CZ_2011_2_Kurzversion

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Zeitschrift der 端berkonfessionellen Bewegung Campus f端r Christus Schweiz

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berufung leben


berufung leben | inhalt

Inhalt ZUM THEMA

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Editorial Berufung statt Idealbild

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«Leben in Freiheit» – ein Jüngerschaftsprozess für Gemeinden

Aus Berufung leben Hören, wie Gott mich beim Namen ruft – und antworten

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«Ich bin eine Mutter»

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«Hundert Prozent am richtigen Ort»

Eine ehelose Frau wird frei für Gottes Weg

Kolumne «beziehungsweise» Sabine Fürbringer: Don‘t make it complicated

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Ein «Schmuckstück» aus Perlen des Lebens Der Weg zum eigenen Näh- und Bastelcenter, geschrieben von Monika Blatter

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Kolumne «Filmtipp»

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Einfach Gemeinde sein ...

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Kolumne «Blickpunkt Welt»

... und zum Ganzen des Leibes Jesu beitragen

Kurt Burgherr: Berufung – ein Luxusgut?

Zwei Bauernfamilien unter dem Segen Gottes Edelkartoffeln, Schweine, Kühe und Deutschschweizer im Welschlandjahr

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Andy Schindler-Walch: «Rust»

Interview mit dem Investmentbanker Luca Bosatta

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Gottes Design für mein Leben entdecken

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Mose und Gott im Dialog

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Eine hohe Berufung

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Sieben Schritte auf dem Weg zur Berufung

Akademische Meriten bedeuteten Steve Douglass wenig, er brauchte mehr

Agentur C: Tausend private Plakatstellen gesucht «Die ganze Schweiz soll wissen, dass es eine Bibel gibt»

Wendepunkte auf einem Berufungsweg «Ich will nichts anderes sein als Pfarrer»

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Kolumnen «Medien» und «von Wegen!» Markus Baumgartner und Fredy Staub

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Heilige Unruhe als Kompass Angela Ludwig: Junge Menschen begleiten, fordern und fördern

HINWEISE

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CfC international

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CfC national

Damit Berufung konkret wird

Ein Kurs zur Aufarbeitung von Trennung und Scheidung, die Bibel auf Facebook und ein Hilfseinsatz in Japan

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Kolumne «New Generation»

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«Der innersten Sehnsucht Richtung geben» Exerzitien bestärken auf der Suche nach Berufung

ZUM SCHLUSS

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Die halbvolle Coca-Cola-Flasche

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Andreas Boppart: Von der A-Rufung zur B-Rufung

Das Wort des Missionsleiters Hanspeter Nüesch

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Inserate, Impressum

Themen, die weiterhelfen Aktion: Christliches Zeugnis zum Sammeln und Weitergeben cz 2|11


berufung leben | editorial

Editorial Berufung statt Idealbild Auch für jemanden, der Jesus nachfolgt, ist die Versuchung gross, mehr als ein Mensch sein zu wollen. Man will etwas aus sich machen (oder auch andere Menschen entsprechend verändern) und orientiert sich dafür an Idealbildern aller Art. Und dann geschieht, was heutzutage immer häufiger geschieht: Menschen und Beziehungen zerbrechen an ihren Ansprüchen und Idealen.

«Sei, wer du bist! Trage das bei, was du kannst! Es ist nicht zu wenig! Aber tue es mit Gott, dann wird es einen Unterschied machen.» Berufung ist ein lebenslanger Weg. Ein Prozess, in dem sich immer mehr herauskristallisiert, wer ich zutiefst bin. Dies zu erkennen und anzunehmen ist sowohl entlastend als auch schwierig. Ich werde nämlich begreifen, dass ich einfach «Mensch» bin. Ich werde aber auch entdecken, dass unsere erste Berufung darin besteht, Mensch zu sein und Mensch zu werden. So ist es ja schon damals im Paradies gedacht gewesen. Aber die Welt- und Kirchengeschichte zeigt, dass es dem Menschen seit je zu wenig ist, nur Mensch zu sein. Er möchte mehr sein. Oder meint, mehr sein zu müssen.

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Ich selbst kann davon ein Lied singen: Auf meinem eigenen Berufungsweg habe ich unter vielen Schmerzen gelernt, dass Gott nicht im Sinn hat, mich im Erreichen meiner Idealbilder zu unterstützen. Im Gegenteil, ich habe stets von Neuem erkannt, dass Gott alles getan hat, um mich und jeden, der es hören will, davon zu befreien! In Jesus Christus hat er unsere Idealbilder «durchkreuzt», damit wir zu unserem wahren, von Gott gegebenen Leben und Design wiedergeboren werden und entsprechend unserer Berufung leben können. Schwierig ist nur: Im Alltag fühlt sich das äusserst gewöhnlich und unspektakulär an. Doch genau hier setzt Gottes Berufung an: Sie will mich nicht nütz-

licher machen, sondern das Vorhandene nutzen. Sie fragt nicht nach dem, was nicht ist, sondern will das einsetzen, was ich bin und habe. Gottes Berufung sagt: «Sei, wer du bist! Trage das bei, was du kannst! Es ist nicht zu wenig! Aber tue es mit Gott, dann wird es einen Unterschied machen.» Dieser rote Faden zieht sich durch die Berichte dieses Hefts, sei es beim Investmentbanker Luca Bosatta, bei der kinderlosen «Mutter» Ruth Schärz, beim ungarischen Pfarrer László Varga oder bei den Bauern Jean und André Hofer: Es geht nicht darum, Ideale zu erreichen oder Höchstleistungen zu erzielen, sondern mit Gott dem Leben nachzuspüren, das er in uns angelegt hat, und die offenen Türen zu nutzen, die er uns zeigt. Ich wünsche Ihnen den Mut, eigene Idealbilder zu entlarven und loszulassen, und noch mehr die Entschlossenheit, Gottes Berufung auf Ihrem Leben konsequent zu folgen! Je mehr Sie sich trauen, Ihre Berufung zu leben, desto mehr gewinnen auch die Menschen in Ihrer Nähe den Mut dazu. Peter Höhn

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berufung leben | edelkartoffeln, … kolumne

F beziehungsweise Ü R B R I N G E R Don‘t make it complicated1 Es war ein gemütlicher Abend bei feinem Essen. Die Kinder spielten miteinander, und wir – drei befreundete Ehepaare – hatten Musse und Freiraum, miteinander zu schwatzen. Da stand sie plötzlich im Raum, die Frage: «Wie macht ihr das eigentlich mit der gemeinsamen Berufung als Ehepaar?» Als einziges Paar, das die Kinder schon im Teenageralter hat, waren wir herausgefordert, eine schlaue Antwort zu geben. Vor der Kinderphase hat man als Paar noch einige Möglichkeiten, sich gemeinsam in Aktivitäten zu investieren. Später als Familie erfordern die Verantwortungen und die zusätzlich anfallenden konkreten Arbeiten aber ziemlich schnell eine Aufteilung der Aufgaben – Effizienz ist der Schlüssel, um überhaupt noch so etwas wie Freiraum zu bekommen. Das war bei uns nicht anders: Als junges Paar waren wir gemeinsam aktiv ins Gemeindeleben involviert, bildeten ein Team, das zeitgleich in einer Aufgabe drinstand. Mit dem ersten Kind war das fast unmöglich geworden. Die grosse und prioritäre Berufung für uns als Paar hiess nun Fürsorge und Erziehung. Zusätzlich und soweit möglich, stellten wir uns gegenseitig für Aufgaben frei, bei denen wir spürten, dass sie je mit unserer persönlichen Berufung zu tun hatten.

• Jean Hofer (links): «Nicht um jeden Preis Höchstleistungen erzielen wollen!» • André Hofer (Mitte rechts): «Gute Voraussetzungen für die kommende Generation.» • Hier im Waadtland gedeihen die Kartoffeln prächtig. Mitte links: Aussaat, oben: Amandine • Unten: Ausblick vom Hofer-Hof cz 2|11

In dieser Phase der wachsenden Familie erlebt die Berufungsfrage eine Fokussierung: Einige Tätigkeiten sind gesetzt. Alle anderen wollen gezielt und dosiert angegangen werden. Welche Begabungen und Leidenschaften hat jeder Einzelne? Wo gibt es Überschneidungen und kann man allenfalls zusammenspannen? Welche der individuellen Stärken sollen Raum bekommen, welche müssen in den Hintergrund rücken? 15

• Sabine Fürbringer ist Psychologin sowie Familienfrau und arbeitet bei Campus für Christus als Referentin, Autorin und Beraterin.

Ich sehe die Aufgaben, die mein Partner und ich je individuell wahrnehmen, als Teil des Potenzials, das Gott uns als Team gegeben hat. Insofern ist es eine gemeinsame Herausforderung, die wir in unterschiedlichen Verantwortungen teilen. Da spielt die gegenseitige Unterordnung. Die dazu notwendigen Absprachen und Übergänge im Familienalltag brauchen manchmal Kraft, doch zwei Dinge helfen uns. Erstens: Wir reden viel miteinander, wobei das Austausch über Tiefsinniges und Quatschen über Banales beinhaltet. So bleiben wir auf Tuchfühlung mit dem Innenleben und alltäglichen Erleben, das der andere selbstständig hat. Zweitens halten wir uns an den Rat eines älteren neuseeländischen Ehepaars, das uns die Devise «Don‘t make it complicated» mitgab. Wenn das Familienmanagement zu komplex und stressig wird, erinnern wir uns daran, dass Gottes Wege wohl nicht so kompliziert sein können – gerade dann, wenn wir einzeln und gemeinsam in unserer Berufung unterwegs sind. 1 Mach‘s nicht kompliziert.


berufung leben | heilige unruhe … | kolumne

Originale zu erkennen und das ins Leben einzubringen, was ihnen an Talenten anvertraut wurde und jedem entspricht. Gott nimmt unsere Geschöpflichkeit ernst. Schliesslich – und für mich die wichtigste Wegweisung, die wir jemandem zusprechen können: Gott hat keinen fertigen Plan für dein Leben, aber er gibt dir seine Hand! Und er geht den Weg, den du einschlägst, mit. Eine Berufung annehmen ist immer ein Vertrauensschritt. Was ist das Wichtigste, was Sie aus Ihrer Arbeit mit den jungen Menschen in der OJC gelernt haben?

Der Weg mit Gott bleibt ein Wagnis! Es ist befreiend, zu sehen, dass Gott jeden von uns, mit allem, was uns ausmacht, ernst nimmt. Er geht nie an unserer Lebensgeschichte oder unserer Sehnsucht nach einem erfüllten Leben vorbei. Er beruft uns «brutto», mit allem, was zu uns gehört, nichts bleibt aussen vor. In 1. Mose 17 fordert Gott Abraham auf: «Wandle vor mir und sei ganz», ganz du selbst, so heisst es im hebräischen Urtext. Auf einem langen, steinigen Weg lernt Abraham sich selber immer mehr kennen – in seinen Stärken und Schwächen – und wird allmählich der, den Gott gerufen und

schon immer gesehen hat: ein gesegneter Mensch, der zum Segen für andere wird. Gott kann die Zweifel, das Scheitern und die Wunden meines Lebens zu Perlen, zu einem Schatz machen. Wir sagen manchmal kurz und bündig: «Unsere Biografie ist unsere Botschaft.» Was wir im Leben mit Gott erfahren haben, was durch unser Leben hindurchgegangen ist, das wird auch für andere hilfreich. Wir brauchen keine Ideale zu verbreiten, die entmutigen eher, sondern können ihn durch unser ganz normales, brüchiges Leben hindurchscheinen lassen. So freuen wir uns, wenn junge Leute manchmal später kommen und zu uns sagen: «Danke, dass ihr nicht ‹richtig› wart, sondern aufrichtig! Das hat uns Hoffnung gemacht.»

AN eNw DG eRn eEr a At i oSn B O P P A R T Von der A-Rufung zur B-Rufung

«Berufung» – ein magisches Wort. Eine tolle Sache und gleichzeitig hochbrisant. Wie viele Junge haben schon Jahr für Jahr ihres Lebens gesucht und gewartet, um DIE Berufung ihres Lebens zu finden, und haben dabei mit einem speziellen Punkt in der Zukunft geliebäugelt, an dem endlich ihr Leben wie eine Rakete durchstarten würde. Folge davon: Jahr um Jahr leben sie nicht in dem, was an Berufung schon längst in ihrem Leben angelegt wäre. Wenn dir also die siebzehnte Fastenwoche immer noch nicht die gewünschte Offenbarung im Bereich Berufung gebracht hat, dann entspann dich und schau doch einfach mal dein Leben an. Was steckt da alles bereits drin? Wenn wir B-Rufung nennen, was Gott uns als Auftrag für unser Leben oder zumindest für bestimmte Lebensetappen gibt, dann ist das, was er von Anfang in uns hineingelegt hat, mindestens eine A-Rufung! Und diese A-Rufung finde ich fast noch faszinierender als die B-Rufung. Erstaunlicherweise decken sich die beiden früher oder später sogar ziemlich oft ganz gut. Denn Gottes A-Rufung ist ja nicht zufällig da, sondern führt oft direkt in deine B-Rufung hinein. cz 2|11

Natürlich sind es nicht immer nur vorhandene Fähigkeiten, die Gott braucht. Denn er kann dich auch zu etwas b-rufen, bei dem du denkst, du hättest jetzt aber absolut keine A-Rufung dazu. Als ich als Lehrer in einer Jugendstation gearbeitet habe, war mir oft bewusst, dass ich dafür wohl nicht die beste A-Rufung – sprich Fähigkeiten – hatte. Auch hätte ich die Frage, ob mir diese Sache Spass macht, oft nicht mit Ja beantworten können. Trotzdem hat diese Aufgabe mich in spezieller Weise erfüllt, und ich wusste damals tief drin, dass es keinen anderen Platz gab, an dem ich sein wollte – und an dem ich sein musste. Denn Gott hat genau in jener Zeit stark an meiner Persönlichkeit geschliffen. Meine B-Rufung zum Predigen kam dann schrittweise und eher überraschend für mich, aber wenn ich zurückschaue, dann erkenne ich genau, wie so vieles bereits lange vorher vorgespurt war. Das mutige Leben in meiner A-Rufung hat mich automatisch in die B-Rufung hineingeführt. Wenn du also in deine B-Rufung hineinwachsen willst, frage dich nicht bloss: «Was würde ich gerne tun?», sondern erkenne deine A-Rufung: «Was kann ich? Was belebt mich, 25

Andreas Boppart ist Eventprediger sowie Autor und leitet den Arbeitszweig Campus Generation Ministry von Campus für Christus.

wenn ich es tue? Was erfüllt mich?» – und lebe es, denn damit festigst du deine B-Rufung! Wie Petrus schrieb: «Darum bemüht euch desto mehr, eure Berufung und Erwählung festzumachen. Denn wenn ihr dies tut, werdet ihr nicht straucheln» (2. Petrus 1,10). Vielleicht ist die Frage «Wozu bin ich b-rufen?» gar nicht so wichtig. So vieles weiss oder ahnt man ja bereits, wenn man seine A-Rufung sucht und darin lebt. Viel wichtiger ist es, dass wir das, was tief drin in uns lebt, festmachen und nicht loslassen. Dass wir nicht ständig nach äusserer Bestätigung jagen, sondern mutig aufstehen und dieses vorhandene Bild, das Gott in uns und durch uns am Malen ist, fest mit einem Nagel an die Herzenswand hämmern. Nimm vielleicht besser gleich zwei und noch doppelseitiges Klebeband! Dann hält das Bild an der Wand – und dich hält es auf Kurs im Leben!


«Der innersten Sehnsucht Richtung geben» Exerzitien bestärken auf der Suche nach Berufung Christoph Stücklin leitet als Referent für Exerzitien und geistliche Begleitung des Marburger Kreises Exerzitienwochen. Dabei erlebt er, wie Menschen dem Kern ihres Seins auf die Spur kommen. Im Schweigen und in der Kargheit begegnen sie Gott auf einer tieferen Ebene, erkennen sein Wesen und seine Aussagen über ihr Leben. Auf dieser Grundlage können sie wegweisende Entscheidungen treffen.

Interview: Sabine Fürbringer

Betätigung wie ausgedehnten Spaziergängen am Nachmittag.

Christoph, du leitest zusammen mit deiner Frau Gertrud Exerzitienwochen. Was suchen Menschen, die an so einer Einkehrzeit teilnehmen? Christoph Stücklin: Es ist ein weitverbreiteter Wunsch, in die Stille zu gehen, sich selbst und Gott dabei zu begegnen. Oft sind es Menschen in Entscheidungssituationen, die Klärung suchen. Einige bauen einmal jährlich so eine Zeit ein, um sich zu verlangsamen und eine neue Gotteserfahrung zu machen. Exerzitien liegen auch im Trend.

Es gibt ein kleines Kreativangebot, zum Beispiel Arbeiten mit Ton oder das sehr beliebte kreative Schreiben. Wir machen einmal am Tag eine Körperwahrnehmungsübung, täglich gibt es ein rund halbstündiges, begleitendes Gespräch, und mit Abendmahl und einem liturgischen Tagesschluss beenden wir den Tag. Es ist alles ausserordentlich schlicht und reduziert, karg an Worten, nichts Pompöses, nichts, womit man Leute beeindrucken könnte.

Wie muss man sich eine solche Woche vorstellen? Die Schweigewoche steht in der Regel unter einem Thema, wir wählen dabei ein einladendes Wort. Im Zentrum steht die Schriftmeditation, das heisst die persönliche, innige Zuwendung zu einem Bibelwort. Der Tag beginnt in der Regel mit einer gemeinsamen Meditation, es folgen ein kurzer thematischer Impuls und dann zwei ausgedehnte persönliche Meditationszeiten je am Vormittag und Nachmittag. Manchmal geben wir ein Blatt mit ein paar Fragen oder Anregungen ab. Wir ermuntern zu körperlicher

Du hast jahrzehntelang als reformierter Pfarrer gearbeitet. Die Exerzitien haben einen katholischen Hintergrund. Wie geht das zusammen? Ignatius war ein durch und durch ernsthafter Mann, der sich aufgrund notvoller Lebensumstände in die Nachfolge Christi hat rufen lassen. Ich kann mir vorstellen, dass sich die spätere Jesuitengeschichte nicht immer in den geistlichen Spuren des Gründers bewegte. Er selbst musste sich mehrmals vor dem Inquisitionsgericht verantworten, weil seine Rechtgläubigkeit in Frage gestellt wurde. Es geht nicht darum, Ignatius auf

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den Sockel zu heben, sondern seine geistlichen Einsichten nutzbar zu machen. Der Exerzitienweg ist ein Weg in die Nachfolge und orientiert sich ganz stark am Weg Jesu. Als biblisch orientierte Evangelische finden wir dort viel, was uns wichtig ist, die Schnittmenge ist gross. Was hast du persönlich denn auf diesem Weg gefunden? Unser geistliches Leben hatte verschiedene Zubringer, nicht sequenziell verstanden, sondern additiv. Da waren die VBG, durch die die Bibellektüre einen grossen Stellenwert in unserem Leben bekam. Später kam die Charismatik dazu, Gottes Stimme hören, die Geistesgaben, die Anbetung, die Gebetsseelsorge, die Vaterliebe Gottes, innere Heilung – lauter Einsichten, denen wir uns freudig öffneten. Unsere geistliche Biografie kommt uns vor wie ein Buch, in dem man von Kapitel zu Kapitel weiterblättert und weiss, das Gelesene war gut, auch wenn es nicht auf der aktuellen Seite steht. In uns kam jedoch zunehmend die Frage nach der Nachhaltigkeit auf. Eine zufällige Begegnung mit Ruth Michel, die in den VBG für geistliche Begleitung zuständig ist, hat etwas in uns cz 2|11


berufung leben | «der innersten sehnsucht …»

• Christoph und Gertrud Stücklin: «Exerzitien sind eine erprobte Hilfe, um innerlich und äusserlich zur Ruhe zu finden. Uns helfen sie, unser Leben vor Gott zur Sprache zu bringen.»

• Christoph Stücklin: «Seit Jahren lieb und vertraut ist mir das ‹Logo› von Charles de Foucauld: Das Kreuz, das ins Herz hineingepflanzt ist.»

angestossen, weitere Impulse kamen dazu, und so stiegen wir in das erste Ausbildungsmodul ein. Das hat uns so angesprochen, dass wir heute Exerzitien anleiten und geistliche Begleitung anbieten. Wir verstehen das als eine mögliche Ausprägung eines seelsorgerlichen Weges.

an einen Punkt kommen, an dem ich allem, auch dem jetzigen Zustand gegenüber, indifferent sein kann: Mein Glück hängt nicht von diesen oder jenen äusseren Umständen ab. Ignatius nennt da beispielsweise Gesundheit oder Krankheit, Ehre oder Unehre, ein langes oder ein kurzes Leben – allen geschaffenen Dingen gegenüber sollen wir indifferent werden. Damit wird ein Boden innerer Gleichmut geschaffen, von dem aus ein Entscheid gefällt werden kann.

Ihr wart schon vorher seelsorgerlich tätig. Inwiefern hat sich euer Dienst verändert? Häufig ging ich in folgender Haltung an eine seelsorgerliche Situation heran: Da ist ein Problem, und das muss gelöst werden. Durch die geistliche Begleitung habe ich erkannt: «Gott ist da, und er wird zu seiner Zeit und auf seine Weise wirken.» Bei einem Minimum an Einflussnahme unsererseits passiert so viel. Der Zugang besteht weniger im «Du bist ein Sünder und musst umkehren» als vielmehr im «Du bist ein Geschöpf und eingeladen zur Begegnung mit Gott». Daraus folgt dann oft eine tiefe Busse und Umkehr. Wir kommen aus einer Tradition, in der man als Seelsorger wusste, was ein Mensch braucht. Davon nehmen wir immer mehr Abstand. Wir beten darum, dass die Teilnehmenden nicht leer ausgehen. Gott begegnet ihnen tatsächlich auf individuelle Art, und sie erfahren Jesus ganz neu. Es sind feine Abläufe, die stattfinden. Wenn man den Menschen computertechnisch erklären wollte, dann sind die Veränderungen, die geschehen, auf der Betriebssystemebene, tief unten, und weniger auf der Programmebene. cz 2|11

Kannst du das an einem Beispiel veranschaulichen? Zunächst geht es um ganz elementare Dinge: dass jemand seine Gotteskindschaft entdeckt, dass er zur Teilhabe an Gottes Reich oder in die Familie Gottes hineinberufen ist. Daraus resultieren dann konkrete Aufträge oder Aufgaben. Ich selber hatte lange gedacht, bei der Berufung gehe es um Aufgaben, um meinen Beruf. Aber eigentlich geht es zunächst um die Verinnerlichung, die innerste Berufung. Man darf Gott auch nach dem «Schlüsselwort» für sein Leben, nach der tieferen Bedeutung des eigenen Namens, nach der innersten Berufung fragen. Das Umsetzen dieser inneren Berufung im Alltag bedeutet eine tägliche Neuaneignung, die manchmal klare Konturen hat, manchmal aber auch einfach einen Hintergrund bildet. Die Programme auf diesem Betriebssystem können variieren. Reicht einem Menschen, der beispielsweise vor einer beruflichen Weichenstellung steht, eine so vage Ausgangslage? Menschen, die Exerzitienwochen besuchen, stehen vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte. Der Grund, Exerzitien zu machen, hat oft mit einer gewissen Ernüchterung zu tun: Was bleibt? Was soll das alles? Was habe ich in meinem Leben bewirkt? Was soll geschehen mit der Zeit, die mir noch bleibt? In welcher Richtung deutet meine innerste Sehnsucht? Ignatius spricht in diesem Zusammenhang von Indifferenz. Ich soll

Du bist selbst ebenfalls in der zweiten Lebenshälfte. Geistliche Begleitung ist zentral in eurem Leben. Eine Berufung? Wenn der Halt einer Aufgabe oder eines Amtes wegfällt, durch Krankheit oder auch durch Pensionierung, wird die Frage immer zentraler: Wer bin ich dann noch, wenn vieles von dem, was mein Leben ausgemacht hat, nicht mehr da ist? Bei mir ist das nicht anders. Dass wir als Ehepaar drei Jahre vor meiner Pensionierung aus dem Pfarramt heraus nochmals in eine neue Aufgabe gerufen wurden, ist für uns eine grosse Freude und ein Staunen über Gottes souveräne und fürsorgliche Führung. Wir erleben, wie es damit zu einer Konvergenz kommt, in der die Fülle unseres Lebens ganz konzentriert zum Tragen kommt. Durch die Exerzitien habe ich einen meditativen Umgang mit Bibeltexten entdeckt. Schon als Kind, dann auch als Pfarrer habe ich mit der Bibel gelebt. Die Frage lautete immer wieder: «Was kann ich mit diesem Text machen?» Heute lese ich altbekannte Texte in teilweise ganz kleinen Portionen. Ich mache eine Tiefenbohrung, will die Dinge von innen her verstehen und spüren. Ich will Gott in allen Dingen suchen und erkennen. Alles, was mir begegnet, kann mir Hinweis auf den lebendigen Gott sein. Das macht das Leben unglaublich reich! Weitere Informationen zu ihren Exerzitien:

www.camporasa.ch, www.zentrum-laendli.ch 27


Die halbvolle Coca-Cola-Flasche Das Wort des Missionsleiters Studium an der Hochschule St. Gallen, Sprachaufenthalt in Grossbritannien, die Geistestaufe und ihre Folgen, eine Begegnung mit Japanern, eine schicksalhafte Frage beim Bewerbungsgespräch und ein Telefonanruf – erste Stationen meiner persönlichen Berufungsgeschichte.

Hanspeter Nüesch

«Auch nach Japan!»

Es war 1972. Ich hatte mein Studium in St. Gallen für ein paar Monate unterbrochen, um in Grossbritannien mein Englisch zu verbessern. Obwohl ich dort als Christ leben wollte, gelang es mir nicht. Als mir der Leiter der Sprachschule ein schlechtes Charakterzeugnis ausstellte, bat ich Gott eindringlich, meinen offenkundig schwierigen Charakter zu ändern. Als Zeichen dafür, wie ernst ich es meinte, begann ich an den wöchentlichen Tanz­abenden der Schule von Christus zu erzählen. Das machte bei meinen Tanzpartnerinnen jedoch keinen grossen Eindruck. Offensichtlich fehlte mir die göttliche Salbung. Also bat ich Gott, mich mit dem Heiligen Geist zu erfüllen, damit ich als Christ einen besseren Eindruck für ihn machen konnte. Aber nichts geschah, absolut nichts. Ich beklagte mich bei Gott. Daraufhin hatte ich den Eindruck, dass mein Leben mit einer halbvollen Coca-Cola-Flasche zu vergleichen sei. Da war wenig Raum für den Heiligen Geist, der Rest dunkle Flüssigkeit – ein Bild meines selbstsüchtigen Eigenlebens. Im Gebet deponierte ich dies bei Gott. Auch bat ich ihn um Vergebung für mein Misstrauen ihm gegenüber bezüglich meiner Zukunft.

Ich übergab ihm die Verfügungsgewalt über mein Leben und sagte: «Du kannst mit meinem Leben machen, was du willst. Du kannst mich, wenn es sein muss, sogar als Missionar nach Japan schicken. Auch wenn ich das noch immer keine gute Idee finde.» Mit dem letzten Satz wollte ich sicher sein, dass Gott mich nicht missverstand. Denn mit Japanern hatte ich wirklich nichts am Hut, denn sie lächelten immerzu, und ich wusste nie, was dahinter war. In der darauffolgenden Nacht wurde ich mitten im Schlaf mit dem Heiligen Geist erfüllt. Und mit grosser Freude und dem Mut, Dinge mit Gott zu wagen. Als Erstes schrieb ich Vreni, meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau, und machte ihr einen Heiratsantrag. Eine Woche später startete ich meinen ersten Bibelgesprächskreis in einem Café. Die ersten zwei Teilnehmenden waren ein Japaner und eine Japanerin. In den darauffolgenden Wochen erlebten wir so manches wunderbare Eingreifen Gottes, fast wie in der Apostelgeschichte. Nach St. Gallen zurückgekehrt, traf ich mich mit drei gläubigen Studenten an der HSG, und wir vier beteten in den Mittagspausen während einer Stunde um Erweckung. Nach einem Jahr ging es los. Von vielen

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Schulen und Ausbildungsstätten kamen junge Leute nach St. Gallen, sodass wir bald über achtzig Personen waren. Während einer gewissen Zeit durfte ich mit Hilfe der Broschüre «Die vier Geistlichen Gesetze» jede Woche mindestens eine Person zu Jesus führen. Zum Glück stellte uns eine Gemeinde einen früheren Lagerraum zur Verfügung, in dem wir unsere wöchentlichen Treffen abhalten konnten. Rechtzeitig fanden wir auch eine Person (Lehrer Rietmann aus Herisau), der uns Junge in zwei grösseren Feiern taufte. Uns leitete dabei der Ausspruch des Kämmerers aus Äthiopien: «Was hindert mich, getauft zu werden?» (Apostelgeschichte 8,37)

Neben dem Geschäftlichen auch noch etwas erreichen Nach dem Studium wollte ich zuerst noch einige Jahre Erfahrung in der Wirtschaft sammeln, bevor ich in den väterlichen Stickereibetrieb eintreten würde. Beim Vorstellungsgespräch bei der amerikanischen Firma meinte der Marketingleiter Europa: «Wenn Sie etwas im Geschäftsleben erreichen wollen, dann sind sie hier goldrichtig. Wenn sie aber neben dem Geschäftlichen auch noch etwas erreichen wollen, dann können wir Ihnen diesen Job cz 2|11


berufung leben | die halbvolle coca-cola-flasche

Nachtrag: Das Evangelium nötiger denn je!

nicht empfehlen.» Es war, als spräche Gott durch diesen Manager direkt zu mir und frage mich, ob mein damaliges Gebet von Grossbritannien auch heute noch gelte. Ich wurde schliesslich aus dreissig Kandidaten für diese Kaderstelle ausgewählt. Mit einem Anfangslohn, der doppelt so hoch war wie die Konkurrenzangebote. Obwohl der Job genau meinen Vorstellungen entsprochen hätte, lehnte ich dankend ab und bestätigte damit nochmals vor Gott meine Bereitschaft, allein seinen Willen zu tun, wie immer dieser auch aussehen möge. Denn ich wollte «neben dem Geschäftlichen auch sonst noch etwas erreichen». Dann nahm ich mir einen Tag Auszeit und bat Gott, mir seinen Willen für mein Leben zu offenbaren. Allerdings war ich meinem Vorhaben nicht ganz treu – erstand ich mir am Morgen doch noch einige Wirtschaftsbücher, die nicht zum Prüfungsstoff gehörten. Am Nachmittag erhielt ich dann einen Telefonanruf von Campus für Christus mit der Einladung zu einer «Ruf zur Mission»-Tagung in Deutschland. 35 Jahre später bin ich dankbarer denn je, dass ich mich – mit voller Unterstützung meiner Frau Vreni – entschieden hatte, Gottes Ruf für mein Leben zu folgen. Wir haben Gottes Treue und Gnade cz 2|11

über all die Jahre in wunderbarer Wei­se erlebt – gerade auch in Zeiten der Anfechtung und des Versagens. Ich hätte mir kein spannenderes und erfüllteres Leben vorstellen können. Auch als Familie wurden wir sehr gesegnet: Alle vier Kinder stehen im Glauben und wollen von ganzem Herzen nach Gottes Berufung leben.

Eine geistliche Ernte einbringen Wir können es kaum erwarten, bis Gott auch in unserem Land mächtig durchbricht, auch wenn die geistliche Ernte wahrscheinlich mit manchen Schwierigkeiten verbunden sein wird. Etwas wissen wir: Je dunkler die Welt ohne Gott wird, desto stär­ker wird das Licht Christi leuchten. Und zu Japan: Kürzlich hat uns Gott eine verheissungsvolle Türe für die Verkündigung des Evangeliums in diesem Land geöffnet. Wenn er wei­ter den Segen dazu gibt, werden in den kommenden Jahren unzählige Japanerinnen und Japaner über das Internet von Jesus Christus er­ fahren. Ich empfinde, dass meine Bereitschaft, «im schlimmsten Fall» als Missionar nach Japan zu gehen, in veränderter Form von Gott ernst genommen wurde. Und ich bin froh darüber.

Ich habe diesen Artikel vor den Katastrophen in Japan geschrieben. Wir sind dankbar, dass wir die Zusammenarbeit mit den japanischen Geschwistern noch vorher in die Wege leiten konnten. Nun sind wir daran, ihnen alles Know-how zu unseren evangelistischen Websites zu übergeben, die neben der Vaterliebe Gottes auch andere Themen wie Leid oder Selbstmord behandeln. Andy Game, der Leiter unserer japanischen Partnerorganisation, hatte uns noch kurz vor dem Erdbeben und dem Tsunami in der Schweiz besucht. Dabei teilte er uns mit, dass sich die Christen erstmalig zusammengefunden hätten, um dank einem gemeinsamen Internetauftritt auf das in letzter Zeit stark wachsende Interesse am christlichen Glauben zu antworten. Die japanische Jugend sei vor allem aufs Internet fixiert und hole alle Informationen und allen Rat von dort. Nach der Umweltkatastrophe wird dies wohl mehr denn je der Fall sein. Wenn Sie diesen Beitrag lesen, wird der Leiter unserer evangelistischen Website Gottkennen.ch, Matthias Langhans, in Japan gewesen sein, um den japanischen Christen wo immer möglich beizustehen. Matthias ist in Japan aufgewachsen und spricht Japanisch. Wir bitten die Leserinnen und Leser des Christlichen Zeugnisses, für die schwer geprüften Menschen in Japan zu beten, auch dass es Andy Game und Matthias Langhans gelinge, in Zusammenarbeit mit den japanischen Kirchen und Partnerorga­ nisationen den Menschen in Japan übers Internet – und auf weiteren kreativen Wegen – Antworten und Hoffnung vom Evangelium her zu geben.

• Vreni und Hanspeter Nüesch


berufung leben | einfach gemeinde sein … | kolumne

Die Frohe Botschaft von Jesus Christus verkünden | Beat Strässler, Gemeinde für Christus

• Beat Strässler, Jahrgang 1962, verheiratet, vier Kinder, Gemeindeleiter.

«Während der Erweckungs- und Heiligungsbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand das Anliegen ‹Wie kann ich Gott gefallen?› stark im Zentrum. Und aus der Erkenntnis, dass Menschen durch Christus vor Gott ‹ohne Verdienst gerecht› sind, entstand 1909 der Verein des Freien Blauen Kreuzes. Fritz Berger, von Beruf Wagner und Landwirt, gründete damals im Emmental zusammen mit Gleichgesinnten diesen Verein, der

1914 in ‹Evangelischer Brüderverein› umbenannt wurde und vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Laienbewegung ein starkes Wachstum erlebte. Zu unserer 100-Jahr-Feier haben wir uns einen neuen Namen zugelegt: ‹Gemeinde für Christus›. Das Ziel von damals wie heute ist die Verkündigung der Frohen Botschaft von Jesus Christus. Wir wollen eine Gemeinde sein, in der Jesus Christus das Zentrum ist. In ihm sind wir erlöst, um Gott zu dienen. Nicht menschliche Leistungen machen uns vor Gott angenehm, es ist allein Gottes unverdientes Geschenk an uns! Diese befreiende Wahrheit soll sich im Leben sichtbar auswirken. Als für uns spezifisch kann der vierstimmige Gemeinde- und Chorgesang erwähnt werden, der für das Lob Gottes und zur Unterstützung der Verkündigung gepflegt wird.

KBlickpunkt U R Welt T Berufung – Ein Luxusgut? Leben in der eigenen Berufung: nur etwas für die Reichen? Für viele Menschen auf der Erde geht es im Wesentlichen darum, den Alltag zu bewältigen und zu überleben. Sie müssen dafür sorgen, dass sie zu essen haben. Sie können nicht den Beruf wählen, der ihnen am besten gefällt, sondern sind froh, überhaupt ein Einkommen zu haben. Je nach Kultur bestimmt zudem das Familienoberhaupt, wer welche Tätigkeit ausübt. In einer solchen Umgebung bekommt das Wort Berufung eine ganz andere Definition. Fest steht aber: Berufung ist nicht eine Frage des Berufes. Es geht darum, was jemand – egal in welchem Beruf – aus seinem Leben macht. Ich staune immer wieder, wie viel Mühe Menschen auf sich nehmen, um cz 2|11

Auf gesellschaftlicher Ebene wollen wir den Auftrag von Jesus ernst nehmen und ihm dienen. Jesus nannte seine Jünger ‹Salz und Licht der Welt›. Wir glauben, dass sie dies in erster Linie durch ihr Sein, nicht durch ihr Tun sind. Wir ermutigen Gläubige, Jesus in dieser Welt bekannt zu machen. Wir wollen Schweizer und hier lebende Ausländer erreichen und senden auch Missionare ins Ausland. Durch eine lebensnahe Verkündigung des Wortes Gottes und durch Gemeinschaft wollen wir einander erbauen. Diese zwei Aspekte sind ein wesentlicher Teil unserer Gemeinschaftspflege. Voraussetzung dazu ist eine lebendige Beziehung des Einzelnen zu Gott.»

B u c h e m p f e h l u n g Berger, Fritz: Von der überschwänglichen Gnade Gottes in meinem Leben. Herbligen: Verlag Evangelischer Brüderverein 1988.

B U R G H E R R gerade unter schwierigen Umständen ihre Berufung zu leben. Ein Beispiel sind Pastoren in Kuba: Tagsüber arbeiten sie hart, und am Abend betreuen sie Gemeinden in der Umgebung. Einigen von ihnen konnten wir von Agape interna­ tional aus ein Velo oder Mofa finanzieren. Dadurch müssen sie nicht mehr zu Fuss gehen und kommen am Abend weniger spät nach Hause. In vielen Ländern werden Christen, wenn sie ihren Glauben ausleben, von der Familie verstossen. Und an wieder anderen Orten ist es buchstäblich lebensgefährlich, die Berufung zu leben. Meine Erfahrung ist aber, dass Menschen, die es wagen, trotz allem ihrer Berufung zu folgen, auch unter schwierigen Umständen glücklich sind. 41

• Kurt Burgherr leitet Agape international, die Auslandtätigkeit von Campus für Christus Schweiz, mit Schwerpunkt in Gemeinde- und Leiterentwicklung sowie Entwicklungszusammenarbeit.

Dafür setzen wir uns bei Agape international ein: Gottes Liebe für den Menschen erfahrbar zu machen und ihnen gleichzeitig aufzuzeigen, dass es auch in ihrer Situation einen Weg gibt, ihre Berufung zu erkennen und darin zu leben.


Sieben Schritte auf dem Weg zur Berufung Mose und Gott im Dialog

Um in Gottes Berufung für unser Leben hineinzufinden, gibt es verschiedene Fragen, die Gott mit uns besprechen möchte. Die Berufungsgeschichte des Mose gibt dazu hilfreiche Einsichten.

1. Wovon werde ich angezogen? «Da sprach Mose: Ich will doch hinzutreten und diese grosse Erscheinung besehen, warum der Dornbusch nicht verbrennt!» (2. Mose 3,3) Der Drang von Mose, den brennenden Dornbusch näher zu besehen, steht symbolisch für den ersten Schritt auf unserem Berufungsweg. Es geht um die Frage: Was fällt mir ins Auge? Was erregt meine Aufmerksamkeit und Neugier? Wohin zieht es mich? Welche Themen und Aspekte des Lebens packen mich, sodass ich mich gerne und immer noch mehr damit befassen möchte?

2. Bin ich Gott gegenüber ganz verfügbar? «Als aber der Herr sah, dass er (Mose) hinzutrat, um zu sehen, rief ihn Gott mitten aus dem Dornbusch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich!» (3,4) Im zweiten Schritt gilt es zu erkennen: Es geht nicht um den «Dornbusch» an sich, es geht nicht um die Dinge, die mich im Leben faszinieren, sondern darum, aus ihrer Mitte heraus Gott zu hören, der mich ruft und persönlich anspricht. Und dann dürfen wir sinnbildlich als Zeichen unserer Verfügbarkeit unsere Schuhe ausziehen und sagen: «Hier bin ich!» Wenn wir uns so Gott zur Verfügung stellen, wird er uns seinerseits zeigen, wovon sein Herz in Bezug auf die Menschen betroffen ist (3,7-10) und wie er uns an seinem erlösenden, befreienden Wirken beteiligen will. Das führt zur nächsten Frage ...

Peter Höhn Im 2. Mosebuch, Kapitel 3 und 4, wird Mose als Schafhirte berufen, um das Volk Israel aus der ägyptischen Sklaverei ins verheissene Land zu führen. Gott erklärt Mose in einem längeren Gespräch das Was und Wie seines Auftrags. Dabei schälen sich sieben Schlüsselfragen und sieben Zusagen Gottes heraus, die uns im Klären unserer Berufung helfen können. Und sie dienen als Wegweiser für die Zukunft, wenn wir uns «befleissigen, unsere Berufung festzumachen» (2. Petrus 1,10). 42

3. Wer bin ich? «Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe, und dass ich die Kinder Israel aus Ägypten führe?» (3,11) Die nächste Frage, die Gott mit uns klärt – und wir mit ihm – ist die Frage nach unserer Identität. Wer bin ich schon? Wer bin ich wirklich? Es ist auch die Frage nach unserer Selbstannahme. In dieser Frage kommen wir dann zur Ruhe, wenn wir Gottes Antwort hören: «Ich werde ja mit dir sein.» Wenn wir dieser Zusage tief in unserem Herzen vertrauen, müssen wir uns nicht mehr mit anderen vergleichen, uns unzulänglich fühlen oder, wie im Fall von Mose, von früherem Versagen gelähmt bleiben. Sondern wir erleben, wie sich Gott zu uns stellt, uns unser Versagen vergibt und mit uns nach vorne schaut. Wir fangen an, uns zu freuen – an Gott und daran, wie er uns gemacht hat und wie er uns führt. Doch nun kommt die nächste Frage ... cz 2|11


berufung leben | sieben schritte …

4. Was sage ich anderen über Gott? «Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Kindern Israel komme und zu ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen werden: Wie heisst sein Name? – was soll ich ihnen sagen?» (3,13) Bei der vierten Frage rund um die Berufung geht es um unsere «Lebensbotschaft». Mose hatte die Aufgabe, Gott seinem Volk auf einzigartige Weise vorzustellen, zum einen, wer Gott ist («Ich bin, der ich bin»), und zum anderen, was Gott tun will («Ich will euch aus dem Elend Ägyptens hinausführen»). So sind auch wir berufen, Gott und sein Tun anderen Menschen auf spezielle Weise nahezubringen. Im Lauf unseres Berufungsweges kristallisiert sich so immer mehr eine eigentliche Lebensbzw. Gottesbotschaft heraus. Für jemanden ist es zum Beispiel die Botschaft von «Gott, dem nichts unmöglich ist»; für jemand anderen «Gott, der sich um den Schwachen kümmert»; für jemand anderen «Gott, der alles schön eingerichtet hat», usw. Doch kehren wir zurück zu Mose. Er hat schon die nächste Frage bereit: «Und was, wenn sie mir nicht glauben ...?»

Sieben Zusagen aSieben Vertrauensschritte Gott gibt uns sieben Zusagen mit auf den Weg unserer Berufung – und wir sind zu sieben Vertrauensschritten herausgefordert:

1. Gott hat eine Berufung für dein Leben. a Vertraue ihm, dass er dich dort abholt, wo du jetzt lebst und bei dem, was dich «packt».

2. Gott ruft dich beim Namen, er will mit dir zusammenarbeiten und dich an seinem erlösenden Werk beteiligen. a Vertraue ihm, indem du ihm dein Leben vorbehaltlos zur Verfügung stellst.

5. Was habe ich in der Hand? «Der Herr sprach zu ihm (Mose): Was hast du in deiner Hand? Er sprach: Einen Stab!» (4,2) Es ist die Frage nach unserer Begabung, unseren Mitteln, unserem Besitz – und ob wir sie Gott zur Verfügung stellen und unter seiner Leitung einsetzen. Wie der weitere Verlauf der Geschichte in den Versen 3-9 zeigt, werden wir in Situationen kommen, die uns bedrohlich erscheinen (Stab, der zur Schlange wird) oder die unsere Schwachheit offenbaren (Hand, die aussätzig wird). Aber Gott wird immer wieder einen Ausweg zeigen (1. Korinther 10,13). So würde Mose – und uns – eigentlich nichts mehr im Wege stehen, um unserer Berufung zu folgen, wenn sich nicht eine nächste Frage eröffnete ...

3. Gott hat dich «erkannt» und will dich erkennen lassen, wer du wirklich bist und wie er in deinem Leben gegenwärtig ist. a Vertraue

6. Sehe ich auf meinen Mangel oder auf Gott?

Gott dir zeigt, was und wie du es anderen Menschen erzählen sollst.

«Mose aber sprach zum Herrn: Ach mein Herr, ich bin kein Mann, der reden kann; ich bin es weder gestern noch vorgestern gewesen und auch nicht, seitdem du mit deinem Knechte geredet hast; denn ich habe einen schwerfälligen Mund und eine schwere Zunge!» (4,10) Jetzt verweist Mose auf seine mangelnden Kommunikationsfähigkeiten. Was schieben wir vor, um dem, was Gott uns sagt, nicht zu folgen? Um in unsere Berufung hineinzufinden, müssen wir uns mit unseren empfundenen Mängeln und vermeintlichen Behinderungen auseinandersetzen. Wir dürfen sie aus Gottes Hand annehmen und wissen, dass Gottes Kraft gerade in unserer Schwachheit zur Vollendung kommt (11-12). Doch Mose ist noch nicht überzeugt und möchte seine Berufung an Gott zurückgeben ...

ihm, dass er immer mit und bei dir ist.

4. Gott hat eine einzigartige befreiende Lebensbotschaft für dich, die du anderen Menschen gegenüber in Wort, Tat und Kraft ausrichten sollst. a Vertraue, dass

5. Gott hat dir Gaben und Mittel gegeben, damit dein Dienst von Vollmacht und geistlicher Autorität geprägt ist. a Bete stets um die Führung des Heiligen Geistes und setze vertrauensvoll das ein, was du hast.

6. Für Gott sind deine Schwachheit, deine Mängel und Behinderungen kein Problem. a Vertraue,

7. Welche Menschen hat mir Gott zur Seite gestellt?

dass er sie sogar zu seiner Ehre braucht.

«Da sprach Mose: Bitte, Herr, sende doch, wen du senden willst! Da ward der Herr sehr zornig über Mose und sprach: Weiss ich denn nicht, dass dein Bruder Aaron, der Levit, wohl reden kann?» (4,14) Gottes Berufung für unser Leben zu folgen, fühlt sich oft als einsamer Weg an. Aber Gott schickt uns nicht allein. Er hat Menschen in unsere Umgebung gesetzt, die uns ergänzen bzw. denen wir zur Ergänzung werden sollen. Mit wem hat Gott dich geistlich verbunden? Wo kämpfst du noch zu sehr allein? Lass du dir von Gott zeigen, wie und durch wen er seine Ergänzung bringen will! cz 2|11

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7. Gott lässt dich nicht alleine, sondern gibt dir in allem die nötige Ergänzung durch andere Menschen. a Vertraue darauf, lass dich ergänzen und ergänze andere, die dich brauchen!


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