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Winter is coming
from CR Ausgabe 06.2022
by CfBrH e.V.
Winter
Von Sarah Boyd
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Schon jetzt, noch weit vor Thanksgiving, stehen die ersten Weihnachtsbäume in den Städten und Wohnzimmern. Während in Deutschland noch mancherorts um Beleuchtung des Baumes und des Weihnachtsschmucks gerungen wird, ist hier im Süden der USA alles wie immer. Seit Menschengedenken hat jenes Fest, welches wir heute als Weihnachten kennen, viel mit Licht zu tun. Nach Monaten der Dunkelheit, mit immer länger währenden Nächten, werden erstmals um diese Zeit die Tage wieder länger. Für die Wikinger, die Kelten und auch schon lange davor für die Menschen der Bronze-und Eisenzeit spielte das Licht eine große Rolle. Ohne Sonne und Licht keine Ernte im kommenden Jahr. Und ohne die nächste Ernte würde man den nächsten Winter nicht überleben. Die Geburt des Lichtkönigs oder die Nacht der Frauen wurden daher ausgiebig gefeiert. Ersteres kommt uns heute sehr bekannt vor. Aus der Geburt des König des Lichts wurde die Geburt des Gottessohns Jesus, der uns Menschen die Erleuchtung bringt. Aus der heidnischen Nacht der Frauen wurde der Madonnenkult. Man könnte sagen, wir Menschen sind durchaus in der Lage, nachhaltig mit unseren Bräuchen umzugehen. Wir recyceln sie und geben ihnen neue Namen, die unserer Zeit angepasst sind. Aber wir behalten sie. Auch das ist eine Form der Ewigkeit. Ob es nun Odin ist, der mit seiner wilden Jagd in den 12 Raunächten das Land unsicher macht und die Grenzen zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten aufweicht oder ob wir uns in dieser Zeit auf das neue Jahr innerlich vorbereiten, spielt eigentlich gar keine so große Rolle. Im Sommer und auch im Herbst noch waren wir voller Tatendrang, wie unsere Vorfahren, spürten wir den Drang, aktiv zu sein. Die Erntefeste zeugen von dem Wissen der Menschen, dass gefüllte Speisekammern und eine behaglich warme Behausung beileibe keine Selbstverständlichkeit waren. Das Überleben hing ab vom Erfolg harter Arbeit. Der Herbst dann erinnerte die Menschen nachdrücklich daran, alles winterfest zu machen und sich auf die kalte und oft entbehrungsreiche Jahreszeit vorzubereiten. Mit schwindendem Tageslicht stieg und steigt das sogenannte Schlafhormon Melatonin. Wir wurden und werden müde. Das Bedürfnis, sich in der warmen Stube vor dem Kamin einzukuscheln steigt. Es findet quasi ein Rückzug in das eigene Innere statt. Manche Menschen kommen damit und mit den weniger werdenden Reizen von außen nicht gut zurecht. Für die, deren Vitamin D-Speicher bereits jetzt zur Neige geht, steht möglicherweise sogar eine Depression an. Zudem ist dies die Zeit der Familienfeste, die seit jeher Spannungspotential bergen, denn Familie kann man sich nicht aussuchen, Freunde hingegen schon. Dennoch ist dies eben eine Zeit der Feste. Die Feldarbeit ruht, man traf und trifft sich drinnen. Man bereitet Festmahle zu, singt und musiziert gemeinsam und erzählt die alten Geschichten von der schönen Frau Holle, die in dieser Zeit nur darauf wartet, ein weißes Hemd von der Wäscheleine zu entwenden und daraus ein Leichentuch für dessen Besitzer zu nähen, wenn dieser sein Haus und Hof nicht vor dem Winter bestellt und in Ordnung gebracht hatte. Frau Holle ist in diesem Fall so etwas wie eine mächtige Muttergottheit, die mit der mahnenden Stimme der gnadenlos unerbittlichen Erde, der Mutter Natur, sprach. Wer keine Vorsorge traf, der überlebte nicht. Heute kennen wir Frau Holle als nette, etwas schrullige Frau, die Kissen aufschüttelt und es schneien lässt. Sie belohnt die Goldmarie und bestraft die Pechmarie im gleichnamigen Märchen. Auch das ist nichts anderes als der Wink mit dem Zaunpfahl, fleißig zu sein und die anstehenden Tätigkeiten zuverlässig zu erledigen, um im darauffolgenden Jahr nicht „vom Pech“ verfolgt zu werden.
In einer schnelllebigen Gesellschaft wie der heutigen, in der ein Hype den nächsten jagt, ist die alljährliche Entschleunigung im Winter zu Weihnachten eine Wohltat. Wenn sie denn stattfindet und wir nicht dem
is coming
Stress des Geschenkewahns verfallen. Nichtsdestotrotz ist es eben in jedem Falle eine gute Gelegenheit, sich zu erden und im wahrsten Sinne des Wortes zur Besinnung zu kommen. Unsere Hunde sind da ein gutes Beispiel für uns. Sie freuen sich immer aufs Neue über den ersten Schnee. Wenn die Luft am frühen Morgen frisch ist und die eisbehaucht funkelnden Blätter bei jedem Schritt unter unseren Stiefeln knistern, kann man bei langen Spaziergängen den Gedanken nachhängen.
Viele von Ihnen tragen große Sorgen mit sich, was die Zukunft betrifft. Werden wir uns Lebensmittel, Benzin, Strom und Gas noch leisten können? Wird uns das alles überhaupt in ausreichender Menge zur Verfügung stehen? Inflation und die Energiekrise in Europa sind für unsere Generation neu und bringen zwangsläufig Entbehrung, Sorge und Verdruss mit sich. Vielleicht fühlen Sie sich, wie auch beim Thema der Tierschutzhundeverordnung, ohnmächtig der Willkür des Staates ausgeliefert. Hier geht es um Existenzen. Was können Sie tun? Zunächst werden Sie sich bitte der wichtigsten Tatsache gewahr. Sie sind kein willfähriges Opfer! Sie können und müssen für sich und Ihre Liebsten einstehen. Dafür hat Ihnen der liebe Herrgott – oder Odin oder die große Erdmutter – einen Kopf zum Denken und einen Mund zum Sprechen gegeben. Gehen Sie achtsam miteinander um. Jede Aktion gebiert eine Reaktion. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass das Gute, das wir tun, zu uns selbst zurückkommt. Helfen Sie einander gegenseitig. Und halten Sie zusammen, was zusammengehört! Bleiben Sie sich selbst treu. Und ja, genießen Sie die Weihnachtszeit! Lassen Sie sich das nicht nehmen. Zünden Sie Kerzen an. Gehen Sie mit Ihren Hunden in die Natur hinaus! Die Natur und die Zeit wird Heilung und Linderung bringen. In ihr sind alle Zutaten für ein erfülltes Leben vorhanden. Möge das nächste Jahr Ihnen allen eine gute Zeit bescheren!