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Zeitschrift der 端berkonfessionellen Bewegung Campus f端r Christus Schweiz

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F端rs Leben lernen


fürs leben lernen | editorial

Editorial Sich trauen, dumme Fragen zu stellen beim besten Willen nicht sah, wo denn diese Predigt, jenes Seminar oder die referierende Person überhaupt am Leben «angemacht» war.

Tue ich so, als hätte ich es kapiert, wenn ich etwas nicht begriffen habe, oder stehe ich zu meinen Defiziten?

Selten habe ich mich so gelangweilt wie in der Schule. Nicht immer, aber es gab Schulstunden, da schien der Zeiger an der Uhr von unsichtbarer Hand aufgehalten zu werden, und ich fragte mich, ob ich jemals noch aus diesem Zimmer kommen würde. Ganz schlimm war es, wenn sich dieses Gefühl schon morgens um halb acht einstellte und noch sechs oder sieben weitere Lektionen anstanden. Woran lag es? Wohl daran, dass der Inhalt, die Vermittlung des Stoffs oder die Lehrperson selbst nicht am Leben angedockt war. Ich konnte das, was ich hörte, nicht in Verbindung bringen mit meiner eigenen Erlebenswelt. Manchmal ging es mir auch im Glaubensleben so, wenn ich

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Wie wohltuend, spannend und inspirierend waren dagegen Menschen, die die Brücke zum Leben schlagen konnten. Menschen, die nicht nur Richtigkeiten dozierten, sondern auch zu umsetzbaren Schritten und praktischen Erfahrungen anleiteten. Mit den Jahren bin ich etwas reifer geworden. Ich habe erkannt, dass gute Lernerfahrungen nicht nur davon abhängen, wer mir wie was bringen kann, sondern auch, ob ich als Lernender meine Eigenverantwortung wahrnehme. Ich erinnere mich an verschiedene Momente, in denen ich mich entscheiden musste: Höre ich das Falsche, oder behalte ich das Gute? Bleibe ich in der Beobachterrolle auf Distanz, oder lasse ich mich ein und suche aktiv nach Wegen, wie ich das, was vermittelt wird, in mein Leben integrieren kann? Tue ich so, als hätte ich es kapiert, wenn ich etwas nicht begriffen habe, oder stehe ich zu meinen Defiziten und unternehme alles, um mich schlauzumachen, auch wenn ich mir dabei eine Blösse gebe? Im Klartext: Traue ich mich, dumme Fragen zu stellen?

Dumme Fragen sind nämlich meist nicht dumm, sondern dumm ist, keine Fragen zu stellen. Für mich sind dumme Fragen der Weg zu guten Fragen, und die haben mich stets einen wesentlichen Schritt weitergebracht. Und die genialste Entdeckung ist: Ich darf auch Jesus dumme Fragen stellen, um «von ihm zu lernen», sodass ich in der Nachfolge wirklich nachkomme und nicht nur mitlaufe. Wir hoffen, mit den Beiträgen dieser Ausgabe Ihre Lust am «Lernen fürs Leben» neu zu wecken: Indem Sie, wie Dr. Markus Müller im Interview erzählt, Ihre eigenen Lernerfahrungen reflektie­ ren und mit anderen Menschen aus­ tauschen. Indem Sie wie bei Veronika Schmidt Frust und Stress Ihre Lehr­ meister werden lassen. Indem Sie dank Johann Amos Comenius, Urs und Heidi Wolf und AD(H)S-Experte Joachim Kristahn alte und neue Einsichten gewinnen und Tipps für lebensrelevantes Lernen bekommen. Indem Sie von Jesus selbst für ihre (notwendigen) Lernprozesse ermutigt und angeleitet werden. Indem Sie die unzähligen Lerngelegenheiten nutzen, die Ihnen das Leben täglich bietet, und sich trauen, dumme und gescheite Fragen zu stellen – um ein Leben lang zu lernen und zu wachsen. Peter Höhn

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Charaktertraining Was die Jünger auch noch lernen mussten Wären Sie damals gerne mit Jesus unterwegs gewesen? Sie hätten dramatische Wunder und Heilungen erlebt, wären aber auch bis an die Grenzen gestresst worden. Der Blick hinter die Kulissen von Jesu Reich-Gottes-Training zeigt: Es geht um konsequente und kindliche Abhängigkeit von Jesus.

Peter Höhn In Markus, Kapitel 3, lesen wir, dass Jesus seine Jünger berief, damit sie «bei ihm seien», bevor er sie aussenden wollte, um das Reich Gottes in Wort und Tat zu verkünden. Was bedeutete es, bei Jesus zu bleiben? Was war es, was die Jünger lernen sollten?

Fünf Fallen für Jesus-Nachfolger Natürlich sollten sie über die gewaltigen Machttaten staunen, die Gott durch Jesus vollbrachte. Sie sollten erkennen und verstehen, dass Jesus von Gott gekommen und von ihm beglaubigt war. Sie sollten lernen, in seinem Namen zu predigen und Menschen zu heilen. Aber um fähig zu werden, in den Fussstapfen des Meisters zu gehen, hatten die Jünger noch mehr zu lernen. Sie mussten ihr religiöses Weltbild gründlich revidieren und ihren Charakter hart trainieren lassen. Insbesondere auf fünf Fallen machte Jesus seine Jünger immer wieder aufmerksam und zeigte ihnen auch das entsprechende Gegenmittel ... 12

Falle: Erfahrungen Gegenmittel: Immer neu nicht wissen, wie‘s geht

Die Evangelien zeigen: Jünger Jesu müssen mit den Erfahrungen von gestern vorsichtig sein. Jede Situation ist ein neuer Lernplatz. Jesus wirft die Logik seiner Jünger fortwährend über den Haufen; er gibt ihnen zu verstehen, dass es diesmal wieder ganz anders ist als letztes Mal. Zum Gelähmten am Teich Bethesda sagt Jesus: «Geh und sündige nicht mehr!» Aber als seine Jünger beim blindgeborenen Mann die Frage nach der Sünde stellen («Hat dieser oder seine Eltern gesündigt?»), gibt Jesus zu verstehen, dass hier die Sünde gar kein Thema ist. Der reiche junge Mann sollte alles verkaufen und den Erlös den Armen geben, aber als einige Jünger dieses Prinzip bei Marias Verschwendung des teuren Salböls anwenden wollen («Man hätte es besser verkaufen und den Erlös den Armen geben sollen»), hat Jesus eine andere Meinung. Oder als Petrus mit seinem

Bekenntnis «Du bist der Christus!» einen prophetischen Volltreffer landet, bekommt er schon beim nächsten Votum zu spüren, dass nicht alles, was er sagt, göttliche Offenbarung ist. Der ultimative Schock war die Kreuzigung Jesu. Und als sich die Jünger endlich mit seinem Tod abgefunden hatten, war er schon wieder auferstanden. Offensichtlich geht es Jesus darum, seinen Jüngern einzuprägen: Jede Situation, jede Begegnung ist neu und für eine Überraschung gut. Trotz reicher Erfahrungen ist die richtige Haltung eines Jesus-Nachfolgers: «Ich weiss, dass ich nichts weiss!» Es gilt nur zu vertrauen: Jesus ist da. Er bringt Hilfe und Lösungen von Seiten, von denen es niemand erwarten würde.

Falle: Eigene Pläne Gegenmittel: Die Lösung bei Jesus suchen

Lukas schildert im neunten Kapitel seines Evangeliums sechs verschiedene Situationen, in denen es ein Problem gibt. Immer haben die Jünger eine Lösung, aber Jesus hat jedes Mal einen anderen Plan: wie fünftausend Menschen verpflegt werden; ob man auf dem Berg der Verklärung Hütten bauen soll; ob der fallsüchtige Knabe geheilt werden kann; wie man die Frage der Jünger löst, wer der Grösste sei; wie man mit dem fremden Dämonenaus­ cz 3|11


fürs leben lernen | charaktertraining

treiber umgeht oder wie man gegen das widerspenstige samaritanische Dorf vorgehen soll. «Was, wenn die Jünger ihre eigenen Ziele erreicht hätten?», fragt Richard Blackaby1 und fügt an: «Die christliche Landschaft ist voller Trümmer selbstgemachter Visionen.» Auch wenn es unsere besten Ideen seien, Gott brauche sie nicht. «Gott will sowohl der Initiant sein, als auch der, der den Lösungsweg zeigt.» Unsere Aufgabe als Nachfolger Jesu ist es, stets von Neuem im Gebet Gottes Wege zu suchen.

Falle: Gesetzlichkeit und Religiosität Gegenmittel: Üben, fröhlich Fehler machen und aus der Gnade leben

Häufig, nachdem Jesus seine Macht demonstriert hat, treten die Pharisäer auf den Plan. Sie stellen das, was Jesus tut, auf den religiösen Prüfstand. Ihnen geht es nicht um die Menschen, sondern um das Gesetz. Sie betonen das korrekte Tun und das Vermeiden von Fehlern. Sie machen Dinge zum Thema, die man selbst im Griff hat: Reinigungsvorschriften, Halten des Sabbats, Geben des Zehnten, formale Gebete, religiöse Streitgespräche. Das gibt ihnen die Illu­ sion, bei Gott und den Menschen respektiert zu sein, aber sie merken nicht, wie lieblos, unbarmherzig und beziehungsunfähig sie selbst werden. Jesus war diametral anders: Ihm ging es um die Menschen. Seinen Jüngern machte er nie Vorwürfe, dass sie etwas falsch gemacht hätten. Einmal hatten die Jünger zu wenig Proviant mit aufs Schiff genommen. Jesus ermahnte sie

1 Am Genfer Leiterforum 2009 hielt Richard Blackaby ein bemerkenswertes Referat zum Thema (s. www.genevaleadershipforum.org, Kapitel «DVDs and Talks»). cz 3|11

in geheimnisvoller Weise: «Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer!» Die Jünger dachten, er tadle sie, weil sie zu wenig Brot mitgenommen hätten. Aber Jesus warnte sie vor der pharisäischen Einstellung, die anderen ihre Fehler ankreidet und meint, man bekomme das Leben in den Griff, wenn man sich nur korrekt verhalte, die richtigen Gebete spreche und die Regeln nicht übertrete. «Hütet euch davor!», sagt Jesus. Jesus ermahnt seine Jünger nicht, weil sie etwas vergessen haben, sondern ermahnt sie, wenn sie vergessen, was Jesus in solchen Situationen zu tun pflegt: aus unserem wenigen viel und aus unse­rem Mist Dünger machen! Gott lässt uns nicht im Stich, wenn wir etwas versäumt oder einen Fehler gemacht haben, sondern lädt uns ein, ihm dann nur umso mehr zu vertrauen.

Erlebnisse, Wunden, Fragen, und es weiss: Der Vater wird sich darum kümmern. Ein Kind ist vertrauensselig: Es ruht völlig in seinem Vertrauen, dass der Vater alles im Griff hat, dass er weiss, was er tut, und er es gut hinausführen wird. Ein Kind spielt: Es denkt und analysiert sich nicht durchs Leben. Es ist neugierig, probiert selbständig Dinge spielerisch aus und lernt so ständig dazu. Ein Kind liebt: Es liebt, weil es sich geliebt weiss, und nicht, weil es sich durch besondere Leistungen wertvoll fühlt.

Falle: Unabhängigkeit Gegenmittel: Sich vom Heiligen Geist erfüllen und leiten lassen

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Falle: Konkurrenzdenken Gegenmittel: Die Gesinnung eines Kindes bewahren

Was die Jünger besonders gerne tun: sich austauschen, wer wohl der Grösste und Wichtigste sei (sie tun das sogar noch beim Abendmahl). In Matthäus 18,1-5 stellt Jesus als Antwort ein Kind in ihre Mitte und sagt: «Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie dieses Kind, werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen.» Jesus redet mit derselben Klarheit wie damals zu Nikodemus. Es ist unmöglich, im Reich Gottes zu leben, wenn wir nicht aus dem Geist Gottes geboren werden, aber auch dann, wenn wir nicht wie ein Kind werden. Was zeichnet ein Kind aus? Ein Kind ist abhängig: Es kennt gar nichts anderes als Abhängigkeit. Unbeschwert bringt es alles nach Hause:

Am Ende seines irdischen Lebens stellt Jesus seinen Nachfolgern «den anderen Ermutiger» vor, den Heiligen Geist. Er werde bei ihnen und in ihnen sein; er werde sie nun weiterhin alles lehren und an alles erinnern, was sie in jeder Situa­ tion wissen und beachten müssten. Er werde sie in alle Wahrheit leiten. Die Hauptherausforderung im Leben eines Jesus-Nachfolgers besteht darin, sich täglich total abhängig von der Leitung des Heiligen Geistes zu machen. Es gibt (zu) viele Christen, nicht zuletzt in leitenden Positionen, die abgeklärt, stur, resigniert und zynisch geworden sind. Ist es, weil sie noch den Erfahrungen von gestern nachhängen? Weil sie immer schon wissen, wie es (nicht) geht? Weil sie aus dem rechten Tun statt aus der Gnade leben? Weil sie das kind­ liche Ver­trauen und das spielerische Ausprobieren über Bord geworfen haben? Weil sie vergessen haben, dass es mit dem Heiligen Geist immer einen Neuanfang gibt? 13


fürs leben lernen | lernen durch stress

«Unzufrieden» und «verankert» Frustsituationen haben mich weitergebracht. Sie weckten in mir jene not­wendigen Emotionen, die ich brauchte, um mich zu motivieren und meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Selbst wenn sie manchmal unglaublich wehtaten, habe ich gelernt: Gott hat sie immer gebraucht, um mich im Leben weiterzubringen und mein Leben überaus reich zu machen. Auf der anderen Seite war und ist es wichtig, im Frust nicht allein zu bleiben, sondern ihn mit Gott und Menschen zu bearbeiten und dann die guten Erfahrungsmomente mit allen

Schon von klein auf will der Umgang mit Frust und Stress geübt sein – und in positive Energie umgewandelt werden. Sinnen zu verankern. Es hilft mir, wenn neue und andere Frust- und Lernsitua­ tionen kommen – und sie kommen mit Sicherheit –, einen klaren Kopf zu

gewinnen, den eigenen Willen und die eigenen Ressourcen zu aktivieren und Entscheidungen zu fällen, die dem Leben dienen.

AN eNw DG eRn eEr a At i oSn B O P P A R T Lernen für das Leben

Meine Tochter Lynn, eineinhalbjährig, lernt ständig. Vieles hat sie mit dem Mund erforscht, so zum Beispiel total spannende Gegenstände wie die Klobürste oder den grünen Komposteimer auf der Terrasse, aber auch Mamis kleines Tintenfässchen. Weil Letzteres nicht ganz dicht war, stand Lynn die Freude am Entdecken buchstäblich ins Gesicht geschrieben. In ihrem neuesten Lernprozess hat sie das Malen entdeckt und die Tinte gegen Grafit ausgetauscht. Toll, wie sie es mit dem Bleistift hinkriegte, eine Fläche künstlerisch zu segnen, die etwa zehnmal so gross war wie das Papier, das ihr eigentlich zur Verfügung stand. Ich habe dann mit dem Radiergummi alles säuberlich wieder weggemacht. Und war stolz. Und weiss: Es werden noch Momente auf mich zukommen, in denen nicht nur die Knie vom Schrubben schmerzen, sondern auch mein Herz – aber ich will mich freuen, wenn ich sehe, wie meine Tochter im Leben lernt und wächst, und ich will daran festhalten, dass sie es ein Leben lang tun wird. Genau das möchte mein Vater im Himmel auch. Randy Alcorn schreibt in seinem Buch über den Himmel, dass Gott nicht will, dass wir cz 3|11

jemals mit Lernen aufhören. Er will vielmehr, dass alles ausgeräumt wird, was uns am Lernen hindert. Dieses Lernen, Entdecken und Erforschen bezieht sich ebenso auf die Gegenwart wie auf die Zukunft. Wir werden auch im «Himmel» nicht einfach allwissend, sondern weiter auf Entdeckungsreise sein. Denn Gott wird uns weiterführen in seinem ursprünglich erdachten Plan, so wie es im Epheserbrief 2,6-7 steht: «Und er [Gott] hat uns in Christus Jesus mitauferweckt und miteingesetzt im Himmel, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.» Das Wort «erzeigen» heisst so viel wie «aufdecken, klarmachen». Im Zusammenhang mit den «kommenden Zeiten» bedeutet das, dass es sich um ein «Klarmachen» handelt, das nie aufhören wird. Gott hat das ganze Leben, vom Anfang bis in alle Ewigkeit, auf das Lernen, Entdecken und Erforschen ausgerichtet. Meine kleine Tochter hat‘s kapiert: Ich bin erst wieder dran, diese Wahrheit für mich zu entde­cken – denn manchmal ist Neues zu lernen anstrengend. Zum Beispiel dann, wenn ich endlich das alte Mobilephone kapiert 23

Andreas Boppart ist Eventprediger sowie Autor und leitet den Arbeitszweig Campus Generation Ministry von Campus für Christus.

habe. Oder wenn ich mich an einem Ort eingelebt und mich an die Leute gewöhnt habe. Aber trotz aller Mühsal, die dieser stetige Lernprozess bei mir auslöst, fasziniert er mich auch. Denn es sind genau jene Leute, die bis ins hohe Alter Neues wagen, Neues bei Jesus entdecken und mutig umsetzen, die mich beeindrucken und am meisten herausfordern. Lernen gehört zum Leben. Manchmal das Gefühl zu haben, schon alles zu wissen, auch. Und zu begreifen, dass dem nicht so ist, mindestens ebenso. Wäre frustrierend, würde ich mit meinen 32 Lenzen noch so holprig den Stift führen wie meine kleine Tochter. Und würde ich in zehn Jahren noch so sein wie jetzt. Und würde Lynn mit zwölf noch mit dem Bleistift auf dem Boden kritzeln. Wir lernen. Ein Leben lang. Und das ist gut so. Hoffentlich besprayt Lynn dann mal Hauswände.


Gold- und Silberfäden entdecken Joachim Kristahn: Kinder mit AD(H)S im Leben stärken Spätestens im Schulalltag nimmt der Leidensdruck von Kindern mit AD(H)S und ihren Familien stark zu. Joachim Kristahn berät betroffene Familien. Mit grosser Sensibilität und Liebe für diese Kinder fördert er sie in ihren Stärken und sucht Wege, ihre Schwächen einzudämmen.

Interview: Sabine Fürbringer Christliches Zeugnis: Die Diagnose AD(H)S hört man bei Schulkindern recht häufig. Was muss man sich darunter eigentlich vorstellen? Joachim Kristahn: Das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit oder ohne Hyperaktivität (H) ist – nach weltweit gebräuchlichen Diagnose-Manuals – eine feststellbare Verhaltensauffälligkeit mit einer organischen Basis. Die betroffenen Zentren und Abläufe im Gehirn führen zu drei Leitsymptomen, um die herum sich dann das Syndrom individuell ausgestaltet. Im Zentrum steht die Aufmerksamkeitsstörung in Form einer Inkonsistenz, das heisst, auf eingehende Reize wird nicht adä­ quat eingegangen. Dazu kommen eine emotionale Impulsivität und drittens noch eine Hyperaktivität (motorische Unruhe) oder im Gegenteil eine Hypoaktivität (Unteraktivierung). Die Hyper­ aktivität muss also nicht unbedingt dabei sein, es gibt auch die ru­hige, verträumte, unauffällige Art. Obwohl diese Kinder genauso Hilfe bräuchten, fallen sie nicht auf. Aber auch sie verpassen viel, weil sie ihre Aufmerksamkeit nicht fokussieren 36

können. AD(H)S tritt gehäuft in bestimmten Familien auf, hat also auch eine genetische Dimension. Spätestens im Schulalltag bekommen die betroffenen Kinder massive Pro­ bleme. Was genau geschieht dort eigentlich? Das Hauptproblem liegt darin, dass der Transfer des Lernstoffes vom Kurzzeitspeicher in den Langzeitspeicher nicht funktioniert. In der dritten Klasse nimmt das Lerntempo in der Schule massiv zu, und spätestens dann werden die Probleme gravierend. Normalerweise können wir unsere Aufmerksamkeit auf einen Lerninhalt richten und dort auch aufrechterhalten. Ein AD(H)SKind nimmt viele Reize gleichzeitig wahr. Vor dem Fenster pfeift ein Vogel, in der hinteren Bank schwatzt eine Freundin, in der Bank nebenan liest ein Junge einen Comic unter dem Tisch, und auf dem Flur draussen sind Schritte zu hören. Mitten in diesem Reizwirr­ warr steht die Lehrerin an der Tafel und versucht, eine Rechnung zu erklären. Normalerweise können Kinder ihre Auf­merksamkeit willentlich längere Zeit auf die Lehrerin fokussieren. Ein Kind mit AD(H)S nicht. Man kann sagen, es

habe eine Reizfilterschwäche bei gleichzeitiger Reizoffenheit, kann schlecht zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden. Das Kurzzeitgedächtnis ist schnell überlastet, und die Reize werden wieder hinausgedrängt. Zudem ist der Kurzzeitspeicher bei AD(H)S-Betroffenen kleiner als bei anderen. Müssen sich Eltern und Lehrpersonen ein­fach damit abfinden, oder wie können sie ein Kind mit AD(H)S unterstützen? Manchmal ist AD(H)S für Eltern schwer zu akzeptieren, denn sie erleben ihr Kind bei gewissen Aktivitäten hoch kon­zentriert, zum Beispiel wenn es am Computer spielt. Tatsächlich können sie hyperfokussiertes Verhalten an den Tag legen, wenn sie ein Inhalt fasziniert. Manche Kinder sind richtige Experten für Vulkane, Technik, Natur­ themen oder auch Handwerk und Sport. Dort vergessen sie die Zeit und die Welt um sich herum. Könnte man den Lernstoff so präsentieren, dass er die Kinder bei ihren Interessen abholt, würde manches leichter gehen. Aber oft ist der Unterricht nicht spannend genug und die Beziehung zur Lehr­ person nicht motivierend. Im aktuell laufenden AD(H)S-Trainerkurs1 in der cz 3|11


fürs leben lernen | gold- und silberfäden entdecken

Schweiz erzählte eine Teilnehmerin von einem Kind, das mit dem Rechnen enorme Mühe hatte. Aber es hatte eine Vorliebe fürs Sparen, und so hat sie im Matheunterricht für dieses Kind die Aufgaben in Texte rund ums Sparen eingekleidet. Und siehe da: Das Kind konnte rechnen. Die Kinder würden gerne ihre Spezialthemen einbringen, manche beschäftigen sich auch intensiv mit religiösen Fragen. Eine gute Beziehung zur Lehrperson und ein po­ sitiver Klassengeist sind für AD(H)SBetroffene besonders wichtig. Das ruft positive Gefühle hervor, und deren Wirkung auf den Lernerfolg wird unterschätzt. Kann eine Lehrperson Herzensbegegnungen mit dem Kind schaffen, ermöglicht ihm das Momente höchster Konzentration und bringt auch Frieden. Übrigens: Was für AD(H)S-Betroffene gut ist, ist auch für den Rest der Klasse nicht schlecht! Es gibt Kinder, die den Schulstoff langweilig finden, aber wegen der Lehrperson, die sie so mögen, die Motivation zum Lernen aufbringen. Die Emotionen scheinen eine wesentliche Komponente des Lernprozesses zu sein. Ein spannender Unterrichtsstil weckt gute Gefühle. AD(H)S-Betroffene fahren viel Frustration ein, nicht nur im Schulalltag: Sie sind wie Jäger und Sammler in einer Gesellschaft von Siedlern. Sie nehmen ihre Andersartigkeit selber wahr, stossen aber auch auf Ablehnung durch ihre Umwelt. Zu den Aufmerksamkeitsdefiziten gesellen sich Gefühlsstörungen und eine erhöhte Impulsivität. In sozialen Situa­tionen schätzen sie sich und andere falsch ein und können auch oppositionelles Verhalten an den Tag legen. Die Kritik kommt dann postwendend. Sie werden blossgestellt und zum Aussenseiter gemacht. Durch ihre erhöhte Sensibilität leiden sie enorm daran. Sie wollen doch so aufmerksam sein wie alle anderen, aber es gelingt ihnen nicht. In ihrem weichen Kern verstehen sie nicht, warum sie nicht einfach «sein» dürfen, cz 3|11

warum sowohl Elternhaus als auch Schule ihnen das verweigern. Dieser Leidensdruck führt zu einer inneren Abwärtsspirale, die sie etwa durch Clownerie zu überdecken oder mit Stehlen, Angreifen anderer, Hämischwerden oder innerem Rückzug zu bewältigen versuchen. Das führt zu noch mehr Ärger und Kritik, die Spirale dreht sich immer weiter, und alle beschäftigen sich nur noch mit ihren Schwächen. Und man muss bedenken, dass weltweit, in jeder Gesellschaft, zwei bis sieben Prozent der Bevölkerung von AD(H)S betroffen sind. Was können wir denn AD(H)S vom christlichen Menschenbild her entgegenhalten? Gibt es dort nicht noch andere Chancen oder Lösungen? Unser Ansatz bei IGNIS heisst «Stärken stärken, Schwächen schwächen». Psalm 139 spricht davon, dass wir «im Verborgenen gewoben» wurden. Das hebräische Wort umschreibt das Weben kostbarer Stoffe unter Einbezug von Gold- und Silberfäden. Diese Goldund Silberfäden gilt es zu entdecken und aufzurichten. Den Schwächen stehen explizit auch entsprechende Stärken gegenüber. Die kann man bewusst machen und fördern, einbeziehen. Das versuchen wir zum Beispiel in unserem AD(H)S-Online-Stärken­ training zu vermitteln1. Die biblische Botschaft, dass dort, wo wir mit Gott versöhnt leben, Friede herrscht, ist eine grosse Chance. Innerer Friede steht der Unruhe, die mit AD(H)S einhergeht, entgegen. Es ist sowohl Hoffnung als auch konkrete Erfahrung für diese Menschen, dass das Leben mit Jesus zur ersehnten inneren Ruhe führt und damit auch zu mehr Konzentration. Kolosser 3,15 sagt, dass wir zum Frieden Christi berufen sind und dieser Friede in unseren Herzen regieren soll. Das umschreibt einen

zur Person

Der Diplompsychologe Joachim Kristahn berät betroffene Familien und bildet im Rahmen der IGNIS Akademie AD(H)S-Trainer aus.

geistlichen Wachstumsprozess, der im Einzelfall sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und lange dauern kann, in den wir aber auch schon Kinder und Jugendliche behutsam mit hineinnehmen dürfen. Eigentlich brauchen wir alle eine innere Ruhe in dieser hektischen Zeit. AD(H)S fordert uns heraus zu fragen, ob wir im Alltagstreiben noch das Wesentliche im Fokus haben oder eher unruhig und wie getrieben durchs Leben hasten. Wie muss man sich so ein «Trainings­ programm» vorstellen? Ein wesentlicher Teil ist der Umgang mit Gefühlen wie etwa Wut oder Begeisterung. Das kann man einüben. Beispielsweise kann man lernen, den Gefühlen einen Namen zu geben. «Bin ich enttäuscht? Oder ärgerlich? Oder eher traurig oder wütend?» Das gibt einem eine Basis, um entscheiden zu können, was eigentlich los ist. Als nächsten Schritt überlege ich, wie ich damit fertig werde. «Soll ich zur Person hingehen und das Gespräch suchen?

Mehr Informationen zur Fortbildung zur Fortbildung zum AD(H)S-Trainer, zum Online-Stärkentraining und zu dem Kinder-Mut-Mach-Material bei IGNIS, der Deutschen Gesellschaft für Christliche Psychologie unter: www.ignis.de/Seminare/ADHS-Beratungsstelle

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Soll ich meine Wut am Boxsack rauslassen? Soll ich Gott um Hilfe bitten und dann das Gespräch suchen?» Kinder brauchen für diese Schritte Trainerinnen und Trainer, die ihnen helfen und Möglichkeiten aufzeigen. Dazu haben wir die Kinder-Mut-Mach-Gruppen. Kinder sollen frühzeitig lernen, sich dem Leben und dem Schmerz zu stellen, damit sie eine Idee davon bekommen, wo sie damit hinkönnen. Im Kinder-Mut-Mach-Programm «Ich stelle mich meinen Gefühlen» gibt es etwa die Gefühle-Kiste, bestückt mit Taschentüchern, Sportschuhen, Boxhandschuhen, einem Telefon, einem Tagebuch und anderem. Das Kind kann konkret entscheiden: «Was mache ich jetzt mit meiner Wut? Wen rufe ich an? Was schreib ich in mein Gebetstagebuch?» So lernen sie, ihre Gefühle mit Gott zu besprechen, und erleben, wie Gott ihre Gebete erhört und manchmal auch Wunder tut. Gott antwortet vielleicht mehr auf die Gebete von Kindern, als wir «abgeklärten Erwachsenen»

denken. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Vater, der nach Jahren zur Familie zurückkehrte und sich entschuldigte, dass er mit einer anderen Frau weggegangen war. Seine älteste Tochter hatte zuvor nach Jahren des Schmerzes wieder angefangen, anhaltend dafür zu beten ... Wie kann man zusammenfassend auf dieser emotionalen Basis das Lernen allgemein unterstützen? Bei AD(H)S funktionieren zwei Lern­ wege: Der eine ist der direkte Weg, der bei hoher Motivation, positiven Gefühlen und Spezialthemen gut funktioniert. Hier rutscht der Lerninhalt direkt ins Langzeitgedächtnis. Der andere Weg kommt bei uninteressantem, nicht motivierendem Lernstoff zum Tragen, und der heisst: wiederholen, wiederholen, wiederholen! Jeder Mensch braucht das, damit sich ein zu lernender Inhalt setzt – AD(H)S-Betroffene ganz besonders. Sie müssen einen einzigen Lösungsweg – und nicht etwa viele Lösungsvarian-

ten – verinnerlichen können, bis er sich automatisiert. Wichtige Dinge zu wiederholen und zu automatisieren, könnte übri­gens allen im Leben weiterhelfen. Lehrmeister klagen immer wieder darüber, dass ihre Lernenden wesentliche Grundlagen nicht beherrschen. Das ist darauf zurückzuführen, dass diese nicht tief genug durch Wiederholung verankert wurden. Grundsätzlich darf Lernen aber Spass machen. Gute Beziehungen, Kreativität, Abwechslung, Farbe, Bewegung und Einbezug der Schüler im Unterricht machen hier einen Unterschied. Und das kommt AD(H)S-Betroffenen und allen anderen entgegen!

weitere Infos AD(H)S-Beratungsstelle Kanzler-Stürtzel-Str. 2 97318 Kitzingen www.ignis.de/Seminare/ ADHS-Beratungsstelle/

AFilmtipp NDY SCHINDLER-WALCH «Das ultimative Geschenk» Jason Stevens (Drew Fuller) ist ein junger Mann, der alles hat, was er sich wünscht: eine gut aussehende Freundin, eine teuer eingerichtete Wohnung und vieles mehr. Er ist der Enkel des milliardenschweren Industriellen Red Stevens (James Garner) und wird finanziell gut versorgt. Doch Jason ist innerlich leer und führt ein Leben ohne Sinn und Ziel. Eines Tages stirbt sein Grossvater Red. Bei der Testamentseröffnung gehen die geldgierigen Verwandten praktisch leer aus. Nur für seinen Enkel Jason scheint Red etwas vorbereitet zu haben, das ihm vom Firmenanwalt Mister Hamilton und der Anwaltsgehilfin Miss Hastings präsentiert wird: Via Filmbotschaften, die Red vor seinem Tod aufzeichnen liess, beschenkt er

seinen Enkel nun mit einer Reihe von Aufgaben, die Jason zuerst lösen muss, bevor er das ultimative Geschenk als sein Erbe bekommen soll. Widerwillig beginnt Jason, die erste Aufgabe zu lösen, die von ihm verlangt, auf einem Feld eine Reihe von Zaunpfosten aufzustellen. Zuerst erkennt Jason nicht, warum er diese und danach weitere Aufgaben erfüllen muss. Doch dann gehen ihm langsam die Augen auf. «Das ultimative Geschenk» ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Jim Stovall. Der Film erzählt von einem arroganten jungen Mann, der sich durch eine Reihe von Aufgaben verändert und lernt, welche Werte im Leben wirklich wichtig sind. 38

• Andy Schindler-Walch, Filmspezialist und Redaktor bei einer Lokalzeitung.

«Das ultimative Geschenk» (USA/2006, 114 Minuten) ist als DVD im Handel erhältlich.

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fürs leben lernen | gold- und silberfäden ... | kolumnen

Sbeziehungsweise A B I N E

F Ü R B R I N G E R

Orientierung im Küchenlabyrinth «Wo sind die Rüstmesser?» – «Ich kann das Salatsieb nicht finden!» – «Die Kaffeetassen sind an einem total unlogischen Ort.» – So tönt es zurzeit aus unserer Küche. Die Fragen und Kommentare kommen nicht von irgendwelchen fremden Eindringlingen, die sich hier zu schaffen machen, sondern von meinen allerliebsten Familienmitgliedern. Ihre Desorientierung hat eine handfeste Ursache: Wir sind umgezogen! Als Frau des Hauses hatte ich das Privileg und die Herausforderung, unsere in Bananenschachteln verpackten Schüsseln, Teller, Pfannen, Gewürze, Geräte, Kochlöffel und Tassen im neuen Heim wieder auszupacken und sinnvoll auf die Regale und Schubladen zu verteilen. Dabei gibt es unbestritten verschiedene Varianten, die sich diskutieren lassen. Wie beispielsweise die optimale Luftlinienentfernung zwischen Kaffeetassen und Kaffeemaschine.

KBlickpunkt U R Welt T Über die Theorie hinauskommen In meinem Leben bin ich schon Tage, Monate, ja sogar Jahre in Schulbänken, Hörsälen und Seminarräumen gesessen. Diese Basis war notwendig und hilfreich. Aber mir ist klar: Ohne praktische Erfahrung im Alltag und ohne die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, bliebe alles Wissen letztlich nutzlos. Was mir in dieser Hinsicht schon vielfach die Augen geöffnet hat, ist die Begegnung mit anderen Kulturen. Ich habe dadurch nicht zuletzt viele biblische Berichte besser verstehen gelernt. Vor ein paar Jahren war ich in Albanien mit einem Team unterwegs, um in Bergdörfern den Jesus-Film zu zeigen. Weil die entsprechenden Kommunikationsmittel nicht vorhanden waren, konnten wir unseren Besuch jeweils nicht im Voraus ankündigen. Wir hatten nur einen kleinen Rucksack und keine Lebensmittel dabei. Hotels oder Herbergen gab es nicht. In der albanischen Kultur ist aber Gastfreundschaft tief verwurzelt. So wurden cz 3|11

Interessant ist, das Verhalten der einzelnen Personen in diesem aufgezwungenen Lernprozess zu beobachten: Ich selbst habe, wie gesagt, das Vorrecht, gestaltend mitzuwirken und aufgrund der mir eigenen Logik ein System zu schaffen. Dadurch memoriert sich das Neue relativ schnell. Dann gibt es den Typus «Alle Schränke durchklappern, wenn nötig dreimal hintereinander». Nach unzähligem Trial-and-Error kommt auch er zum Ziel, und mit der Zeit verkürzen sich die Suchwege. Der dritte Typus ist der eingangs erwähnte: «Lauthals durchs Haus nach Lösungen und Anleitung rufen.» Falls er beim Umsetzen des angebotenen Lösungsweges sein Gehirn aktiviert, kommt er mittelfristig ebenfalls zu einer eigenständigen Orientierung im Schubladendschungel. Sich in einer neuen Küchenumgebung zurechtzufinden, ist ein relativ harmloses Un-

• Sabine Fürbringer ist Psychologin sowie Familienfrau und arbeitet bei Campus für Christus als Referentin, Autorin und Beraterin.

terfangen. Doch Gott mutet uns auch im grösseren Stil immer wieder Veränderungen und damit Lernprozesse zu. Dabei dürfen wir ihn als Vater um Orientierung bitten. In gewissen Situationen schweigt er aber bewusst und lässt uns alleine suchen. Die ganz besonderen Momente sind jene, in denen wir etwas von seiner Schöpferkraft, die er in uns angelegt hat, ausleben und selbst Struktur und Logik ins Neue hineinbringen können. Dazulernen macht das Leben reich und erfüllt!

B U R G H E R R wir täglich zum Essen eingeladen, und jede Nacht waren wir bei jemandem zu Gast, der uns spontan beherbergte. Diese Erlebnisse erinnerten mich an Stellen in der Bibel, wie wir sie etwa in Lukas 10 finden, wo Jesus seine Jünger aussendet und ihnen sagt, sie brauchten sich wegen Essen und Übernachtung nicht zu sorgen. Vor kurzem war ich zu Gast in einem orientalischen Land. In dieser Kultur ist die Familie sehr wichtig. Man trifft sich am Sonntag in der (Gross-)Familie, und aus diesem Grund haben alle Häuser eine Stube, die zwei- bis dreimal so gross ist wie bei uns. Rundherum stehen Sofas, auf denen die Familienmitglieder Platz finden. Ich stelle mir vor, dass dies schon zu biblischen Zeiten so war: Man war eingerichtet, um grössere Gruppen zu versammeln, und so konnten sich auch die ersten Christen «in den Häusern» treffen. Sie hatten offenbar den Platz dazu. Jeder Kontakt mit Menschen in anderen Ländern schenkt wertvolle Lebenserfahrungen. Einen Reiseführer oder einen Bericht 39

• Kurt Burgherr leitet Agape international, die Auslandtätigkeit von Campus für Christus Schweiz, mit Schwerpunkt in Gemeinde- und Leiterentwicklung sowie Entwicklungszusammenarbeit.

über das Land zu lesen, kann uns wissensmässig vorbereiten; Lernerfahrungen kommen aber erst im persönlichen Sicheinlassen. Eine gute Möglichkeit dazu bieten Kurzzeiteinsätze. Sicher, in zwei, drei Wochen wird man noch kein Experte. Aber die Chance ist gross, eine entscheidende Horizonterweiterung zu erfahren und die notwendige Ergänzung zu bekommen zu all dem, was man im Laufe des Lebens vielleicht erst theoretisch gelernt hat.


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