CZ_4_2010_Kurzversion

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gastfreundschaft | inhalt

gastfreundschaft | editorial

Inhalt

Editorial

ZUM THEMA

Häuser der Hoffnung – Orte der (Gast-) Freundschaft

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Editorial Häuser der Hoffnung – Orte der (Gast-) Freundschaft

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«Menschen für Gottes Schönheit begeistern»

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Die Basivilla in Ostermundigen

Raum für Ehe und Freundschaft

HINWEISE

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CfC national Alphalive, «Minni Schuel», Athletes in Action, Festival della Vita

Als Familie Heimat geben ... ... und sich selbst Heimat bewahren

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«Ein Werkzeug in Gottes Hand» Zum hundertsten Todestag von Henry Dunant

Beziehungen sind zu wertvoll, um sie dem Zufall zu überlassen

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Die seelsorgerliche Bedeutung des Hauses Das Vorbild von Johann Christoph Blumhardt

Ein altes Haus ermöglicht Leben

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gen werden entdeckt und eingesetzt. Man teilt nicht nur Glauben, sondern auch Leben.

Wie Gott einen Traum wahrgemacht hat

Interview mit Rolf und Marielle Hiltl

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Ein Leuchtturm sein in der Nachbarschaft

«Ich sehe die Menschen mit anderen Augen»

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CfC international Innehalten auf dem Jakobsweg

Debora Uhlmann hat die Angst vor Menschen verloren

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Kolumnen «beziehungsweise« und «Filmtipp Sabine Fürbringer und Andi Schindler-Walch zum Thema

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ZUM THEMA

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Das «Christenhaus» im Berner Getto

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Spital und Reha als Orte der Freundschaft

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Inserate, Impressum

ZUM SCHLUSS

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Kolumne «New Generation»

Agape international feiert 30-Jahr-Jubiläum Einsetzung des neuen Dreierleitungsteams

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An der Bar zum Leben finden

Boppi: «My home is my castle»

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Pfarrer Fredy Staub und Markus Baumgartner zum Thema

HINWEISE

Die HeilBAR in Brugg – eine Gemeinschaft an den «Toren der Stadt»

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Kolumnen «von Wegen!» und «Medien»

Maja und Kobi Stalder: «Es ist leicht, den Menschen hier zu begegnen.»

Das Wort des Missionsleiters Hanspeter Nüesch

Themen, die weiterhelfen Aktion: Christliches Zeugnis zum Sammeln und Weitergeben

Gottes Liebe umsonst

« … Häuser als Orte der Hoffnung gestalten, wo Menschen ganzheitliches Leben, heilende Gemeinschaft und den Glauben an Jesus erfahren.» Ende September letzten Jahres brannte das Gebäude der Eglise Evangélique Provence 24 aus, weil in einem unterirdischen Archiv der Stadt Lausanne Feuer ausgebrochen war. Die Gemeinde stand auf der Strasse. Kurzerhand wurden die Sonntagsgottesdienste zumindest einmal im Monat dezentral in die Häuser verlegt. «Schon länger hatten wir uns überlegt, wie wir die Beziehungen in unseren Hauskreisen und in der zweihundertköpfigen Gottesdienstgemeinde neu beleben könnten», erzählt Prediger Jean-Luc Ziehli in seinem Bericht. Die Lausanner Gemeinde macht keine einfache Zeit durch, sieht aber auch Chancen: Man rückt näher zusammen, Beziehungen vertiefen sich, neue Begabun-

Unsere Glaubensgeschwister in Lausanne erfahren zeichenhaft, was Gottes Geist in den letzten Jahren immer mehr zu betonen scheint: eine «Enttempelung» des Glaubens, das heisst, weniger in kirchliche Programme und Gebäude zu investieren, dafür die Häuser als Orte der Gastfreundschaft und des gemeinsamen alltäglichen Gott-Erfahrens wiederzuentdecken. Häuser als Orte der Hoffnung zu gestalten, wo Menschen ganzheitliches Leben, heilende Gemeinschaft und den Glauben an Jesus erfahren. Hier hat der Christustag im Juni mit dem Motto «Häuser der Hoffnung – Orte der Freundschaft» eindrückliche und vielfarbige Akzente gesetzt. Zudem sind in letzter Zeit etliche Bücher erschienen, deren Autoren für gastfreundliches Christsein plädieren, sei es der methodistische Pfarrer Robert Schnase mit seiner Forderung nach «radikaler Gastfreundschaft» (in: Fruchtbare Gemeinden und was sie auszeichnet), sei es Markus Müller, Direktor der Pilgermission St. Chrischona,mit dem Aufruf, «Orte der Barmherzigkeit» zu schaffen (in: Trends 2016, die Zukunft lieben), seien es Guy und Joële Zeller mit ihrer «Vision pour

la famille», sei es Christian Hennecke mit den «kleinen christlichen Gemeinschaften» in der katholischen Kirche (siehe CZ 2/2010) – und nicht zuletzt auch William P. Young, der mit «Die Hütte» den Nerv einer tief sitzenden Sehnsucht getroffen hat, mit Gott so ganz natürlich leben und reden, essen und trinken zu dürfen, wie Adam und Eva es damals im Paradies taten und wie es Jesus denen zusagt, die «sein Anklopfen hören und ihm die Türe öffnen» (Offenbarung 3,20). Lassen Sie sich von den Beiträgen dieser Ausgabe motivieren, selbst einen Ort der Freundschaft, des Aufatmens und der Barmherzigkeit zu schaffen, an dem Menschen ganzheitlich von Gott berührt werden. Entdecken Sie den Wert eines schönen und einladenden Ambientes, wie man es im Hause Hiltl, in der HeilBAR oder bei Martin und Christine Brudsche erleben kann. Werden Sie kreativ und lassen Sie sich mit dem, was Sie sind und haben, von Gott gebrauchen. Das Beispiel Lausanne zeigt: Wenn die Kirche ausbrennt, ist es Zeit, dass wir «hin und her in den Häusern» die Gastfreundschaft neu entdecken. Und dazu müssten wir eigentlich nur noch die Türe öffnen. Peter Höhn

Die Aktion Gratishilfe in Chur

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Eine Gemeinde im Feuer ... ... und wie sie Gottes Absicht dahinter entdeckt

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gastfreundschaft | raum für ehe …

Raum für Ehe und Freundschaft Beziehungen sind zu wertvoll, um sie dem Zufall zu überlassen • Christine und Martin Brudsche: «Um die Qualität ihrer Beziehung weiter zu vertiefen, empfehlen wir unseren Paaren ‹Ehe mit Vision›, das Wochenende zu zweit von FamilyLife.» www.familylife.ch

Christine und Martin Brudsche aus Hombrechtikon pflegen nicht nur ihre eigene Ehe, sondern auch bewusst und proaktiv freundschaftliche Beziehungen – und tragen dafür Termine fix in ihrer Agenda ein. Zweimal im Jahr laden sie zum achtteiligen Ehekurs in ihre Wohnung und verwöhnen die teilnehmenden Paare wie persönliche Gäste.

Renate Blum Gleich zweimal mussten Christine und Martin Brudsche aus nächster Nähe zusehen, wie Ehen zerbrachen. «Das stimmte mich extrem traurig», erzählt Christine. «Ich wollte helfen und etwas unternehmen, damit Paarbeziehungen gelingen können. ‹Was meinst du, Gott?›, war mein Gebet.» Ein Flyer von FamilyLife, der als Beilage einer christlichen Zeitschrift mit der Post ins Haus kam, lud potenzielle Veranstalter des Ehekurses von FamilyLife zu einem Infotag nach Winterthur ein. Gemeinsam fuhren Christine und Martin Brudsche hin.

Ehekurs zum Geniessen «An diesem Tag wurde ich Feuer und Flamme und freute mich, solche Kurse selber zu organisieren», erinnert sich Christine. Martin reagierte weniger euphorisch, fand aber: «Das ist eine tolle Sache. Ja klar, das machen wir.» Christine und Martin besuchten zunächst selbst einen Ehekurs. Dabei entwickelten sie ihre eigenen Vorstellungen, wie sie den Kurs aufziehen wollten und wie nicht. Später lernten sie das DVD-Set zum Kurs kennen und waren davon so überzeugt, dass sie sich sagten: Warum 12

sich die Mühe machen und selber referieren, wenn etwas so Gutes vorhanden ist?! «Dafür waren wir uns einig», so Martin, «dass wir alle unsere Energie sozusagen in die ‹Verpackung› investieren wollten: Für die teilnehmenden Paare sollte der Besuch bei uns die Bedeutung eines schönen Ausgangabends mit feinem Essen und möglichst viel Privatsphäre haben, damit Herzensgespräche stattfinden können.»

Grosses Engagement und viel Liebe zum Detail Seit 2006 laden Christine und Martin Brudsche zum Ehekurs ein und beten immer wieder: «Füll du, Gott, unsere Wohnung!» Sie sind für vierzehn Paare eingerichtet und staunen jedes Mal, wie die Anmeldungen zusammenkommen. Bis jetzt haben sie zehn Kurse durchgeführt, zuerst dreimal im Jahr, jetzt zweimal. «So stimmt es für uns», sagt Christine. «Wir könnten den Kurs wohl in einem grösseren Rahmen organisieren, aber dann wäre es nicht mehr das Gleiche. Wir möchten ihn bewusst so halten, privat, in einem gepflegten Rahmen.» Während acht Wochen verwandeln Brudsches jeweils ihr grosses Wohn- und Esszimmer mit Galerie in ein stilvolles

Lokal. Christine hat ein ausgesprochen gestalterisches Talent. Jede Woche erscheint die grosszügige Attikawohnung neu in geschmackvollem Outfit mit wechselnder Grundfarbe. Die Zweiertische sind liebevoll und passend zum Thema geschmückt. «Die Dekorationen und das Menü plane ich im Voraus für den ganzen Kurs», erzählt Christine. «Während der Kurswochen bin ich am Dienstag und Mittwoch fast ausschliesslich mit Einkaufen, Herrichten und Kochen beschäftigt. Am Mittwoch gegen Abend kommen drei Personen, die mithelfen.» Auch Martin, beruflich als Verkäufer in der Informatikbranche tätig, kommt um 17 Uhr nach Hause und packt mit an. «Ich bin vor dem Abend zuständig fürs Staubsaugen, für die Salatsauce und dafür, dass die Technik funktioniert.»

In Ruhe und Schönheit einander begegnen Um viertel vor sieben treffen die Gäste zum Apéro im Eingangsbereich ein. Dann nehmen die Paare an den Zweiertischen Platz, und das Essen wird wie in einem feinen Restaurant serviert. Dazu wird ein Glas Wein eingeschenkt. Auf jedem Tisch brennt ein kleines Licht, das cz 4|10

• Liebevoll gestaltete Deko: Mit ein Grund, dass schon über 100 Paare den Ehekurs bei Brudsches besucht haben. Liebe geht durch den Magen: Das gediegene und persönliche Ambiente hilft Paaren, auch über schwierige Themen ins Gespräch zu kommen.

Feedbacks von Ehekurs-Gästen – Der Ehekurs war mehr als ein Kurs, das war Liebe pur. – Wir haben erfahren, wie wichtig es ist, die eigenen Bedürfnisse dem Partner mitzuteilen. – Wir haben gelernt, Konflikte anzusprechen und ihnen nicht auszuweichen. – Wir waren «gezwungen», an diesen Abenden «Zeiten zu zweit» zu verbringen und haben erlebt, wie schön diese Zeiten sind. – Wir geniessen am Morgen neu das Gebet zu zweit. – Die Abgrenzung von Eltern und Schwiegereltern zu erkennen, war wichtig für uns. cz 4|10

zur romantischen Stimmung im Raum beiträgt. Im Hintergrund spielt leise Musik. Nach dem Essen setzen sich alle zum Vortrag um den langen Tisch in der Mitte des Raumes. «Dass es etwas Bewegung im Raum gibt, erleben die Paare positiv», erzählt Martin. Nach dem Videovortrag erzählen er und Christine, welche Erfahrungen sie persönlich mit dem jeweiligen Thema gemacht haben und wie sie damit umgehen. Brudsches haben in ihrer Beziehung selbst schwierige Phasen durchlebt und wollen Mut machen, aktiv an der eigenen Beziehung zu arbeiten und ein Leben lang dranzubleiben: «Wir sind ein ganz normales Ehepaar. Unsere Gäste sollen sehen, dass es völlig normal ist, wenn man als Paar immer wieder mal ansteht und ‹Knörze› hat, es aber nicht dabei bleiben muss.» Für die Verarbeitung des Themas und fürs Dessert setzen sich die Paare wieder an die Zweiertische. Es gibt keine Gruppengespräche. Um viertel vor zehn ist Schluss; aus Erfahrung verabschieden sich die Gäste ziemlich rasch. «Wir finden das gut so», meint Christine, «weil das Paar so miteinander im Gespräch bleibt. Manchmal kommt es vor, dass ein Paar unsere Wohnung bedrückt verlässt, weil ein Konflikt zum Vorschein kam. Wir bieten an, dass sie bei Schwierigkeiten auf uns zukommen können, aber als Eheseelsorger verstehen wir uns nicht.» Bis alles wieder aufgeräumt sei, werde es fast Mitternacht, sagt Martin. «Wir sind dann müde, aber innerlich erfüllt und sagen immer wieder zueinander: ‹Es hat sich nicht nur gelohnt, sondern auch Spass gemacht.›»

«Wiichreis» Mit zunehmendem Alter, erzählen Brudsches, hätten sie realisiert, wie wertvoll gute Freundschaften seien. Neben ihrer Ehebeziehung wollten sie deshalb auch den Kontakt zu einem weiteren Freundeskreis vertiefen. «Wir fragten vier Paare aus unserem weiteren Bekanntenkreis an, ob sie mit uns zusammen eine Weg13

strecke gehen wollten, was heisst, alle zwei Monate einander zu besuchen oder miteinander etwas zu unternehmen.» Daraus ist der «Wiichreis» entstanden. Der Name stammt von einer Weinbauernfamilie, auf deren Hof die gemeinsamen Sonntage nach dem Gottesdienst stattfinden. Fürs gemeinsame Mittagessen bringen alle das mit, was sie via Google-Kalender abgemacht haben. Die Termine werden zu Beginn des Jahres gemeinsam festgelegt. «Man verbringt Zeit miteinander, nimmt gegenseitig Anteil an dem, was einen beschäftigt, und lernt sich besser kennen», sagt Christine. «Wir erzählen uns zum Beispiel, wie wir aufgewachsen sind, sprechen über ein Buch, das alle gelesen haben, oder reden darüber, wie wir Situationen im Alltag erleben und bewältigen. Unser Vertrauen zueinander ist gewachsen, und es können sogar mal ganz deutliche Worte fallen oder auch die Bitte: ‹Wir haben da ein Problem, könnt ihr uns dabei helfen?›» Und Martin ergänzt: «Wenn uns die spielenden Kinder unterbrechen, dann ist uns wichtig, sie ernst zu nehmen und unsere Diskussionen aufzuschieben. Wir als Paar, das ohne Kinder kommt, erleben es als Bereicherung, den Sonntag bewusst mit Familien zu verbringen. Oft enden die Nachmittage mit einem ausgedehnten gemeinsamen Spaziergang.»

In Beziehungen investieren Christine und Martin Brudsche strahlen Lebensfreude und Zufriedenheit aus. Als Paar mit einem erwachsenen Sohn freuen sie sich über die Möglichkeiten und Chancen, die ihr Lebensabschnitt bietet. Miteinander sind sie aktiv geworden und haben neue Perspektiven gefunden. «Wir könnten uns vorstellen, später einmal in einer Alterswohngemeinschaft zu leben», sagt Martin. «Auch deshalb möchten wir uns jetzt um Beziehungen bemühen. Gute Freundschaften sind kostbar – und da wollen wir investieren.»


gastfreundschaft | gottes liebe umsonst

Gottes Liebe umsonst Was haben blitzblanke Igelkäfige, frisch konfigurierte Stereoanlagen und von Blütenstaub befreite Balkone mit praktischem Glauben zu tun? «So bekommt unser Christsein Hand und Fuss», sagt Andreas «Boppi» Boppart, Initiator der Aktion Gratishilfe. 114 Helferinnen und Helfer aus dem Grossraum Chur haben vom 13. bis 25. September 2010 zum zweiten Mal nach 2009 dort geholfen, wo gerade Not am Mann oder an der Frau war.

Jonathan Schmidt «Und wie viel schulde ich Ihnen nun?» – «Gar nichts. Wir machen das gratis. Deshalb heisst unsere Aktion auch Gratishilfe.»

Gratis? – Gratis! Obwohl sie den mit der Zeitung ausgelieferten Aktionsflyer wahrscheinlich wiederholt durchgelesen hat, kann die betagte Frau immer noch nicht glauben, wie ihr gerade geschieht. «Wo ist der Haken?» Diese Frage meint man ihr förmlich vom Gesicht ablesen zu können. Die junge Helferin, die ihr soeben den Balkon geputzt hat, möchte nicht einmal Geld für die Parkuhr. Stattdessen nimmt sie sich nach getaner Arbeit extra noch Zeit, um mit der Rentnerin eine Limonade zu trinken und ihr ein wenig zuzuhören. «Das ist Gratishilfe!», schwärmt Andreas Boppart, Eventprediger und Leiter von «Campus Generation Ministry», auf diese Begebenheit angesprochen.

Der Funke springt über Blenden wir kurz zurück: Spannung liegt in der Luft, als sich im Herbst 2009 in Chur rund 80 Leute verschiedener Gemeinden kurz vor den allerersten Hilfseinsätzen treffen. Ein Werbespot 30

im Radio und verschiedene Zeitungsinserate haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Einsatzleiter kommt fast nicht dazu, die Handvoll Aufträge, die vor Beginn der Aktion das Büro erreichten, herunterzulesen – so schnell schiessen die Helferarme in die Höhe. Wenige Augenblicke später sind die ersten Hilfsdienste verteilt. Es wird geklatscht und gelacht, während ein paar Glückliche ihre Auftragskarten entgegennehmen. Noch in diesem Raum wird allen Beteiligten schlagartig bewusst, wie simpel und bestechend zugleich die Aktion ist.

Was macht glücklicher, Hilfe annehmen oder helfen? «Oft ist es schwer, zu sagen, welches Gesicht mehr strahlt: das des Helfers oder das des bzw. der Hilfesuchenden», antwortete Boppi einem Magazin kürzlich auf die altbekannte philosophische Frage. Und tatsächlich, wer es miterlebt hat, der weiss, wovon Boppi als Theologe spricht. «Mit der Aktion Gratishilfe wird Christsein plötzlich ganz praktisch. Indem wir helfen, geben wir Gottes Liebe weiter. Unweigerlich machen wir einen Schritt hinaus aus der Gemeinde, hinein in den ganz gewöhnlichen Alltag von bedürftigen Menschen. Liebe Gottes wird für einmal nicht erzählt, sondern sichtbar und spürbar gemacht

– unabhängig davon, welcher Gemeinde wir angehören.»

Glaube bekommt Hand und Fuss An der freudigen Spannung ganz zu Beginn der ersten Aktion hat sich ein Jahr später nichts geändert. Gleich geblieben sind auch die Grundregeln: dass die Helfenden kein Geld annehmen – auch wenn das viele Hilfeempfänger nur schwer akzeptieren können – und dass die Helfenden nicht evangelisieren. Es gehe weder um eine gross angelegte Werbeaktion noch um ein verstecktes Anwerben für die eigene Gemeinde, sind sich die Helfenden einig. Vielmehr sind sie davon überzeugt, dass sie durch ihre Taten den «Wohlgeruch von Gottes Liebe» in ihrer Umgebung verbreiten können. Sie helfen eben gerade nicht, «damit» sie von Jesus erzählen können, sondern «weil» sie zuerst von Jesus geliebt wurden. Selbstverständlich nehmen die freiwilligen Helfer zum Glauben Stellung, wenn sie danach gefragt werden – und dazu kommt es in den meisten Fällen. Im Zentrum steht jedoch einfach der biblische Auftrag aus Markus 12,29-31, Gott, die Menschen und sich selbst zu lieben.

begeisterte dazu stossen. Die einzige grosse Änderung im Vergleich zum Vorjahr ist, dass sich sowohl Helfer wie Hilfesuchende direkt via Internet melden können. Darüber hinaus wird das Angebot um einen kostenlosen Mittagstisch sowie eine Kinderaufsicht erweitert. Insgesamt leisten 114 Helfende innerhalb von zwei Wochen rund 500 reine Arbeitsstunden. Dabei wird deutlich, dass viele Leute isoliert sind und sich aus unterschiedlichen Gründen nicht trauen, nach Hilfe zu fragen. Genau hier soll die Aktion einen Stein ins Rollen bringen, der laut Boppi durchaus «nationales Ausmass haben darf oder sogar über die Grenzen hinausrollen soll». Wenn das passiert, dann hat die Aktion Gratishilfe ihr Ziel erreicht, nämlich «das Bewusstsein zu fördern, dass Mitmenschen einander gegenseitig sehr viel zu bieten haben. Auch über den Zeitraum der Aktion hinaus.» Hört man sich bei verschiedenen Helferinnen und Helfern um, geschieht genau das: Zwei Frauen erzählen, wie aus einer Hilfeleistung vor einem Jahr eine nette Bekanntschaft entstanden sei. Und ein junger Typ, der einer älteren Frau eine Wand gestrichen hat, schwärmt: «Nach etwa sechs Kaffeepausen und vielen guten Gesprächen

weiss ich: Ab heute hab ich eine zweite Grossmutter!»

Ein Geschenk des Himmels Boppi ist berührt, wenn er an die Leute denkt, die sich teilweise unter Tränen für die Hilfe bedankten und die Aktion als «Geschenk des Himmels» bezeichneten. Und er lächelt, wenn er an die Helfer und Helferinnen denkt, deren Christsein praktisch geworden ist, indem sie helfen konnten. Auf die Frage, was er sich für die Zukunft wünscht, sinniert er: «In fünf Jahren werden sich die Leute in der Schweiz Geschichten von dieser tollen Sache erzählen, bei der wunderbare Menschen kommen und gratis helfen. Sie werden von Verwandten erzählen, denen geholfen wurde, und davon, wie bewegend es sei, selber zu helfen, seit sie auch Teil dieser Aktion sind.»

Ansteckendes Phänomen Die Helfer und Helferinnen rund um Chur machen weiter mit der Aktion Gratishilfe. Wann lassen Sie sich vom Phänomen Gratishilfe anstecken? Sind Sie bereit, Ihre Gartenschuhe umzuschnallen und die Herzen Ihrer Nachbarn mit der Liebe Gottes zu erreichen?

Die Aktion Gratishilfe in Chur Getragen von den Allianzgemeinden wurde die Aktion Gratishilfe bereits zweimal in Chur und Umgebung durchgeführt. Die Aktion fand jeweils im September statt und dauerte zwei Wochen. 2010 standen 114 Helfer und Helferinnen im Einsatz, die zusammen rund 500 reine Arbeitsstunden leisteten. Das Spektrum der Aufträge reichte von Aufräumarbeiten, Einkaufs- und Transportdiensten über Handwerks-, Garten- und Haushaltsarbeiten bis hin zu Spaziergängen sowie Beratungen, beispielsweise in Finanz- oder Computerfragen. Weitere Informationen zur Aktion in Chur unter

www.gratishilfe.info.

Wie starten Sie eine Aktion? 1. Informieren Sie sich auf der Webpage

www.gratis-hilfe.ch. 2. Klären Sie ab, welche weiteren Personen, Kirchenvertreter und Kirchen Ihrer Stadt/Region eine Aktion Gratishilfe mittragen würden. 3. Kontaktieren Sie das Team von Aktion Gratishilfe Schweiz via «Kontakt» auf der Website, wenn Sie eine Aktion durchführen wollen oder spezifische Informationen brauchen. 4. Aktion Gratishilfe Schweiz nimmt mit Ihnen Kontakt auf, um das Vorgehen zu besprechen. Falls die Aktion konkret angepackt wird, findet zusammen mit den Initianten sowie den Vertretern der beteiligten Kirchen ein Kick-off-Meeting statt, damit die Aktion geplant und lanciert werden kann.

• Helferinnen und Helfer der Aktion Gratishilfe 2010 in Chur.

Eine zweite Grossmutter Der Erfolg vom Vorjahr spricht sich herum, weshalb 2010 noch mehr Hilfscz 4|10

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gastfreundschaft | ein leuchtturm sein …

Ein Leuchtturm sein in der Nachbarschaft Wie Gott einen Traum wahrgemacht hat André und Esther Isenschmid aus Bern sind stolze Mitbesitzer eines Mehrfamilienhauses. Sie haben ein offenes Haus für Gäste und bieten zusammen mit einem anderen Ehepaar Plätze für betreutes Wohnen an. Für die Menschen in ihrer Nachbarschaft möchten sie ein Leuchtturm Jesu sein.

Christian Bachmann Der Frühstückstisch in der grosszügigen Wohnung von André und Esther Isenschmid ist bereits gedeckt. Es sieht gemütlich aus. Zu den Köstlichkeiten aus der grossen, offenen Wohnküche zählen Gipfeli, frisches Brot und Birchermüesli. Nach und nach setzen sich die Kinder an den Tisch. Auch eine ältere, psychisch kranke Frau isst zusammen mit der Familie. «Sie braucht einen festen Rahmen und kann nicht mehr selbst für sich sorgen», erklärt mir Esther Isenschmid später, begeisterte Mutter von fünf Kindern im Alter von neun bis siebzehn Jahren.

Ein offenes Haus für Gäste Familie Isenschmid hat ein offenes Haus und liebt es, Gäste einzuladen. Sie pflegt aktiv den Kontakt mit den Mitbewohnern in ihrem Mehrfamilienhaus. André und Esther organisieren regelmässig Jassabende, an denen sich Spielfreudige aus der Nachbarschaft treffen. «Für viele Menschen bedeutet es ein Stück Geborgenheit, sich in ei­ nem vertrauten Umfeld zu begegnen», 34

ist André überzeugt. «Und Gastfreundschaft sollte von Herzen kommen und Freude bereiten», erklärt mir Esther. «Eine Berufung im eigentlichen Sinne gibt es aber nicht dafür.» Man spürt, dass die ausgebildete Pflegefachfrau gerne mit Menschen zusammen ist. Selbst in einer Grossfamilie mit sechs Kindern aufgewachsen, findet sie sehr schnell Zugang zu Menschen. André wuchs allmählich in die Aufgabe als Gastgeber hinein. Er arbeitet mit einem Pensum von 80 Prozent als Wirtschaftsinformatiker bei der Post. Für Isenschmids ist es wichtig, die Privatsphäre zu wahren und sich als Familie auch abzugrenzen. «Unsere Kinder haben für uns die erste Priorität. Sie sind unsere ersten ‹Jünger›, die wir in der Nachfolge von Jesus anleiten wollen! Wir sind ganz normale Menschen und erleben selber immer wieder, dass wir um Entscheidungen ringen und an unsere Grenzen stossen», versichert Esther, und André ergänzt: «Wenn wir etwas Abstand brauchen, fahren wir nach Möglichkeit mit den Kindern in die Berge,

• Die beiden Familien auf dem Balkon mit Blick ins Grüne (von links nach rechts): Etienne Isenschmid (14), Esther Isenschmid, David Isenschmid (hinten, 17), Timothée Isenschmid (vorne, 9), André Isenschmid, Luc Isenschmid (16), Ruth Stalder, Anne Isenschmid (12), Tochter Corinne Stalder, Franz Stalder

wo wir als Familie alleine sind und unseren geschäftigen, teilweise sehr anspruchsvollen Alltag zurücklassen können.»

Eine gemeinsame Vision Das vierstöckige Haus, das Isenschmids an der Schosshaldenstrasse in Bern bewohnen, ist kein gewöhnliches Mehrfamilienhaus – es ist vielmehr Teil ihrer Vision und ein Zeichen von Gottes Führung. Die Wohnungssuche der zweisprachigen Familie, die ursprünglich aus dem Welschland kommt, begann im Frühling 2002. Zur gleichen Zeit waren Franz und Ruth Stalder, die die gleiche Freikirche wie Isenschmids besuchten, auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Stalders hatten in den 1970erJahren eine Wohngemeinschaft zur Rehabilitation von Drogenabhängigen gegründet und sich dort bis zu ihrer Pensionierung investiert. Die Idee, ein gemeinsames Haus zu suchen und dort Raum für Menschen mit psychischen Problemen zu schaffen, liess die beiden Ehepaare nicht mehr los. Im November 2002 brachte Esther in einem Gedicht ihre Vision zu Papier: cz 4|10

Herr, baue du das Haus, wo Jung und Alt zusammenleben, wo Freiheit und Rücksicht den Alltag prägen, wo Trauer und Freude geteilt werden, wo Zusammenleben Bereicherung bedeutet. …

• Isenschmids Mehrfamilienhaus an der Schosshaldenstrasse: «Eigentlich hatten wir etwas Kleineres gesucht, aber Gott hatte offenbar mehr im Sinn.»

«cuisine» gebetet. Auf eine wunderbare Weise erhörte Gott dieses und dazu noch viele andere Gebete. André erzählt: «Wir sahen uns viele Häuser an, doch das passende war einfach nicht dabei. Entweder war der Preis zu hoch, oder wir fanden keinen inneren Frieden darüber. Es war eine lange Gedulds- und Vertrauensprobe!» Doch dann griff Gott ein: An der Schosshaldenstrasse fanden sie, was sie so lange gesucht hatten. Anfang Dezember 2004 zogen die Stalders in ihre frisch renovierte Wohnung ein. Nun stand der gemeinsamen Vision nichts mehr im Wege – es war genug Raum für Menschen da, die einen geschützten Rahmen brauchten.

Die Bibel im Alltag

• Die Vision als Gebet aufgeschrieben.

Wohnungssuche mit Gott In den folgenden Wochen und Monaten erlebten die beiden Familien, wie Gott ihre Vision bestätigte. Anne Isenschmid, heute zwölfjährig, hatte jahrelang für ein grosses Haus mit grosser cz 4|10

«Unsere Vision ist, ein Leuchtturm Jesu zu sein für die Menschen um uns herum», erklärt Esther. «Jemand aus der Nachbarschaft bat uns kürzlich um Gebet und erlebte, wie Gott ganz konkret eingriff und die Situation veränderte. Solche göttlichen Geschenke ermutigen uns!» Isenschmids und Stalders übernehmen eine Art Coaching für die psychisch

kranken Menschen, die sie betreuen. Sie unterstützen diese bei der Tagesplanung, setzen Grenzen und sind bei Fragen und Krisen für sie da. Der Glaube spielt eine zentrale Rolle in ihrem Leben und ganz besonders auch in den Kontakten im Haus und in der Nachbarschaft. Oftmals staunen sie darüber, wie die Bibel, Gottes Wort, ganz konkret in ihren Alltag spricht und sie leitet.

Verbindlichkeit und Freiraum André und Esther träumen von noch mehr solchen Häusern, in denen Menschen näher zusammenrücken, Leben teilen, einander ergänzen, unterstützen und ermutigen. In ihrem Mehrfamilienhaus leben vier Generationen. «Wir sind überzeugt, dass diese Form des Zusammenlebens einem Bedürfnis entspricht – ohne gemeinsame Küche wie in einer typischen Wohngemeinschaft, aber mit Familienanschluss», meint André. «Alleine kann man nie so viel bewirken! Viele, auch gerade alleinstehende Menschen wünschen sich verbindliche Gemeinschaft, einen Ort der Geborgenheit, an dem sie willkommen sind, möchten sich aber doch einen gewissen Freiraum wahren.» 35


«Ein Werkzeug in Gottes Hand» Zum hundertsten Todestag von Henry Dunant

• Henry Dunant, 8. Mai 1852 bis 30. Oktober 1910

Henry Dunant hat nicht nur das Rote Kreuz, sondern auch zahlreiche weitere Werke zum Wohl der Menschen gegründet. Er war ein Mensch, der in all seinem Handeln von einem tiefen Christusglauben bewegt war. Hanspeter Nüesch traf ihn 2010 zu einem fiktiven Interview.1

Henry Dunant, dieses Jahr feiern wir Ihren hundertsten Todestag. Wie möchten Sie der Nachwelt in Erinnerung bleiben? Als Jünger Jesu wie im ersten Jahrhundert und sonst nichts. Ich bin mir bewusst, dass ich nur ein Werkzeug in der Hand Gottes gewesen bin. Was hat Sie bewogen, das Rote Kreuz zu gründen? Auf einer Reise nach Italien erlebte ich die furchtbaren Folgen der Schlacht bei Solferino. Überall lagen Verwundete und Sterbende. Ich schloss mich einigen italienischen Frauen an, um den Verwundeten unabhängig von deren Nationalität so gut wie möglich beizustehen. «Tutti fratelli», «Alle sind unsere Brüder», riefen die italienschen Frauen. Ich fragte mich, ob es nicht möglich wäre, freiwillige Hilfsgesellschaften zu gründen, deren Zweck es ist, die Verwundeten in Kriegszeiten durch aufopfernde Freiwillige pflegen zu lassen. Daraufhin haben Sie das Büchlein «Eine Erinnerung an Solferino» geschrieben mit dem Appell, solche Hilfsorganisationen für Kriegsverletzte zu gründen. 38

Ich war wie entrückt, von einer höheren Macht beherrscht und vom Geist Gottes erfüllt. Mich erfüllte das unbestimmte Gefühl, meine Arbeit sei ein Werkzeug seines Willens, um die Vollendung eines heiligen Werkes zu erreichen, das zukünftig für die Menschheit von ungeahnter Bedeutung werden könnte. Das war dann auch der Fall. Kurz nach Erscheinen Ihres Buches wurde 1864 in der sogenannten Genfer Konvention im Beisein vieler Staaten entschieden, neutrale Hilfsgesellschaften zu gründen. Diese sollten in Kriegszeiten die Verwundeten unabhängig von deren Nationalität pflegen. Bald wurde daraus eine internationale Bewegung, der sich immer mehr Länder anschlossen. Kam das alles für Sie überraschend? Liess etwas in Ihrer Jugend darauf schliessen, dass Sie einmal ein weltumspannendes humanitäres Werk gründen würden? Schon früh nahm mich meine Mutter in die Armenviertel von Genf mit. Auf diese Weise lernte ich das Unglück und Elend kennen, das in den dunklen Gassen und Wohnungen herrschte, die eher wie Ställe anmuteten. Damals begriff ich zum ersten Mal, dass ein

Einzelner angesichts von so viel Elend machtlos ist und dass es alle zusammen braucht, um diese furchtbare Not zu beseitigen. Noch vor dem Roten Kreuz hatten Sie 1852 in Genf einen «Christlichen Verein junger Männer» gegründet. Sie waren 1855 im Gründungskomitee des Weltbundes des CVJM in Paris dabei. Sie halfen mit, die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) ins Leben zu rufen und waren 1852 bis 1859 deren erster Sekretär. Auch initiierten Sie in jenen Jahren eine Gesellschaft zur Evangelisierung des Tessins. Woher nahmen Sie die Kraft? Mein Herz glüht, und ich danke Gott für all das, was er in diese Jahren getan hat.

Ich hatte keine Ahnung von Geschäften. Es war ein grosser Fehler, mich damit zu beschäftigen. Ich bekenne es tausendmal und bitte Gott und die Menschen voller Reue und Demut dafür um Verzeihung.

Hatten Sie nie Angst, dass ein Werk nicht gelingen würde? Ich sagte mir immer: Christus wird es in mir wirken und möglich machen, dass es gelingt.

Sie wurden denn auch aufs Härteste geprüft. Niemand wollte mehr mit Ihnen zu tun haben, obwohl Sie doch das Rote Kreuz gegründet hatten. Man ächtete Sie und liess Sie in Ihrer Not allein. Wie ging es Ihnen dabei? Ich hatte grausam zu leiden unter den Folgen meiner Einfalt und meiner Unfähigkeit; umso mehr, als durch mein eigenes Unglück auch andere Personen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ich war plötzlich völlig mittellos und riskierte, dem Hunger zu erliegen. Oft war das Morgenessen meine einzige Mahlzeit. Das Grausamste ist, wenn man als einfacher, aber mit Würde ausgestatteter Mann mitansehen muss, wie die eigene Kleidung in Fetzen geht, ohne sie erneuern lassen zu können.

Allerdings war eine Ihrer geschäftlichen Unternehmungen, das Windmühlenprojekt in Algerien, ein Fiasko und endete im Konkurs. Was war der Grund dafür?

Was hat Ihnen in dieser schweren Zeit geholfen? Ich sagte immer: Gott wird dir das geben, was du benötigst, um deine Pflicht auf Erden zu erfüllen – egal,

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• Oben: Um die Schweiz als Ursprungsland der Idee von neutralen Hilfsgesellschaften für die Pflege von Kriegsverwundeten zu würdigen, wurde als Erkennungszeichen die Schweizer Fahne in umgekehrten Farben ausgewählt. «Das Rote Kreuz» wurde zur offiziellen Bezeichnung der neu gegründeten Organisation. • Die Vision Henry Dunants überwindet weltanschauliche Grenzen: Das Rote Kreuz mit ihrem Schweizer Gründer wird gefeiert in den USA wie in Vietnam, in Indien wie Pakistan, in Süd- wie Nordkorea, ja selbst auf den Salomon-Inseln und in Papua-Neuguinea. Briefmarken aus aller Welt bezeugen die globale Ausbreitung der im Christuskreuz wurzelnden Nächstenliebe.

wo ich mich gerade befinde. Er muss nur an erster Stelle in deinem Herzen sein, denn er ist seinem Versprechen treu. Nein, ich will mich nicht beklagen. Ich will im Gegenteil Gott danken, denn durch diese Trübsal ist mir mein Heiland köstlicher, teurer und gegenwärtiger geworden. Mein einziger Wunsch ist, ihn zu verherrlichen und für ihn leben und sterben zu dürfen. Sie wurden, als Sie die Glaubensgeschwister am meisten gebraucht hätten, von vielen enttäuscht. Wie erklären Sie sich das? Daran ist vor allem der Klerus schuld, der zulässt, dass das Heilige Buch2 mit Staub bedeckt wird. So verwechselt das Volk das Evangelium mit der Kirche und lehnt das eine und das andere ab. Dabei reicht es, lediglich wie ein kleines Kind an das Wort Gottes zu glauben. Der Glaube muss dann aber seine Wirksamkeit in der Liebe beweisen. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.3 Ihre letzten Jahre von 1892 bis 1910 verbrachten Sie im Bezirkskrankenhaus in Heiden im Kanton Appenzell.

Erst durch einen Zeitungsartikel eines Journalisten wurde der Öffentlichkeit bewusst, dass der Gründer des Roten Kreuzes noch lebte. 1901 erhielten sie den ersten Friedensnobelpreis. Sie hatten wirklich ein bewegtes Leben mit vielen Hochs, aber auch einigen Tiefs. Was geben Sie uns als Christen des 21. Jahrhunderts mit auf den Weg? Das Wichtigste ist, dass man in guten wie schlechten Tagen im Glauben und Herzen immer derselbe bleibt. Nur das zählt. Deshalb wacht aus eurer Trägheit auf, aus eurer schuldhaften Gleichgültigkeit, aus euren nichtigen, provinziellen Streitereien, die häufig absolut spitzfindig sind. Es gibt erhebende Stunden auf dem Zifferblatt der Geschichte. Verpasst nicht die Gunst des Augenblicks und dieses günstige Jahr …! Denkt daran: Die Utopie von heute wird häufig schon morgen zur Realität. Wir danken Ihnen, Herr Dunant, für das Interview und speziell auch für Ihre klaren Worte am Schluss, die wir beherzigen wollen.

1 Zusammengestellt von Hanspeter Nüesch aus Originalzitaten Dunants. 2 Gemeint ist die Bibel. 3 Epheser 2,10. 39


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