Themenschwer-

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punkt liegt bei den Tumoren des Magen-Darm-Traktes und dem Einsatz von neuen Medikamenten auch bei seltenen Erkrankungen, wie dem Speiseröhrenkrebs. Heutzutage werden fast immer Kombinationen eingesetzt. Die Dosierungen können sich ändern, daneben sind Verträglichkeit und Nebenwirkungen wichtige Themen. Wir untersuchen auch, ob eine Chemotherapie, zum Beispiel durch zusätzliche Massnahmen wie Bewegung, besser vertragen und möglicherweise sogar wirksamer wird. Oder wir untersuchen, ob


Medizin und Forschung · Perspektive leben

und mehr Bewegung ein psychologisches Programm zur Stressreduktion, das im Internet zur Verfügung steht, hilfreich für die Patienten ist. Dieses Programm können auch Patienten in Deutschland und Österreich mitmachen. Meine Forschung soll Gebiete abdecken, die von der Industrie nicht gesponsert werden.

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«Was für uns zählt, ist der Nutzen für den Patienten.»

Welche sind das? Prof. Hess: Zum Beispiel

geht es auch darum, die Methoden von Studien weiterzuentwickeln. Kleine, aber feine Unterschiede erkennen zu können, die für die Lebensqualität des Patienten viel bedeuten. Nehmen Sie das Thema Müdigkeit. Da gibt es zahlreiche Fragebögen. Die sind oft so lang, dass man schon vom Ausfüllen müde wird. Wir haben eine Skala von 0–10 und die Frage «Wie müde sind Sie?» eingesetzt und das bildet das sehr gut ab. Überlebenszeiten und Heilung sind wichtige Endpunkte in Medikamentenstudien, für den Patienten zählt aber auch die Lebensqualität während der Behandlungszeit. Wir schauen, wie Bewegung, Müdigkeit und Stress in der Schulmedizin messbar sind und ob und wie sie den Erfolg der Therapie beeinflussen. Was für uns zählt, ist der Nutzen für den Patienten. Wenn bei Darmkrebs das Bewegungsprogramm von Vorteil ist, kann dieses Ergebnis auch für Magenkrebs herangezogen werden? Prof. Hess: Streng genommen

?

nicht. Nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin müsste man diese Indikation neu untersuchen. Wenn das Signal aber stark genug

ist, dass Bewegung das Behandlungsergebnis verbessert, und wir auch mögliche Mechanismen dahinter verstehen, darf man auch etwas verallgemeinern. Wenn es keinen Vorteil bringt, sollte man die Patienten, die unter aktiver Chemotherapie stehen, auch nicht unnötig zu Bewegungsprogrammen motivieren. Für die Empfehlung, sich nach einer Krebserkrankung viel zu bewegen, haben wir aber bereits gute Daten für eine generelle Empfehlung. Fragten Sie Patienten schon: Frau Professor, könnten Sie das mal untersuchen? Prof. Hess: Ja, es gibt Fragen, die

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immer wieder kommen. Eine davon

ist, ob die Lebensführung die Krebserkrankung verursacht hat. Oder ob Stress einen Einfluss auf die Gesundung hat. Stress ist kein bestätigter Ursache-Faktor für Krebs. Wenn wir aber in Betracht ziehen, was chronischer Stress im Körper sonst so auslöst, dann hat Stress einen Einfluss darauf, wie die Behandlung verkraftet wird. Das Immunsystem ist auch wesentlich am Verlauf beteiligt und mit Stresshormonen beeinflussbar. Da ist vieles noch offen. Mit STREAM, einem Online-Programm zur Stress-Reduktion bei neu erkrankten Krebspatienten, sammeln wir aktuell Daten dazu. Im deutschsprachigen Raum ist unser Angebot das erste dieser Art. Einmal in der Woche besteht ein schriftlicher Kontakt mit einer Psychologin – ganz ohne Mensch geht es nicht. Wir hoffen, dass uns die Patienten während einer Behandlung im Internet finden (www.stress-aktiv-mindern.ch) und dass das Programm für sie eine Unterstützung in einer schwierigen Zeit darstellt. Interview: Dr. Susanne Schelosky >> Hilfreiche Informationen unter: www.stress-aktiv-mindern.ch

Der Weg in die Forschung Prof. Dr. Viviane Hess (*1971) startete als klinische Förderungsprofessorin am Universitätsspital Basel in der Klinik für Onkologie mit dem Projekt «Non-drug Interventions to Enhance Efficacy of Drug Treatment in Cancer Patients». Viviane Hess hat in Lausanne und Zürich Medizin studiert. Als Research Fellow war sie in London und Boston tätig und hat Weiterbildungen im Bereich der Biostatistik und der Durchführung von klinischen Studien absolviert. Viviane Hess ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Zurzeit ist sie zusammen mit ihren Töchtern bereits fleissig an den Vorbereitungen für die nächste Basler Fasnacht.

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Perspektive leben · für sie gelesen

Kurznachrichten aus der Krebsforschung Begünstigt Fehlernährung Krebs? Welche neuen Perspektiven gibt es für junge Krebspatienten? Kann sich Bluthochdruck durch die Einnahme von Krebsmedikamenten noch weiter erhöhen? Welche Fortschritte gibt es in der Therapie des Malignen Melanoms? Und was hat das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, mit der Kleidergrösse zu tun? Perspektive LEBEN hat aktuelle Meldungen und Neuigkeiten für Sie zusammengefasst.

Krebsrisiko bei Übergewicht Steigendes Risiko. Immer mehr

Menschen erkranken an Krebs, weil sie übergewichtig oder fettleibig sind. Seit den 1980er-Jahren wird von einer besorgniserregenden Zunahme an Übergewicht in den reichen Ländern – die Schweiz ist keine Ausnahme – berichtet. In jüngster Zeit beobachtet man auch einen Anstieg dieser Erkrankung in Asien und Afrika. Die Adipositas könnte langfristig zu einer bedeutenden Ursache von Krebserkrankungen werden. Forscher der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC, einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation WHO, führen in Lancet Oncology 2014 auf,

dass im Jahr 2012 weltweit 481 000 neu entdeckte Krebsfälle auf Über-

«Immer mehr Krebsfälle sind auf Übergewicht zurückzuführen.»

gewicht und Adipositas zurückzuführen waren. Bevölkerungsstudien haben wiederholt gezeigt, dass ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI = Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergrös­ se in Metern) mit einer Reihe von Krebserkrankungen assoziiert ist. Bei beiden Geschlechtern sind das vor allem Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, Speiseröhre, Darm, Bauchspeicheldrüse, Leber und Gallenwege und der Nieren. Bei Frauen kommen das Mammakarzinom nach den Wechseljahren sowie Karzinome der Gebärmutter hinzu. Das Risiko steigt, je länger der BMI erhöht ist.

Blutdruckkontrolle ein Muss Spätfolgen meiden. Immer mehr ältere Patienten mit HerzKreislauf-Erkrankungen und bereits an Bluthochdruck erkrankte Patienten werden mit Krebsmedikamenten behandelt, die als Nebenwirkung den Blutdruck weiter erhöhen können. Der Behandlungszielwert für den

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Blutdruck liegt bei 140/90 mmHg. Bei höheren Werten steigt das Risiko für Hirnschlag, Herzinfarkt und Herzinsuffizienz. Häufigere Blutdruckkontrollen sind aber auch für jüngere Patienten, vor allem in der ersten Behandlungsphase mit Hemmstoffen des Blutgefäss­

wachstums (Angiogenesehemmer) oder dessen Rezeptor besonders wichtig. Darauf verwiesen britische Wissenschaftler im Canadian Journal of Cardiology. Regelmässige Blutdruckkontrollen und eine Behandlung des Bluthochdruckes vermeiden Spätfolgen.


für sie gelesen · Perspektive leben

Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs der junger Erwachsener mit Krebs unterscheiden sich deutlich von denen älterer Karzinompatienten. Um besser auf die besonderen Anliegen eingehen zu können, wurde in Deutschland eine Stiftung gegründet. Prof. Mathias Freund ist Vorsitzender des Stiftungskuratoriums und Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie DGHO. Zwar seien nur etwa 3,2 %, das sind etwa 15 000 Betroffene, aller neu diagnostizierten Krebspatienten in Deutschland zwi-

schen 15 und 39 Jahre alt, dennoch benötige diese Patientengruppe sowohl in der Behandlung als auch in der Nachsorge besondere Aufmerksamkeit. «Die Heilungsrate junger Erwachsener liegt bei 80 %. Auf diese Weise sind in 20 Jahren etwa 250 000 Menschen zu Überlebenden nach Krebs geworden, mit all ihren Problemen», betont der Onkologe. Konkret will die Stiftung Sprechstunden einrichten, die sich speziell mit Anti-Tumor-Therapien befassen, wenn zum Beispiel das Thema Familiengründung ansteht. www.junge-erwachsene-mit-krebs.de

Malignes Melanom: Es tut sich viel Neue Medikamente. Bei dem lan-

ge Zeit nur sehr schwer zu behandelnden schwarzen Hautkrebs, den Malignen Melanomen, hat mit dem Einsatz der immunonkologischen Behandlungen und dank neuer zielgerichteter Substanzen, in der Regel Antikörper, eine Phase grosser Hoffnungen begonnen. Die Überlebenszeiten sind auch bei fortgeschrittenen Erkrankungsstadien deutlich angestiegen. Aktuell wird untersucht, welche Kombinationen mit gutem

«Dank neuer Antikörper können Patienten mit schwarzem Hautkrebs Hoffnung schöpfen.»

Erfolg und wenig Nebenwirkungen kombiniert werden können. Zu den zielgerichteten Substanzen zählen BRAF- und MEK-Inhibitoren. Nach neuen Untersuchungen scheint die Kombination beider Substanzen ebenfalls wirksam zu sein. Auch falls die Krebserkrankung nach erster Therapie wieder aktiv werden sollte, gibt es für diese so genannte Zweitlinientherapie mittlerweile neue Medikamente, die in Studien deutliche Überlebensvorteile zeigen.

«Nimmt die Kleidergrösse zu, steigt bei Frauen das Risiko an Brustkrebs zu erkranken.»

Fotos: thinkstock (3)

Sprechstunden. Die Problemfel-

Kleidergrösse und Brustkrebsrisiko Hypothese. Die Zunahme der

Kleidergrösse seit dem jungen Erwachsenenalter ist ein zuverlässiger Risikofaktor für Brustkrebserkrankungen nach den Wechseljahren. Dies ergab jetzt eine im British Medical Journal veröffentlichte Beobachtungsstudie. Im Alter von 25 Jahren, zu Beginn der Studie, hatten Frauen im Durchschnitt Grösse 40 bis 44, aktuell, nach den Wechseljahren, hatten sie auf 42 bis 46 zugenommen. Die Zunahme der Kleidergrösse um eine Einheit war mit einem Anstieg des Brustkrebsrisikos seit der Menopause um 33 % assoziiert. Bei einer Zunahme um zwei Kleidergrössen stieg das Risiko um 77 % an. Die Untersuchung beweist den Zusammenhang zwischen Kleidergrösse und Brustkrebsrisiko zwar nicht, bestätigt aber entsprechende Hypothesen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist die Produktion von mehr Sexualhormonen im Fettgewebe, die als Wachstumshormon für Brustkrebstumore wirken können.

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Perspektive leben · PankreasKrebs

Bauchspeicheldrüsenkrebs

Der Tumor, der sich oft verst Er gilt als komplizierte Sache – und stellt deshalb die Ärzte vor kniffelige Aufgaben: Wie kann man Pankreaskrebs heute behandeln? Auf was sollte man achten, wenn man die Diagnose erfährt? Experte Professor Dr. Jochen Wedemeyer über die aktuellen Therapiemöglichkeiten und den Ablauf der Behandlung.

Unser experte: Prof. Dr. Jochen Wedemeyer ist seit 2011 Chefarzt der Medizinischen Klinik I – Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie – an den KRH Kliniken Robert Koch Gehrden und Springe.

Gallengang

«Das Ziel sollte es als Erstes sein, wann immer es geht, den Tumor zu entfernen.»

verBorgenes Leiden. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs

ist eine Erkrankung, die sich für Arzt und Patient kompliziert zeigt. Das beweist sich bereits bei der Diagnose: Sobald ein Verdacht besteht, sind zur Diagnosestellung eine Reihe von speziellen Untersuchungen erforderlich. «Wir müssen uns zuerst ein Bild über die mögliche Erkrankung machen», erklärt Prof. Dr. Wedemeyer. «Hierzu setzen wir bildgebende Verfahren ein. Wir nutzen vor allem die Computertomografie, um die Grösse des Tumors zu bestimmen und mögliche Absiedlungen zu identifizieren.» Der Experte verfügt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Tumoren der Bauchspeicheldrüse und forschte bereits an der Harvard Medical School in Boston und der Stanford University in Kalifornien. Er ist Leiter des Pankreas-Zentrums am Robert-Koch-Krankenhaus in Gehrden. «Mithilfe einer speziellen Sonografie erkennen wir die präzise Ausdehnung des Tumors und können sogar Gewebeproben entnehmen.»

Pankreaskopf

nehmen in diesem Fall den Tumor ohne vorherige feingewebliche Untersuchung heraus», erläutert der Experte Therapie durch Operation und ergänzt: «Erst am Operationspräparat können die Diese Untersuchungen dienen in erster Linie dazu, festZellanalyse und die genaue Ausdehnung und das Tumorzustellen, ob der Tumor operiert werden kann. Ziel ist es, stadium festgelegt werden und so die endgültige Diagnose gestellt werden.» das Tumorgewebe sowie die umgebenden Lymphknoten Wenn der Tumor durch die Operation möglichst vollständig zu entfernen. Das gelingt entfernt werden konnte, ist die Therapie allerdings nur, wenn die Tumorerkrankung auf die Bauchspeicheldrüse begrenzt ist und «Die Krankheit allerdings noch nicht abgeschlossen. Im Anschluss an die Operation führen die nicht wichtige Gefässe erfasst hat. Kann ist oft schwer Ärzte vorbeugend eine Chemotherapie der Tumor operiert werden, wird er in den zu erkennen» durch – und das als Regel. Dieses Ergänzen meisten Fällen auch sofort entfernt. «Wir 32 ·

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PankreasKrebs · Perspektive leben

Wie sich Pankreaskrebs bemerkbar macht In der Schweiz erkranken jedes Jahr etwa 1000 Menschen an einem Bauchspeicheldrüsenkrebs, etwas mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Im Frühstadium bereitet die Erkrankung meist keine Symptome. Folgende Beschwerden können auf Pankreaskrebs hinweisen:

teckt

n schmerzlose Gelbsucht, die plötzlich auftritt n diffuse, gürtelförmige Oberbauchschmerzen, die bis in den

Rücken ausstrahlen Foto: fotolia/lom123

n Übelkeit, Erbrechen n Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Durchfall. Quelle: www.krebsliga.ch

Ausführungsgang des Pankreas

Pankreasschwanz

Die Bauchspeicheldrüse ist bei einem Erwachsenen etwa 16–20 Zentimeter lang. Sie sitzt unter dem Magen und produziert Enzyme, die in den Darm abgegeben werden und für die Verdauung wichtig sind.

der Operation durch die Chemotherapie wird auch als «adjuvante», also ergänzende, Therapie bezeichnet. «Die Idee ist, auf diese Weise selbst winzige Absiedlungen des Tumors, die mit den bildgebenden Verfahren nicht sichtbar sind, zu zerstören. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass der Bauchspeicheldrüsenkrebs relativ früh kleinste Metastasen bildet», berichtet Prof. Wedemeyer.

Wie Medikamente und Bestrahlung helfen Kann der Tumor im Augenblick nicht operiert werden, wird anhand der Untersuchungsergebnisse entschieden, welche Therapieform sich nun am besten eignet. Dies

geschieht im Rahmen eines Expertengremiums, das aus Ärzten der beteiligten Fachrichtungen besteht. In der Regel sind Internisten, Chirurgen, Onkologen und Strahlentherapeuten beteiligt. Eine wesentliche Entscheidungsgrundlage ist dabei das Stadium, in dem sich der Bauchspeicheldrüsenkrebs befindet. Gemeinsam mit dem Patienten wird über die endgültig gewählte Behandlung gesprochen. Dazu werden natürlich auch die Wünsche des Patienten sowie seine Lebenssi­ tuation berücksichtigt. «Für den Fall, dass der Tumor bereits gestreut hat, muss die Diagnose durch Gewinnung einer Gewebeprobe » Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · PankreasKrebs

bestätigt werden. Ist dies der Fall, wird eine schmerzlindernde Chemotherapie empfohlen, die ein weiteres Wachstum verhindern soll und im idealen Fall auch zu einer Verkleinerung der Absiedlungen führt», erklärt Prof. Wedemeyer.

Das Ziel der Chemotherapie: den Tumor verkleinern Die medikamentöse Therapie durch Zytostatika, also durch Wachstumshemmer für Krebszellen, zielt darauf ab, diese Zellen durch Medikamente in Schach zu halten. Um die beste Wirkung gegen die Tumorzellen zu erzielen, kann bei Patienten, bei denen der Tumor «Oft hilft nur schon gestreut hat, eine Kombinatidie Chemoon zusätzlich mit einem zielgerichtherapie» teten Antikörper unternommen werden. Das zeigt allerdings nur bei einem Teil der Patienten Wirkung. Sie ist innerhalb der ersten acht Behandlungswochen durch einen Hautausschlag erkennbar. Bei Patienten mit einem guten Allgemeinzustand kann zudem eine Kombination von mehreren Zytostatika ausgewählt werden. Auch ist seit Anfang dieses Jahres ein neues Chemotherapeutikum in Kombination mit einem altbewährten für die Behandlung von gestreutem Bauchspeicheldrüsenkrebs zugelassen. Letztlich wird die Auswahl der Medikamente zusammen mit dem Krebsspezialisten unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren individuell ausgewählt.

Die Behandlung erfolgt in mehreren Behandlungszyklen, die sich für einen Zeitraum von sechs Monaten über jeweils einige Wochen erstrecken. Zwischen den einzelnen Zyklen liegen längere Erholungspausen. Bei Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse kann auch in manchen Fällen eine Strahlentherapie zum Einsatz kommen. Die Wirkung der Strahlentherapie beruht darauf, dass sie zielgerichtet Krebszellen vernichtet. In der Regel kommt sie in Kombination mit der Chemotherapie zum Einsatz.

Nebenwirkungen sind nicht unvermeidlich! Durch die Behandlung mit Wachstumshemmern für Zellen wird immer auch gesundes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen. Davon betroffen sind oft die Schleimhäute von Magen und Darm, das blutbildende System im Knochenmark und die Haarwurzeln. Mögliche Begleiterscheinungen der Chemotherapie sind daher manchmal Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle und Haarausfall. Die gute Nachricht für Patienten wiederum ist: Diese Nebenwirkungen lassen sich heutzutage dank der Fortschritte der Medizin zum grossen Teil durch Medikamente abfangen oder lindern. «Beim fortgeschrittenen, nicht operablen Bauchspeicheldrüsenkrebs wird in der Regel eine Chemotherapie durchgeführt», sagt Experte Wedemeyer. «Sie zielt darauf ab, das Tumorwachstum zu stoppen und so die Sym­ ptome der Erkrankung zu lindern.» An dieser Therapie sind dann auch speziell dafür ausgebildete Schmerztherapeuten beteiligt.

Wenn der Pankreaskrebs den Gallenabfluss stört: Mit Gallengangsstent die Beschwerden lindern Drückt ein Pankreaskarzinom auf den Gallengang, kann dies sehr unangenehm werden: Gelbsucht, Übelkeit und Erbrechen sind die Folge, eine normale

Der Pankreastumor drückt auf den Gallengang und verhindert, dass die Galle abfliessen kann (Pfeil).

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Nahrungsaufnahme ist nicht mehr möglich. Mit einem Metallröhrchen, einem Stent, kann der Gallenabfluss wiederhergestellt werden.

Ein Metallröhrchen, ein Stent, hält den Gallengang offen (Pfeil). Eingesetzt wird der Stent endoskopisch über einen geschluckten Schlauch.

Endoskopischer Blick aus dem Zwölffingerdarm auf den Stent, der aus der Gallengangsmündung ragt.


Zahngesundheit · Perspektive leben

Gesunder Mund, gesunde Zähne

Foto: thinkstock

Vor der Krebstherapie zum Zahnarzt! Wer an Krebs erkrankt und langwierige Therapien durchmachen muss, denkt in der Regel nicht zuerst an seine Zähne. Doch viele Krebsbehandlungen, vor allem Chemotherapien und Bestrahlungen im Kopfbereich, können der Gesundheit von Mundschleimhaut und Zähnen schaden. Die Folgen wie Mundtrockenheit, Entzündungen und Schluckbeschwerden sind für die Betroffenen sehr belastend. Wie lässt sich vorbeugen?

Mundgesundheit. Jeder, der schon einmal Zahnschmerzen oder eine Entzündung der Mundschleimhaut hatte, weiss, wie wichtig ein gesunder Mund für das Wohlbefinden ist. Die Schmerzen lassen einen nicht

schlafen, man kann das Essen nicht mehr geniessen. So etwas möchte niemand erleben, vor allem nicht, wenn man Krebs und damit genügend gesundheitliche Prob» leme hat. Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Zahngesundheit

Häufige Mundprobleme bei Krebserkrankungen n überempfindliche, entzündete Schleimhaut n Geschwüre oder Infektionen der Mundschleimhaut n Mundtrockenheit n Mundgeruch, übler Geschmack im Mund n Zahnschmerzen n Schluckstörungen wie Schmerzen oder Brennen n Veränderungen des Geschmackssinns

Mundtrockenheit, Karies, Schluckstörungen Gerade Krebskranke sind sehr anfällig für Erkrankungen der Zähne, des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut. Chemotherapien und Strahlenbehandlungen töten nicht nur Krebszellen ab, sondern beeinträchtigen auch die körpereigene Immunabwehr und stören das Wachstum von gesunden Zellen, zum Beispiel die Schleimhautzellen von Speiseröhre, Rachen, Mund und Zahnfleisch oder die Zellen der Speicheldrüsen. Diese Doppelbelastung führt oft dazu, dass sich Beschwerden im Bereich von Mund und Zähnen entwickeln. n Die Mundschleimhaut wird durch die Therapien so gereizt, dass sie sich rötet und schmerzt. n Eindringende Krankheitserreger wie Pilze oder Bakterien kann die Mundschleimhaut nicht mehr effektiv abwehren, sodass Entzündungen entstehen. n Die Schleimhaut in Mund und Rachen reagiert überempfindlich auf Reize wie Hitze, Kälte oder saure Spei-

sen. Viele Patienten haben beim Schlucken Schmerzen oder spüren ein Brennen. n Die Speicheldrüsen produzieren nicht mehr genügend Speichel, sodass sich der Mund trocken anfühlt und sich zähe Beläge auf der Zunge und den Zähnen bilden. Das ist nicht nur sehr unangenehm, sondern behindert die betroffenen Patienten auch beim Essen, Trinken und Sprechen. n Wegen der mangelnden Befeuchtung des Mundes verspüren manche Patienten einen unangenehmen Geschmack im Mund; ausserdem kann sich Mundgeruch entwickeln. n Mundtrockenheit kann zur Bildung von Zahnbelag und Zahnkrankheiten führen. Meistens gehen diese Beschwerden nach Abschluss der Krebsbehandlung innerhalb von wenigen Wochen deutlich zurück. Die Erholung kann allerdings länger dauern, wenn der Patient im Bereich von Kopf oder Hals bestrahlt worden ist.

Schon vor der Krebstherapie zum Zahnarzt Um Mund- und Zahnerkrankungen vorzubeugen, lohnt es sich, noch vor Beginn einer Chemo- oder Strahlentherapie zum Zahnarzt zu gehen. Er wird mögliche Entzündungen oder Zahnerkrankungen behandeln, damit sich diese während der Krebsbehandlung nicht verstärken. Zahnarzt und Dentalhygienikerin können Tipps zur Zahnpflege geben und geeignete Produkte empfehlen. Wichtig beim Zahnarztbesuch vor der Therapie ist

Was kann ich für meine Zahn- und Mundgesundheit tun? n Noch vor Beginn der Krebstherapie einen Kontrolltermin

beim Zahnarzt wahrnehmen. n Zähne regelmässig mit einer weichen Zahnbürste putzen. n Mund mit geeigneten Produkten spülen. n Regelmässig und genügend trinken (1,5–2 Liter pro Tag). n Sich von einer Ernährungsberaterin beraten lassen. n Beschwerden im Mund rechtzeitig abklären lassen.

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Zahngesundheit · Perspektive leben

Die richtige Mundpflege Eine gute Mundpflege kann viel dazu beitragen, Entzündungen und Schmerzen im Mund zu verhindern. Die Zähne sollten nach jedem Essen mit einer weichen Zahnbürste gereinigt werden, sodass möglichst keine Zahnfleischblutungen entstehen. Beläge auf der Zunge lassen sich mit einer separaten Zahnbürste oder einem Zungenspatel entfernen. Regelmässige Mundspülungen mit einer leichten Salzwasserlösung helfen, Reizungen vorzubeugen. Auch Prothesenträger sollten darauf achten, die Prothese täglich gründlich zu reinigen und den Mund zu spülen. Während der Krebstherapie kann es dazu kommen, dass die Zahnprothese plötzlich nicht mehr richtig sitzt, weil der Patient Gewicht verliert oder sich das Gewebe im Mund wegen einer Bestrahlung verändert. Dann besteht Gefahr, dass sich im Mund Druckgeschwüre entwickeln. Eine nicht mehr gut sitzende Prothese sollte man deshalb so rasch wie möglich dem Zahnarzt zeigen.

Esstipps bei Mundbeschwerden n Kalte Getränke bevorzugen – sie halten den Mund

länger feucht als warme. n Regelmässig trinken – auch wenn es nur 1–2 Schlu-

cke sind. n Saure Nahrungsmittel und Getränke wirken

schleimlösend und appetitanregend – sie können allerdings bei gereizten Schleimhäuten Schmerzen auslösen. n Bonbons lutschen oder Kaugummi kauen – dies regt die Speichelproduktion an. n Bei Entzündungen der Schleimhaut mit scharfen Gewürzen, Salz und Zucker sparsam umgehen – stattdessen die Speisen mit Kräutern würzen. n Cremige, rahmige und weich gekochte Speisen werden oft besser vertragen – viele Speisen lassen sich zum Beispiel mit Quark oder Rahm ergänzen. n Die Mahlzeiten lauwarm essen – das löst weniger Schmerzen aus als heisse Speisen.

haut gespült wird und nicht austrocknet. Für Patienten mit hartnäckiger Mundtrockenheit gibt es Produkte, welche die Schleimhaut nachhaltiger befeuchten als Getränke.

Achtung bei Behandlung mit Bisphosphonaten

Manche Patienten mit Krebserkrankungen werden mit Bisphosphonaten behandelt. Diese Medikamente beugen Osteoporose vor und wirken stabilisierend bei Knochenmetastasen. Eine seltene Nebenwirkung eiGut essen trotz Krebs ner Bisphosphonat-Therapie ist die Kiefernekrose, eine Zerstörung des Kieferknochens, die auch den Erhalt der Vielen Patienten bereitet bei Mundbeschwerden vor allem Zähne gefährdet. In den meisten bekannten Fällen von das Essen Schwierigkeiten, weil sie dabei Schmerzen haben und die Gerichte und Nahrungsmittel nicht Kiefernekrose trat diese nach einer umfangmehr wie üblich schmecken. Ein weiteres reichen Zahnsanierung auf. Deshalb ist es Problem ist die Appetitlosigkeit, unter der wichtig, die Zähne vor Beginn einer Be«Ernährungsviele Krebsbetroffene leiden. Eine Ernähberatung kann handlung mit Bisphosphonaten vom Zahnrungsberatung kann in einer solchen Situarzt kontrollieren zu lassen. Wenn während helfen!» ation viel bringen, denn die Beraterin kennt der Bisphosphonat-Behandlung Zahn- oder Tipps und Tricks, die das Essen erleichtern. Kieferschmerzen auftreten, müssen diese soSo sind beispielsweise lauwarme Mahlzeiten oft fort abgeklärt werden. Generell sollten Patienten besser verträglich als heisse Speisen. Bei Schmerzen und ihren Zahnarzt darüber informieren, wenn sie mit BisBrennen im Mund kann es helfen, kurz vor einer Mahlphosphonaten behandelt werden. Eva Ebnöther zeit ein paar Eiswürfel zu lutschen oder ein Schmerzmittel einzunehmen. Bei offenen Stellen oder Geschwüren im Mund können lokal wirkende Medikamente ange>> Weitere Tipps: wendet werden, welche die Schmerzen lindern. Wichtig www.krebsinformationsdienst.de/leben/haare-haut-zaehne/ ist auch, regelmässig zu trinken, damit die Mundschleimmund-und-zahnpflege.php Ausgabe Schweiz

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Fotos: thinkstock (3)

auch, dass der Zahnarzt den Zustand von Zähnen und Zahnfleisch genau festhält. Sollten nämlich während der Krebstherapie Zahnschäden entstehen, werden die Kosten für deren Behandlung nur von der Krankenversicherung bezahlt, wenn der Patient nachweisen kann, dass die Schäden nicht schon vor der Krebstherapie bestanden haben.


Perspektive leben · Rauchstopp

E-Zigaretten sind wenig hilfreich

Kein Weg zum Rauch Mit dem Rauchen aufzuhören ist schwierig, aber mit geeigneter Unterstützung zu schaffen. Die Hoffnung, elektronische Zigaretten könnten Rauchern helfen, auf Zigaretten zu verzichten, ist nach Ansicht von Experten mehr als trügerisch. Kinder- und Jugendmediziner schlagen Alarm, da immer jüngere Schüler mit E-Zigaretten oder E-Shishas erwischt werden, die ebenfalls krebserregende Substanzen enthalten.

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it E-Zigaretten sollen «Warnung vor produziert. Die grosse Sorge ist, dass die herRaucher Nikotin ohne anwachsende Generation später dann auf die Modetrend die schädlichen Ver«echten» Zigaretten wechselt, da diese eine E-Zigaretten!» höhere Nikotin-Dosis erlauben. Keinen Deut brennungsprodukte von Tabakblättern inhalieren besser ist Kautabak (Snus) für die Gesundheit. können. E-Shishas sind Einweg-E-Zigaretten, Kein Einstieg in die Abstinenz die kein Nikotin enthalten. Die zigarettenförmigen Inhalationsgeräte für Nikotin und andere Düfte erfreuen Die Hersteller behaupten, dass E-Zigaretten ähnlich wie die Nikotinpflaster als Nikotinersatztherapie einsich leider besonders bei der Jugend steigender Beliebtgesetzt werden können, um Rauchern den Einstieg in heit. «Das jüngste Kind, das zugab, E-Zigaretten probiert zu haben, war zehn Jahre alt», erzählte der Kinderarzt die Abstinenz zu erleichtern. Da E-Zigaretten aber nicht Dr. Jürg Barben vom Kinderspital in St. Gallen am als Medikament zugelassen sind, müssen die Hersteller diese Behauptung nicht wissenschaftlich belegen. Es beKongress für Onkologie-Pflegefachkräfte. Wie sich hestehen begründete Zweifel am «medizinischen Nutzen» rausstellt, werden aber nicht nur Jugendliche durch die der E-Zigaretten. In einer Studie, die im renommierten bunten E-Zigaretten und E-Shishas zum Rauchen verFachblatt Lancet erschien, schafften gerade einmal 7 % führt. Über 450 Marken und mehr als 7000 Geschmacksden Rauchstopp, und die E-Zigaretten erzielten keine richtungen, wie zum Beispiel Schokolade, werden in ca. bessere Wirkung als Nikotin-Ersatzpflaster. In einer 200 Fabriken vorwiegend in China für den Weltmarkt

Aufhören lohnt sich! n 20 Minuten nach der letzten Zigarette sinkt der erhöhte

Herzschlag. n Zwölf Stunden später erreicht das Kohlenmonoxid ein normales Niveau. n Zwei Wochen bis drei Monate nach dem Rauchstopp beginnt das Herzinfarktrisiko zu sinken, die Lungenfunktionen erholen sich. n Ein bis neun Monate nach dem Stopp nehmen Raucherhusten und Atemnot ab. n Ein Jahr nach dem Rauchstopp hat sich das Risiko einer Herz-Kreislauf-Krankheit halbiert.

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n Nach fünf bis 15 Jahren ist das Risiko eines Hirnschlags auf

das Niveau von nicht rauchenden Personen gesunken. n Nach zehn Jahren ist das Risiko eines Todesfalls wegen Lun-

genkrebs nur noch halb so gross wie bei einem Raucher. Das Risiko eines Krebses von Mund, Rachen, Speiseröhre, Blase, Niere und Bauchspeicheldrüse geht zurück. n Nach 15 Jahren ist das Risiko einer Herz-Kreislauf-Krankheit gleich hoch wie bei nicht rauchenden Personen.

Quelle: www.krebsliga.ch


Rauchstopp · Perspektive leben

Krebserregende Substanzen Eine normale Zigarette enthält 4800 Inhaltsstoffe, die Sucht entsteht auf das Nikotin. Rauchen schwächt die Immunabwehr und befördert eine Vielzahl entzündlicher Prozesse. Trotz oder gerade wegen einer Krebsdiagnose kann es sich deshalb für die Patienten besonders lohnen, mit dem Rauchen aufzuhören. Neben dem erhöhten Risiko für einen Zweitkrebs kann das Rauchen auch die Effizienz der folgenden Chemotherapien beeinträchtigen. In E-Zigaretten wurden ebenfalls rund 70 krebserregende Substanzen gefunden, listete Dr. Barben das Gefahrenpotenzial auf. Kritisch gesehen werden zudem Propyl­ englykol als Vernebelungsmittel, Glyzerin, Nitrosamine,

Die bunten E-Zigaretten gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ein Rauchstopp gelingt mit ihnen jedoch nicht.

Sie wollen mit dem Rauchen aufhören? n Rufen Sie die Rauchstopplinie 0848 000 181 an. Montag bis

Freitag, 11–19 Uhr. Professionelle Beraterinnen geben Ihnen auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Albanisch, Portugiesisch, Spanisch, Serbokroatisch, Bosnisch und Türkisch Auskunft und helfen Ihnen beim Rauchstopp.

Tipp!

Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein; ausserdem verschiedene Metalle, etwa Nickel. Ein Problem könne auch der falsch angegebene Nikotin-Gehalt sein und dass durch die Schleimhäute im Mund mehr aus dem Dampf, den man einatmet, aufgenommen wird. «Es besteht die Gefahr einer Nikotin-Überdosierung, besonders für Kleinkinder,» erklärte Dr. Barben. Die Schweizer Ärzteschaft, allen voran die Lungenfachärzte, warnen vor dem Modetrend E-Zigarette und erhoffen sich strenge Regulierungsmassnahmen durch die Politik. Das Internet liefert indes wie bestellt und die Dampferei geht weiter. Für Patienten mit Krebserkrankungen ist es ganz besonders wichtig, auf Zigaretten und auch den vermeintlich besseren modernen Ersatz zu verzichten. Alleine geht ein Rauchstopp meist kaum, darum ist es wichtig, sich ärztlich beraten und durch ein Rauchstopp-Programm begleiten zu lassen. Quellen: www.lungenliga.ch www.krebsliga.ch www.rauchstopplinie.ch

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Untersuchung am Memorial Sloan Kettering Cancer Centre in New York verdreifachte sich innerhalb eines Jahres der Anteil jener, die auf E-Zigaretten bauten. Insgesamt erwiesen sich die E-Zigaretten-Anhänger zudem als deutlich süchtiger als die übrigen Teilnehmer an den entsprechenden Entwöhnungsprogrammen.


Perspektive leben · Gesund Essen

Fotos: thinkstock, fotolia/Maksim Shebeko_

Welche Nährstoffe braucht jetzt mein Körper?

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Tipp!

Ausgewogenheit bedeutet vor allem, dass Sie keine grosse Lebensmittelgruppe auslassen, also «alles» essen. Sämtliche Nährstoffe sind für Sie wichtig. Jeder dieser Nährstoffe spielt nämlich seine eigene Rolle in Ihrem Körper. Es ist hilfreich, diese zu kennen. Besonders wenn Sie nach Ihrer Therapie wieder zu Kräften kommen und Vitalität und Energie erlangen wollen.

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«Vitaminquelle Kresse: Ihr Körper verrät oft von allein, was er braucht – indem er Appetit entwickelt.»


Gesund Essen · Perspektive leben

Ernährung:

Erlaubt ist, was Ihnen schmeckt Ist die Therapie beendet, sind manche Patienten oft erst einmal schlapp. Denn sowohl der Krebs selbst als auch die Behandlung können den Körper schwächen. Mit einer ausgewogenen Ernährung geben Sie Ihrem Körper alles, was er jetzt für die Genesung braucht.

Viel Salat, frisches Gemüse, Früchte und Vitamine: Eine ausgewogene Ernährung ist jetzt besonders wichtig.

Gesunder GenuSS. Die Behandlung ist beendet – nun muss der Körper sich erholen und neue Reserven aufbauen. Doch wie sieht eine ausgewogene Ernährung für Krebspatienten eigentlich aus? Perspektive Leben sprach mit der bekannten Ernährungsexpertin Dr. Ute Gola, die das Institut für Ernährung und Prävention in Berlin leitet. Sie erklärt, was wichtig ist, und gibt praktische Tipps zum Ernährungsalltag. «Man kann das passende Rezept mit wenigen Sätzen auf den Punkt bringen», sagt Ute Gola. «Eine ausgewogene Ernährung sollte viel pflanzliche Kost beinhalten: also viel Gemüse, Obst und Getreideprodukte!» Ergänzt wird das Ganze massvoll mit Milchprodukten, Fisch, Eiern, Fleisch sowie Ölen und Nüssen. Der Rat der Expertin: «Lassen Sie nichts aus!» Vor allem der Genuss sollte nicht zu kurz kommen. Ab und an eine Kleinig-

Unsere expertin: Dr. Ute Gola leitet das Institut für Ernährung und Prävention GmbH in Berlin

«Eine ausgewogene Kost ist jetzt das richtige Rezept für Patienten.»

keit naschen – das darf zu einer ausgewogenen Ernährung gehören. «Arbeiten Sie nicht gegen Ihre innere biologische Uhr, sondern hören Sie auf Ihr Hungerund Sättigungsgefühl», sagt Dr. Gola. «Dann gibt Ihnen nämlich Ihr Körper den richtigen Essenstakt vor.» »

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Perspektive leben · Gesund Essen

Die wich Nährstof Gemüse gehört immer dazu! Gemüse tut gut und schmeckt! Geniessen Sie möglichst viele verschiedene Sorten davon. Denn es macht satt und enthält wenig Kalorien. Und die enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe, sekundären Pflanzeninhaltsstoffe sowie Ballaststoffe haben auch noch eine vorbeugende Wirkung bei zahlreichen Erkrankungen. Gönnen Sie sich Gemüse zu jeder Mahlzeit. Es sollte mindestens die Hälfte Ihres gefüllten Tellers ausmachen. Gemüse enthält sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Ihnen werden zahlreiche Schutzwirkungen zugeschrieben: Sie beugen Krebs vor, senken den Cholesterinspiegel, regulieren den Blutdruck und den Blutzuckerspiegel. Da einige dieser Pflanzeninhaltsstoffe hitzeempfindlich sind, ist es wichtig, Gemüse schonend zuzubereiten und es des Öfteren auch in rohem Zustand zu verzehren.

Warum unser Körper Eiweisse braucht

Fotos: thinkstock (5), fotolia/tashka2000

Eiweisse, auch Proteine genannt, sind für den Menschen lebensnotwendig und erfüllen im Körper wichtige Funktionen. Sie bauen Körperzellen auf, stabilisieren unsere Organsysteme, transportieren Sauerstoff und Vitamine oder helfen als Antikörper bei der Immunabwehr. Jeden Tag werden Proteine in unserem Körper neu gebildet und abgebaut. Er kann allerdings nicht alle wichtigen Eiweissbausteine, sogenannte Aminosäuren, selbst herstellen. Die essenziellen Aminosäuren müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass ein Erwachsener täglich 0,8–1,2 g Eiweiss pro kg Körpergewicht zu sich nehmen

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sollte. Das bedeutet zum Beispiel für eine Frau, die 60 kg wiegt, eine Zufuhr von 48–72 g Protein. Gut zu wissen: Eiweiss macht satt – und das ist wichtig. Denn nur wenn Sie richtig satt sind, vermeiden Sie unnötige Zwischenmahlzeiten oder Snacks. Die Empfehlung lautet daher: Essen Sie möglichst zu jeder Mahlzeit ein eiweissreiches Lebensmittel. Eiweissreiche Lebensmittel sind zum Beispiel Milchprodukte wie Quark und Käse, Eier, Fisch, Hülsenfrüchte oder Fleisch.


Gesund Essen · Perspektive leben

htigsten ffe sind: Obst: die süssen Früchtchen – und ihre Fallen Obst ist reich an Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen. Es schmeckt süsser als Gemüse und enthält folglich auch mehr Zucker und Kalorien. Wählen Sie am besten reif geerntetes Obst aus, das möglichst in ihrer Region wächst. Es ist vitaminreicher als importiertes Obst, das noch auf dem Transportweg nachreifen muss. Motivieren Sie sich, nicht immer nur Äpfel, Bananen oder Orangen zu essen. Entdecken Sie die Vielfalt an Gemüse und Obst, die in unseren Breiten wächst. Das fördert den Genuss – und ist obendrein gesund!

Die Rolle der Kohlenhydrate Kohlenhydrate sind Energielieferanten für den Körper. Prinzipiell lassen Sie sich in drei grosse Gruppen einteilen: Zucker, Stärke und Ballaststoffe. n Zucker besteht aus einfachen Kohlenhydraten. Zu ihnen gehören vor allem der Haushaltszucker, der Traubenzucker, der Fruchtzucker und der Milchzucker. n Stärke gehört dagegen zu den komplexen Kohlenhydraten. Sie kommt vor allem in Kartoffeln und Getreideprodukten vor. Hierzu zählen zum Beispiel Brot, Pasta und Reis. n Ballaststoffe gehören ebenfalls zu den komplexen Kohlenhy­ draten, werden aber selbst nicht respektive nur teilweise verdaut. Ballaststoffe haben zahlreiche positive Eigenschaften: Sie unterstützen unser Immunsystem und die Verdauung, sorgen für eine bessere Darmflora, glätten den Blutzuckerspiegel und machen uns länger satt. Deshalb ist es für Menschen mit Gewichtsproblemen empfehlenswert, ballaststoffreich zu essen. Kartoffeln, Reis, Pasta und Brot werden meist als Sättigungsbeilagen verzehrt. Sie enthalten überwiegend langkettige komplexe Kohlenhydrate. Und diese machen besser satt als beispielsweise ein Stück Obst. Diese Nahrungsmittel sollten möglichst einen hohen Vollkornanteil aufweisen. Vollkornprodukte enthalten nämlich mehr Ballaststoffe, Vitamine und Mineralien. Das bedeutet beispielsweise: Vollkornbrot ist besser als Graubrot und Graubrot ist besser als Weissbrot. Naturreis sollte poliertem weissem Reis vorgezogen werden. Wenn Sie keinen Naturreis mögen, ist Basmatireis oder auch Reis «aus dem Beutel» zu empfehlen. Eine gute Möglichkeit, mehr Vollkorn zu essen, ist auch Vollkornpasta. Wer lange keine Vollkornprodukte gegessen hat, sollte es für die Bekömmlichkeit anfangs mit kleinen Mengen versuchen.

Die Rolle der Fette in unserer Nahrung Mit unserer Nahrung nehmen wir Fette aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln auf. Sie unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung: Fette aus tierischen Lebensmitteln enthalten oft einen grösseren Anteil gesättigter Fettsäuren. Pflanzliche Fette sind meist Öle und bestehen vorwiegend aus wertvollen einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Fette dienen unserem Körper als Energielieferant und als Baustoff. Sie enthalten aber leider mehr als doppelt so viele Kalorien wie Kohlenhydrate und Eiweisse. Wer nicht zunehmen will, sollte immer einen wachen Blick auf die Menge fetter Lebensmittel haben. Achten Sie unbedingt auch auf die Arten von Fettsäuren. Sie wirken sich nämlich unterschiedlich auf Ihren Körper aus. Fettsäuren werden unterteilt in: n Gesättigte Fettsäuren: Sie kommen überwiegend in tierischen Lebensmitteln vor, wie in Fleisch, Butter und Käse, aber auch in Kokos- und Palmfett. Sie sollten nicht in grossen Mengen aufgenommen werden, da sie vom Körper selbst gebildet werden.

n Einfach ungesättigte Fettsäu-

ren: Sie sind vor allem in Pflanzenölen wie Olivenöl und Rapsöl enthalten. Sie verbessern die Balance der Blutcholesterinwerte. n Mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Sie werden auch essenzielle Fettsäuren genannt. Der Körper stellt sie nicht selbst her. Sie müssen daher mit der Nahrung aufgenommen werden. Enthalten sind sie zum Beispiel in Nüssen, Maiskeimöl, Sonnenblumenöl, Distelöl, Weizenkeimöl, Kaltwasserfischarten wie Hering, Lachs, Thunfisch oder Makrele. Essenzielle Fettsäuren senken den Gesamtcholesterinspiegel. Sie sind u. a. wichtig für den Aufbau von Zellstrukturen, das Herz-Kreislauf- und Immunsystem und sie regulieren den Fettstoffwechsel. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren werden in Omega-6-Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren unterteilt. n Nahrungsmittel, die viel gute Fette und fettlösliche Vit­ amine enthalten, sind zum Beispiel Nüsse, Avocados, fette Meeresfische und natürlich Öle. Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Menschen und Erfahrungen

Professor Dr. Martin Fey, Inselspital Bern

Wie man über das Sterben sp Krebs habe ein falsches Image, seine Diagnose bedeute nicht gleich ein Todesurteil, sagt der Krebsspezialist am Berner Inselspital. Wenn er aber Patienten den nahen Tod ankünden muss, tut Martin Fey das mit klaren Worten.

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evor Chefarzt Martin Fey eituation zusammen. Er weckt keine über«Offen über triebenen Heilungshoffnungen. Er schlägt nem Patienten eröffnet, dass er Krankheit und realistische Therapieziele vor. Die Frage der an Krebs sterben wird, trifft er Tod reden» Vorkehrungen. Er legt die KranÜberlebenschancen diskutiert er erst gegen kengeschichte des Patienten bereit Ende des Gesprächs. Oder dann, wenn der und checkt den aktuellen Stand. Er wählt einen Patient darauf kommt. Nie würde Fey zur Frage freundlicheren Raum als sein enges Büro. Er sorgt dafür, des Patienten, wie viel Lebenszeit ihm noch bleibe, eine dass er im Gespräch nicht gestört wird. Und er versichert exakte Anzahl Tage oder Monate nennen. Er habe schon sich, dass der Patient kein naher Freund oder ein Familioft erlebt, dass Prognosen unter- oder überschritten werden, sagt er. Aber immer stelle er dem Patienten die enmitglied ist. Dann wäre die Distanz nicht gewährleistet, Rückfrage: «Wie definieren Sie Ihre Aussichten? Wollen die er für das Gespräch braucht. Sie geheilt werden? Und wenn das nicht geht: Wollen Sie Eine gesunde Routine hilft möglichst schmerzfrei leben?» Wenn Fey diese Fragen mit sanfter Stimme stellt und Wenn Fey dann mit dem Patienten zu reden beginnt, verdie Krankheit mit erträglichen, aber doch deutlichen meidet er falsche Gesprächseinstiege. Er fasst zuerst ruhig Worten anspricht, spürt man seine Souveränität, seine sein Wissen und seine Einschätzung der Krankheitssi-

Fotos: thinkstock (1), Beat Mathys (1)

«Der Tod triumphiert ohnehin. Wäre man unsterblich, wäre das schwierig.»

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Menschen und Erfahrungen · Perspektive leben

pricht Erfahrung. Er hat eine Technik entwickelt, die er schwer beschreiben kann. Er akzeptiert das Wort «Routine» und blickt freundlich durch seine runde Brille. Ja, wenn man regelmässig das Sterben ansprechen müsse, brauche man «eine Art gesunde Routine». Denn Fey führt fast jede Woche ein Gespräch, in dem er jene Botschaft überbringen muss, die niemand hören will.

Was noch möglich bleibt 14 000–15 000 Konsultationen gibt es jedes Jahr in Professor Dr. Martin Fey, der Klinik für MediziniKlinikdirektor und Chefarzt sche Onkologie am Berner Medizinische Onkologie, Inselspital, deren Direktor Inselspital Bern Martin Fey ist. Die Onkologie ist die Wissenschaft, die sich mit Krebs befasst; sie umfasst neben Eingriffen die Prävention und verschiedene Therapieformen. Häufig sind Therapiepläne Feys Thema. Er diskutiert mit den Patienten, wie es weitergeht, wenn es nicht mehr weiterzugehen scheint. Auch eine beschränkte Lebensspanne lässt sich noch so organisieren, dass Lebensqualität möglich ist. Fey bespricht, ob eine Operation noch Sinn macht. Ob eine Diät Linderung bringt. Und auch, wo man am besten sterben kann. Zu Hause? Ist da überhaupt jemand, der einen pflegen kann? Wenn ja, wären die Angehörigen mit der Pflege vielleicht überfordert? Verbringt man die letzten Tage besser auf einer Palliativstation? «Krebs hat Fey stellt nun klar, dass es nur bei ein falsches einem Teil der Konsultationen in Image» seiner Klinik gleich um Leben und Tod gehe. «Krebs hat ein falsches Image, er gilt einfach als Todesurteil», sagt der Onkologe. Aber das sei ein ungenaues Bild. Bei Brust-, Prostata- und Hodenkrebs oder auch bei anderen Krebsformen seien die Heilungschancen je nach Stadium

gut. Fey spricht deshalb nicht generalisierend von «Krebs», sondern von bestimmten Krebsarten in einem gewissen Stadium. Der Verlauf der Krankheit sei überdies unberechenbar. Er erzählt von einem Patienten, der dreimal lebendig aus der Palliativstation für Sterbende zurückgekehrt sei und dies so kommentiert habe: «Der da oben wollte noch nicht mich, sondern meinen Nachbarn.»

Der Tod ist nicht der Gegner Wer mit Fey spricht, wundert sich. Darüber, dass ein Arzt so offen über den Tod spricht. Und dass es ihm im Angesicht des Todes nicht die Sprache verschlägt. Ist der Tod nicht der grosse Gegner des Arztes und das grosse Tabu der Medizin? Fey lächelt fein. «Der Tod triumphiert ohnehin. Wäre man unsterblich, wäre das schwierig.» Es sei seine Aufgabe, einen verhinderbaren, zu frühen Tod zu vermeiden, sagt er. Aber auch, offen über den Tod zu reden. Während seiner Studentenzeit im Berner Zieglerspital sei das Wort «Krebs» innerhalb der Spitalmauern noch tabu gewesen, erzählt Fey. Heute aber wüssten Krebskranke, woran sie leiden. Das Reden über das Sterben gehört heute gar zur Ausbildung. Die «Communication Skills Training Courses» der Krebsliga sind für werdende Onkologen obligatorisch. Fey hat dort eine Schauspielerin erlebt, die die Patientin mimte. Mal habe sie die depressiv Abweisende gegeben, dann einen Zusammenbruch vorgespielt. Schliesslich habe sie ihn unter Tränen angefleht: «Herr Doktor, heilen Sie mich!» – «Das war so glaubwürdig, es ging unter die Haut», erinnert sich Fey.

Die Kraft der Verweigerung Verhalten sich auch echte Patienten so, wenn sie schlimme Nachrichten erfahren? «Die meisten Leute nehmen sich enorm zusammen», sagt Fey. Zusammenbrüche und selbst Tränen erlebe er selten. Ist das gut? «Ich weiss es nicht», sagt er. Nicht einmal für den Arzt sei es leicht, wenn sich der Patient zusammenreisse, weil man dann dessen Sorgen nicht kenne. «Später, wenn der Patient allein ist, bricht seine Verzweiflung dann doch hervor.» Fey erlebt immer wieder, welch erstaunliche, ja absurde Kräfte der Verweigerung Menschen im Angesicht des Ausgabe Schweiz

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Perspektive leben · Menschen und Erfahrungen

Mit Gelassenheit in den Tod Die Verdrängung des Todes kann manchmal nützlich sein. «Es kann gut sein, sich nicht rund um die Uhr mit dem Tod zu beschäftigen», bestätigt Fey. Aber ihn bis am Ende nicht wahrzuhaben, bedeute für die Angehörigen eine schwere Belastung. Fey erlebt auch, dass Patienten eine aussichtsreiche Therapie verweigern, weil sie sich nicht «von einer Chemotherapie vergiften lassen» wollen. Um sich nicht dem Vorwurf unterlassener Hilfe ausEs gibt Patienten, zusetzen, lasse man sie die ihre letzte eine Verzichtserklärung Lebensphase geniessen unterschreiben, sagt Fey. können. Besonders beeindruckend sind für Fey jene Patienten, die den Tod hinnehmen können. Er erlebe bei ihnen das, was die alten Römer mit «Serenitas» umschrieben hätten: Heiterkeit, Abgeklärtheit, Gelassenheit. «Sie ziehen Bilanz und erkennen dann, dass vieles nicht mehr wichtig ist», sagt Fey. Es gebe gar Patienten, die ihre letzte Phase geniessen können. Er habe das Gefühl, dass man besser abtrete, wenn man Bilanz ziehe. Aber das könnten lange nicht alle. Aus den verschiedenen Einstellungen der Sterbenden leitet Fey ab, dass das Sterben etwas «Schillerndes, Variab46 ·

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les» an sich hat. Es sei ein Wechselspiel von allgemeingültigen Vorgängen und einem individuellen Verlauf. Wenn Fey das Leben vom Ende aus betrachtet, kommt er zum Schluss, dass «jeder Mensch für Überraschungen gut ist». Nehmen ihn Fälle Sterbender persönlich mit? Wirklich hart sei es, ganz junge Menschen zu begleiten, die viel zu früh aus dem Leben gerissen werden, sagt Fey. Wenn er erklären soll, wie er solche Erlebnisse wegsteckt, muss er überlegen. Er grenze sich ab, halte Distanz und fokussiere auf das Positive, auf das Wenige, das noch möglich sei. Nein, eine Supervision beanspruche er nicht.

Wenn eine Therapie sinnlos ist Fey widerlegt noch ein weiteres Klischee: Dass die Medizin einen Patienten um jeden Preis am Leben erhalten wolle. Heute lasse man den Tod zu, wenn er unausweichlich sei, sagt er. Ist das Sterbehilfe? Fey drückt es so aus: Man bespreche mit den Angehörigen und dem Patienten, welche Therapien man nicht mehr weiterführe. «Angehörige haben oft zu extreme oder zu harmlose Vorstellungen vom Krankheitsverlauf und von den Therapiemöglichkeiten», weiss Fey. Manchmal sei deshalb Überzeugungsarbeit nötig, welche lebensverlängernden Massnahmen besser gestoppt würden. Jüngere Ärzte hätten die Tendenz, noch eine weitere Therapie vorzuschlagen, sagt Fey. Mit 62 Jahren sieht er das anders. Es fällt ihm auf, dass Krebspatienten selten den Freitod mithilfe einer Sterbehilfeorganisation wählen. Zahlen oder Erfahrungswerte gebe dazu keine, sagt Fey, aber Suizid sei nach seiner Einschätzung bei Depressions- oder Schizophreniekranken häufiger. Vielleicht habe es damit zu tun, dass die meisten Krebspatienten bis an ihr Ende geistig präsent seien. Foto: thinkstock

Todes entwickeln. Es gebe Patienten, die von ihrer Erkrankung zuerst nichts wissen wollen. «Sie brummeln bloss, man solle ihren ‹Knubel› rausholen.» Es brauche oft Zeit, sich die Krankheit einzugestehen. Fey gibt den Patienten diese Zeit. Er erlebt auch Patienten, die das Sterben bis zuletzt nicht wahrhaben wollen. Fey erzählt von einem, der «Das Sterben noch zwei Wochen vor seinem Tod nicht alleine als Chef in sein Unternehmen zudurchstehen» rückkehren wollte. Der Sohn habe ihn verzweifelt davon abzuhalten versucht. Einige Patienten wollen nicht einmal ihre Frau in ihre Lage einweihen. Fey warnt sie davor, das Sterben allein durchstehen zu wollen. Ein Patient aus Russland, erzählt Fey, habe beim Gespräch über eine aussichtslose Diagnose Geldscheine auf den Tisch gelegt und erklärt: «Money is no issue!» Auf Deutsch: Geld spielt keine Rolle, ich kann jede Therapie bezahlen. Fey erwiderte: «Yes, money is no issue!» Aber er verstand den Satz anders: «Mit Geld können Sie Ihr Leben nicht kaufen.»

Was der Tod lehrt

Ein Krebsarzt ist für den Tod besser gewappnet als andere, nimmt man an. Oder fürchtet auch er sich davor? «Ich denke nicht über meinen Tod nach», antwortet Martin Fey. Aber er verschiebe seit ein paar Jahren schöne Dinge möglichst nicht mehr auf später, auf die Pension. Er unternehme nun mit seiner Frau jedes Jahr eine Reise. Und er versuche, sein Leben nicht allzu sehr zu strukturieren und abzusichern. In seiner Klinik, wo böse und gute Überraschungen Alltag sind, ermuntere er zu mehr Improvisation und Spontaneität. Stefan von Bergen (Nachdruck aus Berner Zeitung, 14.9.2014)


Perspektive leben

Wissenschaftlicher Beirat Prof. Franco Cavalli

Dr. Stephan Eberhard

PD Dr. Christoph Rageth

Direktor des Oncology Institute of Southern Switzerland in Bellinzona sowie Professor an den Universitäten Bern und Varese

Onkologische Rehabilitation, Berner Klinik Montana

Brust-Zentrum, Zürich

Prof. Thomas Cerny

Leben wie zuvor, Kontaktstelle für Frauen nach Brustkrebs, Reinach

Chefarzt Onkologie Kantonsspital St. Gallen, Präsident der Krebsforschung Schweiz

Donatella Corbat Präsidentin Europa Donna Schweiz, Bern

Dr. Heidi S. Dazzi Leitende Ärztin Palliativmedizin an der Klinik für Onkologie am UniversitätsSpital Zürich und TUCARE, Ambulatorium für Tumor- und Bluterkrankungen

Susi Gaillard

Dr. Agnes Glaus Expertin Onkologiepflege Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, St. Gallen

Prof. Viviane Hess Leiterin klinische Forschung (CCRC), Universitätsspital Basel

Prof. Richard Herrmann Ehemaliger Chefarzt der Klinik für Medizinische Onkologie, Universitätsspital Basel

Prof. Christoph Renner Onkozentrum Hirslanden, Zürich

Dr. Marc Schlaeppi Leitender Arzt Onkologie/Hämatologie und Zentrum für Integrative Medizin, Kantonsspital St. Gallen

Dr. Christian Taverna Leitender Arzt Onkologie, Kantonsspital Münsterlingen

Prof. Frank Zimmermann Chefarzt Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsspital Basel

Dr. phil. Kathrin Kramis-Aebischer

Foto: thinkstock

Geschäftsführerin Krebsliga Schweiz, Bern

Impressum

Chefredaktion: Dr. med. Petra Genetzky, Winfried Powollik Redaktion: Dr. med. Susanne Schelosky, Prof. Dr. phil. Christoph Fasel, Jochen Schlabing, Dietmar Kupisch, Felix Schlepps, Sandro Most, Jonas Lisker, Jörg Schumacher, Jeannette Enders

Perspektive LEBEN – Das Schweizer Magazin für Menschen mit Krebsdiagnose und ihre Angehörigen © 2014 Verlag: swissprofessionalmedia AG Geschäftsleitung: Oliver Kramer Verlagsleitung: Dr. med. Theo Constanda Projektleitung: Dr. med. Susanne Schelosky

Lektorat: Dr. phil. Regine Schricker Creative Director: Anette Klein Layout: Andrea Schmuck, Laura Carlotti Herstellung: Olivier Kilchherr Vertriebsleitung: Carolyn Kretzschmar, carolyn.kretzschmar@s-p-m.ch Marketing und Anzeigenadministration: Daniela Uhl, daniela.uhl@s-p-m.ch

Verkauf: Marc Philipp (Rx) Tel. 058 958 96 43, mphilipp@medical-tribune.ch Antonino Diaco (Rx) Tel. 058 958 96 17, adiaco@medical-tribune.ch Biagio Ferrara (Rx) Tel. 058 958 96 45, bferrara@medical-tribune.ch Rahel Saugy (OTC) Tel. 062 966 03 69, rsaugy@medical-tribune.ch Druck: PRINTEC OFFSET medienhaus, D-34123 Kassel Reproduktion nur mit schriftlichen Genehmigung des Verlags. Mit der Einsendung eines Manuskriptes erklärt sich der Urheber damit einverstanden, dass sein Beitrag ganz oder teilweise in allen Printmedien und elektronischen Medien der Medical Tribune Group, der verbundenen Verlage sowie Dritter veröffentlicht werden kann.

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Den Krebs zu besiegen ist unser Ziel. Mit vereinten Kräften. Wir arbeiten mit Leidenschaft an der Zukunft der Krebsmedizin, um den Patienten bestmöglich zu unterstützen. Unsere jahrzehntelange Erfahrung und innovativen Forschungstechnologien sind die Basis für neue, richtungsweisende Therapien in der Onkologie. Symptome nicht nur behandeln, sondern langfristig Krebs besiegen: Das ist für uns kein Traum, es ist das Ziel.

2-2014

www.roche-pharma.ch


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