DANCE DEAD CAN
DANCE DEAD CAN
CECILY BROWN NICK GOSS
LEIKO IKEMURA RAYMOND PETTIBON
WALTER PICHLER
MAJA RUZNIC
DANA SCHUTZ
NORBERT SCHWONTKOWSKI DASH SNOW
CONTEMPORARY FINE ARTS BASEL
DEAD CAN DANCE
Den Tod wegzutanzen war leider nie eine Option – aber mit ihm zu tanzen ist in der Kunstgeschichte seit dem Mittelalter eine mögliche Art und Weise, ihm zu begegnen. Während im 14. Jahrhundert Millionen von Menschen durch Hunger, Pest oder Naturkatastrophen starben, entstand das Bedürfnis, den Tod zu verstehen, ihm eine Form zu geben, wenn auch eine beängstigende: Das Skelett war geboren.
Gehen wir ein paar Jahre zurück, durchqueren einige unstete Kopfsteinpflasterstraßen und kommen an den Ort, an dem sich heute unsere Galerie befindet: das 1345 erbaute Haus im Totengässlein in Basel. Das Gässlein soll seinen Namen erhalten haben durch die vielen Toten, die hier von der unteren Stadt zum Friedhof an der Peterskirche gebracht wurden – ausgelöst durch das große Erdbeben 1356, welches dieses Haus – wie so viele andere Prüfungen und wie durch ein Wunder –überstand. Ein Jahrhundert später erhielt Basel sein ganz eigenes Totentanz-Fresko.
Der Totentanz, der ursprünglich als Malerei an den Wänden des Kirchhofs des Basler Dominikanerklosters prangte, diente als ein ewiges Memento Mori. Der tanzende Tod, der jeden Menschen – egal welchen Standes, Geschlechts und unglücklicherweise auch egal welchen Alters – mitreißen konnte, sollte in das kulturelle Selbstverständnis eingehen: das Leben ist endlich; der Einzelne nicht so wichtig und es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Tod, so wie er ist, hinzunehmen. Das Fresko wurde 1805 zerstört und ist seitdem fragmenthaft im Historischen Museum Basel zu sehen.
Die Faszination, die der Tod auf Künstler ausübt, ist heute so ungebrochen wie damals. Die Ausstellung „Dead Can Dance“ versammelt zeitgenössische Künstler:innen aus dem Programm von CFA, für die der Tod ein immer wiederkehrendes Thema ist und die sich in ihren Werken kreativ mit seiner Unvermeidlichkeit auseinandersetzen. Von „Memento Mori“, Dokumentationen persönlicher Verluste, bis hin zu Betrachtungen über die Schrecken der Geschichte und über die Möglichkeiten des Malprozesses und seiner Fähigkeit, das Leben einzufangen, finden die Künstler:innen immer wieder einzigartige Wege, sich mit diesem universellsten aller Themen auseinanderzusetzen. Diese Hommage an die unmittelbare Umgebung der neuen Galerieräume der CFA im Totengässlein und dessen Geschichte bringt Künstler:innen wie Cecily Brown, Nick Goss, Leiko Ikemura, Raymond Pettibon, Walter Pichler, Maja Ruznic, Dana Schutz, Norbert Schwontkowski und Dash Snow zusammen.
Die Allegorie ist selbstverständlich die, dass der Tod uns alle holt. Seit dem Mittelalter hat sich vieles verändert, nicht aber die Gewissheit des Todes. Wir mögen zwar länger leben, aber sterben tun wir trotzdem. Für jeden kommt seine Zeit, früher oder später. Ob reich oder arm, mächtig oder gewöhnlich, groß oder klein, jung oder alt, irgendwann wird man sterben. Aber wenn der Tod so beängstigend ist, warum tanzen dann die Toten weiter?
DEAD CAN DANCE
Dancing the death away was sadly never an option, but dancing alongside it has been a viable pastime of art history ever since the Middle Ages. Why then? As millions were dying from famine, plague or natural disasters in the 14th century, the need arose to understand death, to give it face, a form, albeit a frightening one: the skeleton was born.
Dial back a few years, navigate a few wobbly streets and come to the very spot where our gallery is today; the freshly built 1345 house in Totengässlein in Basel. Reportedly having gotten its name for being the place where many lost their lives during the Basel earthquake 11 years later, a test that the house withstood, as she would many others. A century later, Basel got its very own Dance of Death fresco.
The Dance of Death, which originally appeared as a painting on the walls of the churchyard of the Dominican monastery in Basel, served as an eternal memento mori. The dancing death, which could sweep anyone away – regardless of their status, gender and, unfortunately, age – was meant to become part of our cultural understanding: life is finite; the individual is not so significant, and we have no choice but to accept death as it is. The world-renowned fresco, created between 1437 and 1441, was removed in 1805 and only a few fragments of the wall are now kept in the Basel Historical Museum.
The fascination with death among artists today is as unwavering as it was then. The show “Dead Can Dance” brings together contemporary artists from CFA’s program to whom death is a recurring theme, and who creatively address its inevitability in their work. From memento mori, documentations of personal loss, to contemplations on the horrors of history and on the possibilities of the process of painting and its ability to capture life, artists keep finding unique ways to address this most universal topic of all. Artists included in this nod to CFA’s new home at Totengässlein 5 and its history are Cecily Brown, Nick Goss, Leiko Ikemura, Raymond Pettibon, Walter Pichler, Maja Ruznic, Dana Schutz, Norbert Schwontkowski and Dash Snow.
The allegory is, of course, that death comes for us all. Since the Middle Ages, much has changed but the certainty of death hasn’t. We may live longer, but we die just the same. Everyone’s time comes, sooner or later. Rich or poor, powerful or common, big or small, young or old, eventually you will perish. But if death is so scary, why do the dead keep on dancing?
CECILY BROWN
Die Vergänglichkeit des Lebens und die Verführungskraft des Todes sind keine ungewöhnlichen Themen für Cecily Brown. Eine Auswahl der Bilder zu dem Thema wurde letztens in ihrer Ausstellung „Death and the Maid“ im New Yorker Met vereint. In der hier ausgestellten Malerei mit dem Titel „A drop of poison“ entwickelt Brown Reflexionen über die Endlichkeit innerhalb eines Interieurs weiter. In der fleischlichen Auflösung der Formen kann man deutlich eine Schale mit Obst erkennen. Brown weiß sehr wohl, dass die Symbolik von Obst weit über die Fruchtbarkeit hinausgeht und verschiedene Aspekte der eigenen Sterblichkeit versinnbildlicht.
„Red Painting 3“ ist nach „Red Painting 1“ und „Red Painting 2“ (beide 2002), das dritte Gemälde, das Brown der Erforschung der Farbe Rot widmet. Als Matisse „Das Rote Atelier“ malte, nutzte er die Farbe als verbindende Kraft. Er argumentierte, dass die Elemente des Gemäldes erst inmitten von Rot zu dem werden, was sie sein sollen. Wir wissen vielleicht nicht viel über den Tod, außer dass er sicher ist, können uns aber vorstellen, dass die Hölle rot ist; und überfüllt.
Im Mittelalter symbolisierten die Totentänze die Gleichheit aller Menschen im Hinblick auf ihr unausweichliches Vergehen. Die Renaissance fügte dem Konzept ein erotisches Element hinzu und verlieh dem Tanz eine neue Bedeutung. Aber egal wie der Anfang ist, am Ende triumphiert immer der Tod.
The brevity of life and seductiveness of Death are not unusual subject matter for Cecily Brown. A selection of her works on the topic has recently been assembled in a survey exhibition at The Met in New York, pointedly titled “Death and the Maid.” The painting featured in this exhibition, titled “A drop of poison,” further develops Brown’s reflections on transience through an interior scene, densely packed with elements of life. In the carnal dissolution of shapes, one can clearly discern a bowl of fruit. Brown knows well that symbolism of fruit goes well beyond fertility and serves as a materialization of one’s mortality.
“Red painting 3” is the third painting by Brown dedicated to the exploration of the eponymous colour, “Red Painting 1” and “Red Painting 2” being around 20 years ago. When Matisse painted his “The Red Studio,” he used it as a connecting force; arguing that only surrounded by red do the elements of the painting become what they are supposed to be. We might not know much about death except that it’s certain, but we can imagine that hell is red; and crowded.
During the Middle Ages, the Dances of Death symbolized the equality of all individuals in the face of their inevitable demise. However, the Renaissance introduced an erotic element to this concept, imbuing the dance with new meaning. But whatever the beginning, in the end, Death always triumphs.
DANA SCHUTZ
Es ist kein Geheimnis, dass der Tod für die Lebenden eine größere Rolle spielt als für die Toten. Aber in der Malerei ist es anders: Gemälde können Leben einfangen und sogar Tote zurückbringen.
In Dana Schutz’ Werken tauchen immer wieder Schiffe oder Flöße auf, die inmitten von unübersichtlichen Gewässern treiben. Die Assoziationen sind endlos: von Charon, dem Fährmann der Seelen in der griechischen Unterwelt, bis hin zu Géricaults „Das Floß der Medusa“, das mit Leichen und verzweifelten Überlebenden überfüllt ist. „The Raft“ mag an dieses Bild in seiner Komposition erinnern, nicht aber in der Konzentration der Figuren. Zwar macht jeder von ihnen sein eigenes Ding, aber niemand tut, was getan werden muss – rudern. Eine tote Malerin malt etwas, das nur sie sehen kann, während sie den leblosen Körper in einer Pietà-Komposition von der Staffelei herab trägt. Feilscht sie mit ihrem neuen Gemälde um den Übergang über den Styx? Oder ist sie glücklich damit, bis in alle Ewigkeit zu malen?
Dieses Gemälde ist nicht weniger als eine Meta-Reflexion: als Wieder-Erzählung seiner eigenen Entstehung untersucht es gleichzeitig die Geschichte der Malerei. Das kleine rote Wesen in der rechten unteren Ecke ist das Einzige, das sich dessen bewusst zu sein scheint, während es die Truppe zufrieden schiebt.
That death is a bigger concern to the living than it is to the dead is no secret. But in painting, this distinction isn’t always straightforward, especially as paintings are known to capture life, and even bring back those who are dead.
Floating vessels often return to Dana Schutz’s paintings, adrift amidst the enigmatic and turbulent waters, with bodies crowded onto rafts too small to sustain them. The associations evoked by these scenes are endless; from the mythological figure of Charon, the ferryman of souls in the Greek underworld, to Gericault’s ”The Raft of the Medusa,“ overflowing with the dead, with desperate survivors climbing on top of them to increase their chances of rescue. Schutz’s ”The Raft“ recalls the iconic painting in its pyramidic composition, but not in the concentration of its characters. In fact, each of them is doing their own thing, but no one is doing what must be done – row. A dead painter is preoccupied with painting something only she can see, beyond the canvas, while carrying the lifeless body descending from the easel in a pieta-like composition. Is she bargaining passage over Styx with her new painting? Or is she happy aimlessly floating, fated to paint for eternity?
Nothing short of meta-reflexive, this painting is its own palette, a narration of its process, and an examination of painting through its history. The little red creature in the bottom right corner is the only one who seems to be aware of it as he contentedly pushes the troop wherever they are going.
DASH SNOW
„Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Sie das „Law Stay Away“-Öl verwenden können. Tupfen Sie es auf Ihren Körper, auf wichtige Papiere wie Vorladungen oder Gerichtsverfahren, geben Sie ein paar Tropfen in die Badewanne oder in den Absatz Ihres Schuhs.“ So weist die Website ‚Art of the Root’ an, das gesetzesabweisende Öl zu verwenden um somit „Polizei, Anwälte und andere rechtliche Bedrohungen“ fernzuhalten. Dash Snow benutzte es, um einen Altar für seinen Kampf gegen die Autorität zu bauen.
Die Skulptur besteht aus gefundenen Objekten, die auf einem Karton gestapelt sind – einer Fotografie, dem gleichnamigen Öl, Zeitungen, einem Hakenkreuz, einem Totenkopf und einer Blume – und ähnelt einer Sammlung von Grabbeigaben, die nicht nur Snows eigene Überzeugungen offenbart, sondern auch an die Arbeitsprozesse hinter seinen text- und bildbasierten Collagen erinnert. Es handelt sich um ein eigenständiges Stillleben, das ad absurdum geführt wird: Die Lebenserwartung von Obst kann vielleicht variieren, eine Zeitung hingegen hält nur einen Tag.
“There are numerous ways you can use Law Stay Away Oil. Dab some on your body, on important papers such as summons or lawsuits, put a few drops in the bath or in the heel of your shoe.” So instructs the website Art of the Root to use the law-repellent oil and keep “police, lawyers and any other legal threats away.” Dash Snow used it to build an altar to his battle against authority.
Consisting of found objects – a photograph, the eponymous oil, newspapers, a swastika, a skull and a flower piled up on a cardboard box – the assembled sculpture resembles a collection of funerary objects that not only reveals Snow’s own convictions but evokes the working processes behind his text- and image-based collages. It is a still life in its own right, driven ad absurdum: life expectancy of fruit can perhaps differ, while newspapers last but a day.
Die Geister der Geschichte suchen selbst die glücklichsten Orte heim, und Leiko Ikemura hat ihre lange Karriere der Aufgabe gewidmet, ihnen auf die eine oder andere Weise Gestalt zu verleihen. In einer Serie von Gemälden mit dem Titel „PVScape“ rahmen buchstäbliche Geister die Kompositionen ein und schweben quasi tanzend über einer trostlosen Landschaft. In Wirklichkeit bezieht sich „PV-Scape“ auf Puerto Vallarta, eine typische Touristenstadt an der mexikanischen Küste, eine Art Paradies, das von Urlaubern aus aller Welt besucht wird, um die Sonne zu genießen und im Pazifik zu baden.
Für Ikemura bietet das Genre der Landschaft wichtige Voraussetzungen, um die Themen Natur, Fantasie und Geschichte ihren Werken miteinander zu verbinden. In ihren „PV-Scapes“, die diesen spezifischen Ort zeigen, erinnert sich Ikemura an ihre zahlreichen Besuche in der Stadt zwischen 2008 und 2010. Während in Mexiko, das für seine Feierlichkeiten zum Día de los Muertos bekannt ist, den Verstorbenen eher mit fröhlichen Feiern als mit Trauer gedacht wird, greift die Landschaft für Ikemura über das Geografische hinaus in ihre persönliche Biografie hinein, ihre erlebten Geschichte und damit verbundene Traumata umfassend.
Ghosts of history haunt even the happiest of places, and Leiko Ikemura has dedicated her long career to giving them form; in one way or another. In a series of paintings titled “PV-Scape”, literal ghosts flank the compositions, floating as if dancing above a desolate landscape. In reality, ”PV-Scape” refers to Puerto Vallarta, a typical tourist town on the Mexican coastline, a paradise of sorts, frequented by vacationists from all over the world to enjoy the sun and a swim in the Pacific.
For Ikemura, the landscape genre holds profound significance, intertwining nature, imagination and history in her works. In her ”PV-Scapes,” depicting this specific place, Ikemura recalls the multiple visits to the town between the years of 2008 and 2010. While Mexico, renowned for its Día de los Muertos festivities, commemorates the deceased with joyous celebrations rather than mourning, for Ikemura, the landscape extends beyond the geographical into her personal biography, encompassing the history and horrors that lie within.
MAJA RUZNIC
Für Maja Ruznic beginnt die Malerei selten mit einem festgelegten Konzept, sie entfaltet sich während des kreativen Prozesses und findet darin ihre Form. Nichtsdestotrotz spiegeln ihre Gemälde unbestritten ihre Interessen und aktuellen Fragestellungen wider. Momentan dient der menschliche Körper mit seiner vielschichtigen Symmetrie und Komplexität als ständige Inspirationsquelle, die menschliche Gestalt konsequent in ihrer Malerei zu erforschen. Die Bedeutung unserer physischen Gestalt für unsere Identität und die Zwänge, die sie uns auferlegt, stellen sich als Fragen: Wie definiert uns unsere physische Morphologie, und wie können wir ihre Grenzen überwinden? Die alten Griechen gingen so weit, Persönlichkeiten nach Körperflüssigkeiten zu klassifizieren – das komplexe Zusammenspiel zwischen Körper und Wesen unterstreichend.
Während viele von Ruznics Werken die Malerei als Portal zu einer anderen Welt begreifen, betrachtet ihr Werk „StarChild from the Dark Place of Star lines and Electricity“ das Gemälde selbst als einen Käfig, der durch den Körper definiert wird, den es umschließt. Gefesselt durch Fleisch und doch aus Sternen bestehend, bleiben wir mit unserer Umgebung, dem Kosmos und der Welt im Allgemeinen verbunden, selbst wenn wir im Gefängnis unserer physischen Form in existenzielle Angst verfallen.
For Maja Ruznic, painting rarely begins with a defined concept but rather unfolds and takes shape during the creative process. Nonetheless, her paintings undeniably reflect her interests and current preoccupations. Presently, the human body, with its intricate symmetry and complexities, serves as an enduring source of inspiration, compelling her to consistently explore the human form in her paintings. Questions regarding the significance of our physical form to our identity and the constraints it imposes upon us arise: How does our physical morphology define us, and how might we transcend its limitations? The ancient Greeks went so far as to classify personalities based on bodily fluids, underscoring the intricate interplay between the body and the self.
While many of Ruznic’s works conceive painting as a portal to another world, her piece “StarChild from the Dark Place of Star lines and Electricity” contemplates the painting itself as a cage defined by the body it encloses. Bound by flesh yet composed of stars, we remain tethered to our surroundings, the cosmos, and the broader world, even as we find ourselves succumbing to existential dread, ensnared within the prison of our physical form.
Nick Goss, ein in London lebender Maler, lässt sich immer wieder von pulsierenden Stadtansichten inspirieren, die neben ihren verschlungenen Schichten der Kunstgeschichte seine wichtigste Inspirationsquelle bleiben. Diese Einflüsse fließen nahtlos in seine Eindrücke aus der unmittelbaren Umgebung ein. Besondere Inspiration findet Goss in einer lokalen Pool Bar in Peckham, Südlondon, wo er früher lebte und regelmäßig vorbeikam.
Das für diese Ausstellung geschaffene Werk „Canavan’s“ ist das Ergebnis zahlreicher Studien und beeinflusst vom Werk „Takiyasha the Witch and the Skeleton Spectre“ des japanischen Künstlers Utagawa Kuniyoshi. Goss’ Arbeiten spiegeln die Dynamik der Stadt wider, durchsetzt mit flüchtigen Momenten, die Einblicke in das Leben anderer Menschen gewähren. Selbst diejenigen, die dazu bestimmt sind, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, finden in seinen Gemälden einen Hauch von Unsterblichkeit.
Die unheimliche Konfrontation des Todes mit einem Ort, der von den Lebenden besucht wird, symbolisiert den allmählichen Niedergang authentischer Bars und Kneipen. Sie werden früher oder später dem Druck steigender Lebenshaltungskosten, der Inflation und der Gentrifizierung erliegen, die das zeitgenössische Stadtleben für immer verändern. Wenn diese Lokale verschwinden und nur noch von Geistern heimgesucht werden, gibt es niemanden mehr, der für sie Musik spielt – außer den Skeletten.
Nick Goss, a London-based painter, draws continuous inspiration from his vibrant city, which remains his primary muse alongside its intricate layers of art history. Seamlessly blending these influences into his impressions of the immediate surroundings, Goss finds particular inspiration from a local Pool Bar in Peckham, South London, where he used to live and regularly pass by.
Created specifically for the exhibition, “Canavan’s” is the culmination of numerous sketches portraying figures playing instruments and dancing, influenced by the work “Takiyasha the Witch and the Skeleton Spectre” by Japanese artist Utagawa Kuniyoshi. Dedicated to capturing the essence of life in London, Goss’s work reflects the city’s dynamic pace interspersed with fleeting moments that reveal glimpses of the lives of others. Even those destined to fade into obscurity find a semblance of immortality within his paintings.
The uncanny juxtaposition of Death visiting a space frequented by the living delves into themes surrounding the city and its inhabitants, symbolizing the gradual demise of authentic bars and pubs succumbing to the pressures of rising living costs, inflation, and gentrification that can change contemporary urban life forever. As these establishments vanish, relegated only to the company of ghosts, there is no one left to play music for them but the skeletons.
NORBERT SCHWONTKOWSKI
Wenn ein leichtbekleidetes Skelett sich vergeblich an einem Lagerfeuer wärmt, dann wohl immer aus einem Stück Menschsein heraus. Zwei Jahre vor seinem frühzeitigen Tod portraitiert Norbert Schwontkowski sich eben so – eines der wenigen Selbstportraits des Künstlers. Auf einem Hocker in der endlosen Dunkelheit kauernd, - ob es die Nacht oder das ewige Nichts ist, bleibt offen - die Hände frierend vor den knochigen Kopf gehalten, dem Feuer zugewandt. Aber das zutiefst menschliche Verlangen nach körperlicher Wärme und Schicklichkeit wird schnell zu einer höheren Frage als nur die nach der eigentlichen Wärme. Was kommt nach dem, was wir als Ende denken. Auch im Mittelalter tanzte der Tod mal im Gewand, mal mit Hut, mal mit Blumengesteck auf dem Haupt. Der Tod trägt das Menschliche nach außen – und andersherum.
Norbert Schwontkowskis Bildwelt war von Beginn an eine, die von der (Un-)Endlichkeit des Lebens und ihren Bewohnern erzählt. Es sind die kleinen Momente des Lebens, die er portraitierte und die in ihrer Melancholie immer auch von ihrem Ende, von ihrer Vergänglichkeit sprechen. Ein Feuer, die ewige Leere, ein Skelett, ein rotes Kleid – der Tod hat kein Geschlecht.
When a lightly clad skeleton futilely seeks warmth by a campfire, it likely stems from a trace of humanity within. Two years before his untimely death, Norbert Schwontkowski portrayed himself this way – it is one of his few self-portraits. Crouching on a stool in the darkness – whether it is the night or eternal nothingness remains open – his hands held freezing in front of his bony head, turned towards the fire. But the profound human longing for physical warmth and propriety goes beyond actual warmth and mere comfort. What comes after what we think of as the end? Even in the Middle Ages, death danced sometimes in a robe, sometimes with a hat, sometimes with a flower arrangement on its head. Death brings the human to the fore, and vice versa.
From the very beginning, Norbert Schwontkowski’s visual world was one that narrates the (in)finity of life and its participants. As he portrayed the small moments of life, he also conveyed their melancholy, their end, their transience. A fire, the eternal void, a skeleton, a red dress – death has no gender.
RAYMOND PETTIBON
Seit den 1970er Jahren beschäftigt sich Raymond Pettibon intensiv mit der Kritik an der amerikanischen Mythologie - seine comicartigen Zeichnungen, die sich auf eine konsumorientierte Kultur beziehen, reflektieren die Seele des heutigen und zukünftigen Amerikas, Über Gesellschaft lässt sich bekanntlich nicht nachdenken, ohne sich dem anzunehmen, was eine gesellschaftliche Realität ist: wir sterben und auch das ist nicht immer eine Tragödie. Vielmehr wird die menschliche Banalität in Raymond Pettibons Arbeiten immer wieder zu der eigentlichen Tragödie. Die „Tragedie Humaine“, dessen genauer Beobachter Raymond Pettibon ist, nimmt mit all ihren Höhen und Tiefen – besonders in den melancholischen Künstlerseelen – ihren Lauf, bis in den Tod.
Wenn Raymond Pettibon also über das Vergessenwerden Galsworthys (WHO?) spricht, dann immer auch um die eigene. Es ist die immerwährende Frage des Künstlers nach dem Nachleben des Werks. Schon in Johan Jakob Merians Totentanz-Kupferstich von 1621 sagt der Maler zum Tod: “Und der Todt mir mein Seel austreibt / Verhoff doch mein Gedechtniß bleibt / So lang man dies Werck haltet schon / Behüt Euch Gott, ich fahr davon.“ Pettibon kommt zum gleichen Schluss wie der Tod zum Künstler: „Deine Kunst, Müh, Arbeit hilf Dir nicht / Wann es geht Dir wie ander Leut“ – Der Künstler ist eben auch nur ein Mensch, wie jeder andere und der Tod des Autors so wenig eine Tragödie, wie es die des Menschen ist. Und so tanzen sich die Krücken fröhlich lebendig ihren Weg ins Grab – „It’s a wonderful life, I am sure.“
Since the 1970s, Raymond Pettibon has been intensively engaged in the critique of American mythology - his comic-like drawings, which refer to a consumer-orientated culture, reflect the soul of present and future America - that is: the world - in an American cultural hegemony. Society, as we know, cannot be thought about without addressing what is a social reality: we die and even that is not always a tragedy. Rather, human banality repeatedly becomes the real tragedy in Raymond Pettibon’s works. The “Tragedie Humaine”, of which Raymond Pettibon is a precise observer, also makes its way into death – especially in the melancholy souls of artists.
So when Raymond Pettibon talks about the forgetting of Galsworthy (WHO?), it is also about his own. It is the artist’s perpetual question about the afterlife of the work. Even in Johan Jakob Merian’s 1621 copperplate engraving of the Dance of Death, the painter says of death: “And death drives my soul from me / But hope my memory remains / As long as this work is held / God bless you, I’m leaving.” Pettibon comes to the same conclusion as does death to the artist: “Your art, labour, work will not help you / When you are like other people”. – The artist is just a human being, like everyone else, and the death of the author is as little a tragedy as the death of a human being. And so the crutches dance their way to the grave – “It’s a wonderful life, I’m sure.”
WALTER PICHLER
„…unser Lebensprozess [ist] in Wahrheit nichts anderes als ein Krankheitsprozess,“ schrieb Thomas Bernhard in einem Text zu Walter Pichlers „111 Zeichnungen“.
Pichlers Zeichnungen lassen sich in zwei verschiedene Kategorien einteilen: Skizzen oder Entwürfe für Skulpturen und Installationen; und Zeichnungen, die seine Erinnerungen, Träume und persönlichen Erfahrungen darstellen. Die Werke aus dieser Ausstellung gehören zur letzteren Kategorie. In der Serie „Tod des Herrn Karner“ erinnert sich Pichler an einen geliebten Nachbarn aus dem Burgenland, der eines Tages zum Holzhacken in den Wald ging und nie mehr nach Hause kam. Pichler stellt den Tod als eine zutiefst körperliche, qualvolle und außerweltliche Erfahrung dar und zeigt, wie wenig wir über ihn wissen. In einer der Zeichnungen sitzt eine verhüllte Gestalt auf dem abstrahierten Körper von Herrn Karner, wobei nur sein Herz vom Rest des Körpers zu unterscheiden ist, ein Hinweis auf die Ursache seines Endes.
Sowohl Bernhard als auch Pichler widmeten sich in ihren Werken der Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz und ihrer Leiden, wobei sie sich mit ihrer persönlichen Geschichte auseinandersetzten. Bernhard stellt das Leben als eine Einbahnstraße in Richtung Verfall dar, und den Menschen als eine Verschmelzung seiner Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten: „Wir sind ... in diesen unseren Mauern und in unseren Zimmern und in unseren Büchern und Schriften eingeschlossen und alles um uns und in uns ist nichts als tödlich.“
“[T]he process of our life is, in reality, nothing but a process of disease,” Thomas Bernhard once wrote in a text for “111 Drawings” by Walter Pichler.
Pichler’s drawings can be categorized into two distinct groups: sketches or blueprints for sculptures and installations, and drawings depicting his memories, dreams, and personal experiences. The drawings featured in this exhibition belong to the latter category. In the series titled „Death of Mr. Karner,“ Pichler reminisces about a beloved neighbor from Burgenland who ventured into the forest to chop wood one day and never returned home. Pichler portrays death as a profoundly physical, agonizing, and otherworldly experience, demonstrating how little we know about it. In one of the drawings, a cloaked figure sits atop the abstracted body of Mr. Karner, with only his heart distinguishable from the rest of his body, signalizing the cause of his end.
Both Bernhard and Pichler devoted their works to the examination of human existence and its afflictions. Bernhard portrays life as a one-way street towards decay, where individuals are amalgamations of their pains, injuries, and diseases: “we are … inside these walls and rooms of ours and locked up inside our books and texts and everything around and inside us is nothing but deadly.”
WERKE / WORKS
Cover & 13
Dash Snow
Law Stay Away 2006-2007
Mixed Media
67 x 33 x 46 cm
26 3/8 x 13 x 18 1/8 in DASH/S 14
Cover inside
Walter Pichler
Ohne Titel / Untitled (Detail) 1976
Bleistift auf Papier
Pencil on paper
43,2 x 61,1 cm
17 x 24 in WP/Z 45
4 Raymond Pettibon
No Title (My life story...)
1989
Tinte auf Papier
Ink on paper
35,6 x 28 cm
14 x 11 in RP/Z 9639
7
Cecily Brown
Red Painting 3 2020-2023
Öl auf Leinwand
Oil on linen
170,2 x 149,9 cm
67 x 59 in CEB/M 147
8/9
Cecily Brown
A drop of poison
2022-2023
Öl auf Leinwand
Oil on linen
58,4 x 94 cm
23 x 37 in CEB/M 146
10
Dana Schutz
The Raft 2024
Öl auf Leinwand Oiloncanvas
167,6 x 167,6 cm
66 x 66 in DS/M 201811
14
Leiko Ikemura
PV-Scape 2011
Tempera auf Jute
Temperaonjute
130 x 95 cm
51 1/8 x 37 3/8 in LI/M 45
17
Maja Ruznic
StarChild from the Dark Place of Star lines and Electricity 2023
Öl auf Leinwand
Oilonlinen
177,8 x 127 cm
70 x 50 in MR/M 10 18
Nick Goss
Canavan’s 2023
Öl auf Leinwand
Oiloncanvas
140 x 95 cm
55 1/8 x 37 3/8 in GOSS/M 45
21
Norbert Schwontkowski
Selbstportrait im roten Kleid 2011
Öl auf Leinwand
Oiloncanvas
140 x 100 cm
55 1/8 x 39 3/8 in NS/M 1214
22
Raymond Pettibon
No Title (Before I died...) 1985
Tinte auf Papier
Ink on paper
30,5 x 22,9 cm
12 x 9 in RP/Z 9640
24
Raymond Pettibon
No Title 1981
Tinte auf Papier
Ink on paper
27,9 x 21,6 cm
11 x 8 1/2 in RP/Z 9638
25
Raymond Pettibon
No Title (The family crypt...) 1986
Tinte auf Papier
Ink on paper
35,6 x 28 cm
14 x 11 in RP/Z 9641
27
Walter Pichler
Traum 1983
Bleistift, Tempera und Tusche auf Papier
Pencil, tempera and ink on paper
41,2 x 43,5 cm
16 1/4 x 17 1/8 in WP/Z 48
28/29
Walter Pichler
Beobachtungen eines Kindes 1984
Bleistift, Tempera und Tusche auf Papier
Pencil, tempera and ink on paper
30,5 x 43 cm
12 x 16 7/8 in WP/Z 53
Texts
Katharina Hajek
Dana Žaja
Design
Imke Wagener
Photography
Jörg von Bruchhausen
Nicolas Gysin
Joshua Hagler
Genevieve Hanson
Jochen Littkemann
Kerry McFate
Brad Trone
Schutz & Pettibon works: Courtesy David Zwirner
DEAD CAN DANCE
2 March – 20 April 2024
Contemporary Fine Arts, Basel
Bruno Brunnet & Nicole Hackert
Totengässlein 5 4051 Basel
Switzerland
Tel. +41 61 263 39 077 www.cfa-gallery.com gallery@cfa-basel.ch
© 2024
Contemporary Fine Arts
The artists, authors and photographers