1_10 Selbstverantwortung_Kurzversion

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Zeitschrift der überkonfessionellen Bewegung Campus für Christus Schweiz

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Themen, die weiterhelfen Christliches Zeugnis zum Sammeln und Weitergeben Bestellen Sie unsere bisherigen Ausgaben zum Sonderpreis von 4 Franken pro Heft (inklusive Porto und Versand), ab 10 Exemplaren erhalten Sie pro Ausgabe 10 Prozent Mengenrabatt. Ausnahme: Esoterik I und Esoterik II kosten je 8 Franken.

Ex. Trauern und Trösten Francine Smalley und andere über hilfreiche Trauerarbeit und Trauerprozesse. Jens Kaldewey: Trauern in der Bibel. Jörg Weisshaupt: Tabuthema Suizid. Praxis: Pfarrerin Monika Riwar über Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden.

Ex. Schöpfung Felix Ruther: Warum es nicht um Schöpfung oder Evolu­ tion geht. Lebensporträts: Biopionier Emanuel Mahler, Biobauer Ernst Frischknecht, Aussteigerehepaar Peter (Indemini TI), Naturheilpraktiker Hanspeter Horsch, Solarpionier Josef Jenni. Brigitte Eggmann: Max Thürkauf.

Ex. Liebe Andrea Xandry: Vier Arten der Liebe in der Bibel. Regula Schudel: Wie würde Jesus mit Esoterikern umgehen? Porträts: Bruder Benno, Georg Müller, Ehepaar Meier und ihre Versöhnung. Praxis: Dr. Lukas Kiener und Dr. Kirstin Arp über Heilung und Wachstum der eigenen Liebesfähigkeit.

Ex. Begegnung mit Muslimen Islamexperte Dr. Andreas Maurer: Was Christen über den Islam wissen müssen. Lebensberichte: Wie Aida, Hala, Yusuf, Nadirah und Dilshad zu Jesus fanden. Porträts: Christen, die Muslimen begegnen. Reportage: Afghanistan. Praxis: Tipps zur Begegnung mit Muslimen.

Ex. Vom Glauben reden Manfred Engeli: Wie wird unser Zeugnis entlastend? Praxis: Die eigene Lebensbotschaft entdecken. Geschichten, Tipps und Erfahrungen von Urs Wolf, Marianne Hirzel, Jrene Kramer, Cornelia Lustenberger.

Ex. Leben mit dem Heiligen Geist Jens Kaldewey: Wie werde ich mit dem Heiligen Geist erfüllt? Peter Höhn: Meine Biografie mit dem Heiligen Geist entdecken. Interview mit Urs Schmid. Gerhard Tersteegen über den Umgang mit ausserordentlichen Erfahrungen. Lebensbericht: René und Brigitta Bregenzer.

Ex. Gott – Warum? Bibelstudium: Warum Menschen leiden müssen. Peter Höhn: Gesundes Gottesbild – geheiltes Selbstbild. Erlebt: Vreni Engelhard, Marlies Zindel, Familie Schwaninger, Stefan Meier, Familie Ringli. Alexander Nikendei über Notfallseelsorge, Hans-Ulrich Oggenfuss über Traumabehandlung.

Ex. Konzentration auf das Wesentliche Andreas Fürbringer: Was ist dein Wesentliches? Peter Höhn: Wurzelbehandlung des Herzens. Andrea Xandry: Der schmale Weg. Porträts: Bill Bright, Gründer von Campus für Christus, Musiktherapeut Daniel Dettwiler, Liederdichter Matthias Claudius. Praxis: Zwanzig Wege zur Stille, drei Säulen der Gesundheit.

Ex. Kunst und Kreativität Beat Rink: Kunst vom christlichen Glauben her verstehen lernen. Überblick: Kirchen- und Kunstgeschichte. Lebensporträts: Komponist Paul Burkhard, Maler Janeric Johansson und François Bosshard, Sopranistin Rosemary Hardy. Praxis: Kunst in die christliche Gemeinde einbringen.

Ex. Das Böse überwinden Andrea Xandry: Woher kommt das Böse? Lebensberichte: Hanna, Kind einer Satanistin. Als Pastor von dunklen Mächten befreit. Hintergrund: Hans Keller über okkulte Verwirrung an der Schule. Pfarrer Thomas Widmer über das Gebet um Befreiung im Rahmen der Seelsorge.

Ex. Die Bibel 22 Menschen erzählen, was, wie und warum sie in der Bibel lesen. Prof. Carsten Peter Thiede: Die Glaubwürdigkeit der biblischen Überlieferung. John Stott: Wie Jesus die Bibel las. Edi Bolliger: Die Bibel vom Herzen des Judentums her lesen. Praxis: Schwester Elisabeth über die franziskanische Art des Bibellesens.

Ex. Tod und Jenseits Dante als Dichter und Visionär des Jenseits. Oberlins Studien zur unsichtbaren Welt. Jens Kaldewey über Himmel, Hölle und «Zwischenräume». Lieselotte Müller und andere Menschen über ihre Nahtoderfahrungen. Praxis: Peter Höhn über unsere Rechenschaft vor Gott.

Notieren Sie zu jedem Hefttitel Ihre gewünschte Anzahl Hefte und senden oder faxen sie an: Christliches Zeugnis, Josefstrasse 206, CH-8005 Zürich, Fax: +41 44 274 84 83 Sie können die Hefte auch per E-Mail bestellen (bitte Hefttitel und jeweilige Anzahl Hefte angeben): christlicheszeugnis@cfc.ch

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S E L B ST V E R A N T WO RT U N G


selbstverantwortung | inhalt

selbstverantwortung | editorial

Inhalt

Editorial

ZUM THEMA

Im eigenen Leben herrschen

04

«Wir verwechseln Verantwortung mit Zufriedenstellen» Interview mit Ernst Gassmann, Seelsorger und geistlicher Berater

07 08 11 12

Kolumne «beziehungsweise» Das Bankett von Sabine Fürbringer

Raus aus der Opferrolle! Wie wir gesunden Selbstwert entwickeln, von Veronika Schmidt

Kolumne «von Wegen!» Lässt sich ohne den Meister des Lebens das Leben meistern?

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Vier persönliche Berichte

Online – in den Bergen und den Niederungen des Alltags Das Wort des Missionsleiters

Die Schweiz vor einer Hungersnot bewahrt Jakob Winzeler – sein Glaube liess ihn die Initiative ergreifen

Kolumne «New Generation» Andreas Boppart zu Katzenhaarallergie und Ventilatorenneurose

Wie können wir unsere Möglich­ keiten nutzen, statt unseren Unmöglichkeiten nachzujagen?

Transformation der Herzen Rückblick auf das Geneva Leadership Forum

Kolumnen «Filmtipp» und «Medien» Andy Schindler-Walch und Markus Baumgartner

Wenn Menschen ihre Chance nutzen

18 20 24 27 28 30 33

«Bei vielen Menschen ist der eigene Wille ungenügend entwickelt» Ein Interview mit dem Berater und Coach Rolf Lindenmann

HINWEISE

47

Seinen einzigartigen Beitrag finden Wie Anne-Rose und Roland Kurth Entscheidungen treffen

«Leiter müssen zum Führen kommen!» Interview mit Daniel Zindel, Leiter der Stiftung Gott hilft

Gottes Willen «aus der Seele» tun? Andrea-Giorgio Xandry betrachtet zwei altbekannte Bibelstellen

Leben ist Arbeit und Ruhe

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CfC national Stabwechsel Auslandprojekte Agape international, zwanzig Jahre Dozentenforum

CfC international: Agape Frankreich Interessiert an einem Gott, der Leben verändert

In eigener Sache Der neue Webauftitt von Campus für Christus und Christliches Zeugnis

50

Inserate, Impressum

Jens Kaldewey zum Rhythmus 6:1

ZUM SCHLUSS

Leben im Sieg

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Wie wir im Geist leben – statt im Fleisch, von Monika Flach und Esther Baumann

Wir einigten uns auf «Selbstverant­ wortung», und ich bin glücklich, Ihnen diese Ausgabe nunmehr unter dem dritten Titel präsentieren zu dürfen. Er trifft den Kern der Sache wohl noch besser, denn Sie werden es vom ersten Interview mit Ernst Gassmann bis zum Bericht über das Leiterforum in Genf bemerken: «Im eigenen Leben herr­ schen», aber auch «Aus der Ruhe wir­ ken» können wir dann, wenn wir die Verantwortung für das eigene Leben übernehmen, insbesondere dafür, Je­ sus den ersten Platz darin zu geben.

Peter Höhn

PS: Gerne weise ich Sie zum Thema «Selbstverantwortung» noch auf zwei Möglichkeiten hin, persönlich konkret zu werden: die beigelegte Broschüre «40 Tage Gebet und Fasten» sowie die Inserate auf Seite 50ff für unsere dringend benötigten Mitar­ beiter in Informatik und Administration.

René Bregenzer über Jähzorn

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In unseren Teamgesprächen merkten wir: Rückzug und Neuorientierung aus der Stille sind zwar unerlässlich für je­den, der sich in dieser hektischen Welt zurechtfinden will. Andererseits können wir das Rad der Zeit aber weder zurück­ drehen noch dessen Dynamik drosseln.

So schälte sich das Thema «Im Leben herrschen» heraus, ein Ausdruck, den wir im Römerbrief 5,17 finden. Hier schreibt Paulus, dass wir im eigenen Leben herrschen werden, je mehr wir aus der vertrauten Glaubensbeziehung mit Jesus Gottes Gnade und seine Ge­ rechtigkeit empfangen. Anders gesagt: Wir werden im Leben herrschen, wenn wir nicht mehr selber voreilig handeln, sondern uns in jeder Situation von Gott beschenken und leiten lassen. «Im Leben herrschen» heisst zum Bei­ spiel, aus Wunschdenken, Opferrollen und diffusem Jammern über das Zu­ viel auszusteigen. Es bedeutet auch, Egoismus, Bequemlichkeit und Passi­ vi­tät abzulegen und die eigene Verant­ wortung zu übernehmen: für meine Zeiteinteilung und meine Finanzen, für meine Beziehungen, für die Ehe und Familie, für meinen Beruf und meine von Gott gegebene Berufung.

Im Redaktionsteam waren wir zuneh­ mend vom Thema begeistert. Wir freuten uns über die kompetenten In­ terviewpartner wie Ernst Gassmann, Roland und Anne-Rose Kurth, Rolf Lindenmann und Daniel Zindel sowie über die bibel- und praxisnahen Bei­ träge von Esther Baumann und Moni­ ka Flach, Jens Kaldewey, Veronika Schmidt und Andrea Xandry. So weit, so gut. Nur der Hefttitel schien nicht zu passen. «Im Leben herrschen» sei missverständlich, sagte mir ein ge­ schätzter Mitarbeiter; das Wort «herr­ schen» kommuniziere nicht das, was wir beabsichtigten. Ich liess mich be­ lehren.

Themen, die weiterhelfen Aktion: Christliches Zeugnis zum Sammeln und Weitergeben

Kolumne «Farbe bekennen»

«Selbstverantwortung». Bis zum Titel dieser Ausgabe war es ein abenteuer­ licher Weg. Aus Anlass der Fastenge­ betszeit und des «Jahres der Stille» wollten wir als Redaktionsteam zuerst das Thema «Zur Ruhe kommen – aus der Ruhe wirken» aufgreifen. Erste An­ läufe brachten uns aber einfach nicht in Schwung. Gottes Inspiration zog uns offensichtlich in eine andere Richtung.

Deshalb wollten wir die Fragen im Hin­ blick auf unser Heftthema positiver for­ mulieren: Welche Chancen liegen in unserer Zeit? Wie können wir aus den unzähligen Optionen den eigenen Weg erkennen und gute Entscheidungen treffen? Wie können wir unsere Mög­ lichkeiten nutzen, statt unseren Un­ möglichkeiten nachzujagen? Wie lernen wir in allen Lebensbereichen und -um­ ständen im guten Sinn zu «herrschen»?

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selbstverantwortung | vier persönliche berichte

Gudrun Ahlers: «Doch, Gott kommt!» hat. In den einfachen Lebensbedin­ gungen der Dritten Welt erlebt sie ih­ re Abhängigkeit von Gott viel direkter und erfährt seine Nähe unmittelbarer. Das Leben nicht verpassen In diese Zeit fällt auch Gudruns inne­rer Entscheid, nicht auf einen Mär­ chenprinzen zu warten, obschon der Wunsch nach einem Partner da wäre. Doch sie will nicht ihr Leben verpassen und es hinterher bereuen, weil sie eine falsche Priorität gesetzt hat. Die Illu­ sion, dass ein Mann alle ihre Wünsche erfüllen könnte, weicht der Wahrheit, dass Jesus in allem in ihrem Leben der erste Ansprechpartner ist und dass er sich um alles kümmert, auch um Fra­ gen der Partnerschaft. Gudrun Ahlers hat durchlebt, dass Gott nicht alle Wünsche, aber umso mehr das Herz erfüllt, wenn man sich ganz auf ihn einlässt.

sb. Geschlagene vier Stunden verbringen wir angeregt schwatzend bei ei­ nem asiatischen Abendessen. Als ich anschliessend den Zug nach Hause nehme und über das Zusammensein mit Gudrun Ahlers nachdenke, stellen sich Freude und Glaube ein. Solche Begegnungen mag ich – wir h­a­ben uns über unsere Leben ausge­ tauscht, und dabei ist ganz selbstver­ ständlich Jesus gross geworden. Nicht, weil wir theologisiert hätten, sondern weil er sich im konkreten Leben mani­ festiert, sicht- und erfahrbar wird und souverän, gut und liebevoll ist. Abenteuerlust oder Sehnsucht nach Gott? Dass Gott sich in Gudruns Leben auf diese Art und Weise zeigen kann, ist aber nicht selbstverständlich, son­ dern Resultat eines steten geistlichen 14

Wachstums; glaubensvoll hat sie ge­ sät, mutig festgehalten und schliess­ lich gute Früchte geerntet. Und es ist klar: Da ist noch nicht die ganze Ernte eingefahren! Erstaunlich, was aus diesem schüch­ ternen, ängstlichen, kleinen deutschen Mädchen geworden ist, das damals in Bremen kein Französisch lernte, weil es eh nie aus Deutschland rauswollte. Nach dem Lehrabschluss wagte sie es immerhin schon als Kinderkranken­ schwester bis in die Schweiz. Der Be­ such einer Freundin in Südafrika ist der erste Kontakt nach Übersee, dann folgt eine Rucksacktour nach Nepal, durch Indien bis auf die Malediven. Von nun an nimmt sie alle zwei Jahre Urlaub, reist für einen Impfeinsatz in den Sudan oder nimmt an einer Indienexpedition mit Intermission teil. Na­ türlich ist es das Fremde, Prickelnde, die Abenteuerlust, die als Motor für diese Reisen dient. Aber eine Schicht tiefer ist es die Sehnsucht nach Gott, an den sie schon als Kind geglaubt

durch und durch Praktikerin. So gibt sie diesen Wunsch Gott zurück – der ihn prompt erhört. Sie kommt mit Servants in Kontakt, einer Organisation, die den Fokus ihrer missionarischen Arbeit auf das Leben mit den Ärmsten legt.

nun hier in der Schweiz weitergeht. Gudrun ist aber fest überzeugt, dass das, was sie in den KambodschaJahren bekommen hat, weit mehr ist, als was sie gegeben hat. Nicht nur sich selber hat sie besser kennenge­ lernt, sondern vor allem Gott ist sie so viel nähergekommen.

auf-Gott-Einlassen beginnen. Das war auch so in einer Fastenzeit, als sie sich zu einem dreimonatigen RomanlesenFasten entscheidet. Es entsteht un­ glaublich viel Freiraum – oder Leere. Diese Leere entpuppt sich als eine tiefe, angstmachende Einsamkeit. Sie kommt damit vor Jesus und hält ihm diese Einsamkeit hin, hält aus vor ihm, den ganzen damit verbun­ denen Schmerz. Jesus kommt, und seither ist diese fundamentale Ein­ samkeit in ihrem Leben weg – und Gott ist ihr näher. Auf meine Bemer­ kung, dass ein Mensch mit dieser totalen Hingabe ein Risiko eingeht, weil er im Vornherein ja nicht weiss, ob Gott wirklich kommt, reagiert sie mit einem festen, unerschütterlichen: «Doch, er kommt!»

Auf ihren Reisen hat Gudrun immer wieder Kontakt zu Missionaren. Ganz natürlich stellt sich die Frage, ob ihr Leben auch eine solche Wende nehmen könnte. Doch die stark theologische Ausrichtung der gängigen Missionsge­ sellschaften ist nicht ihr Ding; sie ist

Sieben Jahre in Kambodscha Nach längeren Vorabklärungen und innerem Ringen schenkt Gott Gudrun die Gewissheit, dass sie dort hingehört, und tatsächlich lebt sie anschliessend sieben Jahre in den Slums von Phnom Penh in Kambodscha und leistet eine wunderbare Arbeit, als Freundin der Menschen und als medizinische Fach­ frau. Die Zeit ist wunderschön – und sehr schwierig. Nicht das, was sie als Schwierigkeit vorausgesehen hätte, bereitet Probleme, nicht die ärmlichen Lebensverhältnisse oder die fehlende Privatsphäre im Slum. Die Zusammenarbeit im internationalen Westlerteam, sechs Leute aus sechs Nationen, erweist sich als die wahre Herausforderung. Als sie zurückkommt, weiss sie mit derselben Gewissheit, dass ihr Leben

• Fondue-Plausch in Kambodscha: Gudrun Ahlers (re) mit ihren Wohnpartnerinnen.

• Gudrun Ahlers im Jahr 1993 zusammen mit ihrem ersten Servants-Team, während eines Projekteinsatzes beim Wägen eines unterernährten Kindes und dann 1998 mit zwei Teenagern aus einem Mädchenprojekt.

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Sie hat durchlebt, wofür sie sich vor Jahren entschieden hatte: «Gott sagt von sich, dass er derselbe ist, gestern, heute und morgen – ich will glauben und erleben, dass Gott sich heute noch so manifestiert wie gestern in der Bibel. Und ich will der Bibel glau­ ben, auch wenn mein Verstand oder theologische Lehrmeinungen mir et­ was anderes beweisen wollen. Gott hat diesen Glaubensschritt über all die Jahre ernst genommen. Sich radikal auf Gott einlassen Es ist auffallend in Gudruns Leben, wie Veränderungen ganz im Verbor­ genen mit einer inneren Entschlos­ senheit und einem radikalen Sich-

Ich bin sicher, dass Gudrun aus dieser Verankerung in Christus heraus in Zu­ kunft noch für viele Menschen zum Segen werden wird, gerade solchen, die Heilung und Gottes übernatür­ liches Eingreifen brauchen.

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selbstverantwortung | seinen einzigartigen …

Seinen einzigartigen Beitrag finden Wie Anne-Rose und Roland Kurth Entscheidungen treffen Roland und Anne-Rose Kurth – er als Leiter von Agape international und sie als Seelsorgerin – stehen oft in der Versuchung, für andere Menschen zu entscheiden und zu viel helfen zu wollen. Wir haben sie gefragt, wie sie mit dieser Spannung umgehen und wie sie selber gelernt haben, im Leben gute Entscheidungen zu treffen.

Johanna Schaller Russland. Die Warteschlange der Pastoren sowie Leiterinnen und Leiter, die Gebet und ein Wort von Gott su­ chen, ist fünfzig Personen lang – die Zeit aber ist kurz. Roland Kurth, der Leiter von Agape international, kann nicht lange überlegen. Einem nach dem andern gibt er seinen inneren Ein­ druck weiter und segnet die Person. Dann steht ein junger Mann vor ihm, und Roland Kurth hat keinen Eindruck. Eine peinliche Situation. Die Versu­ chung, auf eine allgemeine Wahrheit zurückzugreifen, ist gross. «Ich habe den Eindruck, sie brauchen eigentlich nichts, sie wissen alles», sagt er dem jungen Mann. Ein Teenagermädchen möchte wissen, ob ihr Freund der Rich­ tige sei, worauf Roland Kurth zurück­ fragt, was sie denn selber denke. «Ich denke, er ist es», antwortet sie.

Hilfreiche Fragen stellen Obwohl Roland Kurth immer wieder Rückmeldungen erhält, wie sehr sein Wort in die Situation hineingespro­ chen und die Person ermutigt habe, ist es ihm lieber, wenn er Zeit für ein

• Anne-Rose und Roland Kurth, hier auf dem Roten Platz in Moskau, arbeiten seit 1983 bei Campus für Christus Schweiz und leiten seit 2002 Agape international. 20

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längeres Gespräch unter vier Augen hat. Im Gespräch mit einer Mitarbei­ terin im Ausland fragt er zuerst sich selbst: «Was könnte ihr einzigartiger Beitrag sein? Doch ich sage zunächst einmal nicht, was ich denke, sondern stelle weitere Fragen. Das mindert das Risiko, dass ich etwas Seelisches wei­ tergebe», erzählt Roland Kurth. Für ihn ist wichtiger, als nur Antworten zu geben, gute Rückfragen zu stellen und die ratsuchende Person selber Lösungen vorschlagen zu lassen. «Ich glaube, dass du das kannst», sagt Ro­ land, als sich eine Lösung abzeichnet. Denn es sei das Stärkste, was man einem Menschen geben könne, wenn man für und an ihn glaube und ihn im Glauben trage.

Dialog mit Gott und sich selber Ähnlich geht auch in Anne-Rose Kurth vor, wenn sie eine Frau in der Beratung hat. Manchen Frauen, sagt sie, falle es schwer, Entscheidungen zu treffen und die richtigen Prioritäten zu setzen. Hier helfe eine einfache Liste auf Papier: – Welche Aufgaben können aus­ schliesslich von dieser Person getan werden?

– Was darf nicht vergessen werden? – Was ist wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig? «Viele Frauen müssen dazu ermutigt werden, herauszufinden, was denn eigentlich sie selbst wollen», erklärt Anne-Rose. Bei konkreten Fragen führt sie die Frauen behutsam dorthin, sel­ ber mit Gott in den Dialog zu treten und Antworten bei ihm zu finden. Manchmal hält sie gemeinsam mit ihnen eine Zeit der Stille oder leitet zu einem schriftlichen Dialog mit Jesus an: Beide stellen Jesus dieselbe «heisse» Frage, schreiben sie auf und ebenso alle folgenden Gedanken.1 «Das Ergeb­ nis ist immer wieder überwältigend, weil die beiden Dialoge inhaltlich oft sehr nahe beieinander sind. Frauen werden auf diese Weise in ihrem persönlichen Glauben ermutigt und gestärkt, sie bekommen Trost, Weg­ leitung und Klarheit.» Mit den Men­ schen üben, auf Gott zu hören, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und die nächsten Schritte zum Leben oder zur Versöhnung zu sehen, sind für

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Vgl. dazu auch Seite 22.

• Lange Warteschlange von Pastoren sowie Leiterinnen und Leitern, die Gebet und ein Wort von Gott suchen.

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selbstverantwortung | seinen einzigartigen …

Anne-Rose selbst äusserst wertvolle Erfahrungen.

Jeder erlebt Gott anders Für ihre je eigenen Entscheidungen gehen Roland und Anne-Rose unter­ schiedlich vor: Anne-Rose sucht den Dialog mit Gott, indem sie ihm ehrlich alle Gefühle und Gedanken formuliert. Antworten findet sie während der stillen Zeit, beim Spazieren oder beim Bibellesen. Als eine Person sie vor kurzem mit einer Forderung kon­ frontiert, ist sie sehr aufgewühlt. Roland sagt ihr, sie müsse nicht auf die Forderung einsteigen, doch sein Rat erleichtert ihre Seele nicht. Sie überlegt und fragt sich, wen sie um weiteren Rat fragen könne, bis sie sich entschliesst, die Antwort in der Bibel zu suchen. «Bitte, Jesus, gib mir Weg­ weisung, vorher unternehme ich nichts», betet sie. Im Buch Ruth fin­ det sie gleich zwei Bibelstellen, die

klar in ihre Situation reden und ihr in­ nere Ruhe und Friede verschaffen. Ein besonderes Geschenk ist für Anne-Ro­ se, wenn die Nähe Gottes spürbar wird. «Ich erfahre Gottes Gegenwart häufig im Gebet, auffallend oft, wenn es um das Thema Vergebung geht, sei es bei anderen Menschen oder auch bei mir selbst.» Unvergesslich sind ihr auch die Momente mit sterbenden Men­ schen. «Ich möchte immer für die Lei­ tung Gottes offen sein, für die Winke und die sanfte Stimme des Heiligen Geistes, damit ich mehr und mehr von Jesus geprägt bin und sein Wille geschehen kann.» Roland erlebt Gott auf andere Wei­ se: «Seit vielen Jahren», erzählt er, «kommt Jesus jeden Morgen, wenn ich aufwache, an mein Bett und sagt: ‹Roland, komm, ich brauch dich heu­ te› – und nicht ich gehe zu ihm.» Er müsse Gott nicht «her-beten» oder

«her-bibellesen». Sein kindlicher Glaube gebe ihm die Gewissheit, dass Gott immer da sei. «Aus dieser Gewissheit heraus fällt es mir leicht, das zu akzeptieren, was dann tags­ über geschieht, und gut darauf zu reagieren», erklärt er.

Die Bibel thematisch studieren Im Gegensatz zu Anne-Rose, die das Leben aus der regelmässigen Stille, dem Bibellesen und dem Her­ zensdialog mit Gott heraus angeht, ist Rolands Zugang zu Gott und seinem Wort «erdverbundener». Früher habe er die Losungen gele­sen, erzählt er, doch er habe sie gleich darauf wieder vergessen und deswegen ein schlechtes Gewissen gehabt. «Seit etwa zehn Jahren», er­ zählt er, «gibt es während der Arbeit jedoch immer wieder Situationen, die Betroffenheit bei mir auslösen und eine Lösung erfordern.» Aus

dieser Betroffenheit heraus fange er an, die Bibel zu studieren. Verschie­ dene Themen fügten sich mit der Zeit zusammen, und es entstand bei sei­ nem Bibellesen immer mehr ein roter Faden. Wenn Roland unterwegs ist, spricht er bei seinen Predigten oft über ein solches Monats- oder Jahres­ thema.

Was ist mein Beitrag? Sowohl Anne-Rose als auch Roland fin­ den es hilfreich, ihren eigenen, einzig­ artigen Beitrag in einer Situation oder für eine Person zu suchen und das zu tun, was sonst niemand anders tun könnte. Ob es sich nun um ihre eige­ nen Kinder oder Grosskinder handelt, um eine spontane Begegnung im All­ tag oder um einen beruflichen Ent­ scheid, die Frage «Habe ich einen Bei­ trag? Und wenn ja, was ist hier mein einzigartiger Beitrag?» hat schon zu vielen Lösungen beigetragen.

Richtig auf Probleme reagieren Dennoch erlebten sie immer wieder Probleme, für die es keine einfachen, raschen Lösungen gebe, erklärt Roland. Das Problem sei jedoch selten das Pro­ blem, sondern wie man damit umgehe. Er erzählt von einer Dienstsituation im Ausland: Eine Person hatte ihn in einer Art und Weise behandelt, die nach westlichen Massstäben unhaltbar war. Wie sollte er richtig reagieren? «Jede Begegnung gestaltete sich schwierig», erzählt er, «immer war ich es, der die Barriere überwinden musste.» In der Bibel suchte Roland nach einer Ant­wort auf die Situation. Im Lesen von 1. Mose 3 ging ihm neu auf, dass Tren­ nung zwar nicht gut ist, aber dennoch der Realität entspricht. «Es wurde mir aber auch bewusst, dass immer wieder Licht in die Finsternis und Gutes ins Böse eingebrochen ist. Genauso kam

• Zurückfragen: «Was denkst du selber?» Roland Kurth im Gespräch mit einer russischen Mitarbeiterin. 22

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Jesus und hat die Geschichte verän­ dert.» Diese Bilder helfen Roland, die Reaktion dieser Person zu verstehen, wenn er sie auch nicht gutheissen kann. «Negative Energie in positive umzuwandeln, Hass in Liebe, Ableh­ nung in Annahme ist die eigentliche Herausforderung», sagt Roland Kurth und fügt an, dass Jesus uns lehren möchte, so wie das Maria unter dem Kreuz getan habe, Schmerz auszuhal­ ten und ihn nicht weiterzugeben.

Nach der Frucht fragen Rolands Stärke ist das Umsetzen. «Gott hat mir eine Menge Energie ge­ geben», sagt er. Auf die Frage, wo er seine Energie gut eingesetzt habe und wo nicht, antwortet er: «Es ist schwie­ rig, das selber zu beurteilen. Unsere Energie bewirkt nicht entweder Gutes oder Schlechtes, es wächst immer so­ wohl Weizen als auch Unkraut.» Viel wichtiger sei es, nach der Frucht zu fragen. Helfen wollen könne neue Pro­ bleme schaffen, und es sei etwas vom Schwierigsten, «Gutes» zu tun und den Schaden nicht zu vergrössern.

Wichtige Entscheidungskriterien In den sieben Jahren seiner Leitung von Agape international hat Roland Kurth viel Erfahrung gesammelt, die ihm heute als Entscheidungshilfe dient. «Gott führt mich in Situatio­nen, die mich betroffen machen, und die Bibel sagt, dass dort, wo ich betroffen bin, auch mein ‹Nächster› ist», erklärt Roland Kurth. Für ihn sei die Zusam­ menarbeit mit einem Team von Freun­ den, die dieselbe Betroffenheit teilten, absolut wichtig. Zweitens seien ein Schlüssel für die Arbeit von Agape international nicht Businesspläne, sondern hingegebene Menschen vor Ort. Wir können nur dort arbeiten, wo eine Person verfüg­

bar ist, wenn möglich vor Ort, die am Ende die Arbeit tut. «Drittens wollen wir nichts Neues star­ ten, sondern das unterstützen, was bereits da ist», sagt Roland Kurth und erzählt ein Beispiel: Wenn behinderte Menschen in Russland keine intakte Familie im Hintergrund hätten, gäbe es kein soziales Netz für sie. Er habe vor Jahren drei Frauen getroffen, die je ein behindertes Kind hatten und sich so miteinander organisierten, dass immer zwei Frauen zur Arbeit gehen konnten. Hier war dann auch etwas vorhanden, auf das Agape in­ ternational aufbauen konnte: Aus be­ scheidenen Anfängen wuchs die Arbeit zu einem Behindertenheim, das heute von einer russischen Firma betreut und finanziert wird. Viertens sei ein wichtiger Punkt die Multiplikation. Wenn eine Metzgerei guten Umsatz mache, sei es manch­ mal besser, eine neue Filiale in einem anderen Stadtteil aufzubauen als die Metzgerei zu vergrössern, das schaffe mehr Arbeitsplätze. Fünftens versucht Agape international in Ländern tätig zu sein, die nicht im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen; das habe sich in der Vergangenheit bei Entscheidungen als hilfreich erwiesen. Treue und Nachhaltigkeit sind wei­ tere Werte, für die Agape bekannt ist. «Wir kommen später, aber wir bleiben länger», so hat Roland Kurth das ein­ mal seinem damals 15-jährigen Sohn erklärt. Privat hält sich Roland Kurth an die Re­ gel, dass er nur etwas Neues anfangen kann, wenn er mit etwas Altem auf­ hört. «Je näher wir an unserer persön­ lichen Geschichte dran sind und an dem, was Gott mit uns tun möchte, desto weniger werden wir müde dabei», sagt er zum Schluss. 23


selbstverantwortung | online – in den bergen …

Multitasking erfordert Navigationsmenschen Frank Schirrmacher, einer der Herausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» bezeichnet in seinem Buch «Payback» das Multitasking – viele Dinge gleichzeitig tun – als neue Religion. Eine US-Studie habe aber gezeigt, dass der Mensch nicht dazu geschaffen sei, viele Dinge gleichzeitig zu tun. Gerade dies sei der Fall bei der Fülle der neuen Kommunika­ tionsmedien, die neben unserer täglichen «normalen» Arbeit bedient werden wollen. Das menschliche Gehirn sei jedoch nicht dafür geschaffen. Das Schlimme daran sei, dass mit zunehmendem Multitasking gerade die Fähigkeit dazu abnehme. Das ständige Abgelenktsein durch Mobiltelefon, Internet usw. führe zu einer Reduktion des Kurzzeitgedächt­ nisses. Dinge könnten nicht mehr gespeichert und verar­ beitet werden. Frank Schirrmacher: «Man kann das (Multi­ tasking) nicht trainieren, im Gegenteil: Man wird beim Mul­ titasking immer schlechter. Multitasking führt deshalb auch bei Jungen zur raschen Erschöpfung. An die Stelle dessen, was sie nicht mehr können – Texte verstehen und deuten – tritt nichts anderes. Die Reizüberflutung durchs Internet führt so weit, dass Kinder heute nicht einmal mehr Mimik richtig lesen und entziffern können.» In seinem Buch bezeichnet er Multitasking als Körperver­ letzung, die mit der Zeit zu «digitaler Demenz» führe. Da­ rauf angesprochen, meint er in einem Interview des «TagesAnzeigers» vom 28. November 2009: «Multitasking ist die schlimmste Praxis unserer Zeit. Sie vermanscht, wie der

• Die Familie Nüesch auf einer Wanderung im Tessin.

Online – in den Bergen und in den Niederungen des Alltags Das Wort des Missionsleiters In den Niederungen des Alltags ist es mir wichtig, regelmässig Zeiten des Innehaltens, Nachdenkens und des Gesprächs mit Gott zu haben. Das fällt mir leichter als der jungen Generation, da ich noch nicht im Zeitalter von Twitter, Playstation und Videostores angekommen bin.

Hanspeter Nüesch Nicht einmal Facebook-Freunde habe ich. Und das Mobiltelefon benutze ich nur im Notfall; wobei mich dann das Handy meist im Stich lässt, weil der Akku leer ist. Dafür ist mein geistlicher Akku umso voller, da es mir ohne die modernen «Kommunikationshel­ fer» leichter fällt, mit Gott online zu bleiben. Denn Smartphones helfen mir defi­ nitiv nicht, smart mit der beschränk­ ten Zeit umzugehen. Und FacebookFreunde helfen mir nicht, die Freund­ schaft mit Gott zu pflegen. Und Videokonsolen helfen mir nicht, eine Vision von Gottes Reich und meinem persön­ lichen Auftrag zu erhalten. Zum Glück brauche ich kein Computerspezialist 34

zu sein, um online mit Gott zu sein. Und das ist es, was ich wirklich will: Trotz der Hektik und des höllischen Lärms nicht als Getriebener zu leben, sondern himmlische Dinge für Gott voranzutreiben, seine Stimme zu ver­ nehmen und geistesgegenwärtig zu handeln. In den letzten Jahren habe ich mir die Freiheit genommen, die Erwartungen meiner Umgebung nicht immer zu er­ füllen. Ich bin nicht immer erreichbar. Ich nehme nicht mehr an allen Sitzun­ gen teil. Da ich sehr gewissenhaft ver­ anlagt war, fiel mir Letzteres anfäng­ lich sehr schwer, bis ich herausfand, dass andere sich auch hie und da die Freiheit herausnahmen, an den Sitzun­ gen zu fehlen. Und wenn man dann

wieder erscheint, wird man besonders herzlich willkommen geheissen. Heute fühle ich mich königlich frei, nur das zu machen, was Gott mir ans Herz ge­ legt hat, und nicht das tun zu müssen, was andere mir auf die Schultern legen. Die Folge ist, dass ich mehr Zeit für Gott und für einzelne Menschen habe und der Blutdruck sich gesenkt hat. Ich plane durchschnittlich min­ destens eine Stunde am Tag ein, in der ich ganz abschalten kann, um auf Gottes Frequenz zu schalten. Wie soll ich einer Familie und einem Missions­ werk vorstehen können, ohne die Stimme Gottes zu vernehmen? Aber ich muss gestehen, dass es mir immer noch nicht leichtfällt, die Hektik und den Trubel loszulassen, um auf Gott und sein Wort zu hören. Mir ist es eine cz 1|10

grosse Hilfe, von Zeit zu Zeit auch äus­ serlich Abstand zu nehmen und mich allein oder mit meiner Frau für einige Tage zurückzuziehen. Als ich vor Jahren einmal von einer mehrtägigen Bergwanderung zurück­ kehrte, meinten meine Kinder: «Papi, du siehst super aus! Das solltest du mehr machen!» Mit dem super Ausse­ hen meinten sie nicht meine von der Sonne gebräunte Gesichtsfarbe, son­ dern meine Gelöstheit und Zufrieden­ heit, die ich ausstrahlte. Ich habe es mir zur Gewohnheit ge­ macht, zumindest einmal im Jahr in die Berge zu gehen, um mit meinem Gott zusammen zu wandern. Ich reser­ viere dafür etwa vier Tage. Wenn ich so in der wunderbaren Bergwelt wandere, cz 1|10

Hirnforscher Wolf Singer sagt, das Gehirn (...) Durch die Reiz­überflutung des Multitasking wird die Gedächtnis­ struktur beschädigt. Für Computer ist es genial, wenn sie Dinge gleichzeitig tun. Wir Menschen können das nicht, wir sind lineare Wesen. Die Frage heisst: Wer beherrscht wen? Beherrschen wir die Computer oder beherrschen die Computer uns?» Dann führt er ehrlich fort: «Ich bin selber betroffen: massive Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, ständige Alarm­ stimmung und die unglaubliche Energie, die es braucht, zum Beispiel seinen Facebook-Account gut zu managen.» Leider könne man sich ja nicht so einfach ausklinken. «Wenn Sie keine SMS mehr schreiben und kein Internet mehr benutzen, dann partizipieren Sie nicht mehr an der Welt. Dann dreht sich die Welt einfach ohne Sie weiter. Und es braucht sehr viel Energie, sich von diesen Technologien fernzuhalten.» Schirrmacher plädiert für kontemplative Techniken und Ruhezeiten, um sich wieder auf das wirklich Wichtige konzentrieren zu können: «In der Tat wird die Fra­ ge, was wichtig ist und was unwichtig, zur zentralen Frage des Lebens.» Frank Schirrmachers Schlussfolgerung: «Wir brauchen Navigationsmenschen, die in der Informationsflut unterscheiden können zwischen dem wirklich Wichtigen und dem Unwichtigen.» (Zusammenstellung durch Hanspeter Nüesch)

betet es in mir oft wie von selbst. Ich diskutiere mit meinem göttlichen Begleiter alle möglichen Dinge; das heisst, ich spreche in Gedanken und manchmal auch laut, um dann die Gedanken, die mir kommen, zu bewe­ gen und darauf wieder eine Antwort zu geben. Das Gespräch mit meinem Schöpfer ist sehr unverkrampft. Er kennt mich und erwartet keine from­ men, schön formulierten Sätze. Sein Geist lebt ja in mir und kommuniziert mit meinem Geist, wie von Freund zu Freund. Und das macht ja gerade die Beziehung zwischen guten Freunden aus, dass sie nicht viele Worte machen müssen, um einander ihre Verbunden­ heit zu zeigen. Oft bin ich auch mit meiner Frau Vreni unterwegs oder wir beide zusammen

mit unseren vier plus zwei Kindern. Die gemeinsame Bibellese oder das Singen inmitten von Drei- und Vier­ tausendern ist einfach total inspirie­ rend. Als wir kürzlich im Tessin unter­ wegs waren, versuchten wir, auf dem Bergkamm angekommen, sogar ein italienisches Lied zusammen anzu­ stimmen: «O Dio, crea in me un cuore puro ...» («O Gott, schaffe in mir ein reines Herz ...»). Es hilft, von Zeit zu Zeit abzuschalten und unser Herz Gott hinzuhalten, da­ mit er es von dem angehäuften Schutt des Alltags reinigen kann. Wenn wir uns diese Zeiten des Innehaltens aber nicht nehmen, beherrscht uns immer mehr der Alltagsschrott, statt dass wir mit Gottes Hilfe über ihn herrschen. 35


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