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Zeitschrift der 端berkonfessionellen Bewegung Campus f端r Christus Schweiz

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Sport & Glaube


sport & glaube | inhalt

Inhalt ZUM THEMA

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Editorial Zum Gewinnen berufen

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Roger Keller zum Clinch zwischen Sport und Gemeinde

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«Damit Sportler Gott erfahren» Was den Sportpfarrer Primo Cirrincione an- und umtreibt

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Credo, Sport und Freudentränen

«Adrian, ich möchte bei dir beichten»

Sport und Glauben zusammenbringen

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Raum schaffen, Raum geben

«Diese WM liegt Jesus am Herzen» Homeless World Cup: das Fussballturnier der Benachteiligten

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Camps, in denen sich Menschen für den Glauben öffnen

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Junge Menschen fit für die Zukunft machen Vom Sportler zum Unternehmer in Gottes Sache

Vom Sägemeister zum Geschichten erzählenden Sportseelsorger

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Ich leiste, also bin ich?! Biblischer Impuls von Manuel Rohner zum Thema

Stimmungsbild aus dem AiA-Fussballcamp

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«Die Frage, ob der Fussball ein Götze sei»

Disziplin macht den Unterschied Das Wort des Missionsleiters Hanspeter Nüesch

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Kolumne «New Generation»

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«Dominus providebit» und «Do it» sollen weitergehen

Niederlagen im Sport als Chancen verstehen

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Meilensteine 25 Jahre Athletes in Action in der Schweiz

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Kolumnen «beziehungsweise» und «von Wegen!»

Agape international feiert

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Kolumne «Unterwegs erlebt»

«Im Leben ist es wie im Sport» Jürg Matti über Sieg und Niederlage, Sterben und Wiederauferstehen

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Dreissig Jahre Gottes Treue und Bewahrung

«Die Entdeckung meines Lebens» Wie der Glaube Menschen einander näherbringt

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Zitate vom Christustag 2010 zum Beherzigen

HINWEISE

Kolumnen «Filmtipp» und «Medien» «Heimgekommen!»

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CfC national, AiA international, Inserate, Impressum

Eine Reise zur wahren Identität – David Koller

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«Alle beurteilen dich ständig» Jacqueline Schneider Walcher über ihren Glaubensweg

ZUM SCHLUSS

«Fertigkeiten, die ein ganzes Leben lang helfen»

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Agape international Einladung dreissig Jahre Treue Gottes zu feiern

Auf Besuch bei Kunstturnerfamilie Giubellini

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sport & glaube | editorial

Editorial Zum Gewinnen berufen lich versagt haben und am Ende trotz ihrer sportlichen Leistung eine traurige Figur abgeben.

Gewinnen ist nicht nur ein menschliches Bedürfnis, sondern auch eine göttliche Einladung. Wir sollen, so sagt die Bibel in Hebräer 10,39, «das Leben gewinnen». Sport knüpft im Menschen an die Sehnsucht zu gewinnen an. Aber wer sich in der Sportszene umschaut, spürt es deutlich: Die wirklichen Gewinner sind auf lange Sicht oft nicht die Sieger, sondern die Persönlichkeiten. Das heisst Sportlerinnen und Sportler, denen man anmerkt, dass sie noch andere Werte als Rekorde, Prämien und Podestplätze haben, die ihren Charakter gebildet, daneben aber auch das Spielerische und Menschliche bewahrt haben. Sie sind es, die auch Jahre nach ihren sportlichen Erfolgen präsent bleiben. Denken wir nur an Pirmin Zurbriggen, Vreni Schneider oder – möge es so bleiben – Roger Federer. Wir kennen auch gegenteilige Beispiele aus neuester Zeit, bei denen hochdekorierte Champions charakter-

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Ich habe mich oft gefragt, weshalb der Sport Menschen derart in seinen Bann ziehen kann. Vielleicht weil er gleichnishaft den grösseren Wettkampf abbildet, in den wir alle ein­ gebunden sind. Weil er uns tief drin an unsere höhere Berufung erinnert: zu gewinnen! Gewinnen ist nicht nur ein menschli­ ches Bedürfnis, sondern auch eine göttliche Einladung. Wir sollen, so sagt die Bibel in Hebräer 10,39, «das Leben gewinnen». Und, so wird uns weiter gesagt, wir würden es gewinnen, wenn wir uns an die Spielregeln hielten, die Gott uns für unser Leben gegeben hat. «Wer an einem Wettkampf teilnimmt, kann nur gewin­nen, wenn er sich an die Regeln hält» (2. Timotheus 2,5). Von dieser tieferen Erfahrung, was «wirkliches Gewinnen» für sie heisst, erzählen in dieser Ausgabe unterschiedliche Menschen aus der Welt des Sports. Zum Beispiel der Ruderer und Spitzensporttrainer David Koller oder die ehemalige Wasserspringerin Jacqueline Schneider Walcher, die sich beide durch ihre Glaubensbeziehung zu Jesus aus ihrer Identitätskrise befreien konnten. Oder der ehemalige Snowboardnationaltrainer Jürg Matti,

der in Erfolgszeiten zu Gott gefunden hat, aber nun mit dem viel zu frühen Tod seiner Frau Ursula fertig werden muss. Die Beiträge über David Möller, der die Fussballnationalmannschaft der am Rand der Gesellschaft lebenden «Strassensportler» betreut, und über Beat Fasnacht, der übergewichtige Jugendliche fit für ihre berufliche Zukunft macht, zeigen, dass der Sport für manch einen zur Schule fürs Leben wird. Auch das Team von Athletes in Action (AiA) mit Primo Cirrincione, Adrian Hofmann, Regula C. Maag und Manuel Rohner setzt in der ganzheitlichen Verbindung von Sport und Glauben wert­volle Akzente: Mit Sportgottesdiensten und -treffpunkten, geistlichen Trainings, Sport-Care-Diensten und Sportcamps bietet AiA vielen Aktiven, Trainerinnen und Funktionären aus der Welt des Sports lebensverändernde Perspektiven. Aus Anlass des 25-jähri­ gen Bestehens in der Schweiz stellen wir die Arbeit von AiA ausführlich vor. Was ihnen auf der Seele brennt, ist auch das Ziel dieser Ausgabe: Dass Menschen das Leben gewinnen und zu Persönlichkeiten werden – und so vielen anderen den Weg zum Leben zeigen. Peter Höhn

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«Damit Sportler Gott erfahren!» Was den Sportpfarrer Primo Cirrincione an- und umtreibt Initiative ergreifen, Beziehungen pflegen, Vertrauen schaffen: Für den Leiter von Athletes in Action (AiA) sind das die Schlüsseltugenden, um Sportlern und Sportlerinnen die Kraft und Relevanz des christlichen Glaubens nahezubringen.

Peter Höhn CZ: Primo, was fasziniert dich an deiner Arbeit am meisten? Zu erleben, wie Gott in der Sportwelt Wege ebnet. Sich in diesem Dschungel zu bewegen und zu unterschiedlichen Menschen den Kontakt zu finden, ist Abenteuer und Herausforderung zugleich. Besonders freut mich, wenn Menschen aufgrund dessen, was ich ihnen bringe, Schritte zu Gott hin machen und im Glauben wachsen. Was bringst du ihnen denn? Ich bringe einfach mich selbst: einen Menschen, der Zeit hat, der wahrnimmt, hinhört und zuhört. Meine Stärke ist, dass ich mich für den Menschen interessiere, der hinter dem Sportler steht, und mich ganz seinen Fragen und An­ liegen widme. Welche Fragen werden dir gestellt? Es geht oft um Beziehungsfragen und -krisen, um Erfolgsdruck, Überlastung und um Blockaden vor und während des Wettkampfs. Auch Identität ist ein grosses Thema: Was gibt mir meinen Wert? Gemeinsam versuchen wir das «Ventil» zu finden, damit der Druck verschwindet und die Freude am Sport und am Leben wiederkommt. 4

Wieweit kannst du die Dimension des Glaubens einfliessen lassen? Das hängt von meinem Gegenüber ab. Wie gut kennen wir uns? Welche Vertrauensbasis ist da? Wie offen ist jemand für die Perspektive des Glaubens? Als Sportpfarrer darf und will ich diese Dimension ansprechen – ich bin ja Seelsorger, nicht Mentaltrainer. Aber ich will die Menschen in ihrem Glauben nie bedrängen, sondern sie dort abholen, wo sie stehen. Ein Beispiel? Ich begleite einen Schwimmer aus dem A-Kader. Für ihn ist der Glaube ein wichtiger Faktor. Wenn er eine Krise hat und mich anruft, versuche ich mit ihm, für seine Situation eine biblische Perspek­ tive zu gewinnen: dass er sich wieder auf Jesus fokussieren kann, dass er seinen Sport für Gott macht und nicht für Menschen. Bei anderen, für die der Glaube kaum ein Thema ist, geht es im Gespräch mehr darum, die Ge­dan­ ken­abläufe zu durchleuchten, sich vom Vergleichsdenken zu lösen und sich auf die eigenen Stärken und Begabun­ gen – manchmal sage ich auch, «auf die von Gott gegebenen Begabungen» – zu fokussieren.

Welche besonderen Ermutigungen hast du kürzlich erlebt? Da ist zum Beispiel ein pastoraler Kontakt zu einer Goldmedaillengewinnerin, der über die Jahre am Wachsen ist. Oder Beziehungen, die sich zu verschiedenen Sportfunktionären ergeben haben, die ich ein-, zweimal im Jahr besuche. Ei­nem Mann konnte ich kürzlich das Buch «Die Hütte» schenken. Er schrieb später in einer E-Mail, er fühle sich sehr angesprochen. Diese regelmässigen Besuche sind sehr wertvoll und haben uns in den letzten Jahren viel Vertrauen gebracht. So haben sich auch bei offiziellen Stellen wie beim Bundesamt für Sport und beim Internationalen Olympischen Komitee Türen geöffnet, zum Beispiel für unsere Sports-Chaplain-Einsätze an internationalen Wettkämpfen. Beziehungsarbeit ist das A und O ... Ja, und es ist meine Verantwortung, immer wieder die Initiative zu ergreifen und dann die Resultate Gott zu überlassen. Ich bin ja selbst zu AiA gekommen, weil jemand die Initiative ergrif­fen hat: nämlich der damalige Leiter von AiA Europa, Joe Smalley. Er hat an mich geglaubt und mich herausgefordert, bei AiA mitzuarbeiten. Das war 1998. Kurz darauf, im März 1999, ist er gestorben. Sein Tod wurde für mich cz 3|10


sport & glaube | damit sportler gott erfahren

wie ein Vermächtnis: Ja, ich bin wirklich zu dieser Arbeit berufen und wurde gesandt, damit Menschen in der Welt des Sports Gott erfahren und ihre wahre Lebensberufung finden. AiA gibt es in der Schweiz seit 25 Jahren. Was ist deine Vision für die nächsten Jahre? Ich möchte sehen, dass in jeder Sportart geistliche Bewegungen lanciert werden. Dass christliche Sportler und sportliche Christen die Initiative ergreifen und dazu beitragen, dass Gottes Liebe in «ihrer Sportwelt» sichtbar wird. Wir erleben das zum Beispiel bei den Windsurfern: Surferinnen und Surfer, die sich in den Camps kennengelernt haben, treffen sich nun alle zwei Monate unter dem Namen GoodMove (www.goodmove.ch) und tauschen sich über fachliche und geistliche Themen aus. Solche Initiativen wollen wir von AiA unterstützen und vorantreiben. AiA wird somit auch in Zukunft ganz auf ehrenamtliche Mitarbeitende setzen? Ja, unsere rund zweihundert Ehrenamtlichen, die sich für Camps, Sportlertreffs, Sportlerpartys, Sportgottesdienste und in der Eins-zu-eins-Begleitung einsetzen, sind unser wichtigstes Kapital. In sie wollen wir auch in Zukunft unsere ganze Kraft investieren und diese Kraft freisetzen, damit sie – auf welche Art auch immer – Bewegungen auslöst, die Sport und Glaube in fruchtbarer Weise mit­ einander verbinden. cz 3|10

Primo Cirrincione (38) wuchs in Basel auf. Nach seiner Lehre als Chemielaborant studierte er auf St. Chrischona Theologie und arbeitete ein Jahr als Gemeindepastor. 1998 begann er als Mitarbeiter bei Athletes in Action, organisierte und leitete Camps, koordinierte Sportgottesdienste und arbeitete sich in den Dienst eines Sports Chaplain ein. 2007 übernahm er die Leitung von AiA Schweiz. Primo ist verheiratet mit Heike, zusammen ha­ ben sie drei Kinder und wohnen in der Nähe von Basel.

Wer ist AiA? Athletes in Action (AiA) ist eine internationale christliche Sportorganisation, die in über siebzig Ländern, davon vierzehn europäischen tätig ist. In der Schweiz wurde AiA 1985 gegründet und arbeitet unter dem Dach von Campus für Christus Schweiz. In drei Hauptbereichen begleitet und unterstützt AiA Sportlerinnen und Sportler in Lebens- und Glaubensfragen:

Sportcamps In über siebzehn Camps für verschiedene Altersgruppen und Sportarten werden Menschen unter fachkundiger Leitung sportlich und geistlich gefördert.

Training In Weekends für Freiwillige, in der Sportbibelschule und in speziellen Seminaren können Sportlerinnen und Sportler ihren Glauben ver­ tiefen und sich für die Herausforderungen des Lebens fit machen.

• Impression aus dem Surfcamp in Sorico am Comersee: Athletes in Action – vier angestellte und über zweihundert ehrenamtlich Mitarbei­ tende, die sich in Camps, Treffpunkten, Semina­ ren und in der Beratung engagieren.

Weitere Informationen Sport Care Durch Coaching, Sportseelsorge, Chaplain-Einsätze bei Sportanlässen und Sportgottesdienste sollen Menschen im Sport geistliche und emotio­ nale Unterstützung erfahren und zu neuer Kraft und Selbstvertrauen finden. 5

Athletes in Action Josefstrasse 206 8005 Zürich Telefon 044 274 84 75 E-Mail info@athletes.ch www.athletes.ch


«Alle beurteilen dich ständig» Jacqueline Schneider Walcher über ihren Glaubensweg Die ehemalige Wasserspringerin und heutige Fitness- und Gesundheitsbotschafterin Jacqueline Schneider Walcher weiss, was es heisst, in der Öffentlichkeit zu stehen und dem Urteil anderer ausgesetzt zu sein. Im Interview erzählt sie, wie sie in der Beziehung zu Gott ihre wahre Identität gefunden hat. Heute ist sie überzeugt: Ohne Sprünge zu wagen, kommt man auch sonst im Leben nicht weiter.

Sabine Fürbringer CZ: Jacqueline, du warst eine äusserst erfolgreiche Spitzensportlerin. Trotz all der Anerkennung und den Medaillen, die der Sport dir eingebracht hat, suchtest du gerade in dieser Zeit der Höhepunkte nach Gott. Was hat dich dazu geführt? Jacqueline Schneider Walcher: Ausschlaggebend war die WM 1998 in Perth. Ich war beeindruckt von all den Weltklassesportlerinnen, mit denen ich mich messen musste. Mich selbst sah ich daneben ganz klein, ich war mental blockiert und konnte die Leistungen nicht bringen. In dieser Situation begann ich, zu Gott zu schreien. Aus meinem katholischen Hintergrund

• «Ich habe erfahren, dass Gott mich liebt, egal was andere sagen.» Jaqueline Schneider Walcher zusammen mit ihrem Mann Jörg und den zwei Töchtern Joy und Jessie. 26

heraus war ich zwar immer auf eine Art gläubig, aber nun ging ich raus in die Natur und schrie zu ihm. Ich wollte ihn kennenlernen, dachte, es müsse doch noch mehr geben. Da draussen fühlte ich mich Gott am nächsten, konnte Kraft empfangen und wurde innerlich richtig gestärkt. Als ich an dieser WM dann Vierte wurde, war das ein grosser Durchbruch: Nachher gingen viele Türen für mich auf, bei Sponsoren und in den Medien. Wie hat sich dein Leben anschliessend aufgrund dieser Beziehung zu Gott verändert? Wieder zu Hause, war ich Feuer und Flam­me und ganz offen. Ich habe sofort begonnen, von Gott zu erzählen, auch in den Medien. Die Reaktionen darauf waren recht gut. Gewisse hatten aber auch Probleme damit, und ich verlor Sponsoren. Aber es war alles so neu in meinem Leben. Ich fühlte mich sehr abhängig von Gott, auch später, an der Olympiade 2000 in Sydney. Ich war hungrig nach Gott, besuchte verschiedene Gemeinden und hörte mir auch zu Hause viele Predigten an. Ich wollte so viel wissen.

Dieser geistliche Hunger führte auch dazu, dass du eine Bibelschule bei AiA besucht hast. Lesen Sportlerinnen und Sportler die Bibel denn anders? Inhaltlich ist das eine normale Bibel­ schule, du hörst dir zu Hause die Lern­ einheiten auf CD an, und alle drei bis vier Wochen triffst du dich zum Austausch mit deiner Kleingruppe. Es waren vor allem Breitensportler dabei. In meiner Kleingruppe waren jedoch auch ei­ nige Leute, die sich im Promi-Umfeld bewegten – das war für uns eigentlich eine noch grössere Gemeinsamkeit als der Sport. Mir fiel es in dieser Zeit wie Schuppen von den Augen – ich verstand die ganze Weltgeschichte anders. Mit dem Heiligen Geist ging mir quasi die dritte Dimen­ sion auf: Ich konnte Zusammenhänge erkennen, wo ich bisher nur zweidimensional gesehen hatte. Und ich begriff, dass mit Jesus alles möglich ist. Welchen Nutzen hast du für dich persön­ lich aus dieser Auseinandersetzung mit der Bibel gezogen? Als Sportlerin stand ich unter einem enormen Druck. Alle bewerten dich ständig: der Trainer, die Kampfrichter, cz 3|10


sport & glaube | alle beurteilen dich ständig

• Jacqueline Schneider Walcher ist vierzehn­ fache Schweizer Meisterin im Wassersprin­ gen, Olympiafinalistin und wurde 1998 Vierte an der WM in Perth, Australien. Als Fitness- & Gesundheitsbotschafterin trainiert sie Menschen u.a. in Ernährung und Fitness, hält Referate in Firmen zum Thema Wellbeing 24-7 oder referiert in Gemeinden über Ernährung&Fitness aus biblischer Sicht. (Mehr dazu unter www.jacquelineschneider.ch oder info@jacquelineschneider.ch)

sogar die Nachbarn. Du stehst im Bade­ anzug auf dem Brett oben, und alle schauen und beurteilen dich. Du gibst dein Bestes, und doch ist es nie gut genug. Ich habe erfahren, dass Gott mich liebt, egal was andere sagen. Er hilft mir, meine eigene Identität kennenzulernen. Das ist wichtig, um wieder aufstehen zu können, auch wenn etwas mal nicht klappt. Die Bibel sagt, dass ich alles könne durch den, der mich stärkt, und dass ich mit Gott über Mauern springen könne. In Sydney begleitete mich Gottes Zusage aus dem Buch Jesaja, dass er bei mir sei, auch wenn ich durchs Wasser gehe. Nach einem schlechten Sprung wäre ich manchmal am liebsten gar nicht wieder an die Wasseroberfläche gekommen. Bei einem gelungenen Sprung wollte ich so rasch als möglich oben sein, um zu rufen: «Habt ihr’s alle gesehen?» Unter den Spitzenathletinnen gibt es Machtkämpfe – einige sind recht eingebildet. Ich genierte mich vor ihnen, war eingeschüchtert und konnte mich nicht so geben, wie ich bin. Aber mit Jesus an meiner Seite wurde das alles anders: Ich durchschaute das Spiel und konnte darüberstehen. cz 3|10

Du stehst auch heute noch im Rampen­ licht. Wie gehst du damit um? Ich will für Jesus scheinen und eine gute Botschafterin für ihn sein. Ich will bezeugen, dass es ein Leben in Fülle gibt. Gerade auch unsere Ehe soll ein Zeugnis dafür sein. Grundsätzlich liegt mir die Zusammenarbeit mit den Medien, auch wenn die ständige Beurteilung manchmal anstrengend ist. Die Medien brauchen halt Schlagzeilen. Manchmal schmerzte mich auch die Kritik von christlicher Seite, weil Einzelne fanden, dass ich das Falsche gesagt hatte. Dabei will ich einfach eintreten für Jesus – das braucht auch für mich viel Mut, und ich könnte Unterstützung brauchen. Aber wir sind alles Menschen und machen auch Fehler. Für mich ist wichtig, was Gott über mich denkt und sagt. Ich erlebte gerade in diesem öffentlichen Leben auch viel Schutz und Wohlwollen. Wo siehst du die grössten Bedürfnisse von Sportlerinnen und Sportlern, die so wie du im Rampenlicht stehen? Sportlerinnen und Sportler erleben den Absturz und die grosse Leere, wenn der Erfolg ausbleibt. Wer seine eigene Identität und Berufung neben der sportli­ chen Karriere nicht kennt, bekommt Probleme. Das habe ich selbst auch erlebt. Wenn du erfolgreich bist, hast du Sponsoren, du wirst in den Medien

herumgereicht, wirst gestylt, bekommst Kleider, alles wird schön gemacht. Bleibt der Erfolg aus, wirst du schnell vergessen. Das Einkommen ist weg. Du weisst nicht, wie es finanziell weitergehen soll, du musst deine Karriere ganz neu planen. Nach meiner aktiven Zeit als Sportlerin merkte ich, dass ich neue Ziele brauche. Ich kann nicht im Alten drinbleiben. Sportlerinnen und Sportler brauchen Ziele vor Augen. Es ist darum wichtig, schon frühzeitig andere Talente und Fähigkeiten zu entdecken. Was kann ich, was mache ich gerne, wo will ich hin? Das löst dann eine Begeisterung aus, und du kannst mit der gleichen Motiva­ tion, mit der du vorher sportliche Ziele verfolgt hast, ans Neue herangehen. Wie sieht dein Beitrag in der Welt des Sportes heute aus? Ich trainiere und coache Menschen und insbesondere auch andere Schlüsselpersonen auf verschiedenen Ebenen. Dabei geht es um ihr ganzheitliches Wohlbefinden. Natürlich ist die körperliche Fitness, das heisst gesunde Ernährung und gezieltes Training, ein Kerngebiet von mir. Wellbeing 24-7 umfasst weiter auch den mentalen Bereich, aber auch Karrie­re oder Berufung und den Umgang mit verschiedenen Lebenssituationen, zum Beispiel in Beziehungen. Und wie lebt sich dein Glaube fernab vom Sport? Kommst du auch heute noch in Situationen, in denen du sinnbildlich einen Sprung ins kalte Wasser wagst? Natürlich. Wer keine Sprünge wagt, kommt nicht weiter. Sicher wäre es schön, Gottes Stimme immer ganz deutlich zu hören. Aber ich versuche, meinem Herzen zu folgen und dann auch Dinge zu wagen und nicht zu warten, bis alles perfekt ist. Beim Schrittesetzen und -gehen kommt man weiter, vielleicht auch mit einer Korrektur unterwegs. 27


Junge Menschen fit für die Zukunft machen Vom Sportler zum Unternehmer in Gottes Sache Beat Fasnacht musste seinen Traum vom Leistungssportler schon mit neunzehn Jahren begraben. Was blieb, war sein eiserner Wille, etwas zu bewirken. Motiviert vom christlichen Glauben, fördert und trainiert Beat Fasnacht heute benachteiligte Jugendliche für ihre berufliche Zukunft.

Den Nöten der Zeit begegnen

Heike Cirrincione Einige wenige Kilometer von Fribourg entfernt, in Giffers, befindet sich das ehemalige Mädcheninternat Guglera. 1850 von Pater Theodosius gegründet, wechselte es im Jahr 2007 seinen Be­ sitzer und seine Bestimmung. Heute ist hier der Sitz des Instituts St. Josef Guglera AG unter der Leitung von Beat Fasnacht.

Der Fribourger Unternehmer hat nicht nur das Gebäude, sondern auch das Motto von Pater Theodosius übernommen: «Was Bedürfnis der Zeit, das ist Gottes Wille.» So will Beat Fasnacht mit dem Institut Guglera auch heute den Nöten der Zeit begegnen. Besonders am Herzen liegen dem Unternehmer die Jugendlichen in der Schweiz, die bei der Lehrstellensuche benachteiligt sind. Dies sind vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund, aber auch stark übergewichtige junge Menschen. Ich habe Beat Fasnacht in Giffers besucht und ihn gefragt, wie es dazu gekommen sei und was ihn bewege, sich in solchem Mass für dieses Ziel zu engagieren.

Vom Sportler zum Unternehmer Als angehender Leistungssportler, erzählt Beat Fasnacht, habe er schon früh gelernt, für eine Sache zu kämpfen, dranzubleiben und eigene Bedürfnisse auch einmal zurückzustellen. Nach seinem jähen verletzungsbedingten Karriereende wurde er Jungunternehmer, führte das erste Squashcenter der der Schweiz, war Mitbegründer des Schweizer Squashverbandes und später

• Beat Fasnachts Herz schlägt dafür, dass benachteiligte junge Menschen eine Zukunft haben. 34

des Schweizer Triathlonverbandes. Neue Projekte kamen hinzu, andere gab er ab, doch sein Tun war immer von einer enormen Zielstrebigkeit geprägt. Heute ist er Inhaber und Geschäftsführer der im Hygiene- und Diagnostikbereich tätigen Almedica AG mit Sitz im Institut Guglera.

Das Fundament Privat erlebte der erfolgreiche Unternehmer aber auch schwierige Zeiten. Während einer Ehekrise fanden Beat und seine Frau Gaby zu einer persönlichen Beziehung mit Jesus Christus, die seither auch den Familienalltag mit den heute erwachsenen drei Kindern beeinflusst. Er betont: «Jesus spielt in keiner Weise eine Rolle in meinem Unternehmen – er bildet vielmehr das Fundament, auf dem alles aufbaut.» Für Beat Fasnacht gibt es keine Trennung zwischen Sonntag und Alltag. «Glaube muss lebensrelevant sein», weiss er. Und mit einer gewissen Hochachtung stelle ich fest: Bei Beat sind das nicht nur Worte eines Traumes – vor mir sitzt ein bodenständiger Mann, der sich mit Leib und Seele dafür einsetzt, dass dies Realität wird und bleibt. cz 3|10


sport & glaube | junge menschen fit für die zukunft ...

Biblisches Konzept Hinter seinem neuen Konzept in Giffers steht für Beat Fasnacht der Gedanke eines gemeinschaftlichen Lebens, wie es in der Apostelgeschichte von den ersten Christen berichtet wird. «Da gab es drei wichtige Bereiche in der Gemeinde, die sich gegenseitig dienten und freisetzten», erklärt Beat Fasnacht, «und die möchten wir auch hier umsetzen.» 1. Die Landbesitzer oder der Businessbereich Was in der Urgemeinde die Landbesitzer waren, die Land verkauften und die Gemeinde finanziell versorgten, seien heute die eigenen Wirtschaftszweige. Dieser Profitbereich dient der Versorgung, er generiert notwendige Finanzen, und der Überschuss fliesst in den diakonischen Bereich. 2. Diakoniebereich In diesem zweiten Bereich, dem NonProfit-Bereich, geht es um die Investition in Menschen. Hierfür schlägt das Herz von Beat Fasnacht besonders stark. Die Stiftung deStarts bietet ein Motivationssemester für Jugendliche an, um ihnen beim Einstieg ins Berufs­ leben zu helfen. «Fünfzig bis siebzig Prozent der Jugendlichen, vorwiegend mit Migrationshintergrund, finden danach eine Stelle», berichtet Beat Fasnacht. In einem anderen, mindestens ein Jahr dauernden Trainingsprogramm werden übergewichtige Jugendliche aus der ganzen Schweiz auf die Berufswelt vorbereitet. Sie nehmen ohne Diät mit «normalen» Portionen, viel Bewegung und Sport «nebenher» noch einige Kilos ab. «Wir setzen nicht auf kurzfristige Diäten, sondern auf eine umfassende Änderung der Lebensgewohnheiten», sagt Beat Fasnacht. Nicht ohne Stolz erzählt er, dass eine Teilnehmerin hundert Kilogramm abgenommen habe. «Was jedoch den Unterschied macht», so betont er, «sind nicht die Kilos, die cz 3|10

fallen, sondern das neu gewonnene Lebensgefühl.» In der Schweiz führt das Institut Guglera die erste Einrichtung dieser Art. Im Moment geht man von bis zu 5000 stark übergewichtigen Jugendlichen aus, und die Zahlen sind steigend. Beat Fasnacht ist es wichtig, für die Jugendlichen als Ansprechperson präsent zu sein. Das Mittagessen wird gemeinsam eingenommen, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Profitbereichs sind dabei. Und das Büro ist jederzeit zugänglich für Jugendliche, die gerade ein offenes Ohr brauchen. 3. Wohngemeinschaft und spirituelles Leben Gemeinsam ihr Leben teilen – das tun Beat und Gaby Fasnacht mit zweien ihrer Kinder, drei Ehepaaren und Einzelpersonen. Dafür verzichten sie auf die Hälfte des in der freien Wirtschaft üblichen Gehalts.

wieder auf, denn an seine Grenzen komme hier jeder früher oder später. «Es braucht den Glauben an Jesus als Fundament und dazu noch eine klare Überzeugung, das Richtige zu tun.» Dieses Wissen, etwas Wichtiges im Leben einzelner Menschen zu bewirken, hilft weiterzumachen – das sehe ich deutlich in Beats Gesicht, als wir vor der Fotowand der «Ehemaligen» stehen und uns verabschieden. Beat Fasnacht hat noch weitere Ziele: Eine Job Factory wie in Basel soll auch in Fribourg eröffnet werden. Und für die Nachbetreuung der Jugendlichen, die das Institut Guglera verlassen, brauche es noch dringend Familien in der ganzen Schweiz, die ein Zimmer und Unterstützung bieten ...

Websites • www.guglera.ch • www.destarts.ch

Echos von Jugendlichen

Braucht es für diesen Schritt nicht viel Überzeugung? «Ja und nein», meint Beat Fasnacht und zeigt mir «als ein Unternehmer, der mit Zahlen rechnet», auf, dass für viele Dinge wie Wohnen, Essen, Unterhalt der Liegenschaft usw. gesorgt sei. Arbeitswege unter einer Minute haben ausserdem zur Folge, dass einfach mehr Zeit bleibt, die man dann sinnvoll einsetzen kann. «Auch miteinander den Glauben zu teilen, ist intensiver möglich, wenn man nicht nur zusammen Gottesdienst feiert, sondern auch zusammen arbeitet und wohnt», betont Beat Fasnacht. «Und letzten Endes kommt das wieder­ um dem ersten und zweiten Bereich zugute!»

«Ich entschuldige mich für meinen Dickschädel und bedanke mich sehr für eure Geduld!» «Es ist zwar sehr hart im deStarts-Programm, aber ich nutze die Chance, hier zu sein. Versagen darf man, aber aufgeben darf man nie.»

Glauben, nicht Idealismus Als ich Beat Fasnacht frage, wie viel Idealismus es denn zur Mitarbeit brauche, antwortet er ganz spontan: «Keinen!» Idealismus reiche nicht, da höre man spätestens nach drei Monaten

«Ich musste lernen, meine Illusionen aufzugeben, um weiterzukommen.» «Yeah, ich habe meine Lehrstelle, ich habe nicht aufgegeben, und am Schluss hat es sich gelohnt.» 35


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