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Zeitschrift der 端berkonfessionellen Bewegung Campus f端r Christus Schweiz

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Leben Heiligen Geist mit dem


I N H A L T leben mit dem heiligen geist | inhalt

Inhalt ZUM THEMA

40 Kunst und Geist

04 Sehnsucht nach dem Heiligen Geist und nach Erweckung

Wie Kunstschaffende mit Gott zusammenarbeiten

42 Geld und Geist

Ein Interview mit Pfarrer Dr. theol. Urs Schmid

08 Schmetterlinge im Bauch

7 Tipps für den biblischen Umgang mit Finanzen

Eine junge Frau lernt den Heiligen Geist kennen und lieben

10 Überrascht von der Stimme des Heiligen Geistes René und Brigitta Bregenzer: Gewagt und gewonnen

15 Keine Schablonen

REPORTAGE

44 Afrika – ein Kontinent am Scheideweg Hanspeter Nüesch in Ruanda: Entwicklung von integren Leitern als Herausforderung Nr. 1

Detmar Scheunemann: Christen erfahren den Heiligen Geist unterschiedlich

51 «Wenn du Menschen retten und heilen willst, liebe sie!»

16 Wie die Liebenden

Die Geschichte von Josef Nyagatare, Fürbitteleiter der EXPLO 05

52 Gesegnet und aufgewühlt

Peter Höhn: Sich mit Leib und Leben einlassen

20 Die Erfüllung mit dem Heiligen Geist

Arm und doch reich. Eindrücke von Vreni Nüesch

54 Ein multikulturelles Bergvolk hilft dem anderen

Jens Kaldewey: Biblische Grundlagen begreifen

24 Das Verhalten bei ausserordentlichen

Hanspeter Nüesch über eine ungewöhnliche Partnerschaft

Geistesgaben, Gesichten, Offenbarungen Vor 300 Jahren: Gerhard Tersteegen zu seltsamen Phänomenen

26 Das Leben aufräumen

56 Ruanda – Gottes Geschichte geht weiter Ein Auslandprojekt vor zusätzlichen Herausforderungen

Versöhnen, wiederherstellen, Beziehungen heilen – wie drei verschiedene Kirchen praktisch dazu anleiten

30 «Der Heilige Geist führte uns in die Weite» Manfred Kiener über die initiativen Reitnauer Christen

34 «Dieser Kurs hilft, den Heiligen Geist zu erleben» 270 Personen feiern 10 Jahre Alphalive in der Schweiz

37 «Gott vervielfältigte das, was wir einsetzten»

HINWEISE

58 Campus für Christus Schweiz Was uns bewegt

59 Agenda Seminare und Kursangebote

60 Medien, Veranstaltungen, Stelleninserat, Termine, Kurse, Impressum

Ein Portrait über die Alphalive-Koordinatoren Martin und Rachel Stoessel

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EDITORIAL leben mit dem heiligen geist | editorial

Editorial Damit mein Herz und Gottes Plan erfüllt werden

Peter Höhn

Ich bin dankbar für all die Wellen und Strömungen des Heiligen Geistes, die wir seit den sechziger und siebziger Jahren sehen und miterleben dürfen: Das Erwachen der persönlichen Evangelisation, das Wiederentdecken der Charismen des Geistes, das Vertiefen des seelsorgerlichen Dienstes, das wachsende Bewusstsein für Gebet, Anbetung und geistlichen Kampf und darin das Suchen und Erfahren der Leitung des Heiligen Geistes. Auch unsere Bewegung Campus für Christus Schweiz ist durch diese «Dienste des Heiligen Geistes» geprägt, geschüttelt, aufgebaut und gestärkt worden. Nicht immer standen alle unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihrer geistlichen Entwicklung am selben Ort. Aber was uns insgesamt weitergebracht hat, ist, eine stets lernbereite, angstfreie und entspannte Einstellung zu den Dingen des Geistes zu bewahren. Uns war und ist klar: Wir brauchen den Heiligen Geist in seiner ganzen Fülle. Wir wollen offen sein für das, was der Geist heute am Tun ist. Wir wollen uns als

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Mitarbeiterschaft von anderen Bewegungen des Geistes dienen und fördern lassen. Wir wollen auch angesichts seltsamer Begleitgeräusche die Essenz und das echte, innere Anliegen herausspüren, das Gott hier für sein Volk hat, und es in unsere Bewegung «übersetzen» und integrieren. Aber in allem wollen wir den Urauftrag, den Gott uns gegeben hat, nicht aus den Augen verlieren.

Freundschaft mit Jesus entspringt. Je länger wir diesen im inneren Heiligtum verankerten Lebensstil einüben, desto weniger lassen wir uns drängen und hindern, weder von der selbstsüchtigen Natur noch vom überhöhten Verstand noch von verselbständigten Gefühlen noch von religiöser Verbissenheit noch von Fremdbestimmung noch vom stolzen Weltgeist.

Ich empfinde, dass der Heilige Geist in unserer Zeit genau dieses Zusammenspiel seiner verschiedenen «Dienste, Gaben und Offenbarungen» betont. So dass unser persönliches Leben, unsere Beziehungen und unsere Gemeinschaft als Christen umfassend gesund werden und Gottes Herrlichkeit ganzheitlich widerspiegeln.

Wo immer wir auf dem Weg zur göttlichen Erfüllung unseres Lebens stehen:

Eine zweite Leitlinie für das Leben mit dem Heiligen Geist in unserer Zeit liegt, so scheint mir, im Eigenschaftswort «heilig»: Es geht um den Heiligen Geist. Wir sind letzten Endes nicht zu spektakulären «Geisterfahrungen» berufen, sondern zur Heiligung, zu «göttlich erfülltem Leben». Ein «gesättigtes» Leben, bei dem sowohl mein bedürftiges Herz erfüllt wird als auch Gottes Plan für mein Leben zur Erfüllung kommt. Dafür ist ein nachhaltiger, täglicher Gehorsam gegenüber dem Heiligen Geist notwendig. Ein Lebensstil, der aus der Herzensruhe einer innigen, einfältigen und vertrauensvollen

Wir wollen auch angesichts seltsamer Begleitgeräusche die Essenz und das echte, innere Anliegen herausspüren, das Gott hier für sein Volk hat, und es in unsere Bewegung «übersetzen» und integrieren. Wir werden so weit fortschreiten, als wir mit dem Heiligen Geist ganze Sache machen und alle seine Dienste willkommen heissen. Mir bleibt zu hoffen, dass die Beiträge in dieser Ausgabe Sie dazu inspirieren. Peter Höhn PS: Seit dieser Ausgabe verstärkt Manfred Kiener unser Redaktionsteam in Zürich. Manfred Kiener (42) ist verheiratet, hat zwei Kinder und bringt eine reiche journalistische und fotografische Erfahrung mit. Er ist mit Campus für Christus schon lange verbunden.

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LEBEN MIT DEM HEILIGEN GEIST

SEHNSUCHT Die Sehnsucht nach dem Heiligen Geist und nach Erweckung Was wir aus der Kirchengeschichte lernen Welches sind die Voraussetzungen, damit ein Christ heute die Kraft des Heiligen Geistes konkreter und intensiver erfährt? Wir interviewten dazu Pfarrer Dr. theol. Urs Schmid, Evangelist im Christlichen Zentrum Buchegg in Zürich. Er verbindet die evangelistische Praxis – durch die regelmässig Menschen den Weg zum Glauben finden – mit der akademischen Auseinandersetzung: In seiner Dissertation (siehe Kasten Seite 5) forschte er nach den Geheimnissen der grossen Erweckungsbewegungen und beschäftigt(e) sich mit der Frage, wie wir heute in der Schweiz eine neue Erweckung erleben können.

Peter Höhn | Manfred Kiener Christliches Zeugnis: In der Kirchengeschichte gab es Aufbrüche, in denen der Heilige Geist Christen neu auf verschüttete biblische Wahrheiten hinwies. Wie kam es zu den Bewegungen, in denen der Heilige Geist selbst stärker thematisiert wurde? Dr. Urs Schmid: Für diese neuzeitlichen Bewegungen gibt es zwei Quellen: Die eine ist John Wesley. Er war der Gründer der methodistischen Kirche, die im Amerika des 19. Jahrhunderts zur grössten Denomination wurde. Aus dieser Kirche wuchs die Heiligungsbewegung, welche das Anliegen Wesleys aufgriff: «Go on to perfection» - «Suche die volle Heiligung». Die ersten Methodisten bemühten sich viel intensiver um ein geheiligtes Leben, um die «christliche Vollkommenheit», als wir es vom lutherisch-pietistischen Hintergrund her kennen und gewohnt sind. 4

Die andere Quelle ist die enorme Sehnsucht der Christen im 19. Jahrhundert, das zu erleben, was sie in der Apostelgeschichte lasen. Es gab damals die «Camp Meetings for Holiness». Jedes Jahr versammelten sich in vielen Staaten bis zehntausend Christen zehn Tage lang, um miteinander Pfingsten zu erleben. Sie sagten, die Zeit von Auffahrt bis Pfingsten habe zehn Tage gedauert, also hätten Christen heute ebenfalls den Auftrag, zehn Tage zusammenzukommen, damit es eine neue Ausgiessung des Heiligen Geistes gebe. Dies passierte tatsächlich durch diese Treffen. Wie gelangte diese Bewegung nach Europa? Aus Amerika kam die Heiligungsbewegung über die Konferenzen von Oxford (1874) und Brighton (1875) nach England. Praktisch alle führenden Köpfe der damaligen Erweckungsbewegung, auch

des deutschen Sprachraumes, besuchten diese Konferenzen. Elias Schrenk war ebenso dabei wie Carl-Heinrich Rappard, der damalige Direktor der Pilgermission St. Chrischona, der die Heiligungsbewegung im deutschen Sprachraum hauptsächlich förderte. Auch die deutsche Gemeinschaftsbewegung wurde davon geprägt. Das Evangelische Gemeinschaftswerk im Kanton Bern und Teile der Freien Evangelischen Gemeinden nahmen diese Lehre des geheiligten Lebens und einer Geisttaufe an. Die Pfingstbewegung trat erst später, ab 1900, mit der Überzeugung auf den Plan, die Gabe der Zungenrede sei ein (oder das) Zeichen der Geisttaufe. Dies fand bei einem Teil der Christenheit starken Anklang, wurde im deutschen Sprachraum jedoch kritisch beurteilt. In Skandinavien war es anders: Dort führte der Leiter der Heiligungserweckung, Thomas Barrat, cz 2|06


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leben mit dem heiligen geist | die sehnsucht nach ...

Zur Person

Diakonieverbandes «Ländli». Seine Dissertati-

Urs Schmid, geboren 1953, ist in einem Mis-

on schrieb er im Jahr 2001 über die Erweckun-

sionars- und Pfarrhaus aufgewachsen.

gen im Amerika des 19. Jahrhunderts. Thema:

Durch die Arbeit von Newlife erlebte er 1972

«Amerikanische Heiligungsbewegung und

einen Durchbruch zum engagierten Glau-

Gemeinschaftsbewegung in Deutschland»

ben an Jesus Christus. Seither brennt sein

(die Dissertation kann auf CD bestellt werden

Herz für Evangelisation und Erweckung in

unter: urs.schmid@czb.ch).

Theorie und Praxis. Er studierte Theologie

Urs Schmid ist Dozent an der STH Basel sowie

in Zürich und Basel. Von 1982 bis 1989 lei-

am IGW in Zürich und betreut seit Juni 2001

tete er die Studentenarbeit von Campus für

das Ressort «Evangelisation» im Christlichen

Christus. Bekannt wurde er als Evangelist

Zentrum Buchegg in Zürich, leitet die Arbeit

und Referent an den EXPLO-Konferenzen

mit jungen Erwachsenen und die Buchegg Bi-

und an verschiedenen Grossveranstaltun-

belschule (BBS). Er lebt mit seiner Frau Lilian

gen. Von 1990 bis 1996 war er Direktor des

und drei Söhnen in Zürich.

die erweckten Christen auf eine gute Art und Weise in die Pfingstbewegung ein, so dass diese dort breit und gut aufgenommen wurde. Weshalb tat man sich im deutschen Sprachraum mit der Pfingstbewegung so schwer? Hier verlief die Entwicklung völlig anders. Der Hauptexponent war Pfarrer Jonathan Paul. Bis 1904 wirkte er wie ein deutscher Billy Graham, durch den sich Tausende bekehrten. Er war ein sehr begnadeter Evangelist. Leider vertrat er später die Ansicht, die Geisttaufe erfülle den Menschen nicht nur mit dem Heiligen Geist, sondern mache ihn gleichzeitig sündlos. Diese Haltung führte zu latenten Spannungen zwischen Jonathan Paul und anderen Erweckungspredigern im deutschen Sprachraum wie Elias Schrenk und Walter Michaelis. Als Jonathan Paul in dieser Situation schliesslich 1908 die deutsche Pfingstbewegung als Konkurrenz zur Gnadauer Gemeinschaftsbewegung gründete, eskalierte der Konflikt. Kritiker warfen ungute Phänomene in Erweckungsversammlungen und die falsche Theologie von Jonathan cz 2|06

Lukasbericht der Apostelgeschichte her an. Wir haben aber noch andere Quellen über das Wirken des Heiligen Geistes: Die Texte aus Römer 6 bis 8 sind die entscheidende biblische Ergänzung! Dieser Akzent lag bereits beim Aufbruch der Pfingstbewegung mehr auf der Linie von Reuben A. Torrey. Wir benötigen den Heiligen Geist für zwei übernatürliche Wirkungen: Die eine ist der Sieg über die Sünde und die andere die Vollmacht zur Evangelisation. Kein Christ kann bleibend im Sieg über die Sünde leben und kein Christ wird ein vollmächtiger Zeuge oder ein Basisevangelist, wenn er nicht die Kraft des Heiligen Geistes erlebt. Ich denke, in diesem Sinne sollten wir ein grosses Vertrauen in das Wirken des Heiligen Geistes entwickeln. Das ist der Grundpfeiler. Zu dieser biblischen Gesundheit sollte jeder Christ und Bibelleser zurückfinden. Der Wandel im Geist ist das Zentrum. Eine Geisttaufe, eine Durchbruchserfahrung oder ein Neuanfang im Glauben haben zum Ziel, den Christen in der Wahrheit von Römer 6 (Sieg über die Sünde) und Römer 8 (Vollmacht durch den

Paul in denselben Topf und stellten sie als «das entscheidende Merkmal» der Pfingstbewegung dar. Damit wurde die Pfingstbewegung als Ganzes abgelehnt. Die Pfingstbewegung hatte jedoch von Anfang an einen feurigen biblischen Kern, wenn auch eine chaotische Peripherie. Die Frage aber hüben wie drüben war und ist: Sind die leitenden Leute in der Lage, das Biblische und das Enthusiastische in einer guten Art zu verbinden oder entgleitet es ihnen? Zum Teil gelang diese Verbindung recht gut. Bei anderen gab es Entgleisungen und chaotische Entwicklungen. Als Reaktion darauf kam es in weiteren Kreisen zur rigorosen Ablehnung alles Übernatürlichen, indem man sich auf die Vernunft, die Bibel sowie auf eine rationale Abwehrtheologie zurückzog. Aber weltweit gesehen hat sich die Pfingstbewegung als die grösste Erweckungsbewegung des 20 Jahrhunderts durchgesetzt. Wie müssten denn das Biblische und das Enthusiastische in gesunder Weise verbunden werden? Die Pfingstbewegung packte das Thema «Heiliger Geist» fast nur vom 5


Heiligen Geist) zu befestigen. Warum soll sich ein traditioneller Evangelikaler fürchten, wenn ein Christ in dieser Botschaft befestigt wird? Römer 7 ist ein wichtiges Zwischenkapitel, weil es allen zeigt, wie die Wirklichkeit eines Christenlebens aussieht, wenn Kapitel 6 und 8 nicht verstanden und gelebt werden! Und was ist mit den Gaben des Geistes? Wir lesen im elften Kapitel von Jesaja: «Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Weisheit, der Einsicht, des Rates, der Stärke, der Erkenntnis, der Furcht des Herrn.» Diese Gaben werden uns durch den Heiligen Geist gegeben, siehe auch 1. Korinther 12: «Jedem wird die Offenbarung des Geistes gegeben, Weisheitsrede, Erkenntnisrede ...» Das sind die Wirkungen des Heiligen Geistes: Es ist jedoch eine Fehlschaltung, zu meinen, eine prophetische Rede des Heiligen Geistes müsse übernatürlich und zukunftsgerichtet sein. Aus obiger Bibelstelle entnehme ich vielmehr, dass der Heilige Geist uns in die Weisheit leitet. Er hilft uns, die komplexen Fragen in unserem Leben, in der Berufswelt, in der Familie, in der Gemeinde und in der Gesellschaft in Weisheit zu lösen. Der grösste Teil von dem, was wir erwarten, anstreben und umsetzen sollten, ist: 6

Lebensbewältigung durch die Kraft und Weisheit des Heiligen Geistes. In welcher Weise sollen und dürfen wir nach dieser prophetischen Kraft und Weisheit des Heiligen Geistes eifern? Wir leben in einem Zeitalter des Individualismus. Jeder ist ein kleiner Robinson. Wenn wir isoliert als einzelne Helden vom Heiligen Geist erfüllt werden möchten, kann es nicht gelingen. Der Heilige Geist wirkt in der Gemeinschaft. Jesus verheisst der Gemeinschaft: «Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.» In dieser Gemeinschaft gibt es normale Christen wie dich und mich und es gibt Hirten, Evangelisten, Lehrer, Apostel, Propheten und weitere Gabenträger, die in ihren Funktionen durch den Heiligen Geist der Gemeinde dienen. Die Kraft zeigt sich also erst richtig in der Gemeinde? Die Kraft des Heiligen Geistes wirkt überall und ist in diesem Sinn nicht an die Gemeinde gebunden. Aber in Jerusalem bildete der Heilige Geist als Erstes eine Gemeinde, um von dieser «Zentrale» aus weiterzuwirken für die Gründung von Gemeinden im ganzen Römischen Reich und später in aller Welt. Das Wirken des Heiligen Geistes

zielt in diesem Sinn immer auf eine vollmächtige lokale Gemeinde ab. Die lokale Gemeinde ist auch jener Ort, wo am besten «alle Menschen zu Jüngern» gemacht werden können. Mir scheint es, Gott bestätige aktuelle Bewegungen, die in einer Lokalgemeinde verankert sind, in besonderer Weise wie Bill Hybels mit Willow Creek, Yonggi Cho mit der Yoido Gospel Church in Korea oder Nicky Gumbel mit der Holy Trinity Brompton Church in London. Eine Schlüsselaussage ist 1. Korinther 12,13: «Wir sind alle durch einen Geist zu einem Leib getauft.» Es ist wichtig, durch den Heiligen Geist mit dem Leib verbunden zu werden. Innerhalb der Gemeinde soll jede Person ihren Platz finden und jene Gabe ausleben, die sie erhalten hat. Wenn wir abschliessend nochmals auf die Kirchengeschichte mit ihren erwecklichen Aufbrüchen schauen: Was können wir heute davon lernen, damit wir sie auch in unserer Zeit und in unserem Land wieder erleben? Wenn wir die Erweckungsgeschichte betrachten, so sehen wir, dass diejenigen, welche Erweckung erlebt hatten, von sich selbst kaum behaupteten: «Wir haben Erweckung erlebt.» Aber in jenen Zeiten sind christliche Gemeinden durch die Kraft des Heiligen Geistes und durch ein starkes evangelistisches Engagement pro Jahr ungefähr um zehn Prozent gewachsen. Das führte demographisch zu einer Verdoppelung der Christen innerhalb von rund zehn Jahren. Christen in Erweckungsgebieten, wie die Methodisten im 19. Jahrhundert, haben sich tatsächlich so schnell verdoppelt. Darum sind sie von einer kleinen Schar von etwa 15 000 Christen im Jahr 1776 auf etwa drei Millionen herangewachsen bis 1860. Erweckung ist ein Prozess, in dem Christen in der Evangelisation cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | die sehnsucht nach ...

und in der Heiligung engagiert leben, damit Gemeinden etwa um zehn Prozent jährlich wachsen können. Wenn wir das über die Jahrzehnte konsequent durchziehen würden, hätten wir auch in der Schweiz Erweckung. Konferenzen und grosse Events bringen also noch keine Erweckung? Zu einer Erweckung gehört viel mehr als eine einzelne Erweckungsversammlung, bei der Menschen nach vorne strömen, auf die Knie gehen oder Kranke geheilt werden. Bei den Methodisten führte Erweckung immer zu «Class Meetings». Man nahm die Neubekehrten sofort in kleine Gruppen auf, wo die Kleinarbeit der Erweckung geschah. Das entspricht heute den Hauszellen oder Hauskreisen. Keine Gemeinde kann schneller und besser wachsen, als ihre Kleingruppen wachsen, sich entwickeln und multiplizieren können. In dem Sinne hat Erweckung einen sichtbaren Aspekt wie grosse Versammlungen, aber es hat eben auch einen strategischen Aspekt, indem das, was an Hingabe an Jesus in Versammlungen aufbrechen kann, später in Kleingruppen gefestigt und gestärkt wird. Wie setzen Sie persönlich diese Erkenntnisse um? Ich evangelisiere selber seit Jahrzehnten regelmässig und erlebe, wie ich jedes Jahr, fast jeden Monat, Menschen zu Jesus führen darf. Für mich ist es ein grosses Vorrecht, in einer Gemeinde mitzuwirken, die seit über zwanzig Jahren regelmässig wächst. Es herrscht ein erweckliches Klima. Wir haben jetzt eine gemeindeinterne Bibelschule gegründet, die ich leite. Bei den Studierenden spüre ich ebenfalls einen erwecklichen Lebensstil. Wo sehen Sie Fallen und Sackgassen im Suchen geistlicher Auf- und Durchbrüche? cz 2|06

«Ich habe mir Erweckung vor meinen Studien viel übernatürlicher vorgestellt: Der Sturmwind Gottes kommt und lässt Erweckung geschehen. Detailliert studiert habe ich die Situation in Indonesien, auf den Philippinen, in Korea, in Chicago (Willow Creek), in Bogota, in Pensacola, in Baton Rouge und kann festhalten: Erweckung wird fassbarer, wenn man feststellt, dass es sich dabei einfach um konsequente Evangelisation und Heiligung handelt. Das an sich hat Erweckungspotential.»

sem Kreis Erweckung!›» Jeder Christ soll primär die Erweckung zuerst für sich und in seiner Gemeinde suchen. Wo Erweckungsversprechungen die Einzelnen aus dem Engagement in der Lokalgemeinde hinausführen, frage ich mich, wohin das führt. Das Heil liegt nicht primär in einer Gemeinde-Neugründung an sich. Mitglieder einer bestehenden Gemeinde sollen gemeinsam zu evangelisieren beginnen. Mein Mentor Pfarrer Willi Sartorius hat gesagt: «Eine Gemeinde, die nicht missioniert, demissioniert.»

Gibt es ein falsches Eifern um mehr? Allgemein sehe ich Gefahren dort, wo Erweckung zu wenig im Zusammenhang mit Gemeindeleben erkannt und betont wird. Es kommt schlecht heraus, wenn ich als Einzelner meine, Erweckung geschehe immer nur ausserhalb meiner Gemeinde, und ich meine Kirche innerlich bereits abgeschrieben habe oder sogar kritisiere. Ein alter Erweckungsprediger sagte: «Wenn du Erweckung suchst, mach mit einer Kreide um dich herum einen Kreis und sage: ‹Herr, schenke in die-

«Soll und darf ich direkt zum Heiligen Geist beten?» «Der Herr aber ist der Geist», steht in 2. Korinther 3,17. Im Urtext steht dort: «Der Kyrios (Herr) ist identisch mit dem Pneuma (Geist).» «Kyrios» heisst einfach «Herr». Im Römischen Reich war das der Titel für den Kaiser, im Alten Testament steht das Wort für Jahwe. Für uns ist der Herr natürlich Jesus Christus. In der neutestamentlichen Gemeinde ist der Kyrios der Heilige Geist. Wenn ich als Christ bete: «Herr, hilf mir», sage ich damit nichts anderes als: «Heiliger Geist, der du jetzt gegenwärtig und der wahre Stellvertreter von Jesus von Nazareth bist, hilf du mir jetzt!» Wir sagen einfach

«Herr». In unserem inneren Bewusstsein wenden wir uns damit an Jesus, der als der Auferstandene jetzt im Himmel bei Gott ist. Wir beten mit dem Wort «Herr» aber auch gemäss 2. Korinther 3,17 zum gegenwärtigen Herrn, dem Heiligen Geist, der eins ist mit dem Vater und dem Sohn. Der Heilige Geist ist so etwas wie der CEO Gottes auf Erden. Wir haben keine biblischen Vorbilder, dass wir zu ihm mit den Worten «Lieber Heiliger Geist» beten sollen. Aber es ist gut und richtig, dass wir ihn ansprechen mit dem Wort «Herr» und auch wollen, dass er der Herr über uns ist!

Pfarrer Dr. theol. Urs Schmid

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SCHMETTERLING Schmetterlinge im Bauch Wie eine junge Frau Gott kennen und den Heiligen Geist lieben lernt «Die haben etwas, was ich nicht habe!» Das muss sich die damals 22-jährige Esther Albisser in jener Ferienwoche in Süditalien eingestehen, als ihr diese Christen von Jesus erzählen und behaupten, dass er wirklich lebe. Ein intensiver Prozess setzt ein, um Gott zu finden, oder besser: um sich von ihm finden zu lassen.

Tom Sommer Mit der Ausrichtung auf Gott fängt etwas spürbar Neues an. Und es wird auch gleich praktisch: Esther löst sich aus unguten Beziehungen. Trotzdem: Noch rund acht Jahre lang führt sie ein paralleles Leben nach altem Muster – bis verschiedene Schwierigkeiten und Enttäuschungen, auch über Gott, eine Wende bringen. «Eines Nachts hörte ich in meinem Zimmer eine laut vernehmbare Stimme, die mich bei meinem Namen rief. Dabei war ich doch ganz alleine! In dem Moment – kaum zu glauben – spürte ich, wie eine innere Last von mir genommen wurde. Das war wie ein Erwachen, und ich hatte die tiefe Gewissheit, dass Jesus mir ganz nahe war.» Einen solch lebendigen Beweis hatte sie sich schon lange gewünscht. Esther entscheidet sich, ihr Leben nun ganz bewusst mit Gott zu gestalten, und sehnt sich danach, in ihm ihr Lebensziel zu finden.

Gemeindewoche erhält sie Gelegenheit, sich in die Mitte zu setzen und andere für sich um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist beten zu lassen. «Welch ein Liebesgefühl – wie Schmetterlinge im Bauch!» Ein innerer Schleier, der immer da gewesen war, zerreisst. Mit Freude vertieft sie sich ins Wort Gottes, beginnt Zusammenhänge zu verstehen und entdeckt so manche Lüge in ihrem Leben. «Ich hatte mich immer so wichtig genommen, ein recht grosses Ego wollte sich da selbst verherrlichen, und so war ich oft sehr überheblich gegenüber anderen. Meinte ich doch, ein guter Beziehungstyp zu sein, entdeckte ich nun, dass so viel oberflächlich war in meinem Leben! Und ich merkte, dass ich Jesus Christus immer noch nicht ganz Platz gemacht hatte.» Mit der Umsetzung dieser Erkenntnisse wächst eine neue Freude, die ihr, so ist sie überzeugt, niemand mehr nehmen kann.

meine teils überschwängliche Begeisterung für das Leben mit Jesus Christus noch schlecht in gute Kommunikation verpacken, und das verletzte andere.» Esther realisiert heute, dass ihr damals gute Beziehungen in einer verbindlichen Gemeinde fehlten. In dieser Zeit beginnt sie das Thema der Dreieinigkeit Gottes besonders zu interessieren. «Immer wieder hatte ich hier meine Schwierigkeiten, und so entschied ich einmal, nicht zu viel nachzugrübeln, sondern einfach mal zu glauben. So nahm ich erstmals den Heiligen Geist als Person wahr und sprach ihn direkt an.» Das bleibt nicht ohne Folgen: Ganz neu spürt sie ihn als Tröster, als Freudenquelle, als Ratgeber, als Wortentwickler in Gesprächen. Im Gegensatz zu früher erkennt sie jetzt bei Diskussionen die besonderen Momente, um von Jesus Christus Zeugnis zu geben. Die Reaktionen dieser Leute bestätigen ihr: Jetzt war der Heilige Geist am Werk.

Der Reifeprozess geht weiter Der Heilige Geist bestätigt, tröstet, überführt Esther wird klar, wie lange sie bisher nur Zuschauerin geblieben war. In einer 8

«Ich war begeistert, aber noch nicht geheiligt», betont Esther Albisser, «und so gab es noch viele schmerzhafte Erfahrungen mit Mitmenschen. Ich konnte

Der Heilige Geist und die Drogensüchtigen Esther tritt eine Arbeitsstelle auf einer Therapiestation für Drogenabhängige an. cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | schmetterlinge im ...

Schnell wird ihr klar, dass dies ein herausforderndes Lernfeld sein würde, um ganz praktisch mit dem Heiligen Geist zu leben. Grund: Hier haben oft Lügen das letzte Wort! Esther: «Ich lernte, die Leute schnell zur Rede zu stellen, denn der Heilige Geist gab mir Impulse, die zur Wahrheit führten.» Damit erlebt sie, dass Gott ihr Gebet um Sensibilität im Hören auf den Heiligen Geist erhört hat. «Und damit realisierte ich, dass diese Menschen Gott ein grosses Herzensanliegen sind.»

Das heutige Erleben des Heiligen Geistes ist für Esther klar eine Frucht eines längeren Prozesses.

Der Heilige Geist interessiert sich für die Seele Heute arbeitet Esther Albisser als Eventmanagerin bei Alphalive Schweiz. Als sie zufällig die Stellenausschreibung entdeckte, wusste sie intuitiv, dass das ihre neue Arbeitsstelle sein würde. Aus Angst vor finanziellen Unsicherheiten zögerte sie jedoch, die Bewerbung abzuschicken. «Aber der Heilige Geist liess nicht locker.» Der neue Arbeitsort bedeutet den Wegzug aus der Region. «Dieser Wechsel ist für mich wirklich eine Entwurzelung aus der Heimat. Meine Seele meldet sich und ist traurig. Aber genau darin spüre ich auch den Heiligen Geist, der mich tröstet, so dass ich weiss: Es ist richtig so. Von Natur aus wäre ich zu bequem gewesen für diesen Wechsel.» Dazu kommen für Esther weitere, vor allem geistliche Herausforderungen: «Ich hatte bereits prophetische Eindrücke, die sich später als wahr herausstellten. Trotzdem fühle ich mich noch unsicher in diesem Bereich. Ich bin aber überzeugt, dass Gott mir Menschen zur Seite stellt, um mich ganzheitlich reifen zu lassen.» Und das bestätigt sich dann auch in ganz spontanen Begegnungen: Eine Bekannte, die intensiv auf der Suche nach Gott ist, sagt zum Beispiel einmal zu Esther, dass sie eine besondere innere Schönheit ausstrahle. Und von anderen Menschen bekommt sie zu hören, cz 2|06

dass sie eine eigenartige Ruhe und Liebe ausstrahle. Freunde und Bekannte sind erstaunt über ihren Weg mit Gott, den sie mutig und überzeugt gehe wie eine Künstlerin, die die Zuversicht habe, von ihren Werken auch finanziell leben zu können.

Einladung an den Heiligen Geist Das heutige Erleben des Heiligen Geistes ist für Esther Albisser die Frucht eines längeren Prozesses. Einzelne Erlebnisse sind da wie ermutigende Wegmarken; zum Beispiel jene Episode, als sie und ihre Kollegin sich in einer grossen Kirche aus den Augen verloren hatten. Beide beteten, dass doch die andere genau in ihre Richtung blicken möge. Unmittelbar danach trafen sich ihre Blicke ... Wichtig sei die grundlegende Bereitschaft, betont Esther, ein Gespür für das Wirken des Geistes Gottes entwickeln zu wollen. «Es ist verständlich, dass man sich unsicher fühlt, wenn man nicht weiss, wie die nächste Überraschung wohl aussehen wird.» Hier gelte einfach: loslassen und dem Heiligen Geist Raum und Zeit anbieten.

Hilfreich ist für sie auch, «dass ich aufhörte zu analysieren, wie dieser Geist genau funktioniert». Es gebe keinen Grund, misstrauisch zu sein, betont Esther, denn dieser Heilige Geist sei ein Geschenk von Jesus Christus an die Menschen, nämlich die «Liebe Gottes, die ausgegossen ist in unsere Herzen» (Römer 5,5). «Ein Geschenk, das wir dringend annehmen sollten, um die Botschaft des Evangeliums in unserem Leben umzusetzen. Heute kann ich Menschen viel besser annehmen, wie sie sind. Ohne die Liebe Gottes könnte ich das nicht.»

• Esther Albisser (35): «Den Heiligen Geist wahrnehmen und auf ihn eingehen macht das Leben als Christ so viel lebendiger. Der ganze Tag wird einfach viel attraktiver.»

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S C H E M A leben mit dem heiligen geist | keine schablonen

Keine Schablonen! Wir nehmen den Heiligen Geist unterschiedlich war Wir sollten von jeder Schematisierung, wie sich die Fülle des Heiligen Geistes im Leben eines Christen entfaltet, Abstand nehmen. Denn dieses Schematisieren hat schon viel Not in der Gemeinde Jesu gebracht und nicht wenige Christen in innere Schwierigkeiten, Verzweiflung, ja, fatales Kopieren gestürzt.

Detmar Scheunemann Der Herr der Gemeinde möchte, dass alle Christen in der Fülle des Heiligen Geistes leben. Diese kann bei der Bekehrung und Wiedergeburt eines Menschen sofort zur Entfaltung kommen, wenn bei diesem Menschen die Hinwendung und Übergabe des Lebens an Jesus Christus so völlig und bedingungslos erfolgte, dass der Heilige Geist von Anfang an vollen Raum und volle Kontrolle hatte.

Heiligen Geist nicht durch bewussten Ungehorsam auf und dämpfen den Geist nicht durch Zögern, Furcht und Unglauben. Sie wachsen gleichsam in die Fülle des Heiligen Geistes hinein.

Vom Gesichtspunkt einer punktuellen Geisteserfahrung aus kann der erste Typ auf eine radikale Bekehrung und gleichzeitige Erfüllung mit dem Heiligen Geist hinweisen. Der zweite Typ legt von zwei Geisteserfahrungen Zeugnis ab, von der WiederBei anderen, die sich dem Wirken des geburt und erst dann wieder von der Heiligen Geistes nach der WiedergeErfüllung mit dem Heiligen Geist, nachburt widersetzen, dem er sein gankommt es erst Ihn gilt es, in seiner Vielfalt zes Leben vorbedurch eine Krise und Herrlichkeit in der Gehaltlos Christus zu einer völligen meinde und im einzelnen ausgeliefert hatte. Hingabe an ChrisChristen zu ehren! Der dritte Typ hat tus und zur ErSchwierigkeiten fahrung der Fülle des Heiligen Geistes. mit einer punktuellen Geisteserfahrung. Der Strom, der lange Zeit aufgestaut Er besitzt das Zeugnis des Heiligen Geisworden war, bricht sich nun Bahn, und tes, dass er Gottes Kind ist und dient die Zeit der geistlichen Trockenzeit ist dem Herrn in der Vollmacht und Fülle zu Ende. des Heiligen Geistes. Nun, das Gemeinsame der drei Typen ist das EntscheidenWieder andere erleben einen zunehmende. Sie alle leben in der Gegenwart, in den Wachstumsprozess. Sie halten den der Fülle des Heiligen Geistes, die am cz 2|06

Leben in der Heiligung (Frucht des Geistes) und am Dienen in der Vollmacht (Gaben des Geistes) erkennbar ist. Das mahnt uns zu grosser Vorsicht, eigene Erfahrungen mit dem Heiligen Geist zum Massstab für andere Gläubige machen zu wollen. Und wir begreifen plötzlich, dass wir mit vorschnellen geistlichen Urteilen über andere Christen den Geist Gottes selbst betrüben können. Ihn gilt es, in seiner Vielfalt und Herrlichkeit in der Gemeinde und im einzelnen Christen zu ehren! Alles normative Einstufen beschneidet und verletzt diese Vielfalt und Herrlichkeit des Heiligen Geistes.

Infos Infos

Pfarrer Detmar Scheunemann war von 1957-1989 in Indonesien als theologischer Lehrer, Rektor des Bibelinstituts Batu in Timor und Regionaldirektor des WEC International für Ost- und Südostasien tätig. Von 1989-1997 als Prorektor und Studienleiter an der Freien Hochschule für Mission, Korntal, jetzt im aktiven Ruhestand als Referent, Bibellehrer und Autor.

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L I E B E N D E Wie die Liebenden Sich mit Leib und Leben auf Gottes Geist einlassen In meiner Biografie mit dem Heiligen Geist war ich oft wie ein Liebhaber im Wechselbad seiner Gefühle: von Freude überwältigt, verlegen, ängstlich, euphorisch, ernüchtert, mutig, zitternd, lachend, weinend, voll dabei – und oft auch ziemlich daneben.

Peter Höhn Mit dem Heiligen Geist ist es in der Tat wie mit der Liebe: Sie kennt den Sturmwind wie das sanfte Säuseln. Sie bricht mit Macht hervor und kann doch ganz im Stillen wachsen. Sie ist farbig, kreativ, persönlich und manchmal sehr verwirrend. Sie kann weder gefordert noch verdient, aber ersehnt und empfangen werden. Bis heute bin ich aufs Neue bewegt, die «Gemeinschaft des Geistes» zu vertiefen und nicht gelähmt auf die Erfahrungen anderer zu starren. Auch nicht bei den eigenen Erfahrungen von gestern stehen zu bleiben.

ich an zu beten: «Jesus Christus, wenn du lebst und aus meinem Leben mehr machen kannst als ich bisher, bin ich offen, dich kennen zu lernen!» Es war mir etwas peinlich, auf gut Glück diesen Gott anzurufen, aber ich sagte mir: «Wenn‘s mir schon so schwer fällt, steckt sicher mehr dahinter!» Ich kramte das Neue Testament aus meiner Sonntagsschulzeit hervor, las zeitweilig darin, betete – und kam nach neun Monaten am «point of no return» an: Es zog mich. Ich konnte nicht mehr zurück! Aber würde ich diesen Glauben durchziehen können? Was, wenn mir morgen alles abhanden kommt?

«Es glaubt in mir!» Es zieht Als ich zum ersten Mal vom Heiligen Geist hörte, war ich 21 und ziemlich ernüchtert vom Leben. Eine vierjährige Freundschaft war an Leere gestorben. Und das beginnende Gerangel um Geld und Karriere ödete mich an. Warum nicht mal beim christlichen Glauben näher hinsehen? Ein Studienfreund war gläubig geworden und strahlte etwas aus, was mich ansprach und lockte. Er sagte mir: «Du kannst es auch erfahren; bete zu Jesus; er ist der Weg zu Gott!» Im stillen Kämmerlein fing 16

Eine junge Frau sagte mir: «Du bekommst den Heiligen Geist; er hilft dir zu glauben, er gibt dir innere Gewissheit, dass Jesus lebt und bei dir ist.» Eines Tages, allein auf Reisen in Verona, nahm ich allen Mut zusammen und legte im Gebet mein Leben in Jesu Hände. Zunächst spürte ich nichts Besonderes, aber etwa vierzehn Tage später merkte ich plötzlich: Hey, es glaubt in mir! Es kostet mich gar keine Überwindung. Und da ist ein Gefühl: Es ist gut! Ich bin angekommen! Der Heilige Geist wurde zur Realität, ge-

mäss dem Wort in Römer 8,15: «Der Geist Gottes bezeugt unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.» Damit verbunden empfand ich einen starken Zug zur Bibel; sie machte plötzlich Sinn und schien voll verborgener Schätze zu sein. Auch im «Zug zum anderen Geschlecht» wuchs das Gespür, wo Gottes Geist wehte und wo nicht und wie er liebevoll und abenteuerlich die Beziehung und Heirat mit meiner Frau Barbara arrangierte.

In der eigenen Begabung laufen Nun lernte ich in der christlichen Gemeinde, «was man als Christ alles tun sollte» – und was alles noch möglich wäre, wenn man «die Fülle des Heiligen Geistes erleben» würde: Menschen kämen in Scharen zum Glauben, versprach Bill Bright. Kranke würden geheilt, verkündeten vollmächtige Prediger aus aller Welt. Und selbst mit mir könne Gott noch «Grosses tun». Keine Konferenz, an der ich nicht beten liess um eine grössere Fülle des Geistes. Auch am guten Willen fehlte es nicht: Mit Kollegen und mit Leuten auf der Strasse redete ich über den Glauben, aber ausser zwei, drei hatte niemand im Sinn, sich zu bekehren. Ich war ratlos frustriert, verkrampft und unter Druck. Wo war Gott, cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | wie die liebenden ...

• C. S. Lewis vergleicht den Heiligen Geist mit einer dynamisch-pulsierenden Kraft, einem Leben, das aus der Einigkeit von Vater und Sohn entsteht, «... fast so etwas wie ein Drama ... ein Tanz». Ähnlich wie in einem Verein oder in einer Familie ein besonderer «Geist» herrscht, sei der Heilige Geist jener Geist, der zwischen dem Vater und dem Sohn herrsche, schreibt Lewis. «Jeder von uns hat die Verpflichtung, gleichsam seinen Platz im Tanz einzunehmen. Kein anderer Weg führt zur Glückseligkeit, für die wir erschaffen wurden.»

wo war der Heilige Geist? Erst rückblickend wurde klar: Er war längst schon da. In jener Zeit ergab sich nämlich eine offene Tür, in verschiedenen Kirchen in Burgdorf Gebetsseminare durchzuführen. Im Gegensatz zu den evangelistischen Aktivitäten war ich im Element und bekam gutes Echo; später wuchs daraus die Berufung zu Campus für Christus. Endlich begann ich zu verstehen, dass der Heilige Geist mich in und nicht ausserhalb meiner Begabung brauchen wollte.

Nicht kopieren, sondern selber hinhören So weit, so gut. Nun hatte ich die Bibel und das Gebet entdeckt. Eifrig fing ich an, in Gebetsgruppen für geistliche Aufbrüche im Land zu beten. Ich verschlang Bücher über den Heiligen Geist, über Erweckung, über geistliche Aufbrüche – bis mein Kopf schwer wurde und ich eines Tages im Gebet den Eindruck bekam: «Du cz 2|06

kannst jetzt noch fünfzig weitere Bücher lesen, aber sie werden dich nicht verändern. Mache dich auf deinen eigenen Weg; vertraue, dass der Heilige Geist dich selber lehren wird, was er dir zeigen möchte, und schreib deine eigene Geschichte mit ihm!» Es war der Anfang eines Weges, auf dem ich lernte, das Reden des Heiligen Geistes in meinem Herzen und im Wort Gottes zu vernehmen, in Form von Gedanken, Bildern, Eindrücken und Eingebungen.

Betroffen und beauftragt Mein Beten veränderte sich. Im Zentrum standen nun weniger die grossen Ansprüche und Visionen, was Gott «da draussen» vielleicht noch alles tun wollte, sondern die Gewöhnlichkeit des menschlichen Herzens. Ich beachtete sorgfältiger, was sich in meinem Inneren und in der Bibel an echten Fragen meldete, und redete mit Gott über das, was mich wirklich beschäftigte, und nicht mehr über das, was ich dachte, sollte mich seiner Meinung

nach beschäftigen. Einmal hatte ich einen Traum, oder war es eine Art Vision?! Ich war auf einer grossen Ebene. Überall verstreut lagen grosse Pakete, sie waren in Plastiksäcke und quadratmaschige Netze eingeschnürt. Wo es nicht lebt, und wo Eine Stimme sagder Friede Gottes nicht te: «Schneide auf!» drin ist, ist der Heilige Ich schnitt die Geist noch nicht zum Ziel Pakete auf, und gekommen! Wir dürfen heraus kamen ihn einladen und bitten, lebendige Mendas nicht machbare Leben schen. Sie fanden zu bringen. zusammen und begannen einen Reigen zu tanzen. Ich erkannte intuitiv: Der Plastik steht für das Konservieren von geistlichem Leben (Traditionalismus), und die Netze stehen für Rasterdenken und Methodengläubigkeit, und es geht darum, Christen aus diesen Mustern der Unfreiheit herauszuholen. Ich war tief berührt und musste heftig weinen. Dazu wurde mir Jesaja 58 17


• Der Heilige Geist bringt unser Design heraus und heiligt es. Aus sensiblen Naturen werden erlÜste sensible Naturen, aus Pionieren werden geheiligte Pioniere, aus Motivatoren gesalbte Motivatoren. Bild: Der Steinbildhauer Raphael Ulmann, Zßrich 18

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leben mit dem heiligen geist | wie die liebenden ...

wichtig, das Kapitel von falscher und echter Frömmigkeit. In den folgenden Jahren drängte Gottes Geist immer weiter in diese Richtung. Weitere Worte, die mir aus der Bibel entgegensprangen, liessen in mir die Überzeugung wachsen, dass mein Auftrag im Reich Gottes eher priesterlicher Natur sein sollte: Gottes Herz besser zu erkennen und von dort her Menschen zu befreitem Glauben, Leben und Miteinander zu führen.

Der Heilige Geist als Seelsorger und Erneuerer Es folgten nun Jahre, in denen der Heilige Geist nochmals tiefer grub. Verletzungen, Ängste, Gesetzlichkeit und Religiosität kamen ans Licht und ins Bewusstsein. Der Heilige Geist wurde zum Seelsorger: Versöhnung mit der eigenen Herkunft und Lebensgeschichte, innere Heilung, Befreiung von Treibern, Loslassen von Idealbildern, Vergeben und Bitten um Vergebung waren angesagt (und ist bis heute immer wieder mal ein Thema). Was ich selber durchlitt, wurde zum Kapital, mit dem ich wiederum anderen Menschen dienen konnte. Ich lernte, Ängste, Krisen und Konflikte nicht mehr als Anklagen an meine Unfähigkeit zu verstehen, sondern als Einladung Gottes, die Dinge offen anzuschauen: «Herr, was willst du, dass ich in dieser Krise lerne?» Das positiv ermutigende Reden des Heiligen Geistes verstand ich immer besser: Ob es dran war, loszulassen oder meinen Stand einzunehmen, Grenzen zu setzen oder den bekannten Horizont zu überschreiten. Ein Meilenstein war 1994, als ich nach einer Auszeit von fünfzig Tagen Gebet und Stille vom sogenannten «Torontosegen»1 erfasst wurde und erlebte, wie bei mir persönlich und in unserem ganzen Werk ein Strom von geistlicher Erfrischung, Versöhnung, seelsorgerlichen Prozessen und Erneuerung der Vision und Motivation freigesetzt wurde. cz 2|06

«Die Gesinnung des Geistes ist Leben und Frieden»

Quintessenz: Bete, suche, klopfe an!

Das Wort aus Römer 8,6 wird mir in jüngster Zeit immer kostbarer: Der Heilige Geist hat Leben im Sinn! Und Frieden! Das hat bei mir zum Grundsatz geführt: Wo es nicht lebt, und wo der Friede Gottes nicht drin ist, ist der Heilige Geist noch nicht zum Ziel gekommen! Wir dürfen ihn einladen und bitten, das nicht machbare Leben zu bringen. Das gilt für uns persönlich, für unsere Beziehungen, für unsere Ehe, für Beruf, Freizeit, Ferien, für Sitzungen, Treffen, Projekte, Hauskreise, Gemeinden, Gebetsstunden – für einfach alles! Das Einzige, was es braucht, ist unsere Ehrlichkeit: «Herr, es lebt nicht bei uns und wir wissen nicht, wie wir zum Leben kommen. Bitte, hilf uns!» Und dann wird der Heilige Geist uns noch so gerne zeigen, was hier und jetzt «der Weg zum Leben» (Psalm 16,11) ist. Und wie wir zu seinem Frieden kommen (Johannes 14,27).

Es ist wie in der Liebe: Die Beziehung mit dem Heiligen Geist entwickelt sich bei jedem Christen wieder ganz anders und sehr persönlich. Aber eines bleibt sich gleich: Wer den Heiligen Geist erleben will, muss bitten, suchen, anklopfen – und offen sein, in welcher Weise der Heilige Geist es wählt zu reden und zu wirken (Lukas 11,9-13). Und noch etwas: Es gibt für uns alle noch viel, viel mehr zu lernen, zu erfahren und zu geben. Lasst uns aufwachen und um den Heiligen Geist bitten, dass er uns dieses Mehr aufschliesst und welches Mehr bei uns persönlich oder in der Gemeinde jetzt dran ist! Bringen wir Jesus unsere Trägheit, Selbstzufriedenheit, Resignation, unsere Verletzungen, Sünden, Bindungen, unsere fixen Vorstellungen, unser eigenmächtiges Dienen – und lassen wir ihn, den Heiligen Geist, den Herrn sein!

Wie redet der Heilige Geist? • Er redet, wenn ich bete, danke und lobe (Psalm 50,15; 138,3). • Er redet natürlich, verständlich (Römer 10,8; Johannes 10,27). • Er redet, indem er an meinem Erleben anknüpft (Apostelgeschichte 17,16). • Er redet in meine Gedanken (1. Johannes 2,27). • Er redet zu meinem Gewissen (Römer 9,1). • Er zeigt mir die Wahrheit aus Gottes Sicht (Johannes 16,13). • Er eröffnet mir das Wort Gottes (2. Korinther 3,6).

1

• Er gibt eine veränderte Perspektive oder Atmosphäre, die den Druck wegnimmt (2. Korinther 3,17). • Er redet freundlich in Bezug auf alle Beteiligten (Sprüche 3,17; Jakobus 3,17). • Er macht Jesus und sein Werk gross (Johannes 16,14). • Er redet mit einem Widerhall in meinem Herzen (Römer 8,15). • Er zeigt mir den nächsten Schritt (Apostelgeschichte 16,6-10). • Er gibt mir seinen Frieden (Johannes 14,27; Kolosser 3,15).

Ein weltweites, spezielles Wirken des Geistes, das bei vielen Christen wie auch in Gemeinden und Werken echte Erneuerung brachte, aber nicht unumstritten war, weil da und dort die Überbetonung von äusseren Manifestationen Verwirrung stiftete. 19


ERFULLUNG Die Erfüllung mit dem Heiligen Geist Biblische Grundlagen begreifen Die Bibel ist voller Zeugnisse, wie es aussieht, wenn Menschen vom Geist Gottes ergriffen oder eben «erfüllt» werden. Was geschieht bei der Erfüllung mit dem Heiligen Geist? Und was können Menschen tun, um sie zu erfahren?1

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leben mit dem heiligen geist | die erfüllung mit ...

Jens Kaldewey Das Neue Testament zeigt: Mit einem Menschen, der vom Heiligen Geist erfüllt wird, ist es wie mit einem Schwamm. Trocken liegt er da, kann sich selbst kein Wasser geben. Dann wird er aus freier Gnade genommen und beschenkt, indem er ins Wasser getaucht wird. Dabei saugt er sich voll, wird gefüllt. Nachher ist er nass und wer ihn berührt, wird nass. Dieses Geschehen, die Erfüllung mit dem Heiligen Geist, ist ein Prozess, der drei Stufen umfasst: Der Geist Gottes kommt, er erfüllt, er läuft über.2

Er kommt Zunächst kommt der Heilige Geist von oben herab. Das wird sehr schön in der Bibel durch das Wort «ausgiessen» geschildert: «Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheissung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dieses ausgegossen, was ihr seht und hört.»3 Aus der Welt Gottes wird der Geist ausgegossen auf konkrete Menschen in einer konkreten geschichtlichen Situation.

Er erfüllt Wenn der Geist von oben auf den Menschen herabkommt, erfüllt er ihn von innen her: «Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.»4 Wenn wir uns den Menschen vorstellen wie ein gereinigtes Wasserglas, nach oben hin offen, das mit Wasser gefüllt wird, trifft dieses zuerst auf den Grund und füllt von dort aus das ganze Glas. Auch der Mensch hat seinen «Grund»: Dieser wird mit den Worten «Herz», «Geist», «innerer Mensch» bezeichnet. Der Geist trifft also auf das Innerste des Menschen. Dabei geschieht eine Verwandlung, die «Wiedergeburt» oder «neue Geburt» genannt wird.5 Eine Quelle der Liebe und des Lebens entsteht in uns! Nachfolge cz 2|06

Christi, Gehorsam, Liebe, Geduld und vieles andere werden möglich und können entwickelt werden. Das ist aber noch nicht alles.

Er läuft über Wenn der Wasserspiegel in einem Glas den Rand überschritten hat, fliesst das Wasser über. So fliesst auch beim Menschen der Geist über, wenn er ganz gefüllt ist. Der «Rand» seines Gefässes ist häufig der Mund. Durch besondere sprachliche Äusserungen dringt der Geist nach aussen, seine Wirkungen werden in der Aussenwelt erkennbar: «... Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten. Und die Gläubigen ... gerieten ausser sich, dass auch auf die Nationen die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war; denn sie hörten sie in Sprachen reden und Gott erheben.»6 Der Sinn dieses Überlaufens besteht einerseits darin, unmissverständlich zu zeigen, dass der Geist tatsächlich gekommen ist. Es ist mit einer Geburt vergleichbar: Das Neugeborene stösst einen Schrei aus, zum ersten Mal werden die eigenen Lungen verwendet und alle atmen auf: Alles in Ordnung! Andererseits geht es darum, dass der Geist wirklich nach aussen dringen, dass er durch die Person auf verschiedene Weise unsere Welt erreichen will. Wir werden in die Lage versetzt, unseren Mitmenschen auf unterschiedlichen Wegen geistliches Leben mitzuteilen. Es werden uns in der Schrift verschiedene Arten des Überlaufens geschildert, die man keinesfalls gegeneinander ausspielen sollte. Gleichberechtigt und gleichwertig stehen sie nebeneinander.

Arten des Überlaufens «Wessen Herz voll ist, dem geht der Mund über.» Dieses Sprichwort fasst ausgezeichnet die Vielfalt des Überlaufens zusammen. In der Schrift genannt werden:

Die Sprachenrede7: Es wird auch «Sprachengebet» genannt, oder «Zungenrede», was allerdings ein sehr missverständlicher Ausdruck ist, weil er den Eindruck erweckt, dass der Geist unsere Zunge bewegt und wir dabei weitgehend passiv sind. In der Sprachenrede sprechen wir Gebetsworte aus, die direkt aus unserem Herzen kommen, die wir aber selber nicht verstehen. Gelegentlich verstehen sie andere8. In diesem Gebet vermag sich unser Innerstes direkt auszudrücken, ohne über den Flaschenhals des Verstandes eingeschränkt zu werden. Man kann die Sprachenrede als «unmittelbares Gebet des Herzens» bezeichnen. Die Prophetie9: Prophetie ist Reden aus Eingebung, das heisst, wir sprechen Worte, die Gott uns eingegeben hat. Es sind tröstende, ermutigende, inspirierende, treffende Worte, die den Eindruck hinterlassen: Hier spricht Gott zu uns! Lobpreis und Anbetung10: Plötzlich fangen wir an, Worte des Lobes, der Anbetung auszusprechen, sie fliessen nur so aus uns heraus, wir können fast nicht anders, als Gott zu preisen.

1

Eine ausführlichere Version dieses Artikels kann unter www.jenskaldewey.ch, «Download», heruntergeladen werden.

2

Apostelgeschichte 2,1-13; 9,17-20; 10,44-47; 19,1-6; Galater 4,6, Epheser 5,18-19.

3

Apostelgeschichte 2,33; siehe auch Apostelgeschichte 2,17-18; 10,45; Römer 5,5; Titus 3,6.

4

Römer 5,5.

5

Titus 3,5-6; Johannes 3,5-9; 1,12; siehe auch Galater 4,6.

6

Apostelgeschichte 10,44-46.

7

Apostelgeschichte 2,14; 10,44-46; 19,6; siehe auch 1. Korinther 12,10; 14,1-25.

8

Apostelgeschichte 2,5-13; 1. Korinther 12,10; 14,13.

9

Apostelgeschichte 2,17-18; 19,6.

10 Apostelgeschichte 2,14; 10,44-46, siehe auch Epheser 5,18-19.

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Kraftvolles Bezeugen11: Ganz selbstverständlich erzählen wir anderen von Jesus, wir bezeugen unseren neu gefundenen Glauben. Spontanes, ausrufendes Gebet zum Vater12: Plötzlich können und wollen wir beten! Zu Gott als unserem lieben Vater. Wir fühlen uns als seine Kinder, wir merken, Gott ist nahe geworden, wir können mit ihm kommunizieren. Wo jemand nie persönlich, liebevoll und vertrauensvoll mit Gott gesprochen hat und tut es dann plötzlich – wo es mit anderen Worten «einfach geschieht» –, da haben wir einen recht sicheren Hinweis, dass der Heilige Geist empfangen worden ist. Freude13: Hier ist eine Freude gemeint, die unmittelbar und plötzlich «von oben her»

11

Apostelgeschichte 1,8; 4,8; 4,31; 9,17-21.

12 Galater 4,6. 13 Apostelgeschichte 2,13; 8,39; 13,52; Römer 14,17. 14 Markus 1,5; Jakobus 5,16; Apostelgeschichte 19,11-20. 15 Johannes 7,37-39; Galater 3,1-2; 3,13-14; Apostelgeschichte

2,41; 8,5-17; 19,1-6; Markus 11,24. 22

entsteht. Sie ist unabhängig von den Umständen und so stark, dass sie klar von anderen festgestellt und sogar mit Trunkenheit verwechselt werden kann! Das heisst nicht, dass es nicht auch eine stille Freude sein kann – aber sie ist eindeutig, klar, wahrnehmbar und plötzlich.

Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden! Besonders Titus 3,5-6 betont, dass dieses ganze Geschehen mit seinen Phasen und Wirkungen ein Ganzes ist. Theologen und Bibellehrer vollziehen immer wieder eine ungute Trennung, etwa indem man die Wiedergeburt, also das Ausgegossensein des Geistes im Herzen, besonders betont, aber die anderen Wirkungen des Geistes weitgehend leugnet. Oder man trennt zeitlich zwischen Wiedergeburt und Geistestaufe: Zuerst kommt die Wiedergeburt, irgendwann später die Geistestaufe mit den mehr äusserlichen Kraftwirkungen des Geistes. Das ist nicht statthaft! In der Schrift gehört das alles eng zusammen, auch wenn es in unserem Erleben manchmal zeitliche Abstufungen gibt.

Wie werde ich mit dem Heiligen Geist erfüllt? In der Schrift werden drei Hauptbedingungen für den Empfang des Heiligen Geistes genannt: Busse, Glaube und Taufe. Busse14: Mit «Busse» ist ein Handeln des Menschen gemeint, das aus drei Schritten besteht, die eng miteinander verbunden sind und zusammen ein Ganzes bilden: • Einsicht in die eigene Sünde («Gott hat Recht, ich habe Unrecht, ich brauche Vergebung.») • Abwendung von der Sünde («Ich will nicht mehr ohne Gott und ohne seine Gebote leben.») • Hinwendung zu Jesus («Ich will mit Jesus leben als meinem Freund und meinem Herrn.») Diese Busse betrifft sowohl die gesamte Lebenshaltung als auch bestimmte Sünden in Gedanken, Worten und Taten. Glaube15: Zunächst und vor allem ist der Glaube an Jesus gemeint. Glaube an das, was er getan hat, Glaube an sein Kreuz cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | die erfüllung mit ...

«Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheissung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dieses ausgegossen, was ihr seht und hört.

und seine Auferstehung und Erhöhung, Glaube, dass er das alles für mich getan hat. Glaube in diesem Sinn ist das Vertrauen auf Jesus und das, was er getan hat. Darüber hinaus ist aber auch gemeint, dass ich mich aufgrund dessen, was Jesus ist und was er für mich getan hat, für einen selbstverständlichen Kandidaten der Erfüllung mit dem Heiligen Geist halte. Ich rechne damit, dass Jesus sein Versprechen von Apostelgeschichte 1,8 und 2,37-38 an mir wahr macht. Ich halte an seiner Verheissung fest, ich warte darauf mit Geduld, falls Jesus noch irgendwelche Blockaden in meinem Leben wegräumen muss. Taufe16: Die Taufe, wie sie in neutestamentlicher Zeit vollzogen wurde, ist der von Gott selbst angeordnete leibliche Ausdruck, der äussere Vollzug und Abschluss der inneren Busse und des inneren Glaubens. In der neutestamentlichen Zeit wurden Busse und Glaube in der Taufe vollendet. Die Wassertaufe war der klare, bewusste Ausdruck einer Abwendung vom alten Leben und der cz 2|06

Hinwendung zu Jesus Christus. Die Taufe war im Neuen Testament nicht von der Bekehrung getrennt, sie fiel mit ihr zusammen! Aber Achtung: Meines Erachtens ist Gottes Hauptanliegen in der Verordnung der Taufe, dass wir mit Hilfe dieses Ritus eine konkrete und klare Entscheidung treffen sollen. Nun hat es aber, bedingt durch die lange Tradition der Kindertaufe, bezüglich der Taufe viel Verwirrung unter den Gläubigen gegeben. Gott hat wegen dieser Verwirrung oft grosszügig darüber hinweggesehen, wenn sich jemand, meist aus falscher Belehrung, nicht hat taufen lassen, und hat trotzdem den Geist gegeben – weil nämlich eine klare Entscheidung vollzogen wurde, zum Beispiel bei einem «Altarruf» oder bei einer «Lebensübergabe», verbunden mit der persönlichen Beichte. Das darf uns aber nicht als Ausrede dienen, die klar verordnete Wassertaufe der Gläubigen zugunsten der bisherigen Kindertaufe der Unmündigen zu vernachlässigen und die Taufe durch andere Riten zu ersetzen. Das biblische Material zeigt deutlich,

dass in der Zeit des Neuen Testaments im Normalfall Busse, Glaube und Wassertaufe zu einem eindeutigen Empfang des Heiligen Geistes führten. «Tut Busse und lasst euch taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.»17

Abschliessender Hinweis Die Gabe des Heiligen Geistes ist als eine ermutigende Anfangserfahrung gedacht, als ein wunderbarer göttlicher Startschuss ins neue Leben, als mächtiger Vorschuss eines grosszügigen Vaters. Jedoch soll diese Anfangserfahrung ein fortwährendes und stetig wachsendes Fliessen und Wirken des Geistes in uns und durch uns einleiten. Dieser Prozess kann gestoppt, gehemmt oder gefördert werden.

16 Apostelgeschichte 2,38; 2,41; 8,12-17; 9,17-18; 10,47; 19,1;

Römer 6,14. 17 Apostelgeschichte 2,38.

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PHÄNOMENE Das Verhalten bei ausserordentlichen Seltsame Phänomene schon vor 300 Jahren Gerhard Tersteegen (1697-1769) war deutscher Mystiker, Dichter und Seelsorger. Seine theologisch-seelsorgerlichen Aufsätze sind in ihrer Klarheit und Tiefe zeitlos aktuell. Der nachfolgende Auszug aus dem gleichnamigen Aufsatz gibt Einblick in Fragen und Ängste des 18. Jahrhunderts in Bezug auf den Heiligen Geist.

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leben mit dem heiligen geist | das verhalten ...

Geistesgaben, Gesichten, Offenbarungen Gerhard Tersteegen «Der Herr lässt manchmal die Verkündigung seiner Wahrheit da oder dort begleitet sein von ausserordentlichen Mitteilungen seiner Gnadengaben, grosser Kraft, ungewöhnlichen Rührungen, Bewegungen und Bewirkungen, damit Er entweder der Hauptsache hierdurch ein grösseres Gewicht gebe, oder damit Er durch diese Lockspeise die Seelen an

in die Augen fallenden Wirkungen betrifft, so können solche von einem inwendigen guten oder bösen Ursprung entstehen; auch können sie von aussen entweder übergeleitet oder übernommen werden. Ich habe davon verschiedene Arten gesehen. Von einigen konnte ich keine guten Gedanken haben, weil auch die Folgen nicht gut waren; sie hatten entweder eine böse innere Ursache, oder sie waren affektiert und nachge-

«Es war da wie jener starke Wind, Erdbeben und Feuer, das vor dem Herrn herging, worauf, wenn sonst die Seelen treu blieben, das stille, sanfte Sausen folgte, worin erst der Herr war.» sich ziehe, wie auch, damit Er bei andern die Aufmerksamkeit aufwecke und (wie am Pfingsttage geschah) die Menge zusammen komme, bestürzt und verwundert über das Ausserordentliche, zugleich die selige neue Botschaft höre und einen Stich durchs Herz bekomme zur Bekehrung. 0 Tiefe der Weisheit und der Menschenliebe Gottes! Dies ist meines Erachtens der wahre Endzweck Gottes, bei all solchen ausserordentlichen Gaben und Offenbarungen, die von Ihm herkommen: Ob aber alle von Ihm herkommen, ist nicht so leicht zu beurteilen. Ist die Frucht gut und bleibend, dann muss auch der Baum gut sein. Was jene mächtigen Rührungen, seltsamen Leibesbewegungen und dergleichen cz 2|06

macht. ... Aber aussergewöhnliche Erlebnisse waren bei manchen andern der Anfang zu einer gründlichen Bekehrung, da die plötzliche Entdeckung und die grosse Veränderung ihres Zustandes sie derart rührte, dass sogar die Pfosten des Hauses, sozusagen, bebten. Es war da wie jener starke Wind, Erdbeben und Feuer, das vor dem Herrn herging, worauf, wenn sonst die Seelen treu blieben, das stille, sanfte Sausen folgte, worin erst der Herr war (vgl. 1. Könige 19,10-12, die Red.). Daraus ergibt sich, wie wir uns andern gegenüber in Bezug auf solche ausserordentlichen Erfahrungen zu verhalten haben. Man muss zu solcher Zeit die Gemüter, mit denen wir umgehen müssen, nachdrücklich warnen, auf dass sie

sich keinerlei ausserordentlicher Dinge gelüsten lassen, damit sie nicht betrogen werden. Wo sie aber dergleichen haben, sollen sie sich sehr vor allem Selbstgefallen in acht nehmen, weil solche Sachen an und für sich selbst uns nicht besser oder Gott angenehmer machen, dass sie auch nicht bei solchen Dingen zu sehr stehen bleiben, sondern nur einen guten Gebrauch davon machen und dann vorbeigehen sollen zum Wesentlichen der wahren Bekehrung, Erneuerung des Herzens und Bereinigung mit Gott, durch Glauben und Liebe. Was die heftigsten Leibeserschütterungen, Rührungen oder andere in die Augen fallende Sachen anbelangt, so muss man sie auf eine sanfte Weise zur Mässigung zu bringen suchen; was aber wir oder sie selbst nicht so sanft und mit Gelindigkeit verhindern oder mässigen können, muss man Gott befehlen und es so gehen lassen, und sich wohl in acht nehmen, dass man weder in diesen noch in einigen andern ausserordentlichen Dingen vermessen sei im Urteilen, und noch weniger im Verurteilen.»

Wenn Sie am vollständigen Text aus der Schrift «Weg der Wahrheit» (zur Zeit vergriffen) von Gerhard Tersteegen interessiert sind, können Sie ihn auf www.christlicheszeugnis.ch herunterladen. 25


LEBEN AUFRÄUMEN Das Leben aufräumen Versöhnen, wiederherstellen, Beziehungen heilen Im Licht der Sonne wird mein eigener Schatten sichtbar. Im Licht von Jesus wächst meine Sehnsucht, im Leben aufzuräumen. Was tun mit den Schlacken, den Verletzungen, den Brüchen im Leben und in den Beziehungen, damit der Geist Gottes mehr Raum erhält? Wir fragten nach bei icf zürich, bei der «Kirche im Prisma» in Rapperswil und bei der Arbeitsstelle für Pfarrei-Erneuerung in Sursee.

«icf zürich»

Manfred Kiener «Kirchendistanzierte Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen, war schon seit der Gründung von • Michael Sieber, icf zürich das voricf zürich dergründige Anliegen der Gemeinde», berichtet Michael Sieber, Leiter der pastoralen Dienste im icf. Die «Baby-Christen» wurden in die schnell wachsenden Workshops (Hauskreise) aufgenommen. Doch mangels fehlender Jüngerschaft liess das Engagement und die Begeisterung oft schon nach wenigen Monaten nach. Viele verschwanden oft unbemerkt wieder von der Bildfläche, weil sich niemand richtig für sie verantwortlich fühlte. Das Leitungsteam erkannte das Problem und machte sich Gedanken, wie junge Christen im Glauben gefestigt, trainiert und ebenfalls zu Leitern beauftragt werden könnten. Vier Personen von ausser- und innerhalb der Kirche wiesen Leo Bigger, 26

senior pastor von icf zürich, auf das G 12Konzept hin. 2001 besuchte ein Team die internationale G12-Konferenz in der Kensington City Church in London. Ein Jahr später führte icf zürich weite Teile dieses neuen Modells in der ganzen Kirche ein. Dabei geht es um vier Schritte: Menschen gewinnen, festigen, trainieren und beauftragen. Menschen, die sich für ein Leben mit Jesus entschieden haben, werden in der Phase «festigen» in den Grundlagen des Glaubens unterrichtet.

Gründlich aufräumen Herzstück dieser Festigungsphase ist das intensive «get free weekend», das einmal im Monat durchgeführt wird. Das Wochenende beginnt mit einer Predigt über den Verlorenen Sohn. Die Vaterliebe Gottes, seine Barmherzigkeit und Bereitschaft zur Vergebung ermutigt jeden Einzelnen, seine eigenen Fehler zu bekennen und sich in die Arme des Vaters fallen zu lassen. Mit Hilfe einer so genannten «get free-liste», die auf den Zehn Geboten beruht, haben die Teilnehmer die Möglichkeit, ihr Leben im Spiegel von Gottes Wort zu überprüfen und gründlich mit allen

Verfehlungen aufzuräumen. Dabei geht es nicht um die Liste an sich. Erfahrungsgemäss fällt es den Teilnehmenden einfach leichter, anhand einer Auswahl möglicher Problembereiche das eigene Leben durchzugehen. Der Samstag beginnt mit einer Lehre über die Kreuzigung und Auferstehung Jesu und die Kraft der Vergebung. Im Anschluss daran erhält jeder die Gelegenheit, mit seinem Leiter, der ihn bereits gefestigt hat, die Punkte auf der Liste durchzugehen. Menschen werden frei von Sünde, erhalten Vergebung, Flüche werden gebrochen, Bindungen gelöst und der Heilige Geist stellt zerbrochene Herzen wieder her. Falls ein Leiter Hilfe be-nötigt, kann er sich stets an die Verantwortlichen des get free-weekends wenden. Diese Wochenenden sind für alle Beteiligten eine riesige Ermutigung. Nach dem Mittagessen werden alle über die Bedeutung der Taufe unterrichtet. Es geht darum, das alte Leben im Wasser symbolisch zu ertränken, durch den Glauben an Jesus Christus mit ihm ins neue cz 2|06


Leben aufzustehen und eine neue Identität zu empfangen. Um den zeugnishaften Charakter dieser Handlung zu betonen, wird die Taufe öffentlich in einem Fluss oder See durchgeführt. Die Täuflinge laden zu diesem Fest ihre Freunde und Verwandte ein und feiern anschliessend bei Kaffee und Kuchen. Bei Einführung des G 12-Konzepts besuchten alle icf-ler die get free weekends, auch jene, die schon lange in der Kirche aktiv waren. Jede und jeder überprüfte nochmals das eigene Leben im Licht des Wortes Gottes und räumte auf. Das bildet eine gute Grundlage, um später andere durch diesen Prozess zu begleiten. Ein Höhepunkt des get free weekends ist jeweils der Samstagabend, wenn die frisch Getauften die Kraft des Heiligen Geistes persönlich in ihrem Leben empfangen können. Die Leiter dienen den Teilnehmenden prophetisch. Immer wieder erleben Menschen an diesen Wochenenden auch körperliche Heilungen und gehen gestärkt und ermutigt zurück in den Alltag.

Veränderung von innen nach aussen Eigentlich erwartete ich bei meinem Besuch • René Christen, der «Kirche im «Kirche im Prisma» Prisma» in Rapperswil Auskünfte über den Prozess des Lebensaufräumens zu erhalten. Stattdessen erläuterte mir der leitende Pastor René Christen zuerst den Prozess, welcher zur Öffnung der über hundertjährigen Freien Evangelischen Gemeinde (FEG) geführt hatte: Unter Christens Leitung begann sich der Vorstand vor etwa zehn Jahren zu fragen: «Was ist eigentlich unser Auftrag, und wie können wir den in unserer Zeit umsetzen?» Den an sich klaren Missionsauftrag gemäss Matthäus 28 wollte die FEG Rapperswil nicht länger traditionell oder in Abgrenzung (charismatisch oder nichtcharismatisch usw.) wahrnehmen, sondern zeitgemäss und rein auftragsorientiert umsetzen. Das führte unter

anderem zu einer Namensänderung: Die Gemeinde nennt sich inzwischen «Kirche im Prisma». Nach Auskunft von René Christen verfolgt die Gemeinde dabei einen sucherorientierten Ansatz, stark geprägt von Willow Creek. Seit bald sechs Jahren lädt die «Kirche im Prisma» zudem zu Alphalive-Kursen ein. Der vor zwei Jahren erst fertiggestellte Saal mit 350 Plätzen füllt sich sonntags zunehmend. Bald werden deshalb zwei Gottesdienste durchgeführt. Wie wurde ein solcher Sinneswandel möglich?

Die Kluft verkleinern Gemäss René Christen ist einer der Ansätze in der biblisch-theologischen Grundlagenarbeit zu finden, welche die Identität der Christen stärken möchte. Er verweist auf das Kursmaterial «Erneuerung von innen nach aussen», das er 1993 während einer einjährigen Auszeit verfasst hatte und das inzwischen vom Brunnen Verlag wiederholt neu aufgelegt wurde. Entstanden sei das Material aus seinem persönlichen Verlangen und

• Zeugnishafter Anlass mit Freunden und Verwandten: Tauffeier der icf church am Zürichsee.

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«Kirche im Prisma»

leben mit dem heiligen geist | das leben aufräumen


Suchen nach Erneuerung. In seiner Gemeindearbeit sei ihm wiederholt die Sehnsucht der Menschen nach «mehr», nach Erneuerung aufgefallen. Die Sehnsucht also nach erlebbarer Gottesnähe, nach Echtheit und einer kleineren Kluft zwischen dem, was sie als Christen zu glauben vorgeben, und dem, was sie tatsächlich erleben. «Die Bibel weist auf eine wachstümliche, täglich zunehmende Erneuerung hin», betont René Christen.

«In allem sind Jesus Christus, der Heilige Geist und das Wort Gottes die entscheidenden Faktoren». Diese Erneuerung beginne mit der inneren Neuausrichtung des Menschen. Von dort führe die Veränderung nach aussen ins Verhalten, Reden und Erleben. «Es geschieht eben eine Erneuerung von innen nach aussen.» Ob es sich nun um die Erlösung handle, um die neue Stellung und Identität als Christ, um die Rechtfertigung vor Gott durch Jesus, die Gotteskindschaft oder die persönliche Veränderung im Umgang mit eigenen

Wurzelsünden: «In allem sind Jesus Christus, der Heilige Geist und das Wort Gottes die entscheidenden Faktoren», betont Christen: «Jesus als Erlöser, der Heilige Geist als Lehrer und Vermittler der Gaben (Charismen) sowie das Wort Gottes als die befreiende Wahrheit.»

Loslassen und gewinnen Für René Christen ist es sinnvoll und wichtig, über Erneuerung und über das Wirken des Heiligen Geistes zu lehren, ohne dabei die Wahrheiten der Bibel durch andere Schwerpunkte zu ersetzen. «Wir kennen Christen in unserer Gemeinde, welche in anderen Zungen reden usw., aber wir machen daraus kein Dogma, das für alle gelten muss.» Er habe in der Vergangenheit zu viel «Erneuerung um jeden Preis» beobachtet, wo biblische Wahrheiten manchmal überhaupt nicht mehr dazuzupassen schienen. Die Gaben des Heiligen Geistes würden in der «Kirche im Prisma» organisch vermittelt und eingesetzt und weniger isoliert fokussiert. René Christen erzählt, wie durch das Vermitteln der biblischen

Grundwahrheiten und das Stärken der einzelnen Gläubigen in ihrer christlichen Identität andere, vormals wichtige Bereiche des Gemeindelebens beiseite gerückt seien. «Je deutlicher die elementaren Wahrheiten der Bibel von den einzelnen Christen verstanden wurden, desto mehr konnten alte und äussere Formen und Traditionen losgelassen werden – Dinge, die lange vermeintliche Sicherheit vermittelt hatten.» Diese Erneuerung von innen nach aussen bei den bestehenden treuen Christen der Gemeinde habe die Neuausrichtung der vergangenen Jahre zur aktuell erfreulich wachsenden «Kirche im Prisma» erst ermöglicht, betont René Christen. So zersägte beispielsweise während der Bauarbeiten ein Rentner auf dem Vorplatz des Gebäudes eigenhändig die alte Holzkanzel, weil sie als Symbol für den richtigen Glauben in der Gemeinde ausgedient hatte. Was nun das eigentliche Thema «Leben aufräumen» anbelangt, weswegen ich eigentlich nach Rapperswil gereist bin, meint René Christen: «Eine gute Verkündigung der elementaren biblischen Wahrheiten über die Stellung eines Christen vor Gott und über das Wirken des Heiligen Geistes löst von selber einen Prozess der Erneuerung aus!» Im Rahmen dieser Sehnsucht, Gott mehr zu erleben und Jesus ähnlicher zu werden, wachse die Bereitschaft beim einzelnen Gläubigen, Ersatzbefriedigungen und falsches Verhalten loszulassen, um von Gott etwas Besseres dafür zu erhalten. «Dieser Prozess», so Christen, «besteht aus lauter kleinen Entscheidungen jedes Einzelnen zugunsten des Reiches Gottes.»

• Bereinigt und vergeben: Teilnehmende eines «get free weekends» von icf zürich verbrennen ihre «get free-listen» vor der Taufe. 28

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leben mit dem heiligen geist | das leben aufräumen

ihn persönlich betrifft, nein, es betrifft immer auch andere Menschen», erklärt Bregenzer. Der Priester könne die beichtende Person von ihrer Schuld losspre«Ich erinnere mich chen, ihr die Absolution erteilen und ihr noch gut: Als Pri• Marcel Bregenzer, Vergebung zusprechen im Namen des marschüler lief ich Arbeitsstelle für Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geisdamals in St. GalPfarrei-Erneuerung len selber alle zwei tes. Die katholische Kirche kennt neben der Einzelbeichte sogenannte «Bussfeibis drei Wochen ern» mit der ganzen Gemeinde. Bei solzur Beichte», erzählt Marcel Bregenzer, chen Anlässen werde ein Beichtspiegel Diakon und Geschäftsführer der Arbeitsvorgelesen und gemeinsam gebetet. Der stelle für Pfarrei-Erneuerung in Sursee. Vorteil dieser Form liege darin, zu erkenAber damals seien sie dafür seltener zur nen: Wir sind alle schuldig geworden – als Kommunion (Abendmahl) gegangen als Kirche, als Volk. Andererseits könne solch heute. Das mystische Verständnis der kollektive GewisKommunion habe senserforschung «Wenn ein Christ schuldig wird, sich geändert, zu oberflächlich ist das ja nie eine Sache, die auch das Bewusstwirken. Die Kirche nur Gott und ihn persönlich sein der Gegenkenne als Form der betrifft, nein, es betrifft immer wart Jesu. Es gehe Busse die guten auch andere Menschen.» bei der KommuWerke. Das werde nion ja nicht zwar mitunter falsch interpretiert, doch einfach um ein «Brötliteilen». Die sogehätten gute Werke wie Almosen geben, nannte «Einzelbeichte» oder «Ohrbeichte» beten und Werke der Nächstenliebe auswerde heute eher in einem Gespräch in üben durchaus eine heilsame Wirkung einem Zimmer oder Büro abgenommen. für den Einzelnen. Es wirke offenbar nachhaltiger, jemandem direkt gegenüberzusitzen und seine Unterlassungen und Verfehlungen zu gestehen, als dies allein im stillen Kämmerlein zu tun. Gott vergebe die Schuld zwar nicht mehr oder weniger. «Nach wie vor besitzt die Beichte eine grosse Bedeutung in der katholischen Kirche und ist für uns Menschen ein hilfreiches Angebot», betont Marcel Bregenzer. Die Kirche empfehle, sie mindestens einmal im Jahr vorzunehmen. Es gehe dabei um mehrere Aspekte. Einerseits gebe es eine psychologische Dimension: Befreiend sei oft allein schon der Umstand, mit jemandem über belastende Taten und Versäumnisse sprechen zu können. Zudem übe der Priester eine Sonderstellung in dem Sinne aus, dass er die Christen als Gemeinde, als den Leib Christi, vertrete. «Wenn ein Christ schuldig wird, ist das ja nie eine Sache, die nur Gott und cz 2|06

Liebe fliesst nicht mehr Abgesehen von diesen offiziellen Gepflogenheiten der Kirche weist Marcel Bregenzer im Gespräch über den Umgang mit Schuld und Sünde hinaus: Das eigentliche Ziel der Menschwerdung von Jesus Christus und seines Todes am Kreuz liege nicht nur in der Vergebung der menschlichen Verfehlungen. «Jesus ist gekommen und gestorben, damit wir Menschen in heilen Beziehungen leben können, mit Gott, mit uns selbst, mit den Mitmenschen und mit der Schöpfung.» Es gehe also primär um Versöhnung und Wiederherstellung. Laut dem Markusevangelium sei Jesus vorgeworfen worden, er esse mit Zöllnern und Sündern. Darauf erwiderte Jesus: «Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.»

«In unserer Kirche wird jedoch nicht nur eine falsche Tat als Sünde bezeichnet, sondern auch das Unterlassen des Guten, also die nicht geschenkte Liebe.» Jesus verstehe sich als Arzt, der heilen wolle. «Unter allen Krankheiten will Jesus vor allem gestörte Beziehungen heilen», betont Marcel Bregenzer, «Beziehungen, in denen die Liebe nicht mehr fliesst.» Sünde könne auch als «ein Nichtfliessen von Liebe» bezeichnet werden. Vom Ursprung her bedeute Sünde ja: sondern, absondern, trennen, abspalten. Sünde trenne und entfremde. «Selbstentfremdung macht uns als Menschen krank und wirkt sich auf unsere Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und dann auch zur Schöpfung aus.» Das Leben aufzuräumen beginne deshalb bei der Versöhnung und Wiederherstellung meiner Beziehung zu Gott. Ich müsse dabei nicht zuerst Gott lieben, sondern seine Liebe zu mir annehmen. Anschliessend folge die Versöhnung mit Menschen und der Schöpfung. «In unserer Kirche wird jedoch nicht nur eine falsche Tat als Sünde bezeichnet, sondern auch das Unterlassen des Guten, also die nicht geschenkte Liebe.» Marcel Bregenzer endet mit einem Bild: «Stell dir vor, du stehst in einem Einkaufscenter in einem Korridor zwischen langen Regalen. Nun laufen bei der nächsten Kreuzung quer zu deinem Korridor dir bekannte Menschen vorbei. Bei welchen würdest du ausweichen mit deinem Einkaufswagen und den Korridor wechseln? Wie steht es damit, wenn Verwandte, Freunde, Kollegen, Beamte, Behördenmitglieder, Polizisten, Nachbarn vorbeigehen? Bei jenen, denen du eher ausweichen möchtest, gäbe es wahrscheinlich etwas aufzuräumen in der Beziehung, im Leben. Was steht dem im Weg? Wie wäre es, wenn Gott selbst zwischen den Regalen vorbeilaufen würde? Möchtest du ihn umarmen oder eine Begegnung eher vermeiden?» 29

«Arbeitsstelle für Pfarrei-Erneuerung»

Schuld beeinträchtigt Beziehungen


HEILIGER GEIST «Der Heilige Geist führte uns in die Weite» Reitnauer Christen erleben geistliche Erneuerung National bekannt geworden ist Reitnau im aargauischen Suhrental vor allem unter Automobilsport-Freunden, die jeweils im Juni den ACS-Bergslalom verfolgen. Aber auch geistlich gesehen scheint der landwirtschaftlich geprägte Ort mit seinen rund 1150 Einwohnern ein besondere Ausstrahlung zu haben. So besuchten hundert Personen das Alphalive-Abendessen letzten September. Koordiniert hat diese Initiative das Ehepaar Hanna (47) und Peter (48) Klauser-Bach zusammen mit Christen der reformierten Kirchgemeinde und der Chrischona-Gemeinde.

Survival-Training für später

Manfred Kiener Wer sich in Reitnau so umhört, stellt erstaunt fest, an wie vielen Orten im In- und Ausland sich Reitnauer Christen in geistlichen und sozialdiakonischen Diensten vollzeitlich engagieren. Auf welchem Boden konnte sich dieses geistliche Interesse entwickeln? Eine erste Kirche errichteten gläubige Katholiken im damaligen Reitinova offenbar bereits um das Jahr 800 herum. Im Mittelalter war Reitnau Hauptsitz des katholischen Dekanats Reitnau-Aarau, das neben dem Suhrental weite Gebiete bis hinunter ins Aare- und hinüber ins Seetal umfasste. Im Zuge der Reformation eroberten die Berner alle Orte talaufwärts und zum Schluss noch Reitnau. Bis heute steht ein Grenzstein mit dem Berner Wappen am Dorfrand, wo zugleich die Kantonsgrenze Aargau-Luzern verläuft.

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Unweit dieser Kantonsgrenze wächst Peter Klauser auf einem Bauernhof oberhalb von Reitnau auf. Bereits als Teenager erlebt er gerne wilde Abenteuer in Feld und Wald. «In jener Zeit erhielt ich in den Vennes-Lagern des Bibellesebundes durch Fritz Harlacher wesentliche Impulse für meinen Glauben», erzählt Peter Klauser. «Doch konnte ich damals noch nicht viel damit anfangen.» Mit seinem Schulfreund Marcel Bäni träumt Peter von einem Leben als Trapper, Jäger und Sammler in Alaska. Beide unterwerfen sich einem intensiven Training, übernachten oft draussen im Wald, essen Kräuter, Beeren und Pilze und grillieren ab und zu einen Vogel.

Früh geistlich geprägt Hanna Bach erlebt ihre Kindheit auf einem Bauernhof in Saanen im Berner Oberland. Für mehrere Wochen zieht die Familie jeweils im Sommer auf die Alp.

Hanna lernt bei ihren Eltern einen authentischen, tiefen Glauben kennen. Im «Gutschi», einem Familienbett in der Alphütte, liegen die Kinder jeweils im unteren Bett, einer Art ausziehbarer Schublade. Im oberen Bett schlafen die Eltern. «Abends hörte ich sie oft vor dem Einschlafen miteinander beten. Das hat mich schon früh geprägt», erzählt Hanna Bach. Als Lehrerin unterrichtet Hanna später in Gstaad. Peter studiert an der landwirtschaftlichen Hochschule in Zollikofen Agronomie. «Damals, anfangs meiner zwanziger Jahre, fokussierte ich wieder stärker auf Gott», berichtet Peter. «Ich betete um eine Freundin.» Durch einen Kollegen hört er vom Sie-und-Er-Skirennen im Saanenland. Er meldet sich an und fährt im Februar 1981 zum Skilift Rüebeldorf in Saanen. Die 150 angemeldeten Männer und Frauen werden jeweils paarweise für die beiden Rennläufe cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | reitnauer christen

• Wunderbare Aussicht: Blick von Reitnau in die Innerschweizer Alpen.

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zugelost. Die Rennleitung weist Peter ein: «Dort, die Blonde beim Skilifthüttli ist Hanni Bach. Mit der darfst du fahren – aber die fährt wie eine Rakete!» Nach dem ersten Lauf landen die beiden auf dem dritten Platz. Im zweiten Lauf erzielen sie Bestzeit. Entspannt und erfreut geniessen sie nun das Skifahren und lernen sich kennen. Nach einigen Wochen werden sie ein Paar. «Hanna war meine erste grosse Gebetserhörung», erzählt Peter. Klausers Liebesgeschichte «Losentscheid mit Folgen» ist 2005 im Rahmen eines

Schreibwettbewerbs in der Aargauer Zeitung veröffentlicht und mit einem Preis ausgezeichnet worden.

Gott fängt an zu reden An einem Bilderbuch-Herbsttag 1982 heiraten Peter und Hanna in der Kirche Saanen. Fast hundert Schulkinder stehen Spalier. Während dem Zvieri auf dem Schulhausplatz von Gstaad kann die Gesellschaft überraschend den Alp-Abzug eines Onkels von Hanna miterleben. Der Trauvers aus Psalm 121 ist bis heute das

gültige Motto ihrer Ehe: «Wir heben unsere Augen auf zu den Bergen. Woher kommt uns Hilfe? Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat.» Einige Jahre später bereichern vier aufgeweckte Kinder ihr Leben. Peter engagiert sich neben seinem Beruf in der reformierten Kirchgemeinde als Kirchenpfleger, und Hanna erteilt Sonntagsschule. «Wir sahen unsere Berufung in der Familie und in der örtlichen Kirche», berichtet Peter Klauser. 1997 erfahren verschiedene Mitarbeitende der Kirchgemeinde ein neues Wirken des Heiligen Geistes. So treffen sich Interessierte in der Stube des Pfarrhauses, um einen unbekannten Gast zu treffen. Nach Berichten aus seinem Leben beginnt dieser Theologe den Anwesenden überraschend prophetisch zu dienen: «Dieser Mann sprach einer Person nach der anderen direkt ins Leben hinein. Was er sagte, stimmte genau», schildert Peter. «Er hatte zuvor niemanden von uns je gesehen. Da wusste ich: Gott spricht zu uns.»

Gemeinsamer Herzschlag Die Erlebnisse an jenem Abend 1997 leiten bei Klausers und anderen Christen einen Prozess der Öffnung für den Heiligen Geist ein. «Wir erkannten, Gott hat noch etwas vor mit uns und unserem Dorf», berichtet Peter, und Hanna ergänzt: «Bei jener Begegnung klang etwas tief in uns an. Ich sagte mir: ‹Ich will alles haben, was Gott für uns bereit hat.› Ich hatte mich oft danach gesehnt, Heilungsgeschichten aus der Bibel selber zu erleben. Ich kann doch unseren Kindern nicht aus der Bibel erzählen und das selber nicht umsetzen!» Klausers beginnen, sich mit andern zum Frühgebet zu treffen. Sie beten konkret für kranke und bedürftige Menschen und erleben nicht immer, aber immer wieder Heilungen und weitere Auswirkungen. «Wir spüren einen gemeinsamen Herzschlag

• MotorsportAtmosphäre am Renntag: Blick ins Fahrerlager bei der Reitnauer Kirche.

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leben mit dem heiligen geist | reitnauer christen

• Vor bis zu 14 000 Zuschauern gestaltet die Kirchgemeinde Reitnau jeweils den Gottesdienst vor dem Bergrennen von

in unserer Ehe und erleben eine grosse Einheit. Das ist unsere grösste Stärke im geistlichen Wachstum», schildert Hanna ein Geheimnis. «Es ist eine Gnade und ein Segen, wenn Ehepaare gemeinsam beten.» Peter ergänzt: «Ja genau, das gemeinsame Gebet ist unsere Basis.» Als Teil einer Gruppe von vierzig Erwachsenen und Kindern aus Reitnau besuchen Klausers die Schulungskonferenz EXPLO 2000 in Lausanne. Hanna bittet dort Gott am zweiten Tag wie Gideon in der Bibel um eine Bestätigung ihrer Berufung. Im folgenden Seminar ruft sie die Referentin Anni Bärtsch aus einer grossen Masse auf die Bühne und wiederholt quasi, was ihr der Gast im Reitnauer Pfarrhaus 1997 mitgeteilt hat. Das ist eine grosse Ermutigung. Peter wird seinerseits bestätigt durch Pfarrer Dr. Urs Schmids Ausführungen über Erweckung. Als ganze Familie kehren Klausers mit Mut und Hoffnung für weitere Aufbrüche nach Hause zurück. Gebetsgruppen und Kleingruppen entstehen.

gemeinde das Gemeindegründer-Ehepaar Florian und Anni Bärtsch für zwei Abende nach Reitnau einlädt. Erneut erleben die Anwesenden Heilungen und Berufungen für geistliche Dienste. Klausers fragen sich immer wieder: «Was können wir umsetzen, um geistlich mehr zu erleben?» 2002 treffen sie gleichgesinnte Christen aus der Region am Levitencamp der Stiftung Schleife in Frauenfeld. Daraus entsteht die regionale Gruppe «Markstein», die sich seither zum Lobpreis und zum Gebet für Aufbrüche in der Region trifft. «Markstein» organisiert 2003 in Reitnau ein Treffen für Leiter mit Christoph und Utta Häselbarth vom deutschen Josua-Dienst. 2004 lädt die Gruppe den ehemaligen Wirtschaftsprüfer und Pastor Chris Daza aus Malawi ein, der inzwischen im deutschsprachigen Raum

einem Lastwagen-Anhänger aus. 2005 predigte Ueli Frey und interviewte einen Rennfahrer.

mit dem geistlichen Dienst «El Dabar» Christen schult und aufbaut. Zu diesem Anlass finden sich über 300 Personen in der Reitnauer Mehrzweckhalle ein. Das überdurchschnittliche Interesse am letzten Alphalive-Kurs ist ein weiteres Zeichen dafür, wie Gott seine Hand offenbar in besonderer Weise über dem Dorf zu halten scheint.

• Erfüllt und erstaunt blicken Hanna und Peter Klauser auf ihre geistliche Erneuerung zurück: «Der Heilige Geist ist mit Kraft und Liebe in unser Leben gekommen und hat uns in mehrfacher Hinsicht in die

Lernen und sich dienen lassen

Weite geführt, wie es in Psalm 18, Vers 20

Ein weiterer Meilenstein im ErneuerungsProzess folgt im Jahr 2001, als die Kirch-

heisst.»

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ALPHALIVE «Dieser Kurs hilft, den Heiligen Geist zu erleben» 270 Personen feierten 10 Jahre Alphalive in der Schweiz «Menschen wollen heute wissen, ob die Kraft des Heiligen Geistes in ihrem Alltag erlebbar ist und etwas bewirkt oder nicht», betonte Sandy Miller, Vater der internationalen Alphalive-Bewegung und anglikanischer Bischof für Gemeindeentwicklung aus London am Alphalive-Leitertag vom 20. Januar 2006 in Zürich. Dem Leitertag folgte am Abend mit 270 Gästen die Feier zum zehnjährigen Bestehen der Alphalive-Kurse in der Schweiz.

Manfred Kiener «Wenn Gott dich heute fragt, wie es dir geht – sei ehrlich», ermutigte Sandy Miller die Leitenden und Multiplikatoren in Zürich. Es gehe darum, wie die Jünger damals gegenüber Jesus einzugestehen, wenn man keine Fische fange. «In Seminaren wurden wir Theologen in unserer Ausbildung gelehrt, wir seien Aquariumhalter und nicht Fischer», bedauerte Miller. Mit diesem Zustand hätten sich viele resigniert abgefunden. Christen müssten sich neu demütig eingestehen,

dass sie die Kirche nicht ohne die Kraft des Heiligen Geistes bauen können. Pfarrer, Pastoren und Gemeindeleiter seien schliesslich dafür bezahlt, Fischer zu sein und Jünger zu entwickeln.

Wenn Anwälte Pfarrer werden Als 28-jähriger Anwalt fand Sandy Miller zum Glauben, studierte Theologie und kam 1976 als Vikar in die anglikanische Kirchgemeinde Holy Trinity Brompton in London. Der professionell eingekleidete Chor habe damals Lieder aus dem 16. Jahrhundert gesungen, und siebzig ältere

Personen hätten ihnen dabei im Gottesdienst zugehört, schilderte Miller in Zürich. Unter seiner Leitung ab 1985 wuchs die Kirchgemeinde von 150 auf aktuell über 3000 Besucherinnen und Besucher. Sandy Miller gründete acht weitere Gemeinden in London und stiess mehrere christliche Initiativen an, mit dem Ziel, in der Gesellschaft Salz und Licht zu sein. Der von Pastor Charles Manham in der Holy Trinity Brompton entwickelte Alphalive-Kurs ist eine davon. Manham zog später weg. Der Jurist und Theologe Nicky Gumbel stiess 1986 zur Holy Trinity

• Schildern Kurserfahrungen: Pfarrer Dr. Alfred und Verena Aeppli, Jegenstorf; Diakon Thomas Gugger, Wil; Prediger Ruedi Glanzmann, Schaffhausen und Pfarrer Martin Kaltenrieder, Schwarzenburg. 34

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leben mit dem heiligen geist | dieser kurs hilft, ...

• Mit einem Stand an der Zürcher Oberland Messe in Wetzikon warben Christen aus der Region letztes Jahr für das AlphaliveAbendessen.

Brompton Church. Sein Herz schlägt für Evangelisation, und er erkannte das evangelistische Potential des Alphalive-Kurses. Gumbel begann ihn weiterzuentwickeln, verfasste Literatur dazu und übernahm 1990 die Kursleitung. 1992 gab es in London zwar erst fünf Alphalive-Kurse; Berichte darüber lösten trotzdem eine Welle von Anfragen aus ganz England aus. Um Interessierte zu informieren, organisierten Gumbel und Miller 1993 die erste nationale Alphalive-Konferenz und multiplizierten damit den Kurs. Seither wird dieser Anlass zweimal jährlich von rund 900 Multiplikatoren aus England und zahlreichen anderen Ländern besucht.

Alphalive-Kurse für Gefängnis-Insassen Im Oktober 2005 besuchte die Missionarin Jacky Pullinger-To aus Hongkong die Holy Trinity Brompton Church. Dabei diente sie Bischof Sandy Miller prophetisch und teilte ihm mit, seine 29 Jahre in dieser Kirche seien eine Vorbereitung gewesen für die neue, eigentliche Aufgabe im cz 2|06

Londoner Stadtteil Tollington. Inzwischen zog Miller mit seiner Frau aus dem reichsten Stadtteil Londons in den ärmsten, um in der dortigen Kirche gleich gegenüber der grössten Moschee Londons eine neue Arbeit zu beginnen. Ebenfalls nach Tollington umgezogen ist Millers engagierteste Mitarbeiterin Emma Wilson. Auf seine Anfrage hin gab sie ihren Beruf auf und begann, im Kirchenteam mitzuarbeiten. Sie passte den AlphaliveKurs für Gefängnis-Insassen an und führte 1995 den ersten Kurs «Alpha for Prisons» in London durch. Emma Wilson erzählte in Zürich: «Mein Leben als Christin war mühsam und langweilig bis 1982.» In jenem Jahr habe John Wimber in der Holy Trinity Brompton Church über Heilung gesprochen und mit seinem Team den Anwesenden prophetisch gedient. «Ich dachte: Die Gabe der Heilung will ich haben, ich bin ja schliesslich Krankenschwester!» Ein Wort der Erkenntnis traf sie persönlich. Emma Wilson lud am selben Tag erstmals den Heiligen Geist ein und erlebte ei-

ne starke Begegnung mit Gottes Kraft. «Mein Kopfwissen über Gott rutschte in mein Herz. Ich erlebte: Gott liebt mich. Die Liebe zu Jesus befähigt uns, Dinge zu tun, die wir aus eigener Kraft nicht wagen würden.» Gegenwärtig laufen «Alpha for Prisons»-Kurse bereits in 85 Prozent aller englischen Haftanstalten. International wird das Kursmaterial inzwischen in Gefängnissen in vierzig Ländern verwendet, so auch in Deutschland und Österreich.

Schweizer Erfahrungen und Perspektiven Pfarrer Dominik Reifler aus der reformierten Kirchgemeinde Winterthur-Seen erzählte als einer der Alphalive-Pioniere in der Schweiz von seinen Erfahrungen. Er hatte von seinem Pfarrkollegen Philipp von Orelli vom Alphalive-Kurs gehört. Reifler besuchte eine Alphalive-Konferenz in London und dachte: «Entweder ist dieser Nicky Gumbel ein Hochstapler oder an dem Kurs ist etwas dran. Mit so begnadeten Leitern wie Miller und Gumbel muss das in London ja funktionieren. Aber 35


V ich wirke in einer Schweizer Landeskirche ...» Schliesslich sagte sich Pfarrer Reifler, er könne nur herausfinden, ob das mit dem Kurs in seiner Kirche klappe, wenn er selber einen durchführe. Nach inzwischen 25 Alphalive-Kursen in der Kirchgemeinde Winterthur-Seen könne er bezeugen, dass der Kurs funktioniere. «Die Alphalive-Kurse helfen offenbar vielen Leuten, den Heiligen Geist zu erleben», stellte Hanspeter Nüesch, Leiter von Campus für Christus, in Zürich fest. Dank diesem Kurs sei das Evangelium in den letzten zehn Jahren wieder frisch

«Ich dachte viel zu klein von Gott, er richtet sich nicht nach meiner Theologie.» und lebensverändernd vermittelt worden. Gegenwärtig werden laut Nüesch gemeinsame Aktionen des Jesus-Film-Projektes und Alphalive-Kursen geprüft. Durch Vorführungen des Jesus-Films könnten am Glauben interessierte Menschen erkannt werden. Diese könne man anschliessend in einen Alphalive-Kurs einladen.

• 120 Gäste folgten der Einladung zum Alphalive-Abendessen in

«In unserer Gemeinde erlebten Mitarbeitende, die bisher jahrelang selber ‹gekrampft› hatten, durch den Alphalive-Kurs die Hilfe und Kraft des Heiligen Geistes», berichtete Prediger Ruedi Glanzmann aus der Chrischona-Gemeinde Schaffhausen im Podiumsgespräch am Leitertag. Aufgrund der positiven Erfahrungen würden sie den Kurs weiterhin zweimal pro Jahr

durchführen. Thomas Gugger, Diakon in der reformierten Kirchgemeinde Wil: «Ich dachte viel zu klein von Gott, er richtet sich nicht nach meiner Theologie.» So habe in Wil ein katholischer Philosoph im Alphalive-Kurs die Kraft des Heiligen Geistes erfahren. In dieser Zeit habe er seinen kranken Yogalehrer getroffen. Der Philosoph habe ihm spontan die Hände aufgelegt, für ihn gebetet, und der Yogalehrer sei geheilt worden. «Mitarbeitende beginnen wieder zu evangelisieren und sind im wahrsten Sinne des Wortes be-geist-ert», schildert Pfarrer Alfred Aeppli die Alphalive-Auswirkungen in der reformierten Kirchgemeinde Jegenstorf. Mitarbeitende würden den Heiligen Geist erleben und mitwirken. Er als Pfarrer müsse nun weniger selber schleppen. «Mit dem Kurs erleben wir viel Erfreuliches in der Gemeinde», berichtete Pfarrer Martin Kaltenrieder von «Neues Land» aus Schwarzenburg. Alphalive helfe ihm selber, das Evangelium immer einfacher zu vermitteln. Im Leitungsteam fragten sie sich dauernd: «Wie können wir den Menschen dienen?» Künftig würden deshalb begleitend zu Alphalive-Kursen sozialdiakonische Initiativen ein stärkeres Gewicht erhalten. Pfarrer Dr. Ruedi Reich, reformierter Kirchenratspräsident des Kantons Zürich, überbrachte die Grüsse und Glückwünsche des Kirchenrates sowie des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) und dankte dem Alphalive-Team für

sein Engagement. Ruedi Reich verglich das Reich Gottes mit einem Rad: Die Nabe stehe für Jesus Christus, die einzelnen Speichen für die Christen. Je näher die Christen zu Jesus rückten, desto näher kämen sie auch einander. Die biblischchristlichen Inhalte sowie das Wissen über die Glaubenstradition nähmen stetig ab. Gerade deshalb sei es wichtig, diese Inhalte immer wieder neu zu vermitteln.

Fakten rund um Alphalive Fakten • Die reformierten Kirchgemeinden Bäretswil und Winterthur-Seen führten 1996 offiziell die ersten beiden Alphalive-Kurse durch. Im selben Jahr starteten zudem vier Freikirchen mit den Schulungen. • Aktuell werden heute an 720 Orten Kurse angeboten, davon 25 Prozent in der reformierten, 5 Prozent in der katholischen Kirche sowie 70 Prozent in Freikirchen. • In den letzten zehn Jahren besuchten 50 000 Personen in der Schweiz einen Alphalive-Kurs. • Weltweit werden an rund 32 000 Orten Alphalive-Kurse durchgeführt. • International besuchten sieben Millionen Menschen diesen Glaubensgrundkurs, der bereits in 62 Sprachen übersetzt worden ist. Weitere Informationen unter www.alphalive.ch ??

Wil (SG).

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VERVIELFÄLTIGUNG leben mit dem heiligen geist | gott vervielfältigt ...

«Gott vervielfältigte das, was wir einsetzten» Martin und Rachel Stoessel koordinieren zehn Jahre Alphalive An über 720 Orten in der Schweiz finden bereits Alphalive-Kurse statt. Aus dem ersten Kurs, den Martin und Rachel Stoessel 1994 in ihrer Zweizimmerwohnung durchführten, ist eine Bewegung gewachsen, die heute Christen aus allen Kirchen und Regionen erfasst. Mit Staunen und Dankbarkeit blicken die beiden zurück, wie «unstrategisch» alles begonnen hat.

Manfred Kiener Als junges Paar engagierten sich Martin und Rachel Stoessel in der Jugendarbeit sowie in einem Hauskreise der Reformierten Kirche in Bäretswil. 1993 begannen sie sich zu fragen, wie sie ihre zweimonatige Auszeit sinnvoll verbringen könnten. «Wir wollten einfach Gott erleben», berichtet Rachel. Martin würde bis dahin sein Chemiestudium abgeschlossen haben. Rachel arbeitete als Krankenschwester und konnte Urlaub nehmen.

In London Eine Bekannte erzählte ihnen von der Holy Trinity Brompton Church in London, der mit 3000 Besuchern grössten anglikanischen Staatskirche Englands. Um sich die Situation vor Ort anzuschauen, reisten Stoessels im März 1993 für eine Woche nach London und besuchten dort einen Gottesdienst. Sie erfuhren, dass sie für einen zweimonatigen Aufenthalt selber für eine Unterkunft besorgt sein müssten. «Die teuren Lebenshaltungscz 2|06

kosten wirkten auf uns niederschmetternd», erzählt Martin. «In der Kirche trafen wir eine junge Schweizerin, die in London als Au-pair arbeitete. Sie riet uns, in der Kirchenzeitung ein Inserat zu schalten. Das taten wir und erhielten später in der Schweiz einen Anruf aus London. Da suchte jemand tatsächlich für dieselben zwei Monate Bewohner für sein Zuhause.» Es passte und war genau das, was Stoessels brauchten.

Arbeitsumfeld, wo viel übereinander getratscht und gestürmt wurde und eine entsprechende Atmosphäre herrschte. Die Leidenschaft, die Liebe wie auch die Ermutigung dieser Leute überraschten uns. Wir wurden zu einem Teil dieses tollen Teams. Damals arbeiteten in jener Kirche erst 25 Personen samt den Pastoren. Inzwischen sind bereits 150 Mitarbeitende fest angestellt.»

Erneuerung als Paar Ende Juni 1993 reisten Stoessels nach London. Sie wurden zuerst eingesetzt, um den durch Renovationsarbeiten verschmutzten Kirchenraum zu reinigen und Plastikstühle für den Sonntagsgottesdienst aufzustellen. Darauf engagierten sich Martin und Rachel im Vorbereitungsteam für die jährliche Gemeinde-Ferienwoche. «Wir schrieben und kopierten die Teilnehmer-Unterlagen samt Programmheft für 1400 Personen», erzählt Martin. Das Mitarbeitendenteam der Kirche lobte sie und ihre Arbeit täglich. Rachel: «Ich kam als Krankenschwester aus einem

«Unsere Hochzeit lag zwar bereits zwei Jahre zurück. In London realisierte ich jedoch erst richtig: Ich bin ja verheiratet!», berichtet Rachel. Sich in einer fremden Umgebung als Paar wiederzufinden, weg von Freunden und Verwandten, war kein einfaches Erwachen für Stoessels. «Aber das, was wir uns gewünscht hatten, erfuhren wir: Wir erlebten Gott vor allem in der Gemeinde-Ferienwoche!» Und Martin ergänzt: «Mir ist der Heilige Geist begegnet. Ich habe Gottes Zuwendung erfahren und hörte, wie er mir sagte: ‹Ich liebe dich, so wie du bist!› Das 37


unspektakulär. Wir lasen unserem Hauskreis einfach die Referate vor», berichtet Martin. «So langweilig sollte man den Kurs eigentlich nicht gestalten, aber die Leute wurden trotzdem für neue Schritte im Glauben ermutigt.»

Pfarrertreffen in Verbier

• Die Koordinatoren Rachel und Martin Stoessel

war für mich eine Entlastung, die tief ging!» Rachel betont: «Diese Zeit in London rettete unsere Ehe! Zuvor hatte ich mir sozusagen die biblischen Gesetze, quasi zu meiner eigenen Thora, in Kopf und Herz immer enger gemacht.» Rachel las, seit sie zwölf war, die Bibel nach einem Plan, empfand diese Übung jedoch oft als Krampf. In London brach vieles auf: «Ich begann, nicht mehr nach dem Gesetz, sondern aus dem Erfahren der Kraft und der Liebe meine Gottesbeziehung zu leben.»

In Herz und Seele angesprochen Eigentlich wollten Stoessels in London an einem Alphalive-Kurs teilnehmen. Die Holy Trinity Brompton Church führte jedoch in jenen Sommermonaten gerade keinen solchen durch. So hörten sich Martin und Rachel Stoessel die Referate des Kurses in ihrer Wohnung an und diskutierten darüber. Martin: «Ich erhielt punkto Glauben erstmals das Gefühl, dass es Sinn macht und zusammen passt. Die 38

Kursinhalte sprachen mich im Herz und in der Seele an.» Viele Lichter gingen ihm auf und er erkannte: «Jetzt verstehe ich den Glauben!» Eigentlich war Martin Stoessel bereits drauf und dran gewesen, sich resigniert aus der Landeskirche zu verabschieden. Nun traf er in London ausgerechnet in einer Staatskirche einen derart tollen Kurs. «Ich dachte, diesen Kurs sollten wir bei uns zu Hause in Bäretswil auch durchführen. So würden die Menschen vieles besser verstehen!» Zurück im Zürcher Oberland, erkannten Freunde und Bekannte: Bei Stoessels hat sich etwas verändert. Martin strahlt so! Ihrem Pfarrer Martin Bihr brachten sie aus London das Alphalive-Buch «Fragen an das Leben» von Nicky Gumbel mit. Er fand den Inhalt zuerst wenig spektakulär und sah keinen Handlungsbedarf in seiner Kirchgemeinde. Stoessels erhielten jedoch grünes Licht, um im Hauskreis in ihrer Wohnung den ersten kleinen Alphalive-Kurs durchzuführen. «Es war völlig

Stoessels hätten gerne bald einen Kurs offiziell in ihrer Kirchgemeinde durchgeführt. Bei Besuchen in London klagten sie darüber, die Umsetzung auf Gemeindeebene in der Schweiz gelinge noch nicht. Nicky Gumbel meinte darauf, er vertrete in Verbier in der Schweiz jeweils den anglikanischen Pfarrer zwischen Weihnachten und Neujahr. Vielleicht könnten sie sich dort einmal mit Stoessels und Bihrs zu sechst begegnen. So trafen sich die drei Ehepaare am 2. Januar 1995 im Wallis. Gumbels erzählten, wie der Alphalive-Kurs in London läuft, und überreichten dem Ehepaar Bihr das neuste Kurshandbuch. Nicky Gumbel lud sie an die Alphalive-Konferenz im Februar 1995 nach London ein. Sieben Personen aus der Kirchgemeinde Bäretswil reisten nach England, erlebten viel Segen und entschlossen sich, zu Hause drei AlphaliveKurse durchzuführen. Wieder in Bäretswil begannen Stoessels, die Kursunterlagen ins Deutsche zu übersetzen. Pfarrer Martin Bihr hörte über die Stiftung Schleife, die Leiter der reformierten Kirchgemeinde Winterthur-Seen seien an diesen Kursen ebenfalls interessiert. Umgehend tat er sich mit dem dortigen Pfarrer Dominik Reifler zusammen. Gemeinsam luden sie eine Delegation aus London ein und führten im Herbst 1995 in Bäretswil ein ErneuerungsWochenende mit rund hundert Personen durch. Danach organisierten sie in Bäretswil und Winterthur-Seen ab Januar 1996 die ersten beiden Alphalive-Kurse auf Gemeindeebene. Nicky Gumbel setzte Stoessels als Alphalive-Koordinatoren für cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | gott vervielfältigt ...

die Schweiz ein und druckte ihre Adresse samt Bild in der internationalen Alphalive-Zeitschrift ab. Nun häuften sich die Anfragen bei Stoessels. Martin schrieb inzwischen an seiner Dissertation, und Rachel besuchte berufsbegleitend die Weiterbildung zur Operationsschwester. So wussten sie bald nicht mehr, wie sie die wachsenden Informationsbedürfnisse in der Freizeit noch erfüllen könnten. «Wir beteten intensiv und baten Gott um Hilfe.» Eine Woche später musste sich Martin mit einer akuten Virusinfektion in Spitalplfege begeben. Am selben Tag, ausgerechnet in dieser Schwächephase, meldete sich Pfarrer Reinhold Scharnowski beim Ehepaar Stoessel und bot ihnen seine Hilfe an. Er schlug vor, einen Infoanlass in Olten zu veranstalten. Er würde die Prospekte entwerfen und alles organisieren. Stoessels müssten nur anreisen und erzählen. Die Organisatoren reservierten im Hotel Olten einen Raum für fünfzig Personen für den letzten Samstag im November 1996. Schliesslich quetschten sich 120 Personen aus diversen Kirchen und Denominationen der Deutschschweiz in den Saal. Das überwältigende Interesse führte zu einer ersten Alphalive-Konferenz im März 1997 mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Alphalive-Mutterkirche in London.

Martin geplant, nach dem langen Studium und mit dem Doktortitel im Sack endlich einmal richtig Geld zu verdienen. Er wusste, wenn er in der Chemie einsteigen und Karriere machen wollte, so musste er jetzt loslegen und nicht zuerst noch einige Jahre in einem branchenfremden Umfeld tätig werden. Ein attraktives Stellenangebot, verbunden mit einem zweijährigen Aufenthalt in Japan, machte die Entscheidung nicht einfacher. Zur Zusammenarbeit mit Campus meinten die Londoner Alphalive-Gründer, sie würden Stoessels unterstützen, falls es für sie als Paar stimme. In diesen Wochen des Abwägens erhielten Martin und Rachel mehrmals den Vers aus 2. Timotheus 2,2: «Was du von mir gehört hast, das sollst du auch weitergeben an Menschen, die vertrauenswürdig und fähig sind, andere zu lehren.» Dieser Vers verdichtete sich für sie zu einer Jobbeschreibung. «Aber Friede über den Weg einer Mitarbeit bei Campus erhielten wir erst, nachdem wir uns entschieden hatten», betont Rachel. Stoessels traten im März 1998 ihren Dienst als vollzeitliche Alphalive-Koordinatoren bei Campus für Christus an.

Fazit Im Rückblick auf die Entwicklung der Alphalive-Kurse in der Schweiz meint Martin: «Mich erstaunt es aus heutiger Sicht,

wie sich die ganze Sache entwickelt hat. Wir planten nicht strategisch, mit dem Kurs die Schweiz in zehn Jahren zu erreichen oder so. Wir fingen einfach im

«Wir fingen einfach im Hauskreis an, machten Fehler und gingen Schritt für Schritt vorwärts.» Hauskreis an, machten Fehler und gingen Schritt für Schritt vorwärts. Gott arbeitet offenbar gerne so. Erst rückblickend erkennen wir, was aus unseren Anfängen entstanden ist. Gott kann durch völlig unspektakuläre Dinge und Umstände wirken. Wir setzten einfach das ein, was wir hatten, und Gott vervielfältigte alles zu seiner Ehre.» Rachel ergänzt: «Wenn du Gott dein Leben gibst, weisst du nicht, wo es durchgeht. Ich persönlich hatte mir mein Leben anders vorgestellt. Heute finde ich es toll, das alles rund um den Alphalive-Kurs mitzuerleben.» Martin: «Mich fasziniert es, zu sehen, wie Gott auch bei uns in der Schweiz das Leben von unterschiedlichsten Menschen total umkrempeln kann. Das gibt mir Vertrauen und Mut, von Gott noch mehr zu erwarten für unser Land. Seine Liebe ist in Aktion, vor allem bei Menschen, die weit weg sind vom Glauben.»

Karriere oder Alphalive? Koordinationsaufgaben beanspruchten Stoessels neben ihrer beruflichen Tätigkeit zunehmend. Martin würde seine Dissertation bald beendet haben. Er begann, sich in der Chemiebranche nach einer Stelle umzusehen. Wenn er jedoch eine Kaderstelle annehmen würde, müsste Rachel die Alphalive-Koordination alleine bewältigen. Da erhielten sie im Juni 1997 einen Anruf von Peter Höhn von Campus für Christus. Er eröffnete ihnen, Campus beabsichtige, sie als Ehepaar anzustellen, um Alphalive vollzeitlich in der Schweiz zu fördern. Eigentlich hatte cz 2|06

• Martin und Rachel Stoessel mit ihren Gästen aus der Holy Trinity Brompton Church London: Bischof Sandy Miller, Emma Wilson und Emma Coulon

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Peter Jehle, Abendstimmung Zürich

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Kunst und Geist Wie Kunstschaffende mit Gott zusammen arbeiten

Tom Sommer

Pascal Mettler:

«Keine Berührungsängste!» Jesus-Worte und christliche Gemeinschaft haben beim gelernten Hochbauzeichner Pascal Mettler Tradition. Ursprünglich in der katholischen Kirche beheimatet, entscheidet sich der Elfjährige durch den Kontakt mit freikirchlichen Christen, sein Leben bewusst Gott anzubefehlen. Mit Christen aus den verschiedensten Freiund Landeskirchen pflegt er heute einen unverkrampften Umgang, denn «es ist nicht wichtig, wo, sondern dass man den Glauben lebt». Mettler lässt sich in jungen Jahren zum Schauspieler ausbilden, das Strassentheater wird zur Plattform, öffentliches Publikum mit Botschaften aus der Bibel und aus literarischen Quellen zu überraschen. Seine heutige Verantwortung sieht Pascal Mettler als Dienst an der Gesellschaft. «Wir haben ein ähnliches Ziel wie jeder 40

normale Gottesdienst: Wir wollen den Leuten ein gutes Produkt anbieten, an dem sie sich freuen können; wir wollen zum Austausch anregen und Anstösse weitergeben, über das Leben nachzudenken.» Seine christliche Überzeugung bringt Mettler zum Ausdruck, «durch eine ehrliche und authentische Art, wie ich in den Arbeitsteams kommuniziere, zuhöre, auf andere eingehe und ihre Ideen wertschätze». Dazu gehöre auch der Umgang mit dem Erfolg. Alle sollten sich daran freuen können, und so ermutige er immer wieder, neben der Arbeit das Geniessen nicht zu vergessen. Als christlicher Kulturmanager spricht sich Pascal Mettler dafür aus, Beruf und Privatleben nicht künstlich zu trennen: «Christen haben mit so vielen Gesellschaftsbereichen Berührung, die nicht a priori christlich sind. Aber wir können sie mit Authentizität und Ehrlichkeit zum Wohle aller mitprägen. Wir sollten nie pauschal werten und abblocken», sagt Mettler, «sondern uns überraschen lassen, hinschauen, geniessen – und schliesslich das Gute behalten.» Sein engagierter Appell: «Bitte, habt nicht so viel Berührungsängste!»

• Pascal Mettler (36), Programmverantwortlicher der Winterthurer Musikfestwochen, des ältesten OpenAir-Festivals der Schweiz: «Jesus hat in Bildern gesprochen, und jeder Zuhörer war dann sein eigener Regisseur, es auszumalen und umzusetzen.»

Philip Neukom:

«Vertonen, was auf der Seele hockt» Die Stimme des Heiligen Geistes, betont Neukom, sei eine sehr feine und leise Stimme. «Es ist mir oft gar nicht bewusst, wenn mein eigener Gedankengang ergänzt, korrigiert und auf göttliche Bahnen gelenkt wird.» Natürlich ist die innige Beziehung mit Gott im Rahmen seiner Ausbildung an der Zürcher Hochschule für Musik und Theater zum Oboisten, Theorielehrer und Komponisten kein cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | kunst und geist

eigenes Fach, aber sie bildet die Grundlage, seiner Berufung als Künstler nachzugehen. In seinen musikalischen Projekten erlebt Neukom, wie auch Zweifel auftauchen und ihn blockieren. Da habe er sich entschieden, alles, was zum Guten und Heiligen führe, einmal als von Gott inspiriert hinzunehmen, ohne nachzugrübeln, wie viele Anteile menschlicher Vernunft und Erfahrung noch dabei seien.

le ich nur eine Vorlage her, die Interpreten müssen sie selbst frei ausgestalten.»

• Philip Neukom (33), Oboist, gibt Einblick in seine kreativen Prozesse als freischaffender Berufsmusiker: «Oft spüre ich, dass ich gewisse Stücke

Umso wichtiger sei für ihn, Gott immer wieder zu fragen, «ob ich ein Projekt überhaupt angehen soll oder nicht», und auch Tag für Tag so eng mit Gott zusammenzuleben, «dass ich sicher sein kann, den Heiligen Geist mit im Zimmer zu haben, wenn ich am Schreiben bin.» Dann müsse er jedoch selbst an die Arbeit gehen. «Einfach nur auf eine göttliche Inspiration zu warten, hat noch keine Früchte gebracht!» Eine Komposition reife sehr langsam heran, mahnt Philip Neukom. Über Wochen und Monate suche er, taste sich voran, behalte Ideen und verwerfe sie wieder. Eigenartigerweise entwickle das werdende Kunstwerk seine eigenen Regeln und Formen, denen er nachzuspüren habe, statt dass er als Urheber allein bestimme, wo es langgehe. Ein besonderes Erlebnis ist für ihn eine Melodie, die während einer Gebetszeit – einfach so, ohne komponieren zu wollen – entstanden ist. «Oft vergesse ich nach solchen Zeiten alles wieder, aber diesmal blieb mir die Melodie so lange präsent, bis ich sie aufschreiben und zu einem Stück entwickeln konnte. Nach der Uraufführung dieses Stückes bekam ich Rückmeldungen, dass die Musik sehr berührend gewesen sei.» Gerade die Aufführung bringe nochmals neue Faktoren ins Spiel: Wird das Stück von Christen gespielt, die etwas wissen oder spüren von der Haltung, in der das Stück geschrieben wurde? Ist das Konzert von Gebet begleitet? «Als Komponist stelcz 2|06

fast machen muss.»

Peter Jehle:

«Fotografieren ist Malen mit Licht» Obwohl er in einem katholischen Elternhaus aufwächst und viele gutgemeinte Worte mitbekommt, ist Peter Jehles Bild vom Christentum lange negativ geprägt. Verleumdungen und Machtkämpfe erlebt er hautnah. Er vermisst die prakti-

«Das Zwiegespräch mit Gott – der Heilige Geist ist ja in mir – lehrt mich, Respekt zu haben. Und Dankbarkeit.» sche Nächstenliebe und orientiert sich kämpferisch an Marx und Lenin. Fürs berufliche Überleben hat sein Kampfgeist durchaus Positives: Nach einer fünfzehnjährigen Tätigkeit als Glasmaler und Kunstglasermeister sowie nach Übernahme eines Ansichtskartenverlages bietet er sich einer grösseren Firma der gleichen Branche an. Sie übernimmt ihn mit allem Drum und Dran. Seine Kreativität und Innovationskraft – er bringt die elektronische Bildbearbeitung mit und führt sie in der neuen Firma ein – werden geschätzt, und Jehle empfindet das Ganze als «in die Wiege gelegt».

Des Kämpfers Herz wird durch die Begegnung mit einer älteren, reifen Christin weicher. «Ich erlebte hier, wie Christen eigentlich miteinander umgehen sollten. Eine Atmosphäre, die ich innerlich immer gesucht hatte.» Peter Jehle beginnt die Bibel zu lesen und entdeckt, dass hier viel mehr Sozialethik drinsteckt als in der linken Sozialpolitik. 2002 beginnt er eine verbindliche Beziehung mit Gott und erlebt, wie sich in der Folge sein Umgang mit dem Chef und den Mitarbeitenden verändert: «Die Leute fingen an, gern mit mir zu arbeiten; sie entwickelten Eigeninitiative, und ich merkte, wie ich Dankbarkeit und Wertschätzung ausdrücken lernte.» Mehr und mehr macht Gott auch auf Mankos und Belastungen in seinem Leben aufmerksam. Jehle sucht und erfährt Befreiung: «Ich fing an, in einem ganz neuen Bewusstsein zu arbeiten. Ich erkenne es als Geschenk, kreativ arbeiten zu dürfen, und spüre die zunehmende Bereitschaft, auch in anderen Bereichen wirklich Verantwortung zu übernehmen.» Die kreative Arbeit selbst, das Fotografieren, führt für Peter Jehle zu «intimen» Begegnungen mit dem Heiligen Geist. Es ist für ihn leichter geworden, die richtigen Orte und Momente zu finden, um erstklassige Arbeit zu liefern. Er fühlt den inneren Anstoss, sich für die optimale Perspektive und die idealen Lichtverhältnisse so und nicht anders hinzustellen oder gar unterwegs wieder umzukehren, wenn er merkt, dass er etwas erzwingen wollte ... «Das Zwiegespräch mit Gott – der Heilige Geist ist ja in mir – lehrt mich, Respekt zu haben. Und Dankbarkeit.»

• Peter Jehle (51) arbeitet als gefragter Fotograf in einem grossen Verlag für Postkarten und Bildbände in Zürich: «Ich geniesse die Freiräume, kreativ zu sein und darin dem Heiligen Geist Raum zu geben.»

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GELD UND GEIST Geld und Geist 7 Tipps für den biblischen Umgang mit Finanzen Angenommen, Sie haben ein Problem mit finanziellen Dingen. Zu wem würden Sie gehen? Wo würden Sie Rat suchen? Die wenigsten Menschen greifen heute zur Bibel, wenn sie Antworten auf Geldfragen suchen. Dabei sagt die Bibel mehr zum Thema Geld und Besitz als über Glaube und Gebet zusammen: Über 2000 Bibelverse gibt es zu diesem Thema!

Duane Conrad Unser Umgang mit Geld bestimmt unser Leben massgeblich. Jesus weist darauf hin, wenn er sagt: «Niemand kann zwei Herren gleichzeitig dienen. Wer dem einen richtig dienen will, wird sich um die Wünsche des anderen nicht kümmern können. Er wird sich für den einen einsetzen und den anderen vernachlässigen. Auch ihr könnt nicht gleichzeitig für Gott und das Geld leben» (Matthäus 6,24). Gottes Wort zeigt uns, wie wir im Alltag so mit Geld umgehen können, dass es uns selbst und unserem Umfeld nützt. Sieben Prinzipien fassen die wesentlichen Aussagen der Bibel zum persönlichen Umgang mit Geld zusammen.

1. Werden Sie frei von einer Mammon-Gesinnung Wenn in der Bibel das Wort «Mammon» steht, dann ist damit das Verlangen nach immer mehr Geld und Besitz gemeint. Woran hängt Ihr Herz? «Sammelt euch nicht Schätze auf Erden», sagt Jesus, «sondern sammelt euch Schätze im Himmel» (Matthäus 42

6,19-21). Fragen Sie sich selbst: Beherrschen Sie das Geld, oder beherrscht das Geld Sie? Den Zehnten zu geben, Dinge bewusst loszulassen und für Bedürftige Verantwortung zu übernehmen, macht uns frei von der Macht des Mammons.

2. Vertrauen Sie Gott als der alleinigen Quelle Ihrer Versorgung Letztlich gehört alles Gott: «Dem Herrn, eurem Gott, gehören der Himmel und alle Himmelswelten und die ganze Erde mit allem, was darauf lebt» (5. Mose 10,14). Viele vermeintlich sichere Arbeitsstellen wurden in den letzten Jahren gestrichen. Wenn Sie meinen, dass Ihr Arbeitgeber die Quelle Ihrer finanziellen Sicherheit ist, bedeutet der Verlust Ihres Arbeitsplatzes eine persönliche Katastrophe. Wenn Sie aber verstehen, dass Gott die Quelle Ihrer Versorgung ist, können Sie gelassen bleiben. Denn dann ist Ihnen klar, dass Gott auch auf anderen Wegen für Sie sorgen kann.

3. Arbeiten Sie als treuer Verwalter Die Bibel benutzt das griechische Wort

«oikonomos», um unsere Rolle im Umgang mit Geld und Besitz zu beschreiben. Es bedeutet Verwalter, Treuhänder, Hausmeister oder Vermögensverwalter. Die wichtigste Eigenschaft eines Verwalters ist Treue gegenüber dem Besitzer: «Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden» (1. Korinther 4,2). Treu zu sein bedeutet, dass Sie mit dem von Gott anvertrauten Geld in seinem Sinne umgehen – egal, ob es viel oder wenig ist. Was Sie mit den zwanzig Franken machen, die Sie in der Tasche haben, ist wichtiger, als was Sie mit einer Million tun würden, wenn Sie sie hätten.

4. Geben Sie Ihren Zehnten und öffnen Sie die Türen des Himmels «Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Haus Speise sei, und prüft mich hiermit, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle» (Maleachi 3,10). Gott versorgt uns unser ganzes Leben cz 2|06


leben mit dem heiligen geist | geld und geist

lang. Wenn wir ihm den zehnten Teil von allen Einkünften zurückgeben, unterstreichen wir damit, dass wir an diese Versorgung Gottes glauben.

5. Nehmen Sie Ihre Schulden in Angriff Viele Privathaushalte geben mehr aus, als sie einnehmen. Bezahlt wird mit Kreditkarte. Die Folge: Sie sind ständig im Minus, weil ihr Lebensstandard höher ist, als sie es sich eigentlich leisten können. Manchmal sind die Wünsche, die uns zum Schuldenmachen führen, nicht prinzipiell falsch, aber zeitlich unpassend. Schulden zu haben ist insgesamt eine ungute Situation, denn sie machen uns unfrei: «Wer borgt, ist des Gläubigers Knecht» (Sprüche 22,7). Deshalb setzen Sie alles daran, Ihre Schulden zu tilgen!

6. Schliessen Sie Ihren Kreis Sprechen Sie im Voraus mit Gott ab, wie viel Geld Sie brauchen. Definieren Sie, wie viel für Sie in der nächsten Zeit «genug» ist, und erstellen Sie ein Budget. Sie können dazu symbolisch einen Kreis zeichnen um das Geld, das Sie für sich und Ihre Familie benötigen, inklusive aller Verpflichtungen, Bedürfnisse und Wünsche. Im Gebet besprechen Sie mit Gott, wie gross Ihr Kreis, also Ihr finanzieller Rahmen, sein soll. Wer die Frage, wie viel genug ist, nicht beantwortet hat, lebt in einem System des offenen Kreises: Je mehr Geld in diesen Kreis fliesst, desto höher werden die Ausgaben. Wer vor Gott das rechte Mass gefunden hat und dann zusätzliche Einkünfte erhält, wird beten, um herauszufinden, cz 2|06

was Gott mit diesem Geld vorhat, und gebraucht es nicht einfach, um den persönlichen Verbrauch zu erhöhen.

fach so», um des Sparens willen oder «falls mal schlechte Zeiten kommen». Auch für einen möglichen Gewinn aus einem Geschäft können Sie einen bestimmten Zweck festlegen. Gott möchte, dass wir Überfluss haben, aber er kennt immer das Wozu.

7. Binden Sie Ihren Überfluss immer an einen Zweck Wenn Sie Geld zur Verfügung haben, ohne sich bewusst zu überlegen, wofür Sie es verwenden wollen, werden Sie es für irgendetwas ausgeben. Teilen Sie Ihre Lebenskosten in die Kategorien Verpflichtungen, Bedürfnisse und Wünsche ein. Sparen Sie für ein Auto, für eine Reise – aber nicht «ein-

Duane Conrad ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Seit 1972 ist er Mitarbeiter von Campus für Christus und von 1992 bis 2006 Leiter von Campus für Christus Deutschland.

Infos Infos Falls Sie mehr wissen möchten oder Hilfe wünschen, um diese Tipps in Ihrem persönlichen Leben anzuwenden, bestehen in Deutschland, in der Schweiz sowie in Österreich folgende Angebote für Sie:

Beratung für Privatpersonen Suchen Sie Hilfe für Ihre persönliche finanzielle Situation? History‘s Handful kann Ihnen einen Berater aus Ihrer Umgebung vermitteln.

Crown-Kleingruppenkurs Im 12-Schritte-Kurs für Kleingruppen lernen Sie, biblische Prinzipien im privaten Leben konkret anzuwenden. Mehrere Gemeinden haben den Kurs bereits als ideales JüngerschaftsWerkzeug entdeckt.

Deutschland Campus für Christus, Monika Möhlmann, PF 100 262, D-35332 Giessen, Tel. 0049 (0) 641 975 180, E-Mail finanzkurs@campus-d.de, www.finanzkurs.de

Motivations-Seminare mit Earl Pitts Aufgrund grosser Nachfrage organisieren wir zum siebten Mal eine Tour mit dem fundierten kanadischen Bibellehrer. Deutschland 6. bis 20. Okt. 06 Österreich 10. bis 15. Nov. 06 Schweiz 16. Nov. bis 3. Dez. 06

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Österreich Agape Österreich, Peter Heinz, Weisslhofweg 6, A-5400 Hallein, Tel. 0043 (0) 624 576 01 22, E-Mail office@agapeoesterreich.at, www.agapeoesterreich.at Schweiz History‘s Handful, Josefstrasse 206, CH-8005 Zürich, Tel. 0041 (0) 44 274 84 35, E-Mail HH@cfc.ch, www.historyshandful.ch/crown

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A F R I K A • Aktiver Vulkan im Dreiländereck Kongo, Ruanda, Uganda

Afrika – ein Kontinent am Scheideweg Entwicklung von integren Leitern als Herausforderung Nummer eins

REPORTAGE

Mit meiner Frau Vreni und unserem welschen Studierendenmitarbeiter Manuel Rapold reiste ich Ende Dezember 2005 an die Missionskonferenz EXPLO 05 in Ruhengeri (Ruanda), wo wir als Referenten eingeladen waren. Wir bekamen einen umfassenden Einblick in die Arbeit von Campus für Christus Ruanda, konnten Schlüsselleute treffen und einen Abstecher nach Goma (Ostkongo) sowie nach Kenia machen. Wir sind tief beeindruckt zurückgekehrt: Afrika braucht unsere Hilfe, und wir brauchen ihren geistlichen Eifer!

Hanspeter Nüesch

Vor hundert Jahren gab es in Afrika kaum zehn Prozent Christen. Heute bekennen sich in den Ländern südlich der Sahara über fünfzig Prozent der Bevölkerung zum christlichen Glauben, und die meisten davon sind im Gegensatz zu uns Europäern keine blossen Namenschristen. Vor allem in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren haben Millionen Afrikaner zum Glauben an Jesus Christus gefunden. Bereits schicken sie Missionare und Gemeindegründer nach Europa.1 Wir Europäer brauchen die Leidenschaft und den kindlichen Glauben der afrikanischen Christen. Unsere afrikanischen

Geschwister brauchen aber auch unsere Unterstützung, und das vor allem im Bereich der Entwicklung von biblischer Leiterschaft. Warum?

Das afrikanische Paradox Die meisten Völker Afrikas wurden in den

über hundert Jahren europäischer Kolonialherrschaft ihrer traditionellen Familien- und Stammesstrukturen beraubt. Wenn sie nicht, wie das seit Mitte des 16. Jahrhunderts der Fall war, zu Sklaven im engeren Sinne gemacht wurden, so wurden sie im weiteren Sinne Sklaven

1 Die grösste europäische Kirche befindet sich

in Kiew (Ukraine). Sie wird von einem Nigerianer geleitet, wie übrigens so manche leben-

dige Gemeinden in Europa. In diesem Jahr

• Pastoren beten anlässlich der EXPLO 05 in Ruanda für Personen, die ihr Leben Jesus Christus

soll im Welschland die erste Gemeinde ent-

anvertrauen wollen.

stehen, die von einem Ruander geleitet wird. 44

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reportage | afrika

• Konferenzplakat der EXPLO 05 in Ruanda

• Kongolesisches Urfahrrad zum Transport schwerer Lasten

ihrer europäischen Kolonialherren und so der Fähigkeit beraubt, Eigeninitiative zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen. In diesen Jahren der totalen Abhängigkeit entstand ein Gedankenmuster, das bis heute anhält. Die meisten afrikanischen Leiter können sich kaum vorstellen, etwas Aussergewöhnliches zu leisten ohne fremde Hilfe oder ohne dass sie sich selber unrechtmässig bereichern, indem sie ihre Machtposition ausnützen. Das hat zu weit verbreiteter Korruption geführt.2 Zwar gibt es auch positive Beispiele: Im vergangenen Jahr musste der ruandische Präsident, Paul

Kagame, mehrere hohe politische Funktionäre, ja selbst Minister, wegen persönlicher Abzweigung von staatlichen Geldern entlassen. Weil er dabei seine eigene Partei, die RPF, und die eigene Volksgruppe der Tutsi gleich streng behandelte wie die Hutu, hat er viel Vertrauen bei der Hutu-Bevölkerung gewonnen.3

von integrer Leiterschaft. Wir benötigen in Kirche und Gesellschaft Leiter, die unbestechlich sind. Wir haben gehört, wie man zum Glauben kommt, nicht aber, wie wir als Christen im harten afrikanischen Alltag leben können, ohne die gleichen Kompromisse zu machen wie die Umwelt.»4 Der Rektor der grössten Universität Ruandas, Dr. Kigabo

Das afrikanische Wurzelproblem Auf unserer zweiwöchigen Projektreise in Ruanda mit Kurzaufenthalt im Kongo und in Kenia hörten meine Frau und ich immer wieder dieselbe Botschaft: «Wir brauchen dringend Hilfe beim Aufbau

2 Gemäss dem ugandischen Historiker Joshua Muvumba ist es der

grösste Wunsch der afrikanischen Elite, zur Klasse der Mächtigen zu gehören, weil sie dadurch die Möglichkeit haben, auf legale und vor allem illegale Weise zur Klasse der Besitzenden und Reichen aufzusteigen. Und diese Macht muss dann immer neu gefestigt werden, indem sie sich der Ressourcen des Landes bemächtigen, ähnlich wie sie es früher bei den Kolonialherren gesehen haben. Die afrikanische Elite hätte vom Westen gelernt, wie man in grossem Masse konsumieren, nicht aber wie man in grossem Masse produzieren und die Produktion einigermassen gerecht verteilen könne. 3

Gleichzeitig hat er angeordnet, dass die Laienrichter der 12 000 Gacaca-Gerichte eine spezielle Schulung in christlicher Charakterbildung und Integrität erhalten. Die Laienrichter, zumeist arme Bauern, müssen über die 120 000 Gefangenen richten, die der Beihilfe zum Völkermord angeklagt sind. Welche Herausforderung!

4 Viele Christen haben sich nicht vom für die afrikanische Kultur

typischen Geisterglauben gelöst und leben weiterhin manche afrikanischen Traditionen, die mit dem Evangelium Jesu Christi • Dieses Pastorenehepaar lebt die Versöhnung ganz praktisch: Er ist abstammungsmässig ein Hutu, sie eine Tutsi.

unvereinbar sind. Der Umgang mit der Welt der Geister ist bis hinauf zu den höchsten Regierungsstellen ein zentrales Thema, das von der Bibel her angegangen werden müsste.

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Rusukuzwa Thomas, ermutigte uns, christliche Leiterschaftsseminare unter Dozierenden und Studierenden durchzuführen. Der Leiter von Campus Kenia bezeichnete die Korruption als das Hauptübel, das jegliche Selbstinitiative und Übernahme von Verantwortung im Keim ersticke. Es fehlten die Vorbilder. Deshalb plant er nun diesen Herbst eine internationale Studierendenkonferenz zum Thema «Integrität in der Leiterschaft».

Aufruf des afrikanischen Leiters Der Ghanese Dela Adadevoh, Leiter von Campus Afrika, fasst das afrikanische

Wurzelproblem folgendermassen zusammen: «Die primären Vorbilder von Leiterschaft waren skrupellose Leute, die von Gier motiviert waren. Auch wenn Verträge gemacht wurden, so dienten sie meist dazu, Afrika schwach und abhängig zu halten. Der Mangel an fähigen und integren Leitern schafft eine Kultur, in welcher der Blinde den Blinden leitet. Ohne Schulung und biblische Zurüstung ist das Endresultat Chaos und Korruption und als Nebenprodukt ernten wir Armut und weitverbreitete Krankheiten. Während die afrikanische Kirche stark in Evangelisation ist, ist sie gleichzeitig

schwach in Jüngerschaft und biblischer Schulung, die nachhaltig Leben transformiert. Die Zeit rennt uns davon, und die Botschaft ist klar: Afrika benötigt nicht einfach Christen, sondern christusähnliche Leiter. Der Kampf um Afrika ist heftig. Die weltlichen Leiter haben das erkannt und bitten uns um Hilfe. Gott hat unserem Dienst im Moment eine spezielle Gunst bei vielen gegeben, die in höchsten Positionen der Leiterschaft stehen. Jetzt geht es darum, diesen Leitern ein neues Paradigma zu zeigen, wie sie leiten können und Veränderungen hervorbringen, basierend auf biblischen

• Ein Grossteil der afrikanischen Bevölkerung, insbesondere auch in Ruanda, lebt in ländlichen Gebieten. Gemäss Angaben der UNO muss der durchschnittliche Afrikaner südlich der Sahara mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen. Trotz Entwicklungshilfe und Entschuldungsaktionen hat der Anteil der Armen in den letzten 30 Jahren von 56% auf 65% zugenommen.

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reportage | afrika

• Audace, Leiter von Campus Burundi (vorne links) mit Schlüsselpersonen (und ihren Ehefrauen) der burundischen Nationalarmee, die er auf Wunsch des burundischen Präsidenten in Leiterschaft und Evangelisation schult. Zum ersten Mal sind Hutu und Tutsi in diesem Auftrag vereint. (Siehe auch Text S. 49)

Modellen. Diese Aufgabe ist zu gross für eine einzelne Organisation. Nur wenn wir alle unsere jeweiligen Stärken und Gaben einbringen, können wir den Kampf gewinnen.»

Ruanda ist auf durchschnittlich 1500 Meter über Meer gelegen und bildet die Wasserscheide zwischen dem Kongo, der in den Atlantik fliesst, und dem Nil, der ins Mittelmeer mündet.

Ruanda: ein Land im Prozess der Transformation

1918 wurde die Region zusammen mit der Demokratischen Republik Kongo belgisches Mandatsgebiet. 1962 wurde Ruanda-Urundi in die Unabhängigkeit entlassen und in die zwei Staaten Ruanda und Burundi aufgeteilt. Die verfeindeten Völker der Hutu und Tutsi kämpften nach dem Ende der Kolonialzeit in erbitterten Auseinandersetzungen um die

Ruanda ist ein kleines, bevölkerungsreiches Land, im Herzen Afrikas gelegen, «Land der tausend Hügel» genannt oder wegen seiner landschaftlichen Schönheit auch als «die Schweiz Afrikas» bezeichnet. Ein Pastor stellte dementsprechend die Schweiz als «Ruanda Europas» vor.

Macht.5 Die zahlenmässig überlegenen Hutu sahen die Chance gekommen, sich ein für alle Mal von der jahrhundertelangen Unterdrückung durch die Tutsi zu befreien. Immer wieder forderten Bürgerkriege Tausende von Toten, bis dann 1994 in einem der schlimmsten Genozide der Geschichte Hutu-Milizen beinahe eine Million Tutsi und gemässigte Hutu umbrachten. Emmanuel Rutunda, der Leiter von Campus für Christus Ruanda, war während dieser Zeit im damaligen Zaire, dem heutigen Kongo, in der Ausbildung zum Campus-Mitarbeiter. Als er nach Ruanda zurückkehrte, musste

5 Ruanda war ursprünglich von den Twa, einem kleinwüchsi-

gen Pygmäenvolk besiedelt, das von der Jagd lebte. Später besiedelte das Bantu-Volk der Hutu das Land und bebaute es. Im 14. Jahrhundert wanderte aus dem äthiopischen Hochland das Hirten- und Kriegsvolk der Watussi oder Tutsi ein. Tutsi bedeutet «Vieheigentümer». Die Tutsi sind hochgewachsener und besitzen eine hellere Hautfarbe als die Hutu. Obwohl zahlenmässig in der Minderheit, standen sie in der Hierarchie immer über den ackerbautreibenden Hutu und stellten während Jahrhunderten auch den König. Auch im südlichen Schwesterstaat Burundi stellen die Hutu mit 85 Prozent der Bevölkerung • Im Versöhnungscamp werden neue Lebensgrundlagen auf der Basis des Evangeliums gelegt. Gebet, Bibellehre und gemeinsames Arbeiten gehören zum Tagesprogramm.

die grosse Mehrheit dar. Die Kolonialmächte liessen ebenfalls die bestehende hierarchische Ordnung zwischen den beiden Völkerstämmen bestehen.

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er feststellen, dass fünf seiner jüngeren Geschwister umgebracht worden waren. Emmanuel entschied sich, zusammen mit seiner Frau Bibiche die Mörder aufzusuchen, ihnen zu vergeben und ihnen das Evangelium der Gnade Jesu Christi zu verkündigen. Er entschied sich fortan, sein Leben der Versöhnung zu widmen. Bei seinem Besuch an der EXPLO 97 in Basel erhielt er die Vision, die Christen im Land zu Gebet und Versöhnung zu vereinen. Die EXPLO 2000 in Kigali, die in Verbindung mit der Mutter-EXPLO in Lausanne stattfand, vereinigte dann zum ersten Mal in grösserem Masse Hutuund Tutsi-Christen aus den verschiedenen Kirchen. Gott wirkte eine umfassende Versöhnung. Hunderte von Hutu und Tutsi lagen sich in den Armen. Der Anlass wurde später auf Wunsch der ruandischen Regierung im nationalen Fernsehen ausgestrahlt. Das EXPLO-Komitee wurde gebeten, weiterhin den Versöhnungsprozess im Land zu begleiten.6 Fünf Jahre später fand nun in Ruhengeri, im Länderdreieck Ruanda, Kongo und

Uganda, eine weitere Konferenz statt, die den Missionsauftrag zum Thema hatte. EXPLO 05 vereinigte gut 4000 Besucher, darunter mehrere Dutzend Pastoren aus den verschiedensten Kirchen. 1999 war ich zum ersten Mal in Ruanda gewesen, um die EXPLO 2000 in Kigali vorbereiten zu helfen. Damals wurde ich von vielen Kindern angegangen und gefragt, ob ich nicht ihr Vater werden könnte, da sie ihren Vater im Völkermord verloren hätten. Jetzt, fünf Jahre später, hatten sich die älter gewordenen Kinder damit abgefunden, dass sie keinen Vater hatten. Nun bezeichneten manche uns Schweizer als ihre geistlichen Eltern. Die inneren Narben sind immer noch unübersehbar.7 Zudem werden diese immer wieder dadurch aufgerissen, dass Woche für Woche landauf, landab die GacacaGerichte stattfinden, bei denen in aller Öffentlichkeit nochmals die lokalen Geschehnisse von 1994 aufgerollt werden.8 Diese Laiengerichte haben aber auch eine sehr positive Seite: Die Opferfamilien können nun ihren Schmerz öffentlich äussern und aufarbeiten.

Burundi: Wie Ruanda, aber mit ethnisch umgekehrten Vorzeichen

6 Siehe Christliches Zeugnis 1/05. 7 Von den gut acht Millionen Einwohnern sind nicht weniger als 900 000 Vollwaisen. Laut

UNICEF leben etwa 100 000 der Waisen in sogenannten «Kinderhaushalten», wo das älteste Kind für die jüngeren sorgt. Als eine Spätfolge des Genozids leiden viele Frauen an Aids oder sind bereits daran gestorben, denn Massenvergewaltigung wurde als Kriegswaffe eingesetzt. Zunehmend sind nun auch Kinder angesteckt. 8 Bei den Gacaca-Gerichten wird auf persönlicher Ebene über Gräueltaten, Schuld, Reue und

Wiedergutmachung, beispielsweise durch gemeinnützige Arbeit in der Dorfgemeinschaft, gesprochen. Geständige Täter erhalten erhebliche Strafminderungen. Durch diese gemeinsame Auseinandersetzung von Tätern und Opfern soll eine Aufarbeitung, im besten Fall sogar eine Versöhnung zwischen den Menschen, stattfinden. Dazu Innenminister Christophe Bazivomo, der selber beim Genozid seine Frau und zwei Kinder verlor, weil er als Hutu eine Tutsi-Frau geheiratet hatte und so als Verräter galt: «Wir müssen vergeben. Es ist unsere einzige Chance. Wir müssen als Hutu und Tutsi zusammenhalten und Ruanda gemeinsam aufbauen. Die Gacaca-Gerichte sollen Ruanda den Sprengstoff nehmen.» 48

Auch aus Burundi, dem südlichen Schwesterstaat Ruandas, waren einige Leiter an der EXPLO 05, darunter auch der Leiter von Campus für Christus Audace Ndayisaba und seine Frau Fredance. Mitten im Bürgerkrieg hatten sie sich auch an der EXPLO 2000 beteiligt und als Teil davon einen öffentlichen Jesus-Marsch durchgeführt. Eine Frucht davon war eine Gebetsbewegung, die zunehmend das ganze Land erfasste. Burundi litt während Jahren unter den gleichen ethnischen Konflikten zwischen den Hutu und Tutsi wie Ruanda. Auch hier starben Tausende von Menschen im jahrelangen Bürgerkrieg. Audace hat nun vom Präsidenten den Auftrag bekommen, das cz 2|06


reportage | afrika

• Wiederaufbau der Häuser auf den Lavaschichten, die sich im Januar 2002 über die Stadt Goma ergossen hatten.

Militär christlich zu unterweisen, unter anderem durch den Jesus-Film, und für diesen Zweck militärische Schlüsselleute in biblischer Leiterschaft zu schulen. Da zum ersten Mal das Militär sowohl aus Hutu und Tutsi besteht, stammen die ersten zehn militärischen Ausbildner, die Audace schulte, auch aus beiden Volksgruppen. (Siehe Bild S. 47 oben). Welche Zeichen der Versöhnung! Auch Audace musste aber zuerst in seinem Herzen den Tutsi vergeben, die ihm Hab und Gut geraubt hatten. Audace bedeutet «kühn, mutig». Ich habe bisher wenig mutigere Christen als Audace und Fredance getroffen. Über Jahre haben sie mitten im Bürgerkrieg das Zeugnis Christi mit vielen Entbehrungen hochgehalten. Oft wussten sie nicht, cz 2|06

wie sie zusätzlich zu ihren eigenen sechs Kindern auch noch jene sechs Kinder ernähren sollten, die sie als Waisen aufgenommen hatten. Und Gott hat sie immer durchgetragen.

Kongo: ein vom Bürgerkrieg gebeuteltes Land Dr. Peter Regez, der mit seiner Frau Marianne als Mitarbeiter unseres AgapeAussenmissionszweiges von 1980 bis 1985 im damaligen Zaire als Lebensmittelingenieur arbeitete, schrieb schon 1983 in der ersten Ausgabe des Christlichen Zeugnis: «In Afrika wird man nicht aufgrund von Leistung geschätzt, sondern aufgrund der Liebe zu anderen Menschen. Bei der herrschenden Korruption trifft blosse Entwicklungshilfe zu einem

grossen Teil ins Leere, wenn nicht zugleich das Herz der Menschen verändert wird und sie eine neue christliche Lebensethik erhalten.» Wir sind froh, dass wir auf den Rat von Peter Regez weiterhin zählen dürfen, der seit kurzem Vorstandsmitglied von Campus Schweiz ist. Vreni und ich hatten die Gelegenheit, zusammen mit dem Leiter von Campus Kongo, Banza Meso Kasongo, einen Abstecher nach Ostkongo zu machen und zwar nach Goma.9 Goma ist die Stadt, die 2002 durch den Ausbruch des

9 Die Bewohner in Goma haben die kongolesische Regierung im

weitentfernten Kinshasa oft nicht akzeptiert. Viele Guerillabewegungen haben hier ihren Ausgang gefunden. 49


• Dr. Peter Regez zusammen mit der kleinen Tochter eines kon-

• Vreni Nüesch spricht an der EXPLO 05 vor afrikanischen

golesischen Campusmitarbeiters: « In Afrika wird man nicht

Männern über Ehe und Familie aus christlicher Sicht.

aufgrund von Leistung geschätzt, sondern aufgrund der Liebe zu anderen Menschen.»

Vulkans Nyiragongo zum grossen Teil verwüstet wurde. In keinem Land der Welt sind in den vergangenen Jahren mehr Menschen durch Bürgerkriege umgekommen als im Kongo.10 Aber auch hier gibt es Lichtblicke am Horizont: Am 18. Juni sollen die ersten demokratischen Wahlen stattfinden. Noch aber gibt es unzählige Guerillagruppen, die das Land trotz starker Präsenz der Blauhelm-Truppen der Uno unsicher machen. Wir waren dankbar, im Konvoi des Chefs des Vulkanologischen Instituts mitfahren zu können. Beim Treffen mit einigen Campus-Mitarbeitern Ostkongos wurde mir einmal mehr bewusst, wie gefährlich ihr Dienst ist. Sie tun ihn täglich aus Liebe zu Gott und den Menschen. Ihr Hauptschwer-

punkt ist die Evangelisation durch den Jesus-Film und die Studentenarbeit. Kürzlich haben sie in den Siedlungen im kongolesisch-ruandischen Grenzgebiet der Virunga-Vulkane, wo noch die letzten Berggorillas leben, den Jesus-Film gezeigt. Sie sind zwar keinen Gorillas begegnet, aber vielen verunsicherten Menschen, die Orientierung und Halt suchten. Auf dem Rückweg wurden sie von Armeetruppen gestoppt, was normalerweise nichts Gutes verheisst, weil sich Armee und Polizei an der Zivilbevölkerung zu bereichern pflegen. Die Armeeangehörigen wollten jedoch nur den Jesus-Film sehen ... Vreni und ich sind reich gesegnet, aber auch tief bewegt zurückgekehrt. Wir

waren uns einig: Wir müssen unseren Geschwistern in Ruanda, Burundi und Kongo mit unseren Möglichkeiten unter die Arme greifen. Campus für Christus Schweiz wird deshalb die Zusammenarbeit mit den Campus-Mitarbeitenden in den Ländern Französisch-Afrikas intensivieren, besonders im «Gebiet der grossen Seen»: Ruanda, Burundi und Kongo. Zu diesem Zweck haben wir unseren welschen Studierenden-Mitarbeiter Manuel Rapold, der als Sohn einer Missionarsfamilie in Ruanda aufgewachsen ist, als Projektleiter eingesetzt.11 Er wird die Projektkoordination für Ruanda, Burundi und Kongo vorerst von der Schweiz aus wahrnehmen. Zumindest bis eine genügend grosse Unterstützung beisammen ist.

10 Nach Schätzungen der UNO sind im Bürgerkrieg 3,9 Millionen Menschen gestorben, davon viele an den Folgen

des Krieges: Hunger und Krankheiten in Folge des Kollapses der Infrastruktur. Noch immer ist die Lage im Kongo in weiten Teilen instabil, insbesondere im südlichen Bezirk Katanga, der reich an Bodenschätzen ist und der separatistische Gelüste hat, sowie im Osten, wo Rebellentruppen immer noch grösstenteils das Sagen haben. 11 Manuel Rapolds Vater, der in Ruanda als Pfarrer diente, wurde vom Rektor der Universität in Kigali als «ausser-

ordentliche Persönlichkeit» bezeichnet, weil er allen Menschen ungeachtet ihrer Herkunft in gleicher Weise gedient habe, nicht wie andere Kirchenangehörige, die sich auf die eine oder andere Seite geschlagen hätten. 50

cz 2|06


ERMUTIGEND reportage | afrika

• Der anglikanische Bischof (rechts) zusammen mit Emmanuel Rutunda, CampusLeiter in Ruanda

Stärkung der nationalen Berufung John Rucyahana, anglikanischer Bischof der Region Ruhengeri:

«

«Die EXPLO 2005 war ein grosser Segen, eine starke Botschaft vom Herrn. Die Realität des Lebens in diesem Land und die Erfahrungen Ruandas und seiner Bevölkerung kamen zum

Ausdruck, all das, was wir als Nation durchgemacht haben. Die EXPLO brachte eine Botschaft der Hoffnung und der Berufung unseres

Landes; nicht nur die Wiederherstellung der Beziehungen und unser Wohlergehen im Sinne eines egoistischen Verständnisses von Glück und Wohlstand, sondern ein Land zu bauen nach dem Willen Gottes und für das Wohl der Gemeinschaft auf allen Ebenen: geistlich, geistig, wirtschaftlich, sozial. Wir haben auch einen Auftrag an unseren Nachbarländern Kongo, Uganda, Tansania und Burundi. Wir dürfen nicht isoliert leben, sondern wir haben den Auftrag, Menschen für Christus zu erreichen, und diesen Auftrag wollen wir gemeinsam erfüllen.»

»

«Wenn du Menschen retten und heilen willst, liebe sie!» Die Geschichte von Josef Nyagatare, Fürbitteleiter der EXPLO 05 Philipp Frei Gleich nach seiner Lebensübergabe an Gott vor zwanzig Jahren in Uganda lässt sich Josef Nyagatare taufen und empfängt wenige Wochen später ein prophetisches Wort, dass durch ihn Menschen gerettet werden sollten, wenn er sie liebe. Kurz darauf wird er von Nachbarn gerufen, für eine sterbende Frau zu beten. Mit ihrer sofortigen Heilung beginnt ein neuer Lebensabschnitt für ihn: Immer mehr Menschen suchen ihn auf, er erzählt Abend für Abend von einem Leben mit Jesus Christus und wird schliesslich Leiter einer Hausgemeinde. Zwei Jahre später soll er für eine grosse Kirche eine ihrer Gemeinden leiten. Da er aber auch noch ein kleines Fischereigeschäft betreibt, lehnt er zunächst ab – bis Gott ihn ermahnt, dass Petrus sein Fischerboot damals auch nicht verkauft habe, als er berufen worden

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sei. Im Vertrauen auf Gott überlässt Josef sein Geschäft seinen Mitarbeitenden – einfach so. In der Gemeinde angekommen, stellt er fest, dass zunächst einmal viel Renovationsarbeiten am Gebäude notwendig sind. So verkauft er sein restliches Hab und Gut, um diese Renovation zu finanzieren. Mit dem Forschreiten der Arbeiten kommen immer mehr Leute in diese Gemeinde, so dass innert weniger Jahre weitere Gemeinden gegründet werden können. 1994 beruft ihn Gott nach Ruanda, wo wegen des Genozids sehr viel komplett zerstört ist. Auch hier baut er zunächst eine eigene kleine Kirche, die schnell wächst, und wird nach zwei Jahren in die Hauptstadt Kigali zur Leitung mehrerer Gemeinden berufen. Er hat Erfolg, kommt aber mit den Co-Leitern in Konflikt, als er sich weigert, moralische Probleme der Gemeinde auszublenden. Von Gott vernimmt er, sich nicht verteidigen zu müssen, und verlässt die Gemeinde, damit

• Konferenzgebetsleiter Josef Nyagatare

es nicht zu einer Spaltung kommt. Mit dieser Kündigung verliert er seine ganze Existenz, aber er hört Gottes Ermutigung, in seiner Berufung zu bleiben. Überraschenderweise erhält er von einem Ältesten der ehemaligen Gemeinde hundert US-Dollar. Im ärmsten Quartier Kigalis kauft er sich damit eine kleine Lehmhütte, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Seine Frau und er hören gleichzeitig von Gott den Ruf, eine neue Gemeinde aufzubauen. Mit dem Verkauf seiner letzten Kuh ist er auch hier gehorsam, um unter den Ärmsten Gottes Liebe zu verkünden. Sein damaliges Berufungswort hat sich vollends bestätigt: «Wenn Du Menschen retten und heilen willst, liebe sie!»

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G E S E G N E T Gesegnet und aufgewühlt Arm und doch reich Die Reise nach Ruanda und Kongo war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Ich erlebte Gottes starke Hilfe bei der Kommunikation in einer fremden Sprache; gleichzeitig hatte ich die Gelegenheit, Menschen einer anderen Kultur ganz persönlich kennen zu lernen.

Vreni Nüesch Viele öffneten mir etwas von ihrem Herz und gaben mir Einblick in ihre Lebenssituation. Für Ruander ist dies nicht selbstverständlich, gilt es doch in ihrer Kultur als Schwäche, Gefühle zu zeigen

und ehrlich zu den Problemen zu stehen. Für mich war es ein ganz besonderes Vorrecht, in die ganz einfachen Hütten eingeladen zu werden und zu sehen, wie die oft sehr grossen Familien auf kleinem, ja kleinstem Raum zusammenleben. Zu einem Haushalt gehören nebst den eigenen

Kindern meist noch verschiedene Verwandte oder sonstige Personen, die einfach auch noch ein Dach über dem Kopf brauchen. Die gegenseitige Hilfe ist gross, ja echt vorbildlich. Und trotzdem leiden viele an der offensichtlichen Armut. Viele sind schon dankbar, wenn sie

• Kinder suchen geistliche Väter wie den gläubigen Leiter des Vulkanologischen Institutes in Goma, Kongo 52

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reportage | afrika

• Fröhliche Gesichter mit Zukunft sah man an der EXPLO 05 in Ruhengeri, Ruanda

genug zu essen haben. Es bewegte mich sehr zu hören, dass nicht alle Kinder zur Schule gehen können, weil das Geld dazu fehlt. Der Besuch der Primarschule wird zwar vom Staat subventioniert, vielen Familien fehlt jedoch das Geld für Schulmaterial und Schulkleidung. Viele Kinder sind Waisen oder Halbwaisen und schon früh auf sich selbst gestellt. Verschiedentlich wurde ich von Kindern bestürmt, ich solle ihnen doch helfen, zur Schule gehen zu können. Was mich besonders berührte, war ein älterer Knabe, der selber schon recht gut Englisch gelernt hatte. Er erzählte mir, wie er mit seinen Geschwistern alleine wohne und er so gerne in die Sekundarschule (etwas wie eine Berufsschule) gehen würde. cz 2|06

Für diese Schule muss man Schulgeld bezahlen; sie ist aber fast die einzige Möglichkeit, um später eine bezahlte Arbeitsstelle zu bekommen. Wir konnten auch einige Mädchen treffen, die bereits heute dank Schweizer Unterstützung eine höhere Schule besuchen können. Sie erhalten von unseren Mitarbeitenden in Ruanda auch die nötige Betreuung, handelt es sich doch bei ihnen um Waisen. Ich wurde von den afrikanischen Christen reich beschenkt und in meinem Herzen in ganz besonderer Weise freigesetzt durch den Reichtum ihres Glaubens, die Ernsthaftigkeit ihrer Nachfolge und die Fröhlichkeit, mit der sie Gott lobten.

Gleichzeitig habe ich eine grosse Last auf dem Herzen, dass wir Schweizer Christen unseren Geschwistern in Afrika materiell unter die Arme greifen. Sie beten intensiv für einen Glaubensaufbruch in der Schweiz und teilen so ihre geistlichen Gaben des Glaubens und des Gebets mit uns. Wäre es da nicht angebracht, dass wir in gleicher Weise unsere materiellen Gaben mit ihnen teilten? Mit 600 Franken kann ein Kind ein Jahr lang zur Schule gehen inklusive Schulmaterial und Schulkleidung. Für sie ist unsere Unterstützung von existentieller Wichtigkeit und zudem ein grosses Zeichen, dass sie in ihrer schwierigen Situation nicht alleine sind. 53


B E R G V O L K Ein multikulturelles Bergvolk hilft dem anderen Ungewöhnliche Partnerschaft In Ruanda erlebten wir einen Gebetsgeist und einen leidenschaftlichen Glauben, der uns berührte. Als ich an der EXPLO nach drei Stunden meine Predigt beenden wollte, baten sie mich, nochmals eine Stunde weiterzumachen. Ich hätte doch sicher noch etwas auf dem Herzen.

• Der Konferenzgebetsleiter Josef Nyagatare lebt mit seiner Familie in einem einfachen Lehmhaus in Kigali. Fenster kann er sich zur Zeit nicht leisten.

(Siehe auch den Bericht auf Seite 51)

Armut, geistlich aber ein Reichtum, von dem wir in Europa nur träumen können.

Hanspeter Nüesch Während der EXPLO 05 wurden als Folge von Vergebung und praktizierter Versöhnung drei von vier Kranken auf der Stelle gesund, insgesamt Dutzende von Menschen. Der Mann, der die Gebete leitete, haust in einem ganz einfachen Lehmhüttchen: äusserlich gesehen grösste 54

Aufrüttelndes Wort an die Schweizer Christen Ich habe selten so viele prophetische Worte für mich, meinen Dienst und unser Land, die Schweiz, bekommen. Einiges war so zutreffend – das konnten

sie nicht erfunden haben! So betonten sie, Gott habe ihnen gezeigt, dass die Schweiz in vielen Kriegen bewahrt worden sei, und zwar weil Gott durch unser Land noch viele Völker segnen wolle. Unser Land habe einen wichtigen Beitrag zur Einbringung der weltweiten geistlichen Ernte vor der Wiederkunft Jesu zu leisten. Die Dunkelheit nehme zu. Inmitten dieser Entwicklung werde Gott jedoch einen Glaubensaufbruch geben, wie wir ihn in der Schweiz noch nie erlebt hätten. Dazu müssten wir aber unverzüglich dem Gebet mehr Platz einräumen. Es sei im Moment Kairos für die Schweiz, aber wir müssten gemeinsam die Chance packen und Gottes verheissenen Segen im glaubensvollen Gebet beanspruchen, indem wir mit neuem Feuer beteten und das Evangelium verkündeten. Jetzt sei dringend Glaubensgehorsam gefragt, sonst werde die Dunkelheit die Schweiz noch mehr prägen und Gottes Gericht sei unausweichlich. Es ist nun an uns, ernsthaft zu prüfen, inwieweit Gott durch dieses Wort uns etwas sagen möchte. cz 2|06


I N T E R N A Ruanda – Gottes Geschichte Ein Auslandprojekt von Agape international und Campus für Christus vor zusätzlichen Herausforderungen Tom Sommer «Könntest du dir vorstellen, die Koordination unserer Partnerschaftsprojekte in Ruanda, Burundi und Kongo zu übernehmen?» Manuel Rapold sitzt im Flugzeug zwischen Kigali und Nairobi, auf der Rückreise von der EXPLO 05 in Ruhengeri (Ruanda), als Hanspeter Nüesch ihm

Rapold 1975 zum ersten Mal nach Ruanda. Seither ist er innerlich verbunden mit diesem Teil der Erde und den Menschen, die dort wohnen. Die sechs Jahre, die er dort mit seiner Familie verbringt – sein Vater war dort in der Ausbildung von einheimischen Pastoren tätig –, prägen ihn tief, so dass ihm vieles dort ebenso selbstverständlich vorkommt wie der Alltag in der Schweiz.

• Manuel Rapold mit der Frau des Universitätsrektors in Kigali

Ruanda braucht Unterstützung diese Frage stellt. Über die Antwort braucht er nicht lange nachzudenken, denn alles passt so gut zusammen für ihn: seine eigene Vergangenheit, die vorhandenen Bedürfnisse in dieser Region und die kleinen Fingerzeige Gottes. Im Alter von sechs Jahren kommt Manuel 56

Die Liste an Bedürfnissen von Land und Leuten in Ruanda ist lang: Versöhnung, Hilfe für Witwen und Waisen, Berufsausbildung für junge Menschen, christliche Literatur usw. Aber das grösste Bedürfnis lässt sich nicht so einfach von aussen stillen: das Bedürfnis nach einer neuen Generation

von ausgebildeten jungen Menschen, die ihr Land aufbauen, ohne den Versuchungen der Korruption und der Misswirtschaft zu erliegen. Eine staatliche Bildungsoffensive ist schon im Gange. Aber jetzt ist es Zeit, diese jungen Menschen mit christlichen Werten zu prägen. Auch in diesem Bereich geschieht schon vieles, und doch stellt sich die Frage nach langfristigen, passenden Hilfsmitteln. Manuel Rapold ist in Lausanne seit zehn Jahren dabei, Studierende geistlich zu betreuen. Dabei beschäftigt ihn auch das Seminar «Effektiv studieren», das sowohl in der Schweiz als auch in mehreren ausländischen Universitäten wertvolle Dienste leistet. «Könnte man mit diesem Seminar nicht auch in Ruanda künftige Führungspersönlichkeiten schulen? Schon eine einzige Schulungskonfecz 2|06


A T I O N A L cfc international | ruanda – gottes geschichte ...

geht weiter renz könnte dazu führen, dass das Seminar in vielen Universitäten von Ruanda und den Nachbarländern durchgeführt wird», überlegt Manuel und sieht seine Afrikareise zur EXPLO-05-Konferenz in Ruhengeri in einem grösseren Zusammenhang.

Fingerzeige Gottes Im Sommer 2005 reiste Manuel Rapold nach fünfzehn Jahren das erste Mal wieder nach Ruanda. Auf dieser Reise erlebte er Dinge, die für ihn heute Fingerzeige Gottes sind, sich für dieses Land zu engagieren: «Wieso treffe ich letzten Sommer gerade mit dem Mann zusammen, • In einem Unterstützungsprojekt in Ruanda werden Ziegen an verwitwete Frauen

der wie kein anderer viele der christlichen Hochschulprofessoren im Land kennt? Könnte er sie wohl zu einer Konferenz einladen? Kein Problem, meint dieser! Oder die Begegnung mit einem anderen Freund aus alten Zeiten: Vor gut fünfzehn Jahren schenkte ich ihm das Buch ‹Der kniende Christ›. Er erzählt mir nun, dass dieses Buch unterdessen nicht nur von vielen einheimischen Leitern gelesen, sondern im nahen Kongo sogar zweimal vollständig fotokopiert wurde, obwohl Fotokopien sehr teuer sind. Der Generalsekretär eines Gemeindeverbandes habe damit ein Seminar für Gemeindeleiter gestaltet, und ein Leiter einer Bibelschule setze diese Kopien jetzt als Lehrmittel ein. Einen dieser Leiter, die von diesem Buch geprägt wurden, treffe

• Vorbereitung

ich nun an der EXPLO 05 in Ruhengeri: als Gebetskoordinator von Campus für Christus Ruanda setzt er sich heute für die Förderung von Gebetsbewegungen in zahlreichen Gemeinden ein.» Für Manuel Rapold sind diese Erlebnisse geradezu eine Einladung, hier noch mehr «zu säen». Er soll künftig Projekte koordinieren, um Studierende und Dozierende sowohl mit praktischen Lern- und Arbeitsstrategien als auch mit biblisch-christlicher Lebensperspektive zu erreichen. Der Rektor einer grossen Universität Ruandas hat seine Unterstützung zugesagt.

zu einer Jesusfilm-Vorführung auf dem Land in Ruanda.

vermittelt.

Wir helfen Ruanda Wir helfen Ruanda Wir helfen Ruanda Wir helfen R Bitte senden Sie mir|uns ...

... regelmässige Informationen über unsere Arbeit in Afrika (zweimal jährlich). ... Einzahlungsscheine für unsere «Ruanda, Kongo, Burundi» -Projekte mit Witwenunterstützung, Schüler-, Studenten- und Leiterschulungen und Evangelisationen mit dem Jesusfilm. Unterstützungsbeispiele: Mit Vorname:

... den in den USA preisgekrönte Ruanda-Film «Wenn wir uns versöhnen» auf DVD (dreisprachig: Deutsch, Englisch, Französisch) für 20 Franken zuzüglich Porto. («Durch die Arbeit an diesem Film hat mich Gott persönlich angesprochen, unversöhnte Beziehungen in meinem Leben zu klären.» Tom Sommer, Produzent des Films)

50 Franken können wir einer Witwe eine Ziege anvertrauen, mit 600 Franken einem Jugendlichen für ein Jahr den Besuch der Mittelschule ermöglichen, oder mit 100 Franken den Jesus-Film durchschnittlich fünfhundert Menschen zeigen. Nach einer Vorführung des Jesus-Films bezeugen meist etwa zwanzig Prozent eine Entscheidung für Christus. Das passiert auch regelmässig in den Gefängnissen mit noch Zehntausenden von Gefangenen. So wird gezielt der Versöhnungsprozess im Land gefördert. Name:

Strasse: PLZ:

Ort:

Telefon:

E-Mail:

Talon senden an: Campus für Christus, Josefstrasse 206, 8005 Zürich, Tel. 044 274 84 84, Fax 044 274 84 83, E-Mail admin@cfc.ch cz 2|06

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FUR SIE NOTIERT Medien

! Zindel, Thomas: Die FITNESS- ! Kniesel, Werner: Der Heilige Geist BIBEL. Fit fürs Leben.

im Leben der Christen.

Athletes in Action 2006. ISBN 3-905263-79-3 Beten und schwitzen – die geniale Kombination für die persönliche Fitness und für Gesundheit von Körper, Seele und Geist. Dafür gibt es jetzt die topaktuelle Anleitung von AiA Schweiz: Die FITNESS-BIBEL mit dem Neuen Testament in modernem Deutsch. Fachleute aus der Fitness-Szene erzählen von ihrer Begegnung mit dem Schöpfer und wie sie auch in schwierigsten Umständen fit fürs Leben wurden.

Jordanverlag 1991. ISBN 3-9065-6112-7 Im Zentrum dieses Buches geht es um das Was und Wie der persönlichen Glaubenserfahrung mit dem Heiligen Geist. Wie bei Jesus Christus, der all sein Wirken der gegenwärtigen Person des Heiligen Geistes zuschrieb, soll es auch in unserem Leben sein: Dass wir lernen, unser persönliches und gemeindliches Leben unter der Führung des Heiligen Geistes zu gestalten und seine Auswirkungen zu erleben.

! Torrey, Reuben Archer: Der Heilige Geist. Sein Wesen und Wirken.

! Twitchell, Kim: Bill Bright. Mit Gott auf Du. Campus für Christus Deutschland 2005. ISBN 3-88404-145-1 Eine Biographie über Bill Bright, den im Jahr 2003 verstorbenen Gründer von Campus für Christus. So spannend und herausfordernd wie die Biographie jedes Menschen, der sich vorbehaltlos und radikal Gott zur Verfügung stellt. Die Intimität mit Gott war ihm wichtiger als sein Dienst. Vertraut mit Gott sein – das ist seine Botschaft.

! Packer, James I.: Auf den Spuren des Heiligen Geistes. Im Spannungsfeld zwischen Orthodoxie und Charismatik. Brunnen Verlag 1989. ISBN 3-7655-2413-1 Eine horizonterweiternde Analyse und ein Lehrbuch über verschiedene Ausprägungen, die die Lehre über den Heiligen Geist im Laufe der Kirchengeschichte erfahren hat – von Augustin über Wesley bis hin zur heutigen charismatischen Bewegung. Der Autor ist Professor für Systematische Theologie und Theologiegeschichte am Regent College in Vancouver/Kanada.

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Herold-Verlag 1971. ISBN 3-8893-6001-7 Der Klassiker unter den Heilig-Geist-Büchern. Vielleicht stossen sich manche Leserinnen und Leser daran, dass Torrey den Ausdruck «Taufe mit dem Heiligen Geist» gebraucht. Wenn Torrey in unserer Zeit lebte und die Verwirrung sähe, die wegen dieses Ausdrucks herrscht, hätte er vielleicht eine andere Bezeichnung gewählt. Aber sein Wunsch ist, dass wir den Heiligen Geist in der ganzen Fülle seines wunderbaren Dienstes kennen lernen.

! Graham, Billy: Die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. TELOS-Paperback Hänssler Verlag 1990. ISBN 3-7751-1540-4 In diesem Buch beschäftigt sich Billy Graham mit dem biblischen Zeugnis über den Heiligen Geist. Die Bibel ist die einzige authentische Quelle, die uns in Bezug auf die Verheissungen für ein geisterfülltes Leben zur Verfügung steht. Billy Graham untersucht diese Quelle

und ignoriert dabei nicht, dass gläubige Christen biblische Aspekte unterschiedlich interpretieren können.

! Deere, Jack: Überrascht von der Kraft des Heiligen Geistes. Ein Theologieprofessor gerät in das Spannungsfeld von Theologie und Erfahrung. Projektion J 1995. ISBN 3-89490-053-9 Ein Buch, das die Diskussion, wie viel der Heilige Geist heute noch wirken kann oder darf, auf eine völlig neue Ebene stellt und Brücken schlägt. Der Autor fragt konsequent und gründlich danach, was wirklich im Wort Gottes steht. Mit einem Vorwort von Hanspeter Nüesch, Campus für Christus Schweiz.

! Campus für Christus: Das vom Heiligen Geist erfüllte Leben. ISBN 3-88404-002-2 Mit einfachen Worten und Graphiken wird in diesem Booklet anhand von vier Punkten erklärt, wie man vom Heiligen Geist erfüllt werden und ein fruchttragendes Christsein leben kann.

! campus generation: Speed. Den Heiligen Geist im Alltag erleben! Das Heilig-GeistBooklet für die junge Generation: Am Sonntag in der Kirche ist es easy, mit Gott Vollgas zu geben. Es ist wie auf einer abgesperrten Rennstrecke. Aber unter der Woche im Alltag und in der Schule, da ist es wie auf offener Strasse: Es gibt Hindernisse, und vor allem fahren nicht alle in die gleiche Richtung. cz 2|06


Der evangelistische Dienst des Heiligen Geistes: Licht des Geistes

Der vierfache Dienst des Heiligen Geistes Detmar Scheunemann Unter dem evangelistischen Dienst des Heiligen Geistes verstehen wir sein überführendes Wirken, das Menschen ihre Sünde vor Gott erkennen lässt und zugleich auch Jesus Christus als Heiland und Erlöser (Johannes 16,8.14; 15,26).

Der organisch-umgestaltende Dienst des Heiligen Geistes: Frucht des Geistes

Der charismatische Dienst des Heiligen Geistes: Gaben des Geistes

Der organisch umgestaltende Dienst des Geistes Gottes umfasst das Umgestaltet-Werden in das Bild Jesu, die Frucht des Geistes und die innere Verbindung der Glieder der Gemeinde Jesu untereinander und mit ihrem Haupt, Jesus Christus (2. Korinther 3,17-18; Galater 5,22; 1. Korinther 12,12-14). Der charismatische Dienst des Heiligen Geistes meint die Ausrüstung eines Christen zum Dienst durch die Gaben des Geistes (1. Korinther 12,4-10).

Der Strom lebendigen Wassers Der pädagogische Dienst des Heiligen Geistes:

Führung des Geistes

• Die Grafik zeigt die Einheit und Vielfalt der vier Dienste des Geistes Gottes und ihre Beziehung zum Kreuz. Das Kreuz steht in der Mitte als Grundlage der Erlösung und allen geistlichen Lebens. Am Fusse des Kreuzes entspringt der Strom lebendigen Wassers, der nach Johannes 7,38-39 den Heiligen Geist darstellt. An den Ufern dieses Stromes entwickelt sich als geistliche Vegetation: die Frucht des Geistes und die Gaben des Geistes. Über allen leuchtet die Sonne als Symbol des evangelistischen Dienstes des Geistes Gottes. Der Pfeil im Flussbett deutet das Leiten und Führen des Heiligen Geistes an. Der Fluss kann viel oder wenig Wasser führen. Damit ist die Stellung des Heiligen Geistes im Leben eines Christen angesprochen. Und zweifellos hängt mit dem «Wasserspiegel» des Stromes auch das Wachsen der geistlichen Vegetation an den Ufern zusammen. Es ist nun von entscheidender Bedeutung, die einzelnen Dienste des Heiligen Geistes nicht voneinander zu trennen, sondern ihnen zusammen Raum im Leben der Gemeinde und des einzelnen Christen zu geben. Nur so kann sich der ganze Reichtum geistlichen Lebens entfalten.

Unter dem pädagogischen Dienst des Geistes begreifen wir das Vorrecht eines Christen, von Gottes Geist geführt, getröstet und gelehrt zu werden (Apostelgeschichte 16,6-9; 1. Johannes 3,19-24; Johannes 16,13).


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