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Zeitschrift der überkonfessionellen Bewegung Campus für Christus Schweiz

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versöhnt leben


I N H A L TE D I T O R I A L versöhnt leben | inhalt

versöhnt leben | editorial

Inhalt ZUM THEMA

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Vier Arten des Vergebens Die Bibel zum Thema von Andrea-Giorgio Xandry

«Du Elende, Sturmbewegte, Ungetröstete» Eine traumatisierte Frau findet zum Leben

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Kolumnen «von Wegen!» und «New Generation» Fredy Staub und Andreas Boppart über Versöhnung

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Sich mit dem Leben versöhnen, das bedeutet weder, dass ich mich resigniert abfinde, noch dass ich feige davonlaufe …

Wiedergutmachung im Strafvollzug

Der verlorene Sohn ... Vielleicht bin ich zu sehr sensibilisiert dafür. Aber mir fällt auf, wie sich das Thema dieses Heftes «Versöhnt leben» wie ein roter Faden auch durch die übrigen Aufgaben zieht, an denen ich in den letzten Wochen dran bin. In mehreren Beratungsgesprächen – mit einzelnen Menschen, mit Ehepaaren, mit Mitarbeitenden – ging und geht es letztlich immer wieder um die Frage: Bin ich versöhnt mit dem Leben, wie es ist? Bin ich versöhnt mit mir selbst?

... als Musical «The Voice»

Kolumnen «Filmtipp» und «Medien» Andy Schindler-Walch und Markus Baumgartner

Unfallstelle Ehe

AUSLAND

Versöhnt leben lernen, wenn alles zerbricht

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Wir fragen nicht mehr: «Woher kommst du?»

KULTUR

Eine Suche nach Identität

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Versöhnte Dorfkirchen

Kleine Schritte auf dem Weg zum Ausgleich

Sabine Fürbringer: Gott will Schmerzenskinder adoptieren

«Ich war nicht der Sohn, den mein Vater haben wollte»

Wer versöhnt ist, der überzeugt

Kolumne «Farbe bekennen» René Bregenzer: Das Zufahrtssträsschen

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Kolumne «beziehungsweise»

Editorial

Scheidung aufarbeiten Interview von Peter Höhn mit Georges Morand

Scheiden tut weh Stefania Moser: Mediation als Weg, das Leben zu ordnen

Scheidungskinder Christian Mantel: Was Kindern hilft, wenn Eltern auseinander gehen

Hochzeit in Venedig

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«Schuldscheine abgeben und Müllsäcke entsorgen»

Kolumne «Unterwegs erlebt»

HINWEISE

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Damit Versöhnung praktisch wird Dossier von Tom Sommer und Jens Kaldewey

Mit der Krise kommt die Chance

Roland Kurth: Wenn es in unseren Köpfen rumort ...

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Wenn zwei zweimal heiraten

Ukraine

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Was mir auffällt: Wer unversöhnt ist – sei es mit Gott, mit Menschen, mit Situationen, mit sich selbst –, der bleibt innerlich irgendwie gebremst, gelähmt, blockiert. Der lebt «gespalten», ist nicht im Einklang. Der kann nicht von innen heraus überzeugt handeln, auch nicht überzeugt glauben und beten. Jakobus empfiehlt Menschen, denen es so geht: «Reinigt eure Herzen, ihr Wankelmütigen [wörtlich: ihr Menschen mit zwei Seelen]» (Jakobus 4,8). Anders gesagt: Werdet euch bewusst, wo ihr mit etwas nicht im Reinen, wo ihr mit etwas nicht versöhnt seid. Sonst könnt ihr nicht

CFC International Agape Österreich

CFC National Leiterkonferenz in Genf, Gott finden im Internet, Engadiner Skimarathon

Produkte/Agenda/Inserate/Impressum

Armida Kolb erzählt, wie Versöhnungsseminare helfen

ZUM SCHLUSS

Die Elektrizität fiel aus Hanspeter Nüesch: Das Wort des Missionsleiters

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Themen, die weiterhelfen Aktion: Christliches Zeugnis zum Sammeln und Weitergeben

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überzeugt, authentisch und mit Herzblut leben. Sich mit dem Leben versöhnen, das bedeutet weder, dass ich mich resigniert abfinde, noch dass ich feige davonlaufe. Vielmehr geht es – wie die Lebenszeugnisse in diesem Heft zeigen – darum, dass ich mich eigenverantwortlich und aktiv mit den unversöhnten Anteilen meines Lebens auseinandersetze. Das bedeutet erstens: Ich höre auf, meine unversöhnten Anteile auf meine Eltern, meine Nächsten, meinen Ehepartner, auf Gott oder auf die Umstände zu projizieren. Ich entlasse sie aus dem Gefängnis meiner Ansprüche. Zweitens: Ich nehme mein eigenes Leben in die Hand und bringe es samt seinen schwierigen, dunklen, zerbrochenen und schwachen Seiten zum Schandpfahl des Kreuzes, wo Jesus sich für alle und alles zum Sündenbock hat machen lassen. Hier allein ist Vergebung und Heilung zu finden. Hier allein kann ich Gottes uneingeschränktes Ja zu mir hören, das ich bisher von Menschen erwartet habe, aber nur Jesus mir geben kann. Hier allein

kann ich erleben, wovon Susanne Bogenmann in ihrer eindrücklichen Lebensgeschichte erzählt: dass Jesus aus den Trümmern meines Lebens Kapital werden lässt und den Mist meines Lebens in fruchtbare Erde umwandelt, auf der neue, gute Saat heranwächst. Je mehr jeder von uns seine Hausaufgaben in Sachen Versöhnung macht, je mehr sich jeder von uns konsequent von Jesus zeigen lässt, wo denn um Himmels willen der Balken im eigenen Auge sitzt, desto mehr werden wir – wie schon Friedrich Nietzsche es wünschte – «als Christen erlöster aussehen» und als Menschen überzeugen. Oder wie Thomas von Kempen in der «Nachfolge Christi» schrieb: «Je mehr ein Mensch EINS mit sich selbst und innerlich zur Ruhe gekommen ist, umso tiefere Einsicht gewinnt er in das Wesen aller Dinge, weil er das Licht der Erkenntnis von oben empfängt.» Ich wünsche Ihnen Mut für den nächsten Schritt auf Ihrem Versöhnungsweg. Peter Höhn

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B I B L I S C H kann sich in der Heilung meiner verletzten Gefühle ergeben. Oder ich kann mit der Zeit mehr eigenes Verschulden erkennen und froh darüber sein, dass ich mich nicht selbst «gerächt» habe. APHIEMI heisst: Gott hat den richterlichen Überblick, deshalb überlasse ich ihm Schuld und Schuldner für sein gerechtes Eingreifen. Einen Haken hat die Sache dennoch: Meine Gefühlswelt könnte bitter werden. Es ist ein Unterschied, ob ich erlittene Ungerechtigkeit und Verletzung Gott abgebe und bei ihm belasse (und «nur» nachsehe, was aus meiner Ver-Gebung wurde) oder ob ich die Dinge Gott zwar abgegeben habe, aber letztlich meine Gerichtssache selber führen will. Jeder prüfe sich selbst darin. Wegen dieser Gefahr mag es besser sein, Gott zu bitten, dass ich das APHIEMI-Vergeben mit dem CHARIZOMAI-Vergeben ersetzen kann.

Vier Arten des Vergebens Die Bibel zum Thema

In den Anfängen meines Christseins wusste ich nur um eine Wahrheit. Und die hiess: Vergib! Egal was, wo, wem, wie. Diese verkürzte Sicht war oft nicht hilfreich. Denn das Neue Testament zeigt, wie ich später herausfand, dass es verschiedene Ebenen des Vergebens gibt.

Andrea Xandry Insgesamt finden wir vier Arten, wie wir vergeben können:

1. Nicht vergeben Mit dem anfänglichen Empfang des Heiligen Geistes bekamen die Jünger vom auferstandenen Jesus auch die Vollmacht, Sünden zu erlassen oder nicht. Wenn einem die Sünden «behalten» werden (siehe Johannes 20,23), dann sind sie eben nicht vergeben und lasten auf dem Schuldigen, bis sich – so nehme ich an – die Situation so verändert, dass ihm vergeben werden kann. Zu wissen, wer in diese Kategorie von Schuldnern fällt, dürfte ohne Leitung des Heiligen Geistes sehr schwer oder gar unmöglich sein. Selbst Paulus schreibt im 2. Timotheus 4,14, dass er Alexander nicht vergibt; eine erstaunliche Haltung dieses vorbildlichen Mannes Gottes! Hingegen vergibt er anderen Brüdern zwei Verse weiter im 4

gleichen Brief. Selbst Gott vergibt einigen nicht in diesem Zeitlauf. Nämlich denen, die die Sünde wider den Heiligen Geist begehen (Matthäus 12,32). Das ist schwere Kost und hat schon viele in Herzensnot getrieben (jedoch meist zu Unrecht, weil oft gerade die Herzensnot der Indikator dafür ist, dass man diese Sünde nicht begangen hat!). Auch «geheiligte» Gläubige können im Schmerz erlittener Verletzungen der Leitung des Heiligen Geistes nicht absolut sicher sein. Darum emp­fehle ich das Nichtvergeben nur mit grösster Vorsicht!

2. Weg-geben, ab-geben Weg-geben ist die Vergebungsart, die wir im Vaterunser und in den Evangelien finden: «Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern» (Matthäus 6,12). Hier wird für «vergeben» im Urtext das Wort APHIEMI gebraucht. Es heisst hauptsächlich «wegge-

versöhnt leben | vier arten des vergebens

ben, von sich lassen, entsenden». In diesem Sinn bedeutet vergeben: eine Schuld samt dem Schuldner an Gott abgeben, auch dort, wo uns nicht danach zumute ist. Das ist nicht immer einfach, denn äusserlich mögen wir die Vergebungsworte zwar aussprechen, aber unser Gerechtigkeitsempfinden und die verletzte Gefühlswelt bleiben im Herzen. Gott weiss dies als unser Schöpfer und Herzenskenner. Darum braucht der Heilige Geist im Vaterunser-Gebot das Wort APHIEMI, um auszudrücken: «Gib einfach die erlittene Schuld und die schuldigen Menschen an Gott ab, die verletzten Gefühle dürfen vorerst bleiben! Wichtig ist, dass du die Dinge nicht in dich hineinfrisst.» Das ist das APHIEMI-Vergeben. Und nun darf ich schauen, was Gott längerfristig damit macht, bis sich seine Lösung zeigt. Diese «Lösung» kann sich darin erweisen, dass der andere seine Schuld von Gott her erkennt. Oder die «Lösung» cz 2|09

übersetzen. Unser bekanntes Wort EUCHARISTIE findet hier seine Wurzeln. Dort «verschenkt» sich Gott in Jesus, und wir nehmen das Geschenk dankbar an (Römer 8,32). Wenn Gott vergibt, dann «schenkt» er uns die Sünden. So können wir das «Vergebt einander» in Epheser 4,32 entsprechend neu lesen: «Schenkt einander mit Freuden die Schuld, verschenkt euch einander!» In dieser Art des Vergebens sage ich dem Herrn, er möge doch dem, der in meinen Augen schuldig geworden ist, die Schuld schenken. Schenken, nicht nur wie bei APHIEMI den Schuldner mit seiner Schuld in Gottes Lebensschule ab-geben, damit er mit der Verschuldung an mir etwas lerne, sondern: Durch das CHARIZOMAIVergeben ist eine Schuld für mich wie für den Schuldner abgeschlossen. Ich denke, CHARIZOMAI ist für meine Seele heilsamer als das APHIEMI-Vergeben.

3. Schuld ver-schenken Selbst ein kleines Vergehen bringt eine Schuld. Ich müsste sie einsehen – das widerstrebt mir. War der andere nicht auch schuld? Ich müsste mich «entschuldigen». Das lässt mein Stolz oft nicht zu, schliesslich könnte sich der andere zuerst entschuldigen. Ich müsste eventuell Wiedergutmachung leisten – dies kann mit unverhältnismässig grossem Aufwand verbunden sein. Wäre es nicht am besten, meine Schuld würde mir geschenkt? Dann könnte ich auch anderen «schenkend vergeben». Davon spricht die dritte Art des Vergebens im Neuen Testament: das CHARIZOMAI-Vergeben. Sein 22-maliges Vorkommen übersetzt Luther mit verschiedenen Worten. Zum Beispiel mit «geben» in Philipper 1,29 oder mit «schenken» in Kolosser 2,13 oder mit «vergeben» in Kolosser 3,13, um nur einige zu nennen. Das Wort CHARIZOMAI hat zwei der wichtigsten Worte des Neuen Testamentes im Wortstamm: CHARIS, Gnade, und CHARA, Freude. Also könnte man CHARIZOMAI auch mit «mit Freude Gnade schenken» cz 2|09

4. Versöhnen Die Schlüsselstelle zum Vergeben im Sinn von Versöhnen ist die Botschaft des Apostels Paulus in 2. Korinther 5,14-21: «... Gott hat uns mit ihm selbst versöhnt durch Jesus Christus ...» Das für «versöh­nen» gebrauchte griechische Wort in diesem Text heisst KATALLASSO. Ge­nau über­setzt bedeutet es «den andern (ALLOS) von oben her ausgleichen, auswechseln». KATALLASSO kommt aus dem antiken Zahlungswesen und bedeutet «gänzlich auswechseln», «völlig austauschen». Es ist wie ein Wechselgeschäft in unserer Bankenwelt. Gott vergab uns ganz, indem er Jesus mit uns ganz «eintauschte»: hier der sündlose Sohn, dort die sündigen Menschen. Kann dieses Versöhnen-Vergeben auch von uns Menschen auf eine Art gelebt werden? Hat der Leib Christi, haben die Gläubigen auch noch eine AustauschEintausch-Aufgabe, bei der sie sich ganz für den anderen geben sollen? Wie das Haupt, so die Glieder? Nach Kolosser 1,24 «erstattete» Paulus, was noch «mangelt

an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde». Ein schwieriges Wort, aber wenn es Paulus galt, wird es auch heute noch einigen Gemeindegliedern gelten. Was immer im Detail Paulus damit gemeint haben mag, es bedeutete bestimmt etwas Radikaleres, etwas Schmerzhafteres, als was im «normalen Christenleben» vorkommt. KATALLASSO-Vergebung deutet auf eine Dimension hin, bei der man sich mit der Schuld, der Verletztheit oder der Schwachheit des anderen so stark identifiziert, dass man quasi «das in Leiden oder in Schuld gelebte Leben des anderen mit seinem eigenen Leben eintauscht». Ein Beispiel waren gewisse Missionare aus den Anfängen der Herrnhuter Brüderbewegung: Sie kauften einen Sklaven mit sich selbst frei, um dann an dessen Platz zu arbeiten und zu leiden. Sie konnten auf diese Art auch den anderen Sklaven das Evangelium nahebringen. Einige bezahlten diese «Auswechslung» mit ihrem Leben, so wie ihr geliebter Meister. Wenn wir, oder wenigstens einige von uns, solche Jesus ähnlichen Botschafter laut 2. Korinther 5,20 sein sollten, sehen wir auch einen anderen KATALLASSO-Text, 1. Korinther 7,11, in einem anderen Licht: Dort ginge es dann auch nicht um eine «normale» Versöhnung, wie es gerade in der Ehe oft so notwendig ist, sondern eher um eine «versöhnende Identifikation» mit dem Partner. Oder, wenn ich es recht verstehe, dass man dem Partner nicht nur vergibt und sich mit ihm versöhnt, sondern sich mit ihm so identifiziert, dass man sich an seine Stelle versetzt. Anders ausgedrückt: dem anderen so vergibt, dass man die Schuld des anderen auf sich nimmt, sich derart mit ihm versöhnt, dass man das Leben des anderen, so wie es eben ist, in Hingabe mitleben kann.

Eine ausführliche Version dieser Bibel­ betrachtung finden Sie auf

www.xandry.ch. 5


I D E N T I TAT

versöhnt leben | «ich war nicht der sohn …»

«Ich war nicht der Sohn, den mein Vater haben wollte» Interview mit Rolf Rietmann über die Suche nach seiner Identität Aufgewachsen in einer wohlgeordneten, bürgerlichen Bauernfamilie, verbrachte Rolf Rietmann auf den ersten Blick eine gute Kindheit. Gutbürgerliche Werte schienen die Atmosphäre zu prägen. Als Rolf jedoch mit zwanzig Jahren wegen seines Christseins aus dem Elternhaus gejagt wurde, ahnte er, dass hinter diesem Konflikt weit mehr steckte, als nur eine unterschiedliche Glaubenshaltung. Im Interview erzählt er von seinem Weg.

Interview: Thomas Zindel CZ: Welche Erkenntnis brach damals auf? Rolf Rietmann: Dass ich so ganz anders bin als er. Aus der Sicht meines Vaters muss ein richtiger Mann schwitzen, sich die Hände dreckig machen. In meinem Beruf trifft beides nicht zu. Für meine eher weibliche, gefühlsbetonte Art, die ständig sich selbst reflektiert und das eigene Leben hinterfragt, schien es keinen Platz zu geben. Mein Vater dachte wohl wenig über sich selber nach, und wenn es Probleme gab, dann hatten diese wenig mit ihm zu tun. Die andern waren schuld oder lagen falsch. Ich dagegen suchte unablässig nach eigenen Fehlern, las mit meiner hochsensiblen Art vieles auch zwischen den Zeilen. Welche Rückschlüsse hast du als Kind daraus gezogen? Als Neunjähriger lebte ich bereits nach dem Motto: «Ich will selber nie so werden wie mein Vater!» Er dagegen hätte sich wohl eine Kopie seiner selbst gewünscht 10

Ich war damals zutiefst überzeugt davon, dass – hätte sie eine Wahl gehabt – mich meine Familie nicht genommen hätte. Ich litt sehr unter dem Grundgefühl, ausgeschlossen zu sein. Welche Auswirkungen hatte dieses Ausgeschlossensein? Dieses Lebensgefühl zog sich auch ausserhalb der Familie durch. Ob in der Schule oder später in der Männerwelt lebte ich mit dieser inneren Spannung. In diesem Vakuum fand ich unbewusst mehr und mehr Trost und Orientierung in der homosexuellen Fantasiewelt. Dort konnte ich mich mit der Männerwelt identifizieren, erlebte das Gefühl angezogen, akzeptiert und begehrt zu sein. Diese Anerkennung war Balsam für meine Defizite. Dieser «Lösungsansatz» über die homosexuelle Erotik erwies sich jedoch als Bumerang. Als Teenager wusste ich, dass Homosexualität Sünde war, dass Gott diese Lebensweise verurteilt, und dies führte in mir zusätzlich zu einer totalen Verwirrung. Ich wusste nicht

mehr, wo mir der Kopf stand. Eine fast unerträgliche Scham prägte mich, und oftmals schrie ich in meinem Innern: «Gott, was habe ich falsch gemacht – womit habe ich das verdient?!» Auf der anderen Seite versuchte ich über meinen Humor Anschluss und Integration zu finden. Ich war der Witzbold, der Clown und konnte die Gruppe oberflächlich unterhalten und mich, wenn auch nur kurzfristig, ins Zentrum rücken. Wie kam es, dass du dich für Veränderung überhaupt öffnen konntest? So komisch es klingt: Eigentlich hat meine Versöhnung mit dem Rauswurf seitens meines Vaters begonnen. Diese Abgrenzung war nötig, damit ich mich überhaupt auseinandersetzen und den Weg der Heilung entdecken konnte. Während meiner theologischen Ausbildung versuchte ich, meinen inneren Konflikt aus der Sicht des Opferseins, aus der Sicht meiner gestörten Vater­ beziehung anzugehen. In der Seelsorge widmete ich diesem Thema unzählige cz 2|09

• Oberflächlich sichtbares Suchtverhalten wurzelt oft in einem Gefühl des Ausgeschlossenseins.

Stunden. Ich fühlte mich als Opfer eigentlich noch ganz wohl, versteckte mich dahinter mehr oder weniger erfolgreich und kontrollierte das Geschehen. Eine wirkliche Veränderung und Befreiung fand nicht statt. Wie geschah die Kehrtwende? Bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland lernte ich Markus Hoffmann von wuestenstrom (siehe S. 12) kennen. In der Beratung sagte er mir: «In deiner homosexuellen Orientierung liegt etwas Richtiges. Du musst das tiefer liegende Bedürfnis dahinter entdecken und in dein Leben integrieren. Es ist entscheidend, dass du nochmals genau hinschaust und dich fragst: ‹Was such ich bei meinem männlichen Partner, was wünsche ich mir von ihm?›» Dieser total andere Ansatz lenkte mei­ne Aufmerksamkeit von der sexuellen Problematik weg hin zum eigentlichen Thema meiner Identität, zu meinen wirkli­chen und echten Bedürfnissen. Bis anhin hatte ich geglaubt, dass ich cz 2|09

der allerschlimmste und perverseste Sünder der Welt sei. Und meine Scham sagte mir, dass hinschauen verboten war. Dieser Ansatz, dass es nicht um meine Sexualität, sondern um meine Identität geht, brachte nun eine ganz neue Entwicklung. Mehr und mehr konnte ich für meine eigene Veränderung Verantwortung übernehmen. Das Loslassen meiner Opferrolle öffnete mir einen weiten Raum zum Leben. Auch mein Vater stand nicht mehr im Mittelpunkt der Problematik. So hat sich auch dein Gottesbild verändert? Ja, ganz klar. In meiner Pubertät wusste ich zwar, dass Jesus mich total liebte. Auf der anderen Seite war Gott Fürsprecher und Ankläger zugleich. Diese Gespaltenheit war ein Horror. Auch die theologische Ausbildung änderte gefühlsmässig nur wenig an diesem fürchterlichen Gottesbild. Während eines Aufenthalts in der Kommunität Offensive junger Christen er-

hielt ich im Rahmen eines Anlasses den Bibelvers aus Sacharja 2,14: «Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.» – Dieser Spruch ärgerte mich. Ich wollte einen Powervers, der mich aus der Versenkung herausholt, mich emporhebt. In meinem Selbsthass wollte ich aus der Haut fahren. Das war mein permanentes Lebensgefühl. Doch plötzlich sah ich Gottes Absicht: In dieses Gebäude, das ich so ablehnte, genau dort will er einziehen! Er hat keine Angst vor meinen perversen Fantasien, vor meiner Scham, vor meinem Selbstmitleid. In diesem Moment erreichte mich die Liebe Got­ tes auch gefühlsmässig und wirkte heilend auf verschiedenen Ebenen meiner Identität. Auch jetzt in diesem Interview ringe ich um Worte. Es war so tief. Diese Erfahrung berührt mich bis heute. Mein Lebenskonzept, aber auch mein Gottesbild wurde auf den Kopf gestellt. Er hat sich definitiv auf meine Seite gestellt. 11


versöhnt leben | «ich war nicht der sohn …»

Wie wurden deine Erfahrungen anderen Menschen nützlich? Während der letzten zwanzig Jahre habe ich durch Seelsorge, Therapien und viel Eigenreflexion einen Schatz erworben, den ich in der Beratung und Begleitung von homosexuell empfindenden Männern einsetzen kann. Ich habe gelernt hinzuschauen, und ich habe gelernt, dass Gott für mich ist. Ich bin ganz Mann geworden, fühle mich nicht mehr von anderen Männern dauernd in Frage gestellt und bin meine Gekränktheit losgeworden. Ich stehe auf sicherem Boden und kann in einer Zeit weitverbreiteter Verwirrung auf diesem Gebiet Menschen begleiten. Dass ich heute nicht mehr mit einem Mann, sondern mit einer Frau schlafe und Vater geworden bin, ist für viele die Sensation. Dies ist jedoch nur ein Nebeneffekt meiner Veränderung. Das eigentliche Problem lag in der tiefen Verletzlichkeit der Identität. Genau dort erlebte ich die grösste Befreiung und Heilung.

Zur Person

Wie hat sich der ganze Prozess auf die Beziehung zu deinem Vater ausgewirkt? Das verhärtete «Feindbild», das ich in meinem Vater sah, hat sich aufgeweicht. Ich habe entdeckt, dass nicht nur meine Andersartigkeit Ursache für sein Ausflippen war. In der Therapie merkte ich auch, dass ich lange unbewusst eine Schuldfrage mit ihm verhandelt hatte: Mache ich etwas falsch? Bin ich dir ein zu wenig guter Sohn? In letzter Zeit spüre ich grosse Dankbarkeit. Obwohl es für mich nach wie vor nicht einfach ist, mit seiner Persönlichkeit umzugehen, sehe ich heute, wie viele gute Grundlagen fürs Leben er mir mitgegeben hat. Ich respektiere ihn und habe aufgehört, ihn zu erziehen. Da ist viel Versöhnung geschehen. Meine eigene Vaterschaft lehrt mich, dass ich selber Fehler mache und dies auch darf. Meine Barmherzigkeit ist gewachsen. Es lebt in mir ein grosser Wunsch, dass ich mit

meinem Sohn über alles reden kann. Ich bin stolz auf ihn!

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Fvon Wegen! R E

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Einander frei in die Augen schauen Viele Christen tun sich schwer in der Begegnung mit homosexuell empfindenden Menschen. Dein Rat? Die Schwulenbewegung definiert eine eigene «schwule Identität». Diese gibt es jedoch nicht. Es gibt ein homosexuelles Verhalten, aber keine homosexuelle Identität. Es gibt Männer und Frauen. Die Christen betrachten das Problem mehrheitlich durch die Brille der Sexua­ lität. Das ist zu kurz gegriffen und ver­ unmöglicht von beiden Seiten her echte Begegnung. Meine Erfahrung ist es, dass wir nur weiterkommen, wenn wir Homosexualität – aber auch andere sexuelle Lebensstile wie Bisexualität, Partnerwechsel, Pornografie usw. – nicht primär als sexuelles Problem anschauen, sondern den tieferen Bedürfnissen und Fragen der Identität nachspüren.

Hilfe bei sexueller Zerbrochenheit

Rolf Rietmann, Jahrgang 1965, verheiratet mit Ria seit 2003, Vater seit 2007, hat ursprünglich Dekorationsgestalter gelernt und anschliessend Theologie auf St. Chrischona bei Basel studiert. Er war sieben Jahre Pfarrer im Aargau. 1998 ging er für zwei Jahre als Mitarbeiter in die Kommunität Offensive Junger Christen e. V. (OJC, Reichelsheim, Deutschland) und arbeitete anschliessend drei Jahre lang bei wuestenstrom Deutschland (Markus Hoffmann) mit. Seit 2004 baut er mit seiner Frau die Arbeit wuestenstromCH auf (liberty4you ist ein Zweig davon). Er macht derzeit die Ausbildung zum Transaktionsanalytiker. Rolf Rietmann kommt aus dem homosexuellen Hintergrund, war pornosüchtig und ist von Missbrauch betroffen.

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wuestenstrom ist eine Organisation, die von Betroffenen für Betroffene gegründet worden ist und die Menschen in ihrer konflikthaft empfundenen Sexualität begleitet. Dazu gehören die Themen Pornosucht, Homosexualität, Missbrauch usw.

Meine Frau und ich sitzen zusammen und essen ein Mangoglacé. Plötzlich klingelt mein Handy. Ich schaue meine Frau an und sage ihr: «Meine Freundin sucht mich!» In Tat und Wahrheit erinnert mich mein Handy an meine nächste Sitzung. Mein spasshafter Spruch von der Freundin löst aber eine heftige Diskussion aus. Meine Frau und ich beginnen uns intensiv dar­ über zu unterhalten, wie es wäre, wenn wir in Dreiecksbeziehungen lebten. Welch eine Energie würde es uns kosten, dies voreinander geheim zu halten! Wir müssten ein Doppelleben führen, das von Lügen dominiert wäre. Obwohl wir täglich dieser Gefahr ausgesetzt sind und sie manchmal wahrlich heftig anklopft, sind wir bis heute davor bewahrt geblieben. Gott sei Dank. Versöhnlich leben heisst für uns nicht nur, einander von Herzen zu vergeben, sondern auch, einander so zu achten, dass wir uns frei in die Augen schauen und uns aufrichtig sagen können: «Schatz, ich liebe

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Versöhnung ist eine Option!

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dich – 100%ig exklusiv!» Im Trend sind wir mit diesem Lifestyle nicht. Aber wir fühlen uns frei und glücklich dabei. Mit grosser Besorgnis begleiten wir Ratsuchende, die ihr Doppelleben lange im Geheimen führten. Dann passierte eine Unachtsamkeit, und der ganze Betrug flog auf. Der Schaden ist immer gigantisch. In der Zweierkiste versöhnt zu leben, ist günstiger und gleichzeitig wertvoller. Der Friede mit dem Ehepartner ist zudem viel gesünder als krumme Sachen. Obwohl wir um keinen Preis tauschen möchten, haben wir Verständnis für diejenigen, die in dieser Hinsicht etwas anderes erleben. Auch für jenen Mann, der seine Braut und die 181 Hochzeitsgäste arg geschockt hatte: Der 38-jährige Bräutigam bekam in letzter Sekunde kalte Füsse und antwortete in der Kirche auf die Frage des Pfarrers mit einem klaren «Nein!» – so eine Pressemitteilung, die wie ein Lauffeuer um die Welt ging.

ANewNGeneration D R E A S Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2009 zum Jahr der Versöhnung ausgerufen.Wir sitzen mitten in dieser Thematik drin, wie in einem Boot, und sind täglich herausgefordert, uns vom Lebensstrom der Versöhnung vorwärtstragen zu lassen. Nicht selten paddeln wir aber lieber stromaufwärts oder verirren uns in Seitenflüsse, denn Versöhnung hat die unangenehme Eigenschaft, uns aus den tollsten Trotzphasen (Jona lässt grüssen!) und den «schönsten» Diesmal-bin-ich-wirklich-zuRecht-genervt-Stimmungen herauszureissen, in denen wir uns gerade wohlig gesuhlt haben. Oft will ich mich ja gar nicht versöhnen – mit nichts und niemandem. Leider ist vielen Menschen heutzutage gar nicht bewusst, dass Versöhnen überhaupt eine wählbare Option wäre. Kürzlich sitze ich im Zug. Eine erwachsene

Weitere Informationen: www.wuestenstrom.ch www.wuestenstrom.de www.dijg.de www.hv-cv.de www.kommcare.ch

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Meine Frau hat vollständig JA gesagt zu mir und ich ebenso zu ihr. Alles inbegriffen. Ich wüsste nicht, wie ich glücklich, sinn- und verantwortungsvoll leben könnte, ohne dass mir meine Frau ihr volles Ja immer wieder neu schenkte. Sie macht es mir leicht, dasselbe auch ihr zu schenken. Ohne ein Spiel hinter dem Rücken des anderen. Versöhnt. Nun, man soll bekanntlich den Tag nicht vor dem Abend loben, aber bis jetzt hat Gott Gnade geschenkt.

• Pfarrer Fredy Staub erzählt in seiner Kolumne «von Wegen!» wahre Geschichten aus seinem Erleben mit Menschen.

B O P P A R T

Person erzählt mir von «ihrer idiotischen Freundin, die keineswegs mehr ihre Freundin sei und auch nie mehr sein werde». Innerlich stutze ich, denn der Streitpunkt ist eine Bagatelle. Wir Menschen paddeln offensichtlich lieber in den Gewässern des Unversöhntseins – in den Seitenflüssen des Lebensstroms mit ihren tückischen Stromschnellen und ihren stinkenden Brackwassertümpeln – und merken nicht, dass dies nicht normal ist. Wir leben mit Hass auf bestimmte Menschen und realisieren nicht, dass wir damit nicht primär deren Leben zerstören, sondern oftmals unser eigenes. George Washington hat einmal gesagt: «Ich lasse nicht zu, dass jemand mein Leben zerstört, indem er mich dazu bringt, ihn zu hassen.» Hass mag ein hoch gegriffenes Wort sein, aber wir ignorieren Tatsachen ja oft lieber ... wie auch unsere wahren Gefühle.

Versöhnung ist möglich! Versöhnung auf allen Ebenen. Soeben erzählte mir ein junger Mann, ein Satz – nämlich «Gott liebt dich, so wie du bist!» – aus einer Predigt, die ich vor zwei Jahren • Andreas Boppart ist Eventgehalten hatte, habe ihn dazu prediger und Autor und bewegt, seine Schuldgefühle arbeitet im Arbeitszweig und die damit verbundenen campus generation. Selbstmordgedanken nach jahrelangem Ringen abzulegen. Versöhnung mit sich selbst: So simpel wäre es, sich entspannt im Versöhnungsstrom des Lebens treiben zu lassen. Das ist die krasse Botschaft der Bibel (lies Kolosser 1,20): Du musst dich nicht mehr in diesen UnversöhntheitsSeitengewässern abkämpfen. Gott hat mit dem Tod von Jesus einen Plan ausgeheckt, wie du mit dir, deiner Familie, deinen (Ex-)Freunden, anderen Menschen, deinen Lebensumständen und vor allem mit Gott selbst wieder versöhnt leben kannst! Lebst du schon oder paddelst du noch? 13


LEBENSHILFE

versöhnt leben | unfallstelle ehe

Unfallstelle Ehe Versöhnt leben lernen, wenn alles zerbricht «Eine Trennung oder Scheidung ist wie eine Unfallstelle», sagte der selbst betroffene Coach und Theologe Georges Morand, als er im Januar unser Team von FamilyLife besuchte. «Schwerverletzte liegen da – die Ehepartner und oft auch ihre Kinder.» Was sollen wir tun, wenn wir an eine solche Unfallstelle kommen?

Roger Goetz und Peter Höhn

dieser «Unfallstelle Ehe» richtig zu reagieren.

Was vor zehn Jahren noch kaum möglich schien, ist zur traurigen Tagesordnung geworden: Immer mehr Christen sind direkt oder indirekt von zerbrochenen Ehen, von Trennung und Scheidung betroffen.

Richtig reagieren lernen Bei Campus für Christus haben wir bisher mit dem FamilyLife-Team unser Engagement vor allem in der Motivation, Vision und Prävention der Ehe gesehen. Das wird auch weiterhin der Fall sein. Gleichzeitig sind wir mit der alarmierenden Zahl von Ehescheidungen konfrontiert. Was ist unser Beitrag in dieser Problematik? Einerseits möchten wir die Chance nutzen, dass immer mehr Menschen gerade durch die Krise einer Scheidung Halt im Glauben an Gott suchen. Das erleben wir zumindest in unserer eigenen Gemeinde in Dübendorf. Andererseits treten Scheidungen immer mehr auch unter praktizierenden Chris­ ten auf, und das fordert uns zusammen mit Kirchen und Gemeinden heraus, auf 14

Chrischona-Fachtagung «Ehe – Scheidung – Wiederheirat» Der Chrischona-Verband hat die Dringlichkeit dieser Thematik erkannt und vom 10. bis 12. Februar 2009 zu einer Konferenz eingeladen. Eines wurde deutlich: Es gibt für christliche Gemeinschaf­ ten kaum ein komplexeres und kontroverseres Thema. Es beginnt mit der Frage, was Ehe überhaupt ausmacht, was ihre «Lebensmerkmale» sind, wann sie beginnt und wann sie endet. In drei Grundsatzreferaten wurden unterschiedliche Positionen dargelegt, ob und wie Scheidung und Wiederheirat überhaupt biblisch begründet werden können. Wegweisend war der Mut der Konferenzleitung, verschiedene Auslegungen nebeneinander zu stellen und Raum zur Diskussion zu geben, ohne den Anspruch zu haben, die Fragen endgültig klären zu können. In Gruppen wurden konkre­te Situationen in Gemeinden besprochen. Man nahm gegenseitig Anteil an den Problemen, mit denen Gemeindeleiter und ganze Gemeinden zu kämpfen haben.

Zwischen himmlischer Verheissung und irdischer Gebrochenheit Chrischona-Direktor Dr. Markus Müller stellte in seiner Abschlussrede Jesus ins Zentrum: Zwischen Gesetzlichkeit und Beliebigkeit, zwischen der himmlischen Verheissung und der irdischen Gebrochenheit gelte es, mitzutragen und mitzuleiden. Nicht Standpunkte, sondern Begegnungen seien hilfreich. Deshalb gibt es nach dieser Konferenz auch kein Grundsatzpapier, nach dem sich christliche Gemeinden zu richten hätten. Vielmehr sind aufgrund dieses hoffnungsvollen Weges weitere Schritte möglich: - Schritte, die jeder Einzelne tun kann, um noch näher am Herzen Gottes zu hören, was in der einzelnen Situation dran ist. - Schritte der Aufarbeitung für die Betroffenen. - Schritte ganzer Gemeinden, um an solchen Fragen nicht auseinander­ zubrechen. - Schritte, die Prediger und Gemeindeleiter gehen müssen, um fachkompetent zu lehren und Hilfe zu koordinieren. - Schritte auf Menschen zu, die durch Krisen offen werden, Gottes Hilfe in Anspruch zu nehmen. cz 2|09

Offene und glaubensvolle Auseinandersetzung Als Team von FamilyLife werden wir uns weiter mit der Thematik auseinandersetzen müssen. Wir wollen uns von Gott zeigen lassen, was in Zukunft unser spezifischer Beitrag ist. Mit den weiteren Beiträgen zum Thema auf den folgenden Seiten möchten wir zeigen, dass es bei «Eheunfallstellen» an allen Ecken und Enden Christen braucht, die sich bei den verschiedenen Prozessen des Schlichtens, Aufarbeitens und Versöhnens einsetzen. Wir möchten aber vor allem Mut machen – sei es im eigenen Kämpfen oder im Begleiten Betroffener -, nicht alleine zu bleiben, Hilfe von aussen zu suchen und Gottes Auferstehungskraft zu vertrauen – es lohnt sich mehr, als uns die «Realität» glauben machen will. Weitere Informationen und Downloads: www.chrischona.org/cms/org/de/ft/

• Roger Götz, verheiratet mit

Angebote für Ehepaare

LiSa Eheatelier

www.familylife.ch Wochenende «Ehe mit Vision» (mit René und Brigitta Bregenzer, Hansjörg und Helen Forster, Andreas und Sabine Fürbringer, Roger und Annette Goetz, Peter und Barbara Höhn, Edi und Agnes Wäfler) und weitere Angebote.

In der Arbeit mit Ehepaaren entwickelte Dr. Manfred Engeli einen eigenen, biblisch begründeten Ansatz der Paartherapie, die «Finale Eheseelsorge». «Final» darum, weil Dr. Manfred Engeli entdeckte, dass es sich bewährt, nicht zuerst von den Problemen auszugehen, sondern davon, was Gott für uns Menschen als Lösungen bereithält. Sein Ziel: Die Menschen unserer Zeit sollen die Ehe wieder neu als göttliches Geschenk erkennen und erleben können.

www.bide.ch Wochenende «Begegnung in der Ehe»: Die besondere Kommunikationswerkstatt für Ehepaare (mit Markus und Gaby Schildknecht, Peter und Barbara Höhn, Martin und Dorothea Schär und anderen). www.mut-zur-gemeinde.ch Ehewoche: Der Liebe auf der Spur (mit Christine und Ernst Kaderli und Team). www.intimitaet-sexualitaet.ch Wochenende «Wachsende Intimität in der Ehe» (mit Dr. Wilf und Christa Gasser). www.family-ministries.ch Eheseminar «Liebe, Zärtlichkeit, Sexualität» (mit Pfarrer Michael und Susi Hermann und einem Team von J-Point).

Dr. Manfred Engeli ist Verfasser der Broschüre «Finale Eheseelsorge» (ISBN 3-95211992-6-5) und des Buches «Makarios – der Weg, ein glücklicher Mensch zu werden» (ISBN 978-3-9521992-7-5).

www.ehezeit.ch «Ehe-Lounge» für Ehepaare und «Lovers-Lounge» für Liebespaare: Spezielle Abende im 14-TagesRhythmus mit Peter und Elsbeth Wunderli.

Weitere Informationen: www.lisaeheatelier.ch

Anette, befasst sich bei FamilyLife auch mit Fragen zu Scheidung und Wiederheirat. • Peter Höhn, verheiratet mit Barbara, ist verantwortlicher Redaktor beim der Zeitschrift «Christliches Zeugnis». cz 2|09

Der von Dr. Manfred Engeli gegründete Verein LiSa Eheatelier bietet Weiterbildungen für Finale Eheseelsorge an und unterhält eine Kontaktstelle für die Vermittlung von Seelsorge-Ehepaaren.

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AUFARBEITEN

versöhnt leben | scheidung aufarbeiten

Z U R P E R S O Morand N Georges

Scheidung aufarbeiten Interview mit Georges Morand Georges Morand hat selbst eine Scheidung durchlitten und verarbeitet. In der reformierten Kirchgemeinde Gossau ZH bietet er als diakonischer Mitarbeiter «Workshops für getrennt lebende und geschiedene Frauen und Männer» an.

Interview: Peter Höhn CZ: Welche Gründe können dazu führen, dass eine Ehe einfach nicht mehr zu retten ist? Georges Morand: Wenn einer von beiden nicht mehr will, sich verabschiedet – äusserlich oder innerlich. Zur Rettung braucht es beide, und das ganz! Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Schwierigkeiten in der Ehe zu überwinden sind. Wenn aber einer von beiden keine Hoffnung mehr hat, ist die beste Rettungsaktion des anderen oder die Hilfe von aussen meist wirkungslos. Wer kann sagen, wann bzw. ob eine Ehe gestorben ist? Normalerweise nur die Betroffenen selbst. Und genau das ist für die Betroffenen happig, weil sie für ihre Entscheidung absolut selbst Verantwortung übernehmen müssen. Es wäre einfacher, sagen zu können: «Der und die hat mir gesagt, es sei hoffnungslos!» Denn das schlechte Gewissen quält, Schamgefüh­ le und grosse Ängste plagen einen, und man fragt sich, ob man wirklich alles zur Rettung getan hat. Bei mir war es so, dass ich erst ein paar Monate, nachdem 16

wir uns wegen einer Affäre meiner damaligen Frau getrennt hatten, tief in mir drin spürte, dass es nun kalt, tot, aus war. Das war nach 24 Jahren eine ganz neue Erfahrung, nicht zu verwechseln mit Gefühlen in Flauten und Krisen. Diese Feststellung war für mich schrecklicher – vergleichbar mit dem Katastrophengefühl, das einen befällt, wenn man mitten in der sibirischen Kälte mit letzter Kraft das letzte Streichholz verbraucht hat – und es kein Überleben mehr gibt. Welches sind deine wichtigsten Erfahrungen im Begleiten der Männer und Frauen, die ihre Scheidung aufarbeiten möchten? Gerade haben wir unseren ersten «Workshop für getrennt lebende und geschiedene Frauen und Männer» beendet. Ich gab ihnen die Aufgabe, auf die eine Seite eines Plakates gross zu schreiben, wie sie oder mit welchen Gefühlen oder mit welcher Haltung sie vor neun Monaten zum Workshop gekommen waren. Auf der anderen Seite des Plakates sollten sie beschreiben, wo sie heute stehen. Jede und jeder hat einen Wachstumsschub gemacht, steht an einem andern Ort. Ich war tief berührt.

Eine Teilnehmerin schrieb mir später: «Ich habe mich selbstmitleidig als Opfer gefühlt. Durch den Workshop konnte ich mich von der Opferrolle verabschieden und mich selbstkritisch auch als Täter erkennen. Und das Beste: Gott liebt mich trotzdem!» Ein Mann schrieb: «Der Workshop hat mir geholfen, die Beziehung zu Gott/Jesus aufrechtzuerhalten. Die behandelten Themen trafen die wunden Punkte - gute Balance zwischen Aufarbeitung der Vergangenheit, sich den Problemen der Gegenwart stellen und die Zukunft mit Zuversicht anpacken. Da die Kursleitung ebenfalls zu den Direktbetroffenen gehörte, waren die vermittelten Themen besonders glaubwürdig.» Wie habt ihr diesen Workshop praktisch durchgeführt? Vier Workshopabende bieten für Betroffe­ne Verarbeitungshilfen und öffnen neue Lebensperspektiven für die näch­ste Wegstrecke. Als Leitfaden benutzten wir das Buch von Jim Smoke «Blüten aus der Asche meines Lebens. An einer Scheidung nicht zerbrechen». Die Aben­de verteilten wir auf zwei Monate, da viele Betroffene wenig zeitlichen Freiraum haben. Alle lasen im Voraus das cz 2|09

angekündigte Kapitel. Kern des Abends war für die Teilnehmenden eindeutig die Zeit in den Kleingruppen (vier bis fünf Leute pro Gruppe). Normalerweise starteten wir im Plenum mit einer thematische Einführung oder eine Ergänzung zum Gelesenen. Auch Einzelarbeiten zur Vertiefung und Konkretisierung setzten wir regelmässig und gezielt ein. Den Abend beendeten wir im Plenum mit einem Wegwort und Gebet. Der Glaube ist nicht vorausgesetzt, fliesst aber mit ein. Das Buch hat im letzten Drittel viele praktische Hilfen für das Gespräch oder zur Selbstarbeit. Wichtig ist, eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Die Menge überfordert sonst. Nach dem VierAbend-Workshop fragten wir, wer Interesse an einer Fortsetzung habe. Bis auf eine Person machten alle nach den Sommerferien mit einem Fünf-Abend-Modul weiter. Die Gruppe wuchs richtiggehend zusammen. Wie kann ich hilfreich reagieren, wenn sich in meinem Umfeld ein Ehepaar oder ein Ehepartner auf Trennung/Scheidung zubewegt? Was haben wir bei einem Unfall als Erstes zu tun? Logischerweise Anteil nehmen statt beschuldigen. Viele sind überfordert, ähnlich wie mit Trauernden. «Gnädig, barmherzig und voller Güte ...», sagt die Bibel. Zuhören, mitweinen, Raum schaffen, aus den vier Wänden cz 2|09

Georges Morand, 49, geschieden, vier erwachsene Kinder, wohnhaft in Ottikon ZH. Der Coach und Theologe ist Coautor des Buches «Entdecke dein Potenzial». In der Reformierten Kirchgemeinde Gossau ZH ist er verantwortlich für die Förderung von über 400 Ehrenamtlichen sowie Gründer von morandcoaching.

locken, seelsorgerlich-therapeutische Gespräche ermöglichen (finanziell reicht es oft kaum dazu) usw. Meist kann man nicht mit beiden Teilen ein vertrautes Verhältnis behalten, auch wenn man sich das wünschten würde. Manchmal geht das aber später wieder.

27 h «untertauchen» Die Lebensbalance neu gestalten, in klösterlichem Umfeld direkt am See. Gönnen Sie sich eine Zäsur im Alltag.

Was ist dir sonst noch wichtig im Zusammenhang mit dem Verarbeiten bzw. Aufarbeiten einer Scheidung? Erstens: Der Umgang mit eigenem Scheitern und mit Gescheiterten fällt uns Christen komischerweise sehr schwer. Warum wohl? Fühlten sich nicht gerade Gescheiterte ganz besonders von Jesus angezogen, hingegen von den Pharisäern und Schriftgelehrten abgestossen? Wie kommt das? Christuszentrierte Kirche lebt Gnade für alle Arten von Gescheiterten – sonst verdient sie diesen Namen nicht. Zweitens lehrt mich die Erfahrung: Kinder leiden enorm unter einer Scheidung. Aber Ostern gilt auch ihnen, und deshalb können auch sie an einer Scheidung wachsen. Dieser Hoffnungsansatz liess mich als Vater anders mit meinen Kindern umgehen. Mit diesem Wissen muss ich nicht aus Schuldgefühlen durch Verwöhnen und Schützen alles wiedergutzumachen versuchen. Auch Kinder können durch Existenzkrisen wachsen. David Ben Gurion sagt: «Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.»

29. und 30. Juni oder 2. und 3. Dezember 2009 «entkorken» Der Lebensgeschichte die Zukunft entlocken. Nutzen Sie das Plus & Minus Ihrer Biografie!

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• Jim Smokes «Blüten aus der Asche meines Lebens» hilft Menschen, eine Scheidung nicht nur zu erleiden, sondern auch an ihr zu wachsen. 17

ISBN 978-3-86122-709-0


MEDIATION Entzweiungen entstehen würden. Und es gibt Dinge, die nur im Rahmen des Mediationsgespräches behandelt werden, und danach redet man über diese Punkte ohne meine Gegenwart nicht mehr. Das ist eine hilfreiche Abmachung, die sehr entspannt», betont Stefania Moser, die mit ihrem Engagement den Eltern hilft, ihre eigene Verantwortung in gesunder Autorität wieder wahrzunehmen.

Scheiden tut weh Mediation als Weg, das Leben (wieder) zu ordnen 52 Prozent der Ehen werden heute wieder geschieden, jedes zweite Kind, das uns auf der Strasse begegnet, trägt die Last zerrütteter Beziehungen mit. Wie kann eine Mediatorin wie Stefania Moser hier helfen?

Tom Sommer «Was ist eigentlich Mediation?», will ich von Stefania Moser als Erstes wissen. Die Antwort auf diese Frage ist einfach und erstaunlich zugleich: Mediation ist schlicht das Vermitteln in einem Konfliktfall. Es gehe um Ehebeziehungen, um Eltern-Kind-Konflikte, um die Klärung von Betreuungs- und Besuchsrechten, um Generationenkonflikte, um Konflikte in Patchworkfamilien, in Nachbarschaften und um viele andere Konfliktfelder mehr. Im Gegensatz zu früher gebe es heute vor dem Richter kaum mehr Kläger und Angeklagte. Auch ein Urteil mit der Formulierung «für schuldig erklärt und geschieden» sei selten geworden. Heute gibt es die Konvention, die von beiden (ehemaligen) Ehepartnern unterschriebene Erklärung für eine Trennungsabsicht, die der Richter einfach nur noch beglaubigt. Dann sei man offiziell geschieden. Aus der Traum.

Als Paar scheiden, als Eltern bleiben «Diese Regelung birgt emotionalen Sprengstoff», so die Mediatorin. Die Betroffenen, inklusive Kindern, seien nun sich selbst überlassen, und es werde 18

stillschweigend vorausgesetzt, dass auf einmal etwas ganz Elementares wunderbar funktioniere – nämlich die Kommunikation untereinander. Genau das, was meist am Zerwürfnis mitschuldig ist, sollte nun nach der Scheidung zur Grundlage werden, das Leben doch mehr oder weniger geordnet führen zu können. Die Organisation der Kinderbetreuung und die Übernahme von Verantwortung, wenn die Teenies ihre Forderungen nach mehr Freiheiten stellen, seien nur zwei Beispiele. Herumlungernde Jugendliche seien oft ein Zeichen, dass diese zu Hause zwischen Stuhl und Bank gefallen seien – neben Desinteresse und Überforderung der Eltern auch ein Ausdruck mangelnder Kommunikation bezüglich Vereinbarungen und auch ein Mangel an Überwachung, ob die Abmachungen auch wirklich eingehalten werden. Hier ist die Chance der Mediatorin, den getrennten oder schon geschiedenen Partnern, die weiterhin Eltern sind, zu helfen. Die Tatsache, dass man das Elternsein nicht einfach per Deklaration beenden könne, sei ein Antrieb für Stefania Moser, in solchen Konfliktsituatio­ nen als neutrale Person mit allen Beteiligten im Austausch zu stehen und zu vermitteln. «Wenn es gelingt», sagt sie,

versöhnt leben | scheiden tut weh

«dass die Kinder trotz Scheidung der Eltern einmal sagen können, sie hätten Vater und Mutter gehabt, dann ist das ein Erfolg.» Die Arbeit dazu erfordere Liebe, Fingerspitzengefühl, Engagement und die Fähigkeit, im richtigen Moment Klartext zu reden. Es sei auch schon gelungen, Paare wieder zusammenzubringen.

Das Mediationsgespräch als Ort des Vertrauens Die Betroffenen werden meist durch einen Anwalt oder einen Seelsorger zur Mediation geschickt – leider oft erst dann, wenn die Paare schon gewillt sind, auseinanderzugehen. In der Mediation, zu Hause bei den Leuten oder im Praxislokal, geht es dann darum, gemeinsam Regelungen für die Organisation des Alltags zu finden. Alle Beteiligten können dabei sachliche Fragen stellen, Unlust, Unmut und Schwierigkeiten formulieren und Gefühle wie Wut oder Enttäuschun­gen aussprechen. Das Besondere: Das geschieht jeweils nicht im direkten Gespräch mit dem (ehemaligen) Familienmitglied, sondern gegenüber der Media­torin. «Mir als emotional unbeteiligter Person können sie alles sagen. Niemand darf direkt Anschuldigungen austeilen, wodurch neue Verletzungen und cz 2|09

Auch äusserlich einfache, ganz prakti­ sche Angelegenheiten werden verhandelt. Da sei zum Beispiel die Tochter eines getrennt lebenden Paares. Durch die familiären Spannungen seien verbindliche Abmachungen für den abendlichen Ausgang schwierig geworden. Da habe sie, die Mediatorin, die Verantwortung übernommen, auch direkt aufs Handy der Tochter anzurufen, nachzufra-

gen und sie an die Abmachungen zu erinnern. Oder die Eltern, die sich jeweils einmischen, was der Partner während der Besuchszeit mit dem Kind unternimmt und an Verpflegung konsumiert. Hier müsse sie als Mediatorin Klartext reden, denn solche Einmischungen gingen nicht. Oder sie müsse anmahnen, dass das schlechte Reden über den Partner vor den Kindern einfach inakzeptabel sei – das vertiefe den Graben und erschwere die Zusammenarbeit.

wie Gott uns Menschen mit all unserem Ballast auch akzeptiere. All das Tragische im Leben dieser Menschen – bei Christen genau so wie bei Nichtchristen – könne sie nur «tragen», weil sie sich selbst von Gott begnadet und getragen fühle. Sie rät, der partnerschaftlichen Kommunikation und Vertrautheit alleroberste Prio­rität einzuräumen und wenn sich Probleme zeigten, nichts auf die lange Bank zu schieben. Hier hätten gerade Christen etwas Schlagseite, weil man das Bild gegen aussen wahren wolle.

Christsein: Stütze und Versuchung «Meine Aufgabe ist es, den Leuten das Leben wieder einfacher zu machen. Und dazu muss ich genau hinschauen, an Stellen, an die das Gericht nicht mehr schaut», betont die Mediatorin. Sie müsse alle Gegebenheiten akzeptieren, so

• Stefania Moser hat in ihrem Leben selber viele schmerzhafte Situationen erlebt. Deren Verarbeitung und ihr Temperament helfen ihr heute, Menschen in schwierigen Situationen beizustehen und zu beraten.

BUCHTIPPS ZUM THEMA EHE Angst, Peter: Ehen zerbrechen leise. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 3-423-34028-2 Der Schweizer Paartherapeut Peter Angst etabliert hier ein Frühwarnsystem für Paare: An zehn Beispielen von belasteten oder gescheiterten Beziehungen macht er auf typische Partnerschaftskiller – etwa zweckgebundene Liebe, hohe Erwartungen, Altlasten – und frühe Warnsignale aufmerksam. Auf pragmatische und positive, kluge und humorvolle Art gelingt es Peter Angst, Lust auf Achtsamkeit und Veränderung innerhalb der eigenen Beziehung zu wecken.

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Zurhorst, Eva-Maria: Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest. München: Goldmann Arkana, ISBN 978-3-442-33722-4 Als Beziehungscoach und als erprobte Ehefrau meint Eva-Maria Zurhorst: «Die meisten Scheidungen sind überflüssig!» Obwohl keine bekennende Christin, legt Eva-Maria Zurhorst mit diesem Buch eine Liebeserklärung an die Ehe und ein flammendes Plädoyer für das Abenteuer Beziehung vor. Ihre Botschaft: Das, was dich an deinem Partner am meisten aufregt, wovor du am meisten Angst hast, was du am meisten hasst und bekämpfst, ist das, was du für dein eigenes Ganzwerden als Mensch am meisten brauchst! Statt aus deiner Beziehung in eine nächste zu flüchten, schau besser hin und lerne an dem, was dein Partner in dir an die Oberfläche bringt.

Thomas, Gary L.: Der heilige Hafen. Witten: SCM Brockhaus, ISBN 3-417-24487-0 Ehe ist mehr als ein heiliger Bund mit einem anderen Menschen, davon ist Gary L. Thomas überzeugt. Ehe ist eine geistliche Disziplin und soll uns dabei helfen, Gott besser kennenzulernen, ihm mehr zu vertrauen und ihn inniger zu lieben. Es gibt unzählige Bücher darüber, wie die Traumehe gelingt. Aber was, wenn Gott uns durch die Ehe nicht unbedingt glücklich machen, sondern näher zu sich ziehen will? Kaldewey, Jens: Konflikt und Versöhnung (Audio-Eheseminar) Auf dieser CD für 12 Franken finden Sie 7 MP3-Dateien und 5 Begleitdokumente zu Themen wie: drei Konfliktarten, Versöhnung mit Schuld, Klärung von Missverständnissen, konstruktives Streiten, Umgang mit Defiziten - mit Vorschlägen zur gemeinsa­men Vertiefung. Zu bestellen bei j.kaldewey@gmx.ch oder Jens Kaldewey, Im Glögglihof 11, 4125 Riehen. 19


K I N D E R

versöhnt leben | scheidungskinder

Was Kindern hilft, wenn Eltern auseinander gehen «Wir möchten uns scheiden lassen. Was können wir tun, damit die Kinder leichter damit fertig werden?» Was antworte ich als christlicher Berater auf eine solche Frage?

Christian Mantel

Scheidungskinder

Bei einem ersten Telefongespräch mit dem befreundeten Ehepaar Holger und Heidi (Namen erfunden) versuche ich einen möglichen Weg zu skizzieren. Hallo Christian, ich bin‘s, Holger! Hast du einige Minuten Zeit? Heidi hört am Zweitapparat mit. Klar, die nehme ich mir! Hallo Heidi! Danke! Du kennst unsere familiäre Situation. Wir haben uns nach sehr langer und schwieriger Zeit entschieden, dass wir uns trennen und scheiden wollen. Unser Knackpunkt sind die Kinder. Wenn wir den Fokus auf uns beide richten, dann ist die Sache klar und eindeutig. Haben wir aber unsere drei Kinder im Blickwinkel, dann haben wir riesige Probleme. Wir haben sie gemeinsam über unseren Weg informiert, und ich möchte dir nicht schildern, was dann abgegangen ist – bei jedem anders, aber doch auf ihre Weise erschütternd. Wir stecken in einem Dilemma! Unsere Frage: Hast du uns vielleicht auch einige Hinweise, wie wir unser Miteinander als Eltern den Kindern gegenüber trotz Scheidung gestalten können, sodass sie einen eigenen, besseren Weg in Beziehungsfragen gehen können als wir? Heidi und Holger, zuerst einmal finde ich, dass ihr einen wichtigen Schritt getan habt: In eurer emotional schwierigen Situation habt ihr ein gemeinsames Ohr für die Kinder und sucht einen Weg, trotz eigener Verletzung und Enttäuschung, um für sie das zu bleiben, was ihr seid: Vater und Mutter. Dann aber möchte ich euch Mut machen: Wenn in einer verborgenen Kammer eures Herzens noch ein Funke Hoffnung für einen

Was Eltern bei Trennung und Scheidung beachten müssen • Die eigenen Schuldgefühle angesichts des Leids der Kinder aushalten. • Die häufig aggressiven oder abweisenden Reaktionen der Kinder aushalten. • Es aushalten, wenn sich das Kind über den anderen Elternteil beklagt und nicht sofort beim Kind dagegen intervenieren. • Um die Scheidung der Eltern gut verarbeiten zu können, brauchen Kinder Eltern, die nach der Trennung einfühlsam, geduldig, ausgeglichen und zugewandt bleiben. • Die Kinder unbedingt von Beginn weg aus den Auseinandersetzungen heraushalten. • Immer wieder die angstvollen Fantasien und Sorgen des Kindes im Zusammenhang mit der Scheidung besprechen. • Keine falsche Solidarität verlangen: Auch wenn die Eltern nach der Scheidung verfeindet bleiben, soll das Kind zu jedem Elternteil eine vom anderen unabhängige Beziehung unterhalten dürfen. • Die Beziehung des Kindes zum geschiedenen Partner unterstützen. • Im Zweifelsfall immer professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. 20

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gemeinsamen Weg steckt, dann nehmt Hilfe von aussen in Anspruch, die braucht ihr unbedingt. Sucht und findet den Wiedereinstieg in eure Ehe! Aus meiner Sicht für euch und die Kinder der beste, aber auch der anspruchsvollste Weg. Sollten aber schon alle Stricke gerissen sein, dann möchte ich euch bitten, nachfolgende Hinweise gut zu bewegen. Das erfordert von euch eine hohe Bereitschaft, von eigenem Frust, von schwierigen Emotionen und eigenen Enttäuschungen Abstand zu nehmen. Ihr müsst in dieser Situation, in der ihr am liebsten sofort den direkten Fluchtweg einschlagen würdet, die Spannung eures Scheiterns aushalten. So gelingt es vielleicht, unter erschwer­ten Bedingungen Voraussetzungen zu schaffen, die euren Kindern helfen, diese Trennungserfahrung in eine Stärke zu verwandeln. Hey, Christian, da mutest du uns aber recht viel zu! Stimmt! Nachstehend nun einige mir wichtig scheinende Hinweise: Beginnt bei euch selber! Das Ja zum Scheitern eurer Ehe und das Ja zum Eigenanteil an diesem Scheitern ist der Beginn. In diesem Zusammenhang spricht man von der «verantworteten Schuld»; ich habe sie einmal so beschrieben: «Wir gestehen uns ein, dass wir für unsere Paarbeziehung keine Perspektive mehr sehen, und entscheiden uns für eine Trennung und Scheidung. Wir wissen, dass wir unseren Kindern damit grosses Leid zufügen. Vor unseren Kindern liegt ein schwieriger Weg, aber wir stellen uns dieser Verantwortung. Wir wollen deshalb den gemeinsamen Kindern zuliebe eine faire Scheidung bzw. Trennung. Die Kinder informieren wir respektvoll und

angemessen und halten die Spannung aus.» Zum Schluss möchte ich euch sagen: Was auch immer ihr für eure Kinder gemeinsam tut – ihr habt es nicht in der Hand. Die Kinder entscheiden, welches Gewicht sie diesem für sie schwierigen Ereignis beimessen und wie sie es in ihrem Leben einordnen. Deshalb scheint mir wichtig zu sein, dass ihr in eurem Scheitern ein Gegenüber Gottes bleibt. So wie er euch noch immer liebt und annimmt, so geht er auch einen Weg mit euern Kindern durchs dunkle Tal (Psalm 23). Hey, Christian, wir danken dir für deine Gedanken. Wir werden sicher nochmals über die Bücher gehen. Wir wären froh, wenn wir mit dir in nächster Zeit nochmals sprechen könnten. Ja, tut das!

Zur Person

Christian Mantel arbeitet seit bald 30 Jahren in der Stiftung «Gott hilft», zuerst als Heimleiter, dann als pädagogischer Leiter der Stiftung und ab Sommer 2009 in der Beratung für Erziehungsfragen im Rhynerhus in Zizers sowie im Seminarwesen. Christian Mantel ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und eine Pflegetochter. 21


Z W E I M A L

versöhnt leben | hochzeit in venedig…

Hochzeit in Venedig Wenn zwei zweimal heiraten Dass Stefan und Monica Imoberdorf-Masi heute wieder denselben Namen tragen, ist für beide ein Geschenk des Himmels.

Willy Seelaus Stefan und Monica sind im siebten Himmel, als sie 2001 ihre Traumhochzeit in Venedig, der Stadt der Liebe, im grossen Familienkreis feiern.

Viel Ehrgeiz Zwei Jahre später sieht alles anders aus: Ihre Ehe ist zerrüttet. «Wir hatten mit viel Ehrgeiz angefangen und gaben uns alle Mühe. Die Liebe war da, und wir meisterten alle Probleme. Doch mit der Zeit konnten wir einfach nicht mehr miteinander reden. Ich konnte das überhaupt nicht verstehen», meint Monica Imoberdorf-Masi. «Wir machten uns gegenseitig nur noch Vorwürfe, es gab Wutausbrüche, aber auch Trauer, und wir litten beide sehr.» Beide orientierten sich in dieser Zeit beruflich neu. Monica, ehemalige Jurastudentin, bereiste als Flight Attendant die Welt, wechselte dann ins Bankgeschäft und wurde später Teamleiterin in einem Reiseunternehmen. Stefan, ehemaliger Landschaftsgärtner und Fitnesstrainer, bildete sich zum Vorsorgeberater weiter. Beide waren dadurch im Alltag gefordert und lebten in ihrer eigenen 22

Welt. «Wenn ich schon so viel arbeitete und etwas Neues lernte, sollte Monica mehr Verständnis dafür zeigen», war Stefan damals überzeugt. Doch die temperamentvolle Monica fühlte sich von Stefan vernachlässigt: «Er war in der Freizeit so apathisch und hatte keine Lust, etwas zu unternehmen. Ich war dann unzufrieden und begann zu nörgeln.» Selbst eine Eheberatung konnte ihnen damals nicht weiterhelfen. 2003 wird die Ehe geschieden. Für beide eine riesige Enttäuschung.

«Gott war in diesem Zimmer» In dieser Zeit erkrankte Monicas Bruder an Leukämie, und sie besuchte ihn im Spital in Aarau. Als sie das Zimmer be­ trat, war er zusammen mit Freunden im Gebet. «Es war eigenartig», erinnert sich Monica, «ich wollte mich zuerst wieder verabschieden, wurde dann aber eingeladen, doch zu bleiben.» Monica war katholisch aufgewachsen und hatte schon oft gebetet. Doch das, was nun geschah, war für sie völlig neu: «Ich sass dort, als ich plötzlich so etwas wie einen warmen Strom durch meinen Körper fliessen und eine Nähe und Liebe spürte, wie ich sie überhaupt nicht gekannt hatte. Ich hatte den Eindruck, Gott sei da. Gott sei in diesem Zimmer.»

Nach der Gebetszeit hatten alle Tränen in den Augen. Monica versuchte ihren Bruder zu trösten und meinte: «Keine Angst, du kommst hier wieder raus.» Die Antwort ihres Bruders erschütterte sie. «Er sagte zu mir, er habe keine Angst vor dem Sterben, er mache sich mehr Sorgen um mich, weil ich Gott nicht kenne. Ich solle in der Bibel nachlesen, was Jesus für mich getan habe.»

Sorgen abladen Zu Hause suchte Monica im Bücherregal nach einer Bibel. Da fiel ihr das Buch: «Jesus unser Schicksal» von Pfarrer Wilhelm Busch in die Hände. Sie war von diesem Buch fasziniert, las es in einer Nacht durch. «Das hat mir die Augen und das Herz geöffnet», erinnert sich Monica. Zum ersten Mal hatte sie den Eindruck, Gott spreche persönlich zu ihr. «Ich verstand auf einmal, dass ich mich nicht länger mit meinen Fehlern und Schuldvorwürfen herumquälen musste, sondern dass Jesus für mich bezahlt hatte, weil er mich liebt. Ich konnte alle meine Sorgen, meine Schuldgefühle und mein schlechtes Gewissen bei ihm abladen.» Monica fühlte sich erleichtert. «Ich war auf einmal voller Freude und hatte Frieden. Ich wusste, Gott hat mir vergeben. cz 2|09

Ich musste mich nicht mehr selbst anklagen – und auch Stefan nicht.» Auch nach der Scheidung blieben beide in Kontakt. Stefan merkte, dass sich Monica verändert hatte. «Vorher hatten wir oft gestritten, jetzt war sie anders. Sie war ruhiger, ausgeglichener, und ich fühlte mich respektiert. Ihre Persönlichkeit, ihr ganzes Auftreten war positiver geworden.» Monica erzählte von ihren Erlebnissen mit Gott. Stefan wurde neugierig und las das Buch «Jesus unser Schicksal» ebenfalls. Darauf begann auch er, sein Leben neu auf Gott auszurichten.

Sehnsucht nach ihm Obwohl sich Stefan wieder um Monica bemühte, blieb sie auf Distanz. Sie mochte ihn, empfand aber keine wirkliche Liebe mehr. Sie betete, dass Gott ihr helfen möge, mit ihren Gefühlen klarzukommen. Als sie später mit einer Freundin in die Ferien flog, erlebte sie eine Überraschung. «Kurz nach dem Start schaute ich auf Zürich hinunter und dachte auf einmal: Was mache ich eigentlich hier oben? Ich gehöre doch zu meinem Mann! Urplötzlich hatte ich grosse Sehnsucht nach ihm und wäre am liebsten auf der Stelle umgekehrt.» cz 2|09

Zurück aus den Ferien, funkte es wieder zwischen Stefan und Monica. 2004, ein Jahr nach der Scheidung, wagten sie es und heirateten ein zweites Mal.

Hinweise, die ihnen weiterhelfen. Dass sie heute wieder glücklich verheiratet sind, ist für beide ein Geschenk des Himmels.

Respektvoller Umgang Inzwischen sind sie bereits wieder vier Jahr verheiratet und haben zwei Kinder. «Es war auch eine Herausforderung, wir mussten einiges aufarbeiten», meint Stefan. Dabei geholfen hätten ihnen Freunde und Gesprächspartner aus der Kirchgemeinde, aber auch Bücher wie «Die fünf Sprachen der Liebe» von Gary Chapman. Konflikte gebe es im Alltag immer wieder, doch sie würden jeweils einen Weg finden, sie zu lösen: Sie setzen sich hin und diskutieren. Und im Gegensatz zu früher funktioniere das heute. «Es gibt keine wirklichen Wutausbrüche mehr, wir gehen heute respektvoller miteinander um. Stefan zieht sich nicht mehr zurück, er ist bereit zuzuhören, und wir können miteinander reden und auch mal sagen: ‹Es tut mir leid.›» Und Stefan findet: «Ich habe gelernt, mehr auf die Bedürfnisse meiner Frau zu achten.» Für beide ist das Gespräch heute wertvoll. Getragen werden sie vom gemeinsamen Vertrauen auf Gott. Und in der Bibel entdecken sie immer wieder

Das Porträt von Stefan und Monica Im­ oberdorf-Masi entstammt der Fensterzum-Sonntag-Sendung «Beziehungskisten», einem Magazin der Alphavision. Die Sendung kann auf www.sonntag.ch online geschaut und als DVD angefordert werden.

Fenster zum Sonntag: Samstag, 17.15 Uhr auf SF zwei, 18.05 auf SF info Sonntag, 11.30 Uhr auf SF zwei, 17.25 auf SF info Die TV-Reihe «Fenster zum Sonntag» wird gemeinsam von Alphavision und der Partnerorganisation ERF Medien produziert. Das Magazin wird redaktionell von Alphavision, der Talk von ERF Medien verantwortet. Ideelle Trägerin des Projektes ist die Stiftung Christliches Fernsehen. Weitere Informationen: Alphavision/Fenster zum Sonntag In der Ey 35, Postfach 114 4612 Wangen bei Olten Telefon 062 205 90 50, Fax 062 205 90 59 23


PRAKTISCH

versöhnt leben | damit versöhnung praktisch wird

Damit Versöhnung praktisch wird Vor der Versöhnung kommt die Auseinandersetzung «Um Versöhnung kommen wir im Leben nicht herum», betont Jens Kaldewey. Leider geschehe es aber oft, dass man sich erst gegen Ende der Lebenszeit diesem Thema stelle. Im Gespräch - und in seinem Seminar «Versöhnung mit dem Leben» - ermutigt der Theologe, wo immer möglich lebensbefreiende Schritte heute schon zu wagen.

Tom Sommer Jahrelange Erfahrung in Gemeinde- und Seelsorgearbeit und die Bibel selbst bestätigen Jens Kaldewey eines: Versöhnung – in welcher Beziehung auch immer – ist ein gewichtiges Thema für jeden Menschen, der ein befreites Leben führen möchte, sei er nun Christ oder Nichtchrist.

Lektionen des Lebens gelernt Er selbst erinnert sich an persönliche Erlebnisse und Wachstumsschritte: Während seiner Erstausbildung zum Krankenpfleger habe er Ungerechtigkeiten

«Manchmal müssen wir die Konfrontation bewusst suchen und dürfen ihr nicht ausweichen. Zu oft unterlassen wir dies aus Angst und Feigheit.» und Spannungen mit Vorgesetzten erlebt. «Oft ging es wirklich tief, sehr tief», erinnert er sich. Geholfen habe ihm, vor dem Nach-Hause-Gehen jeweils bewusst 24

einige Minuten still zu werden, ganz konkret seinen Ärger und die Wut zu benennen, die empfundene Last Gott abzugeben und den «Feinden» zu vergeben. «Das hat mir Kraft gegeben durchzuhalten – meine erste Lektion zum Thema.» Eine weitere Lektion betraf die Beziehung zu anderen Christen, vor allem zu Menschen, denen er sehr vertraut und an die er – auch unbewusst – Erwartun­ gen gestellt hatte. Aber er sei enttäuscht worden und habe erst später realisiert, dass ihn das innerlich doch recht verletzt habe. «Das musste ich gezielt aufarbeiten.»

Schritt eine deutliche innere Befreiung und Entlastung. «Manchmal müssen wir», so betont er, «die Konfrontation bewusst suchen und dürfen ihr nicht ausweichen. Zu oft unterlassen wir dies aus Angst und Feigheit. Wir sind doch das ganze Leben lang in dieser Schule, Vergebung und Versöhnung immer wieder neu zu suchen und zu leben.» In all den Jahren der Beschäftigung mit diesem Thema spüre er persönlich, dass das Enttäuschungspotenzial unerfüllter Erwartungen bei ihm deutlich abgenommen habe. «Mein Blick ist heute realistischer und zugleich liebevoller geworden.»

Eine grosse Demütigung durch einen Professor Jahre später während seiner Ausbildung forderten von Jens Kaldewey einen besonderen Schritt: Nicht nur, dass er immer wieder innerlich diesem Mann vergeben musste, weil die Erinnerung ständig und hartnäckig zurückkehrte, sondern er suchte gar zwanzig Jahre später noch einmal das Gespräch mit ihm und erzählte ihm sein damaliges Erleben. Allerdings ohne Erfolg! Die Einsicht bei dieser Person blieb aus, aber Jens Kaldewey selbst spürte durch diesen

Ein Plädoyer für Barmherzigkeit Für Jens Kaldewey ist Hebräer 4,15 wegweisend: Hier wird Jesus als derjenige beschrieben, der unsere Schwächen versteht und Mitleid mit den Menschen hat. Diese Tatsache ist für ihn eine grosse Vesöhnungshilfe geworden. Kaldewey plädiert dafür, dass wir uns mehr von dieser Barmherzigkeit anstecken lassen. «Wir müssen anerkennen», so betont er, «dass das Leben oft einfach schwer ist, starke negative Kräfte wirken können und innere Not sich bemerkbar macht.» cz 2|09

Fehler, auch ohne schlechte Absichten und manchmal ohne dass die dafür verantwortliche Person es merkt, passierten einfach und könnten Schaden anrichten und Verletzungen bewirken. Dieser Mechanismus gelte sowohl für andere als auch für einen selber! «Ich meine damit nicht, Sünde nicht also solche zu benennen oder einfach durchzustreichen, nein! Aber wir müssen achtsam sein, dass wir uns nicht über andere erheben, und uns bewusst werden, wie gross in jedem von uns das Potenzial zu Sünden und Fehlern steckt. Dann können wir, wenn wir ehrlich sind, auch anderen mal mildernde Umstände zubilligen.» Dabei unterstreicht Jens Kaldewey, dass gerade bei Christen die Gewissensbildung durch die Glaubenslehre eine lange Tradition habe und dass diese Prägung unsere christliche Gemeinschaft oft als «gezähmte Gesellschaft» erscheinen lasse. Und man vergesse, dass durch ungünstige Rahmenbedingungen aus jedem von uns Widerwärtiges hervorbrechen könne. Dieser Ansatz – auch von Historikern und Psychologen vertreten – sollte uns barmherziger machen.

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Wider die Verbitterung – Hilfen für den Umgang mit Kränkung Es ist klar, dass uns die unterschiedlichsten Dinge kränken können. Oft kann man gar nicht erklären, warum sie das tun, aber sie tun es einfach. Aus diesem Gefühl der Kränkung können dann Wut, Verzweiflung und gar Hass entstehen. Um nicht zu verbittern – das hiesse, die Kränkung gegen sich selber zu richten und langfristig verschiedene Symp­tome zu zeigen –, müssen wir gezielt einen Versöhnungsprozess in Gang bringen. Genau so, wie man auch eine körperliche Wunde pflegt. Jens Kaldewey nennt eini­ge Schritte, die sich in diesem Prozess als hilfreich erwiesen haben: 1. Die Wunde freilegen Es ist wichtig, seine Klagen sowohl Gott vorzubringen als auch Menschen von der erlebten Ungerechtigkeit zu erzählen. 2. Versuchen zu verstehen In Erfahrung bringen, warum jemand sich so und so verhalten und somit bei mir eine Kränkung ausgelöst hat. Verständnis gewinnen löscht zwar die Schuld nicht

«Wir müssen achtsam sein, dass wir uns nicht über andere erheben, und uns bewusst werden, wie gross in jedem von uns das Potenzial zu Sünden und Fehlern steckt. Dann können wir, wenn wir ehrlich sind, auch anderen mal mildernde Umstände zubilligen.» aus, kann aber Entlastung bringen und ein Verzeihen erleichtern. 3. Relativieren durch Vergleichen Die Frage an mich selbst, wie ich in einer gegebenen Situation reagiert hätte, kann helfen, vielleicht den Balken im eigenen Auge zu entdecken. 4. Die Problemlösung an Gott delegieren Das tiefe Bedürfnis des Menschen nach Gerechtigkeit ist ihm schon in die Wiege gelegt. Die Frage lautet, wie die­se Gerechtigkeit (wieder)hergestellt werden kann und ob ich selbst bereit bin, mein Vertrauen auf

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versöhnt leben | damit versöhnung praktisch wird

Vergebung als Gerichtsverhandlung Jens Kaldewey Bevor wir vergeben, müssen und dürfen wir auch (an)klagen, so wie es in Kolos­ser 3,13 heisst: «Ertraget einander und vergebt euch gegenseitig, wenn einer wider den andern eine Klage hat; wie Christus euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!» Folgende vier Schritte haben sich in der seelsorgerlichen Verarbeitung als hilfreich erwiesen: 1. Ich klage an Schreibe alle Anklagen gegen die Person (Vater, Mutter, Geschwister, Autoritätspersonen) so konkret wie möglich auf, zum Beispiel: «Ich klage dich an, weil du mich während meiner Schulzeit unheimlich unter Druck gesetzt hast ...» Wenn ich ausgeklagt habe, mir im Moment nichts mehr in den Sinn kommt, folgt der zweite Schritt: 2. Ich verteidige Setze dich an die Stelle des andern. Versuche mit seinen Augen zu sehen, seinen Ohren zu hören, seinem Herzen zu fühlen. Dann frage dich: Was kannst du zu seiner Verteidigung vorbringen? (Erkläre seine Schuld aber nicht weg! Schuld kann nicht wegerklärt, nur vergeben werden!) – Ich verteidige dich, denn ich finde von dir in mir ... (ich habe ähnliche Fehler, habe Ähnliches getan). – Ich verteidige dich, weil du nicht oder zu wenig gewusst hast, was du tatest («Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun», Lukas 23,34). – Ich verteidige dich, weil folgende mildernde Umstände deiner eigenen Vergangenheit und deiner eigenen Probleme mitgespielt haben ...

Gott zu setzen, dass er auf seine Weise Gerechtigkeit schaffen wird. Aus dieser Bereitschaft erwächst auch eine barmherzige Haltung: «Es gibt ja jemanden, der sich um Gerechtigkeit kümmert!» 5. Eine Entscheidung fällen Es ist wie ein Rechtsakt des Herzens, verzeihen zu wollen, sich nicht mehr nur als Opfer zu sehen und auf noch so kleine und subtile Racheakte zu verzichten. Das Verfassen und rituelle Vernichten (Zerreissen, Verbrennen, Durchstreichen usw.) einer Anklageschrift kann diesen Prozess unterstützen. 6. Sich Gott hinhalten Nach dem Vorbild des Psalmisten (Psalm 147,3) Gott die inneren Wunde hinhalten – im Vertrauen darauf, dass er während und nach dem Vergebungsprozess Trost und Heilung schenkt.

3. Ich klage wiederum an ... und verteidige wiederum Falls dir neue Anklagen in den Sinn kommen, beginne erneut bei 1. und 2. (nichts überspringen, aber auch nicht krampfhaft suchen).

Wo immer andere Menschen motiviert werden können, auf Rache zu verzichten oder Verständnis für einen Schuldigen aufzubringen, geschieht zumindest eine Teilversöhnung. «Dies ist immer ein Akt der Barmherzigkeit und somit ein Schritt auf Gott zu. Gott ist ein Gott der Versöhnung, und jeder Versöhnungsschritt, auch von Nichtchristen, schafft Gottes Wesen selbst Raum.»

Eventuell hinzufügen: «Möge Gott dir barmherzig sein, wie er auch mir gegenüber barmherzig war ... Möge Gott Gerechtigkeit walten lassen. Diese Sache ist jetzt in seinen Händen. Die Verantwortung liegt bei ihm.»

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«Wir brauchen», so Jens Kaldewey, «Zeichen der Versöhnung, die wir in der Welt aufrichten und die die Menschen verstehen.» Nelson Mandela sei eine bekannte Persönlichkeit, die für die Verarbeitung der Apartheid in Südafrika etwas von dieser Botschaft sichtbar gemacht habe. Christen sei es aufgetragen, dem Umsetzen dieser Botschaft wirklich konsequent nachzugehen und auszuloten, was dies im persönlichen wie gesellschaftlichen Leben bedeute. «Im Sinne des neunten Gebotes können wir vielleicht Gelegenheiten wahrnehmen, für einen Menschen einzustehen und ihn gar zu verteidigen, oder darauf verzichten, auf ihm herumzuhacken und uns zu rächen. Das sind Zeichen, die wir im ganz normalen Alltag setzen können.» Hier liegt Jens Kaldewey noch etwas auf dem Herzen: «Ich ringe darum, Menschen, die Gott noch nicht kennen, mit Teilschritten der Versöhnung auf ihn aufmerksam zu machen.»

«Jeder Versöhnungsschritt, auch von Nichtchristen, schafft Gottes Wesen selbst Raum.»

4. Ich fälle einen Richtspruch Dieser Richtspruch gründet sich auf Anklage und Verteidigung. Er soll möglichst konkret sein, zum Beispiel: «Du hast Bestrafung verdient für deine Schuld. Aber es steht mir nicht zu, irgend­eine Bestrafung zu vollziehen oder ein letztgültiges Urteil zu sprechen. Ich überlasse das Gott. Zwischen mir und dir soll diese Schuld nicht mehr stehen. Ich vergebe dir, dass du ... (hier ganz konkret werden). Ich rechne dir das nicht mehr an. Ich verzichte auf Strafe, Vorwürfe – in Taten, Worten, Gedanken.»

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Schlaglichter zur Versöhnung in der Bibel

Die Gesellschaft mit Versöhnung erreichen

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Vergebung und Versöhnung sind tragende Säulen des Evangeliums. Schon zu Beginn der Bergpredigt macht Gott deutlich, dass man nicht zu ihm hintreten kann, ohne mit dem Bruder versöhnt zu sein (Matthäus 5,23; vgl. auch die alttestamentliche Geschichte von Jakob und Esau). «Was bedeutet das wirklich, welche Konsequenzen hat wohl dieser Massstab?», fragen wir uns. Wir werden daran erinnert, dass Gott selbst, von sich aus, aufgebrochen ist, um auf uns Menschen zuzugehen, uns zu versöhnen. Und Jesus hat sich vor seinen Jüngern niedergekniet, um ihre schmutzigen Füsse zu waschen. Damit werden Gottes Barmherzigkeit und Demut, den ersten Schritt zu tun, einmal mehr unterstrichen.

Zur Person

Jens Kaldewey absolvierte nach dem Abitur (Maturität) in Bremen die Ausbildung zum diplomierten Krankenpfleger. Anschliessend studierte er an der STH evangelische Theologie. Es folgten neunzehn Jahre pastorale Tätigkeit in drei verschiedenen Gemeinden mit berufsbegleitenden Weiterbildungen auf dem Gebiet der Seelsorge (unter anderem Gebetsseelsorge, Individualpsychologie) und der Erwachsenenbildung, zwischendurch fünf Jahre Tätigkeit als Psychiatriepfleger in Riehen. Seit 1998 steht Jens Kaldewey in einem vorwiegend übergemeindlichen Lehr- und Beratungsdienst. Seit 1972 ist er verheiratet mit Kathi und hat mit ihr vier erwachsene Kinder. www.jenskaldewey.ch

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Im Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht (Matthäus 18,23-35) bekommen wir veranschaulicht, wie jemand Gottes Massstab, zu vergeben wie ihm vergeben wurde, in keiner Weise lebt. Unvorstellbar: Ein Königsknecht bekommt die riesige Summe von 10 000 Talenten erlassen, ist aber nicht bereit, den Schuldschein über lächerliche 100 Denare seines Untergebenen zu tilgen. Dieses Gleichnis zeigt eines: Was immer wir einander zu vergeben haben, es ist gering gegenüber der Güte Gottes, die uns vergibt.


versöhnt leben | damit versöhnung praktisch wird

Konflikte im täglichen Miteinander

Innere Verabschiedung von unerfüllten Lebenswünschen

Vier Arten von Ursachen – vier Arten von Versöhnung

Seelsorgerliche Impulse

Jens Kaldewey

Viele Konflikte im täglichen Zusammenleben eskalieren, weil wir das «falsche Etikett» daraufkleben. Besonders stark ist unsere Tendenz, etwas als «Schuld», als «Sünde», als «böse» zu bezeichnen, was in Wirklichkeit überhaupt nicht aus böser Absicht geschah. Es gibt mindestens vier Ursachen von Konflikten. Allerdings sind sie oft miteinander vermischt und nicht immer leicht zu trennen. Es lohnt sich aber, diese Trennungsarbeit zu leisten, um im dazugehörenden Versöhnungsprozess nicht in eine Sackgasse zu geraten. 1. Es gibt Versöhnung mit schuldhaftem Verhalten durch Vergebung. 2. Es gibt Versöhnung mit Missverständ­ nissen durch Verständnis. Gewisse mich verletzende Verhaltensweisen meines Nächsten beruhen nicht auf bewusster Sünde, sondern auf Un­wis­ senheit, anderen Überzeugungen oder anderer Gewissensprägung. So entstehen Missverständnisse, die nicht wirklich durch Vergebung aufgelöst werden können, sondern nur durch Verständnis infolge ausreichender Kommunikation. 3. Es gibt Versöhnung mit Fehlern meines Nächsten durch Verzeihung und Grosszügigkeit. Es kommt vor, dass mein 28

Nächster etwas verkehrt macht, was mich wirklich ärgert. Er vergisst etwas, lässt etwas fallen, macht etwas kaputt, richtet Schaden an – aber ohne böse Absicht! Hier bin ich gefordert, diesen Fehler zu verzeihen. Ich darf allerdings Wiedergutmachung erwarten und die­ se Erwartung auch bekunden – aber ohne Wut, Vergeltungsaktionen, Druck, Gewalt. 4. Es gibt Versöhnung mit Mängeln und unveränderbaren Schwächen meines Mitmenschen durch Annahme. Ich neh­me den anderen in einem bewuss­ ten Akt der Annahme so an, wie er ist, und verzichte darauf, ihn anders zu machen. Ich finde mich ab – aber nicht in einer selbstmitleidigen Opferhaltung, sondern im Vertrauen, dass Gott mich im Grossen und Ganzen meines Lebens nicht zu kurz kommen lässt, dass ich trotz dieses Defizits ein erfülltes Leben führen kann.

Schritte der Versöhnung 1. Innehalten und anschauen: Nichts überstürzen! Ruhig bleiben, beten und gut überlegen: Worum geht es hier? Ist das, was der andere «verbrochen» hat, Sünde? Ein dummer Fehler? Oder etwas, was er einfach nicht verändern kann? Oder habe ich vielleicht etwas falsch verstanden, könnte es sich um ein «ganz blödes» Missverständnis handeln?

2. Beten: Nicht als religiöser Akt, sondern wirklich fragen: «Herr, was sagst du? Was soll ich tun? Was habe ich beigetragen? Hilf mir, jetzt nicht vorschnell zu verurteilen und zu handeln.» 3. Die richtige Versöhnungsmassnahme ergreifen: Das könnte eine der folgen­ den sein: - Kontakt aufnehmen, das Gespräch suchen mit aller Offenheit für den anderen («Im Zweifelsfall für den Angeklagten»): «Du, ich habe heute Morgen dein Verhalten nicht verstanden, du bist so plötzlich verschwunden. Was war los?» - Im Gebet dem anderen seine Schuld vergeben, das heisst: die Schuld aus der Beziehung entfernen, den anderen nicht in irgendeiner Weise belangen oder bestrafen. - Den anderen aus Forderungen entlassen, denen er jetzt und wahrscheinlich auch später nicht nachkommen kann, das heisst unter anderem: nicht zu «würgen» wie der unbarmherzige Knecht in Matthäus 18,28 – also nicht ständig irgendwelchen Druck auszu­ üben. - Den Fehler verzeihen, das heisst: auf Vorhaltungen verzichten, es dem anderen bei nächster Gelegenheit nicht «aufs Brot schmieren», sondern dem anderen deutlich zeigen, dass man ihn trotzdem gernhat. cz 2|09

Jens Kaldewey

Ziel dieser Schritte ist es, in einem schmerzhaften, aber notwendigen Trauerprozess heil zu werden und zu reifen. Vorbemerkung: Bei dieser Übung wird das Zulassen und Ausformulieren der wahren Gefühle vorausgesetzt, auch gegenüber Gott und seiner Führung bzw. gegenüber dem, was er in meinem Leben zugelassen hat! Die folgenden Fragen sind möglichst konkret zu beantworten und quasi im Gespräch mit Gott in der Du-Form zu formulieren: 1. Was mir in meinem Leben bis heute Mühe bereitet bzw. was ich bis heute schlecht von dir akzeptieren kann (bis hin zur Anklage im Sinne von: Was ich dir richtig übelnehme ...). 2. Meine Gefühle diesbezüglich sind ... 3. Worauf ich gerne eine klare Antwort von dir hätte ... 4. Was ich von deiner heilenden Hand berühren lassen möchte – oder worin ich deinen Trost brauche ... 5. Was ich mir von dir schenken lassen möchte ... 6. Wofür ich dir trotz allem danken will ...

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Hingabegebet von Charles de Foucauld (leicht bearbeitet)

7. Wofür ich dich um Vergebung bitte ... (zum Beispiel zu langes Fixiertsein auf ... oder für innere Festlegungen bis hin zu sogenannten Schwüren: «Das darf nie passieren!», «Ich werde niemals ...», «Ich werde alles tun, koste es, was es wolle, um ...») 8. Was ich mir selber vergeben will ...

Entscheidung zur Versöhnung Jetzt will ich mich mit dir versöhnen und verabschiede mich deshalb nun definitiv von folgenden unerfüllten Lebenswünschen (oder im Bild: Ich lege nun folgende unerfüllten Lebenswünsche auf deinen Altar ...). Ich werde konkret folgende Schritte tun, um im Prozess der Selbstannahme weiterzukommen:

Mein Vater, ich überlasse mich dir. Mache mit mir, was dir gefällt. Was immer du mit mir tun magst, ich danke dir. Zu allem bin ich bereit, alles nehme ich an. Wenn sich nur dein Wille an mir erfüllt und an all deinen Geschöpfen, so ersehne ich weiter nichts. In deine Hände lege ich mein Leben, ich gebe es dir, mein Gott; mit der ganzen Liebe meines Herzens, weil ich dich liebe und weil diese Liebe mich treibt, mich dir hinzugeben, mich in deine Hände zu legen, ohne Mass, mit immer grösserem Vertrauen, denn du bist mein Vater.

Hingabegebet schreiben (vgl. Beispiel rechts) Darin gebe ich Gott quasi meine «Erlaubnis», mich im Rahmen seiner Vorstellung umzugestalten und mich zu seinem Lebensziel mit mir zu führen.

Einen symbolischen Gegenstand suchen (oder selbst gestalten) Dies als Erinnerungszeichen für den Verabschiedungsprozess und den Neuanfang vor Gott (zum Beispiel ein Bild oder eine Spruchkarte, ein Bibelwort, etwas aus der Natur usw.). 29


versöhnt leben | damit versöhnung praktisch wird

S E G N E N KOLUMNE BFarbe R bekennen EGENZER Das Zufahrtssträsschen

«Ich lernte Schuldscheine abzugeben und Müllsäcke zu entsorgen»

Die Elektrizität fiel aus

Armida Kolb erzählt, wie ihr Versöhnungsseminare geholfen haben

Das Wort des Missionsleiters

«‹Frau Kolb›, so werde ich hin und wieder gefragt, ‹wie haben Sie das nur geschafft, mit all dem Schweren in Ihrem Leben umzugehen?› Hier wird mir immer wieder klar, dass da Menschen waren, die mir zugehört und geholfen haben, mein Leben aufzuräumen.»

Eine Zeitschrift hatte sich auf mich und Campus für Christus eingeschossen. Immer neu deckten sie unsere vermeintlichen Verbindungen zu Rom bis hin zum Papst auf. Geschickt mischten sie Wahres mit Halbwahrem und total Unwahrem, sodass selbst manche unserer Freunde und Missionspartner nicht mehr wussten, was nun wahr und was erfunden war.

«Vor rund fünf Jahren fing ich an, im Zentrum Ländli Seminare zu besuchen, zum Beispiel ‹Vergangenes loslassen – Neues begrüssen› oder ‹Türen öffnen – Türen schliessen›. Auch das Seminar mit Jens und Kathi Kaldewey mit dem Titel ‹Frieden schliessen mit sich und anderen – Versöhnung mit der Lebensgeschichte und mit Gott› besuchte ich einige Monate später. Schnell wurde klar, dass es jetzt wirklich ernst werden würde. Keine Konsumhaltung, sondern handfeste Arbeit an meinem Leben war gefragt. Es ging darum, mit Herzensüberzeugung – und nicht einfach mit der Schwammdrüber-Methode – einen Versöhnungsprozess in Gang zu bringen, Schuldscheine anderen 30

Menschen gegenüber zu benennen und abzugeben und die Müllsäcke aus dem Leben zu entsorgen. Mein Leben gab mir Grund genug, mich diesem Prozess, der noch nicht ganz abgeschlossen ist, zu stellen. War ich doch grundsätzlich ein unerwünschtes Kind in meiner Familie, wurde als jun­ges Mädchen mehrmals missbraucht, erlebte fast eine Entführung und muss­te als Zwölfjährige alleine zur Gerichtsverhandlung – ein weiterer Ausdruck davon, dass ich von meinen Eltern im Stich gelassen wurde. Hinzu kam, dass ich damals aus familiären Gründen auf eine Lehre verzichtet und nur eine Anlehre gemacht habe. Mit Beginn der Seminarbesuche bekam ich mehrfach von Gott den Eindruck, bei bestimmten Personen nachfragen und Informationen aus meiner Kindheit einholen zu müssen. So auch bei meinem jüngsten Bruder, der mir bestätigte, dass so manches in meiner Kindheit zwischen mir und meinen Eltern schiefgelaufen sei. Im Seminar mit Kaldeweys wurde uns vorgeschlagen, vier Schritte zu gehen

(vgl. Kasten auf Seite 26 «Vergebung als Gerichtsverhandlung»). Für mich war das allerdings sehr schwierig. Erst ein Jahr später, in einem weiteren Seminar, konnte ich beginnen, diese Schritte umzusetzen. Der Schmerz und die Wut waren vorher noch zu gross gewesen, was mir heute zeigt, dass wir uns für solch tiefe Prozesse wirklich Zeit lassen müssen. Heute erlebe ich erste Früchte der Auseinandersetzung mit meinem Leben. Ich kann mir auch vorstellen, meine Erfahrungen anderen Menschen weiterzugeben. Positiv erlebe ich zum Beispiel, dass mein gesamtes Lebensgefühl heller und leichter geworden ist, dass ich mich in meiner Würde wiederhergestellt fühle und dass ich nicht mehr ins Helfersyndrom falle. Ja, ich will den Weg der Versöhnung weitergehen. Wenn das nicht aus tiefstem Herzen geschieht, sind wir, wie ich es erlebt habe, schnell dabei, uns doch wieder – wenn auch ganz subtil – zu rächen. Nein, ich will nicht stehen bleiben. Jesus ist auch den Kreuzweg bis Golgatha gegangen. Es wird erst dann Ostern, wenn man mit dem Alten, Verletzten des Lebens bis nach Golgatha gegangen ist und alles sterben lässt. Vergeben und versöhnen bedeutet dann Ostern.» cz 2|09

Hanspeter Nüesch Ich hatte mir eine innere Defensive aufgebaut, die mich davor schützen sollte, verletzt zu werden. Wieder lag eine Ausgabe dieser Zeitschrift auf meinem Pult. Ich begann die letzten «Neuigkeiten» über mich und unser Werk zu lesen mit dem Gedanken: «Das schaffe ich. Die können mich nicht fertigmachen!» Es ging dann nicht lange, bis mir das Geschriebene wie ein Stich ins Herz fuhr. Ich hatte meine Widerstandskraft völlig falsch eingeschätzt. Mein Puls stieg in ungeahnte Höhen. Ich hatte wirklich Angst, ob das mein Herz überleben würde. In dem Moment schickte mir Gott unseren Mitarbeiter Thomas Zindel über den Weg. Gemeinsam spazierten wir zur Migros, um dort das Mittagessen einzunehmen. Mein Herz beruhigte sich langsam. Dann begann aber Gott ganz sanft zu mir zu sprechen: «Du hältst dich nicht an das, was du andere lehrst. Du musst dich nicht gegen deine Opponenten zu verteidigen versuchen. Du musst sie in meinem cz 2|09

«Ankunft am Ziel auf der rechten Seite», meinte kürzlich die freundliche Stimme des GPS, und ich sah auf dem kleinen Bildschirm, wie ich ins «Nichts» hinausfuhr. Die kleine Privatstrasse zum Haus meiner Mutter ist auf der elektronischen Karte nicht erfasst. Die Privatstrasse, schlecht gewartet durch die Nachbarn, liess keine guten Erinnerungen in mir hochkommen: Erlebnisse von Neid und Eifersucht, von aktivem «Zleidwerken», von fehlender Gemeinschaft, von Ablehnung. Zu Hause angekommen, waren es aber die aufmunternden und versöhnenden Worte meiner Mutter, die mich rasch zu Gedanken des Friedens zurückbrachten. Eigentlich beschämend für mich, war es doch gerade meine Mutter, die – nicht nur wegen dieser Privatstrasse – über Jahrzehnte mit nachbarschaftlichen Unannehmlichkeiten konfrontiert war und oft die steinigsten Wege gehen musste. «Mit Gottes Hilfe lässt sich dies wohl machen», meinte sie so nebenbei. Erneut zum Nachdenken angeregt, ging mir durch den Kopf, wie Gott sich meiner Frau und mir gegenüber vor gut 31 Jahren barmherzig gezeigt hatte, sich mit uns versöhnte und uns den speziellen Dienst der Versöhnung übertrug.

Namen segnen und das Beste für sie wünschen. Der Kampf ist mein, nicht dein. Wenn du selber zu kämpfen versuchst, werden dich die Pfeile des Feindes nachhaltig verletzen. Wenn du aber den Schild des Glaubens hoch hältst und die Menschen meinem Segen anbefiehlst, dann werden dir die feurigen Pfeile nichts anhaben können.»

Zwei Stunden später wieder auf dem Heimweg: Das kleine Zufahrtssträsschen war nicht in besserem Zustand, wohl aber mein Herz und meine Gedanken. Ich war und bin froh zu wissen: Der Weg der Versöhnung ist weder ein Weg ins «Nichts» hinaus, noch ein Sträss­chen in traurigem Zustand, wohl aber ein Weg heim ins Vaterhaus. Welch spezielle Aussicht! Die kleine Begegnung mit meiner Mutter und unserem Gott war für mich ein weiterer Lernschritt zu einem versöhnten, einem versöhnlichen Leben.

In einer Mitarbeiterzusammenkunft habe ich dann die beiden Redaktoren der erwähnten Zeitschrift unter Gottes Segen gestellt und das Beste für sie und ihre Zeitschrift gewünscht. Kaum hatte ich das Segensgebet gesprochen, fiel die Elektrizität des ganzen Gebäudes aus. Ein solch deutliches Amen Gottes auf ein Gebet von mir hatte ich noch nie erlebt. Die zwei Redaktoren der Zeitschrift zerstritten sich in der Folge und wurden ersetzt. Die Angriffe gegen mich und Campus für Christus hörten auf. Die Zeitschrift brachte wieder Beiträge, die hilfreich waren. Und ich hatte eine wichtige biblische Lektion neu gelernt.

• René Bregenzer ist Mitglied der Missionsleitung von Campus für Christus Schweiz. 31


GEMEINSAM

versöhnt leben | versöhnte dorfkirchen

Versöhnte Dorfkirchen Wir fragen nicht mehr: «Woher kommst du?» • (von links) Werner Baumgartner, Iris Siebel, Mario Hübscher, Thomas und Katharina Bänziger. Auf dem Foto fehlt Dietrich Henn, der sich ebenfalls

Von seinen Vorgängern hat nie einer mit den Reformierten und den Katholiken zusammengearbeitet. Doch als Werner Baumgartner im August 2003 seine 50-Prozent-Stelle als Prediger der Chrischona-Gemeinde in Diessenhofen antritt, ist ihm von Anfang an klar, dass er mit den ansässigen Landeskirchen zusammenarbeiten möchte. Johanna Vollenweider «In Diessenhofen habe ich mich mit den Katholiken und mit meiner eigenen katholischen Vergangenheit versöhnt», berichtet Werner Baumgartner. Grund dafür waren die Menschen und zu ei­nem grossen Teil der katholische Pfarrer, Mario Hübscher, die ihm Liebe und Annahme entgegenbrachten. Die reformierte Pfarrerin Iris Siebel beschreibt,sie habe die Chrischona früher als abgehoben, dauermissionarisch und In gemeinsamen Gotsuperfromm tesdiensten baten abgestempelt. Katholiken, Reformierte Entsprechend und Mitglieder der zurückhaltend Chrischona-Gemeinde begegnete sie um Vergebung für die zunächst WerVorurteile, die sie gehegt ner Baumgarthatten. Dadurch brach ner, dem neudas Eis ... en Prediger der Chrischona. In gemeinsamen Gottesdiensten 2004 und 2005 baten Katholiken, Reformierte und Mitglieder der Chrischona-Gemeinde um Vergebung für die Vorurteile, die sie gehegt hatten. Dadurch brach das Eis, und die Christen aus den unterschiedlichen Gemeinden 32

kamen einander näher. Iris Siebel erzählt: «In den gemeinsamen Vorbereitungen erlebte ich entlastend, dass ich mit meinen Bedenken nicht alleine war. Wir nahmen uns viel Zeit für unseren Austausch, der immer direkter und persönlicher wurde.» Staunend und hochaufmerksam beobachtete sie die kontinuierlichen Schritte, die katholische und freikirchliche Christen aufeinander zu machten. Zusammen feierten sie das Fastenopfer und begannen reihum in verschiedenen Kirchen mit Gebetstreffen für die Einheit der Christen. Gemeinsam führten sie 2005 einen Alphalive-Kurs in der katholischen Kirche und im Kirchgemeindehaus durch. Unter den fünfzig Teilnehmenden waren einige ökumenische Paare, die die Zusammenarbeit der verschiedenen Kirchen sehr schätzten und förderten.

für die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen engagiert hat.

enger zusammen, und auf nahezu wundersame Weise fühlte ich mich diesem überaus farbigen ‹Haufen› zugehörig», erinnert sich Iris Siebel. «Es ist viel unter uns Pfarrern passiert während des Alphalive-Kurses», erzählt auch Werner Baumgartner. Er habe in den vergangenen Jahren einen Veränderungsprozess durchlaufen und könne heute viel mehr Gott überlassen, während er früher sehr verkrampft gewesen sei. Dadurch ist Werner Baumgartner in eine grössere Freiheit gekommen und traut Gott mehr zu. Thomas Bänziger vom evangelischen Pfarramt in Schlatt berichtet vom souveränen Wirken Gottes in dieser aus verschiedenen Dörfern und Gemeinden zusammengewürfelten Gruppe. Es hat ihn bewegt, zu sehen, wie Menschen Schritte im Glauben taten und tun.

«Wir konkurrenzieren uns nicht» Veränderte Pfarrpersonen «Ich hatte immer einen guten Draht zu Leuten aus der Chrischona», erzählt der katholische Pfarrer Mario Hübscher. Durch die Zusammenarbeit seien viele Berührungsängste abgebaut worden, erklärt er. «Während des Alphalive-Kur­ ses wuchs unsere Gemeinschaft noch

Auf die Frage, wie sie mit gegensätzlichen Theologien und Gottesdienstgestaltungen umgegangen seien, antwortet Werner Baumgartner: «Wir haben einander die Freiheit gelassen und uns schätzen und respektieren gelernt. Mario Hübscher machte die Vorträge katholischer, doch das störte niemanden, cz 2|09

weil wir merkten: Ihm geht es um Jesus und darum, dass die Menschen Gemeinschaft mit Gott haben und eine neue Lebensqualität erhalten.» Jeder durfte so beten, wie er es gewohnt war. In den Leitungen der drei reformierten, der katholischen Kirche und der ChrischonaGemeinde herrscht kein Konkurrenzkampf, sondern man konzentriert sich auf jene Bereiche, bei denen alle mitmachen können, und lässt einander in seinen Unterschieden stehen.

Entspannteres Christsein Durch die Zusammenarbeit mit den Lan­deskirchen sind die Mitglieder der Chri­ schona-Gemeinde laut Werner Baum­ gartner zu «entspannteren Christen» geworden. Sie hätten nicht mehr den hohen Anspruch, die Elite sein zu müssen. Die Abschätzigkeit gegenüber anderen Kirchen sei weggefallen und Barmherzigkeit an ihre Stelle getreten. Eine Frau bemerkte kürzlich im Hauskreis zu Werner Baumgartner: «Weisst du, Werner, jetzt sind wir auf der gleichen Ebene, das gab es vorher nie!»

Gemeinsam für Diessenhofen Weitere Alphalive-Kurse wurden nach 2005 nur in der reformierten Kirche Schlatt durchgeführt. «Als Frucht aus cz 2|09

dem ersten Alphalive-Kurs feiern wir jedoch auch in diesem Jahr viermal einen gemeinsamen modernen Gottesdienst, den wir ‹set free› nennen», berichtet Thomas Bänziger. Von Mitte Februar bis Ende März 2009 führten alle Kirchgemeinden im Bezirk Diessenhofen einen gemeinsamen Ehekurs durch – auf die Initiative von Pfarrer Mario Hübscher hin. «Ich würde den Ehekurs jederzeit überall durchführen», erzählt dieser. Die Gemeindeleiter treffen sich alle zwei Monate zu einem persönlichen Austausch und pflegen so die Beziehung zueinander. Einmal monatlich findet in den verschiedenen Kirchen des Bezirks ein halbstündiges Gebet für den Bezirk Diessenhofen statt. Die Bewegung läuft weiter, auch wenn sie heute nicht mehr so aussieht wie damals während des Alphalive-Kurses. Alles beginnt sich zu vernetzen. Das Fasten­opfer vom 15. März 2009 stand unter dem Thema: Die Einheit der Gläubigen durch den Heiligen Geist aus 1. Korinther 12. «Zur Veranschaulichung bekam jeder eine Schnur», erzählt Werner Baumgartner, «aus der wir beim Suppenessen ein Netz knüpften. Wozu wir vernetzt sind, werden wir am nächsten Suppentag weiter thematisieren.»

• Der katholische Kirchenpräsident Walter Lüdi als Koch am Suppentag 2009.

• Ein Netzwerk verschiedener Kirchen: die reformierte Kirchenpräsidentin Brigitta Lampert mit Werner Baumgartner während des Fastenopfers 2009. 33


S C H R I T T E

versöhnt leben | wiedergutmachung …

Wiedergutmachung im Strafvollzug Kleine Schritte auf dem Weg zum Ausgleich «Im 17. und 18. Jahrhundert, als man begann, grosse Gefängniskomplexe zu bauen, verschwand der Gedanke der ‹Wiedergutmachung› aus dem Bewusstsein der Menschen», sagt Paul Brenzikofer. 28 Jahre lang hat er als Direktor der offenen Strafanstalt Saxerriet mitgeholfen, diesen zutiefst biblischen und menschlichen Aspekt wieder zum Leben zu erwecken.

Brigitte Eggmann und Peter Höhn «Im Gefängnisalltag ist die menschliche Haltung des Personals deutlich wichti­ger als die Architektur!», fasst der heute 75-jährige Paul Brenzikofer seine jahrzehntelange Erfahrung aus dem Strafvollzug zusammen. Als Christ sei es ihm immer darum gegangen, nicht nur den «Fall» zu sehen, sondern den einzelnen Menschen.

Gebet als Weg zu den Herzen Dass es gelang, immer wieder auf diese menschliche Ebene zu kommen, schreibt Paul Brenzikofer dem Gebet zu. «Es hat für mich im täglichen Ausüben meines Berufes eine entscheidende Rolle gespielt.» Noch deutlich erinnert er sich zum Beispiel an jenen Mann, den er zu sich zitieren musste, weil er aus der Strafanstalt heraus Frauen wiederholt telefonisch belästigt hatte. «Ich betete vor dem Gespräch, dass ich mit diesem Mann ‹den Rank› finden möge, denn ich wusste, dass er aggressiv war.» Als er allein mit dem Delinquenten in seinem Büro war und dem Mann klarmachte, dass sein Verhalten nicht mehr toleriert 34

werde, wollte dieser voller Wut auf ihn losgehen. Er lief mit geballten Fäusten auf Brenzikofer zu – und an ihm vorbei, hämmerte auf die Tür ein und sagte unter Tränen: «Herr Brenzikofer, es tut mir leid.» Da war offenbar von höherer Warte etwas in dem Manne bewegt worden. Und genau darum ging es Paul Brenzi­ kofer im Strafvollzug: Dass die tieferen Schichten in den Gefangenen berührt würden, die sie gemeinhin durch viel Abwehr schützten, und dass sie die Möglichkeit bekämen, in irgendeiner Form zur Wiedergutmachung (WGM) beizutragen.

Wie alles begann Sein Herz für schwierige Menschen entdeckte Paul Brenzikofer als Junglehrer. Nach dem Lehrerseminar in Rorschach und einem zweisemestrigen Zwischenhalt an der Uni Zürich (Mathematik und Physik), arbeitete er elf Jahre lang als Primarlehrer auf allen Stufen. Erziehungsfragen und -probleme interessierten ihn immer mehr, und als Präsident der Jugendschutzkommission bekam er Einblick in schwierigste Lebensumstände von Kindern, Eltern und Erziehungs-

berechtigten. «Als Lehrer hatte ich die schöne Aufgabe, Kinder weiterzubringen» erzählt Brenzikofer, «doch als dann in der Strafanstalt Lenzburg eine Stelle als Lehrer und Erzieher frei wurde, wusste ich: Das ist die Herausforderung, die mir entspricht.» Die dreieinhalb Jahre in Lenzburg wurden zu Brenzikofers «Lehrzeit» im Strafvollzug. Gleich danach, im Alter von 36 Jahren, bewarb er sich für die frei gewordene Stelle des Direktors bei der Strafanstalt Saxerriet, wo er bis zur Pensionierung im Jahr 1998 blieb. Mit der Strafanstalt Saxerriet war er schon als Primarlehrer in Berührung gekommmen, als ihn der damalige Direktor einlud, mit Sexualdelinquenten zu malen und Bibelarbeiten zu machen. «Es wäre aber zu schön», hält Brenzikofer fest, «wenn es für sie mit dem Bibellesen getan wäre.» Jetzt, als junger Direktor, suchte Paul Brenzikofer nach Wegen, um den Strafvollzug zu reformieren und die Wiedereingliederung der Straftäter in die Gesellschaft erfolgreicher zu gestalten. «Viele Bemühungen zu jener Zeit waren ausschliesslich auf die Täter gerichtet – was ohne Frage richtig gewesen ist», bekräftigt cz 2|09

er, «aber mir fiel auf, dass die Belange der Opfer völlig ausser Acht gelassen wurden.» Das beschäftige ihn. «Auch dort, wo zwei sich streiten, zum Beispiel in einer Ehe, ist es doch so, dass man sich gegenseitig immer wieder finden muss, um weiterzukommen», versucht er die Beziehung zwischen Täter und Opfer zu beschreiben. Was schon in seiner Lenzburger-Zeit begonnen hatte, reifte nun immer mehr aus: Wie weit könnte man zwischen Tätern und Opfern den Kontakt herstellen, um wenigstens kleine Schritte der Vergebung, Versöhnung und Wiedergutmachung zu ermöglichen?

Augenöffner und erste Schritte Sein erster Versuch, in diese Richtung zu vermitteln, ging nicht völlig fehl, kam aber doch anders heraus, als er es sich vorgestellt hatte: Über einen Sozialarbeiter hatte er mit dem Opfer eines Deliktfalls Kontakt aufgenommen und die Person um ein Treffen gebeten. Als der Sozialarbeiter zum festgesetzten Zeitpunkt an der Wohnungstüre klingelte, trat ein Polizist aus der Wohnung. Voller Angst, was bei diesem Treffen auf sie cz 2|09

zukommen würde, hatte die Frau keinen anderen Rat gewusst, als die Polizei um Beistand zu bitten. Brenzikofer merkte, wie komplex die Aufgabe sein würde und wie gross die Angst auf der anderen Seite war. Er erhielt kurze Zeit später unerwartete Hilfe: Ein ehemaliger Grossbetrüger und jetziger Insasse bot ihm an, seinen Mitgefangenen zu helfen, ihre Schulden zu sanieren. Ein Konzept wurde ausgearbeitet. Mit auswärtigen Sozialarbeitern und Finanzfachleuten nahm man mit den Schuldnern Kontakt auf und suchte für beide Seiten einen Weg zum Schuldenabbau. Dies wurde zu einem ersten erfolgreichen Schritt im Wiedergutmachungsprogramm, das bis heute in der Strafanstalt Saxerriet Anwendung findet und für alle Insassen gilt (ausser für Kurzbestrafte). Wo keine bestimmten Opfer oder Gläubiger (mehr) mit einem Anspruch auf Entschädigungen ausgemacht werden können, fallen finanziel­ le Wiedergutmachungsleistungen an gemeinnützige Institutionen. Die Hausordnung im Saxerriet hält fest, dass 10 Prozent des Arbeitsentgeltes auf das sogenannte WGM-Konto fliessen und

von dort aus für allgemeine Entschädigungen an Opfer verwendet werden sollen.

Immaterielle Wiedergutmachung Zusätzlich zur materiellen machte Brenzikofer auch die immaterielle Wiedergutmachung oder Tataufbereitung für alle Insassen mit mehr als sechs Monaten Aufenthaltsdauer im Strafvollzug zur Pflicht. Dabei geht es um Konfliktbearbeitung, Tateinsicht und Opferempathie, ein Gesprächsprogramm, das über einen längeren Zeitraum dauern kann, jedoch Psychotherapie, Suchtbehandlung oder Gesprächstherapie nicht ersetzt. Der Täter soll sich auseinandersetzen mit seiner eigenen Situation, mit seiner Einstellung zum Delikt, mit der Perspektive des Opfers und, wenn immer möglich, die Bereitschaft zur «immateriellen» Wiedergutmachung entwickeln. «Es kann Wochen dauern», sagt Paul Brenzikofer, «bis ein Insasse nur mal so weit kommt, dass er sich in dieser Weise mit seiner Tat auseinandersetzen will. Viele denken, mit dem Absitzen der Monate oder Jahre sei es getan, und verdrängen oder vergessen die Straftat.» 35


versöhnt leben | wiedergutmachung …

Vermittlung zwischen Opfer und Täter

Als Wiedergutmachungsberaterinnen hat Paul Brenzikofer «gewöhnliche», gestandene Haus- und Familienfrauen engagiert. «Sie eignen sich weit besser als wir Männer, um zu spüren, was in den Delinquenten vorgeht; ebenso fällt es den Insassen leichter, mit einer Frau über diese sensiblen Bereiche zu sprechen als mit einem Mann.» Dieselben Frauen, die die Täter begleiten, suchen nun auch den Kontakt mit den Opfern. Als Erstes geschieht das mit einem Brief (siehe rechts), dann mit einem Telefonanruf und – im Idealfall – schliesslich mit einem persönlichen Besuch. Paul Brenzikofer erinnert sich an das eindrückliche Beispiel eines Posthalterehepaares aus der Ostschweiz: Dank der Wiedergutmachungsbemühungen kam es zu einer wirklichen Versöhnung. Das Ehepaar lud die zwei Männer, die ihre Poststelle überfallen hatten, an Weihnachten zum Essen ein. Obwohl der Posthalter sein ganzes restliches Leben mit körperlichen Folgen der Verletzungen durch die Männer zu kämpfen haben würde, wünschten sie diesen Schritt. «Die Bereitschaft zur Versöhnung lässt sich von einem Opfer jedoch nicht erzwingen,» versichert Brenzikofer, «aber trotzdem ist es wichtig, dass sich der Täter in diese Richtung bewegt. Die Frage einer Wiedergutmachung ist für einen Täter erledigt, wenn sein Opfer nicht darauf eingeht. Hier darf sich ein Täter selber entlasten.»

Ein Brief, mit dem der Erstkontakt zum Opfer gesucht wird, kann etwa wie folgt lauten:

Sehr geehrter Her r M.

Dieses Jahr hat fü r Sie keinen guten A nfang genommen. N 10. Januar als ein dü och wird der sterer Tag in Ihrem Gedächtnis haften. verwundert sein, vo Sie werden n einem fremden Men schen daran erinnert Darf ich Ihnen rasc zu werden. h erklären, warum ich mich mit diesem wende? In der Straf Gedanken an Sie anstalt Saxerriet bi n ich eingesetzt, um gefangenen innere P mit Strafrobleme zu verarbei ten. Der Name K. kein unbekannter. V L. ist für Sie or einiger Zeit hatt e ich eine Aussprach jungen Mann. Ich be e mit diesem greife Sie gut, dass Sie sich nur recht un sen Mann erinnern, gern an diehat der doch durch sein Verschulden Ih bedroht. Darf ich S r Leben hart ie aber bitten, mir ei n paar Minuten zuzu L. hat nun harte M hören: Herr onate hinter sich un d muss weiterhin in stalt für sein Verge de r Strafanhen büssen. Dabei ha t er sich in seiner S danken über sein bish tille oft Geeriges Leben und be sonders über seine U macht. Dabei muss er ntaten gestets daran denken, welch hartes Verge lastet. Seine Gedan hen auf ihm ken drehen sich oft im Kreise, und er be gehen tief. Seine Ta re ut sein Verten lasten schwer au f seiner Seele, und fach keine Ruhe find er kann einen. Seine Schuld dr ückt ihn immer mehr Enge heraus hätte . Aus dieser er einen grossen Wun sch - an Ihnen etwas Sicher kann man Ver gutzumachen. gangenes nicht rück gängig machen, doch leicht einen Weg, um gibt es vieldiese grosse Schuld etwas zu mildern. M und mein Anliegen is eine Pflicht t es nun, einmal mit Ihnen in Verbindung mit Ihnen in aller R zu treten, um uhe über das Gesch ehene nachzudenken froh, wenn ich Sie ei . Ic h wäre sehr nmal treffen dürfte , um in dieser Angel Ihnen zu sprechen. eg enheit mit Vielleicht wäre es dann mit der Zeit mö diesem Menschen ei gl ic h, dass Sie n ganz klein wenig ve rgeben könnten und Zusammenkunft (in so ga r zu einer meiner Gegenwart) Ja sagen könnten. M sammentreffen wür it diesem Zuden Sie dem jungen Menschen helfen, di verkraften und im In es e Tat besser nersten die nötige R uhe für ein weitere zu können. Ich hoffe s Le ben finden fest, dass Sie mein Anliegen und die drüc danken jenes Herrn ke nden GeL. ein wenig verstehe n können. Ich wäre dankbar, wenn ich S Ih nen sehr ie in nächster Zeit ei nmal anrufen dürfte wir einen weiteren S . S o können chritt miteinander be sprechen. Im Vorau Ihnen bestens. s danke ich

Freundliche Grüsse G. S.

Was bringen Bemühungen der Wiedergutmachung? Von der Gesellschaft wird erwartet, dass sie Strafentlassene als vollwertige Mitglieder wieder aufnimmt, und gemäss Gesetz ist es die Aufgabe des Strafvollzuges, einen Täter wieder in die Gesellschaft einzugliedern. «Aber so gut diese Forderungen gemeint sind, so unmöglich ist es, sie zu erfüllen, sofern nicht während des Strafvollzuges umfassende Bemühungen um Wiedergutmachung erreicht oder begonnen worden sind.» Davon ist Brenzikofer überzeugt. Er weiss, dass Opfer eher bereit sind, Hand zur Wiedergutmachung zu bieten, solange ein Täter noch im Strafvollzug steht, denn sie sehen seine gegenwärtige Lebenssituation und damit die Aussichtslosigkeit grosser Forderungen. Wenn Wiedergutmachung ein zentraler Aspekt im Strafvollzug ist, muss zudem ein entlassener Straftäter keine Angst mehr vor weiteren Forderungen haben. Und das entlastet auch seine Angehörigen.

Reinen Tisch für Brenzikofer Was hat Paul Brenzikofer zu seinem Engagement für die Gefangenen motiviert?

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«Ich habe mich über die Jahre oftmals selber gefragt: ‹Warum sitze eigentlich ich auf der Seite des Direktors und nicht auf der des Täters?› Es war für mich letztlich eine Frage der Gnade Gottes und seiner Berufung für mein Leben.» Auch für ihn habe es einen Tag der «Wiedergutmachung» gegeben. Seit er seine Frau kennt, hätten sie zwar zusammen gebetet, aber für ihn sei der Glaube damals nicht so wichtig gewesen. Wenige Tage nach der Hochzeit habe ihn seine Frau jedoch gebeten, mit ihr zusammen in der Bibel zu lesen. «Bereits beim ersten Text traf mich das Wort Gottes und ich wusste: ‹Das hier geht mich an!›» So sei auch er nicht darum herumgekommen, mit Gott reinen Tisch zu machen. Immer wieder sei es ihm möglich gewesen, in der Schule und im Gefängnisalltag zu seinem Glauben zu stehen. Wetterte etwa einer seiner Insassen bei ihm über eine Ungerechtigkeit des Justizapparates, so konnte er aus Überzeugung dagegenhalten: «Ja, ich kann Ihnen glauben, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Auf dieser Erde gibt es nur annähernd menschliche Gerechtigkeit. Doch es wird auch für Sie eine absolute Gerechtigkeit geben.»

Grosse Genugtuung bereitet es Paul Brenzikofer, dass im Saxerriet auch nach seiner Pensionierung unter der Leitung von Direktor Martin Vinzenz die Insassen zum Weg der Versöhnung und Wiedergutmachung ermutigt und angeleitet werden. «Jeder einzelne Schritt ist es wert», sagt Paul Brenzikofer, «und ist ein wichtiger Baustein zur Versöhnung sowohl für Täter als auch für Opfer.

Paul Brenzikofer war massgeblich daran beteiligt, dass der Gedanke der Wiedergutmachung (WGM) auch im schweizerischen Strafvollzug (Artikel 75.3 des Strafgesetzbuches) Aufnahme fand. 37


A U S L A N D

U K R A I N E

ausland | ukraine

Mit der Krise kommt die Chance Was Campus für Christus in der Ukraine bewegt Mit der aktuellen ukrainischen Wirtschaftskrise steigt auch die Zahl der Menschen, die nach Gott suchen, stark an. Unsere Mitarbeiter in der Ukraine, Alioscha und Madeleine Chaplits-Wernli, sehen dies als Chance: «Wir hoffen, dass nun eine spezielle Zeit der Ernte kommt für die 1500 Ukrainer, die wir in den letzten sieben Jahren als Multiplikatoren für Evangelisation und Jüngerschaft ausgebildet haben.»

Johanna Vollenweider Die Ukraine, nach Russland das grösste europäische Land, ist fünfzehnmal so gross wie die Schweiz und hat mit 46 Millionen etwa gleich viele Einwohner wie Spanien. Wirtschaftlich und politisch ringt der seit 1991 unabhängige Staat darum, auf eigenen Füssen zu stehen.

Konflikte und Wirtschaftskrise Nicht nur der fortwährende politische Kampf zwischen dem Präsidenten Wiktor Juschtschenko und der Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko hat die Ukraine ins Wanken gebracht. Auch über die Grenzen hinaus gibt es immer wieder aufflammende Konflikte, wie der russisch-ukrai­nische Gasstreit, die aufgrund der innenpolitischen Unruhen schwer zu lösen sind. Als die Ukraine im Mai 2008 der Welthandelsorganisation WTO beitrat und damit ihre Grenzen für den internationalen Handel öffnete, flossen Milliarden von Dollar von ausländischen Investoren ins Land. Mit der Finanzkrise im Herbst jedoch versiegten die Geldquellen, und die Banken stoppten die Kreditvergabe an grosse wie 40

auch an kleine Unternehmen. Industrie­ betriebe gaben die Produktion auf oder halbierten sie. Eine von zehn Personen verlor ihren Arbeitsplatz. Der Wert der nationalen Währung sank um über 60 Prozent, Bankersparnisse schwanden, und die Menschen können heute ihre Hypotheken und Darlehenszinsen nicht mehr bezahlen. Selbst die Regierung schuldet ihren Angestellten eine Lohnsumme von mehr als 200 Millionen US-Dollar. Die Steuereinnahmen sinken – mit der Folge, dass Arbeitslose und Pensionierte künftig kaum mehr mit Unterstützung durch den Staat rechnen können.

So helfe uns Gott «Auch wir als Familie spüren die aktuelle Krise», erzählt Madeleine Chaplits-Wernli, die 1991 als Schweizer Mitarbeiterin von Campus für Christus in die Ukraine kam. «Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen kontinuierlich.» Viele Leute fühlen sich im Stich gelassen und sind hoffnungslos, dadurch wenden sie sich Gott zu. Ein ukrainisches Sprichwort sagt genau dies aus: «Wenn es Schwierigkeiten gibt, wenden wir uns an Gott.» – «Tief

in ihrem Herzen wissen die Ukrainer, dass Gott helfen wird», erklärt ihr Mann Alio­scha Chaplits, «darum fangen sie an, dort nach Hilfe zu suchen, wo sie Gott vermuten: in den Kirchen. So öffnet sich eine Türe für evangelische Gemeinden, um Menschen auf den Weg der Rettung durch den Glauben an Jesus zu führen.»

Von Anfang an dabei Nachdem sie 1989 an einem evangelistischen Sommerprojekt von Campus für Christus in St. Petersburg, Moskau und Tallinn teilgenommen hat, kehrt die 24-jährige Madeleine Wernli beeindruckt und verändert in die Schweiz zurück. «Eine tiefere Freude habe ich noch nie erlebt als die, Menschen bei ihrer Suche nach Gott zu helfen und sogar dabei sein zu dürfen, wenn jemand Christus in sein Herz aufnimmt», erinnert sie sich. Die Berner Oberländerin lässt sich von Campus für Christus Schweiz als Missionarin in die Ukraine aussenden. Als 1991 die ersten zwei Studentenarbeiten an der Kiewer Universität und der Technischen Hochschule gegründet werden, ist Madeleine Wernli dabei. Das Einleben in einem cz 2|09

fremden Land mit einer Sprache, die sie nicht versteht, ist intensiv und kostet Madeleine viel Kraft. Beim Evangelisieren oder Bibelstudium schwindelt ihr nach einer halben Stunde vor Anstrengung. Manchmal nimmt es ihr fast den Atem, dass sie an einem Ort leben darf, an dem mit dem Fall der Sowjetunion buchstäblich Geschichte geschrieben wird. Auf der anderen Seite bedrückt sie die Angst der Bevölkerung vor einer Hungersnot, die leeren Läden und der Mangel an Glühbirnen, der die Stadt und Hauseingänge dunkel macht. Die Leute treten beim Sprechen näher an sie heran, als Madeleine es gewohnt ist, und viele Studenten kommen spontan auf Besuch zum Teetrinken und bleiben für mehrere Stunden.

weil sie dort Gelegenheit haben, Ausländer zu treffen und mit ihnen über spannende Themen zu diskutieren. Auch Alio­scha Chaplits, ein Metallurgiestudent, kommt mit den Mitarbeitern von «Ukraine für Christus» ins Gespräch. Dadurch findet er Antworten auf Fragen, die ihn lange beschäftigt haben. Er vertraut sein Leben Christus an und engagiert sich in der Studentenbewegung. Gott verändert und gebraucht ihn. 1995 wird er Mitarbeiter von «Ukraine für Christus». Heute existieren sieben Studentenarbeiten in der Ukraine, zusätzlich gibt es zwei ukraini­sche Teams, die in Russland und in Georgien dienen. 72 der 90 Mitarbeitenden von «Ukraine für Christus» stammen aus der Studentenarbeit.

Grosse Frucht aus der Studentenarbeit

«Nimm Madeleine etwas genauer unter die Lupe»

So kurz nach der Unabhängigkeit der Ukraine sind die Studenten unglaublich hungrig nach neuen Ideen und Lebensstilen. Sie sind offen für alles, was zuvor verboten war. Sie besuchen die wöchentlichen Treffen und Konferenzen der Studentenarbeit von «Ukraine für Christus»,

Madeleine und Alioscha arbeiten beide bei «Ukraine für Christus», sehen sich in Gottesdiensten und an Studentenkonferenzen. Doch sie kennen sich nur oberflächlich, bis Alioscha 1997 herausgefordert wird, die Teamleitung an der Kiewer Universität zu übernehmen, wo

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• Links: Madeleine mit ihrem ersten Team 1991. • Rechts: Alioscha als Leiter in der Studentenarbeit 1994.

• Alioscha and Madeleine Chaplits in traditionellen Wyschywankis. 41


AUSLAND

ausland | ukraine

• Roland Kurth zu Besuch bei Chaplits im

• Die Freiwilligen von «Glaube in Aktion» stammen aus allen Gesellschaftsschichten.

Frühling 2008.

Sie verbreiten engagiert die Frohe Botschaft und helfen anderen, dasselbe zu tun.

Madeleine für die Koordination der Frauenarbeit verantwortlich ist. Bevor er diesen neuen Dienst antritt, betet er wochenweise für jedes Teammitglied. Als Madeleine an der Reihe ist, legt Gott ihm aufs Herz, diese Frau etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Das tut er auch, «pflichtbewusst und feinfühlig», wie Madeleine ihn später in ihrem Rundbrief beschreibt. 1998 beginnen Madeleine und Alioscha ihre Freundschaft und heiraten am 3. Juli 1999 in Merligen am Thunersee.

400 ausgebildete Evangelisationsleiter seit 2002 Nach ihrem ersten Sohn Dominic (8) kommen ihre Tochter Fabienne (5) und der zweite Sohn Eric (4) in Chicago zur

• Marina Kharebashvili: «Der Dienst-

wir unsere BTCL-Leiterschule auch den georgischen Evangelikalen anbieten können.» Währenddessen versorgt Madeleine als Vollzeitmutter ihre drei kleinen Kinder. Sie nimmt Anteil an Alioschas Arbeit und interessiert sich nach wie vor für das, was bei «Ukraine für Christus» läuft, und versucht nach Möglichkeit zu helfen. Regelmässig trifft sie sich mit einer anderen Mitarbeiterehefrau zum Gebet und Picknick mit den Kindern. Durch Einladungen zum Essen versucht sie, Beziehungen zu ihren Nachbarinnen aufzubauen. Sie möchte ihr Leben und das Evangelium mit den Ukrainerinnen teilen – jetzt und auch in einer hoffentlich besseren Zukunft.

Welt. Alioscha studierte dort an der Trinity Evangelical Divinity School Theo­ logie. Zurück in der Ukraine, wird ihm 2006 die Verantwortung für das Biblical Training for Church Leaders (BTCL) übertragen. Bei diesem sechs Jahre währen­ den Programm bildet BTCL ukrainische Gläubige als Leiter für den Dienst der Evangelisation und Jüngerschaft in ihren örtlichen Gemeinden aus. Alioscha organisiert dieses Schulungsprogramm mit Vision und unterrichtet manchmal auch selber. Bis heute haben rund vierhundert Ukrainer und Ukrainerinnen aus fast allen Regionen der Ukraine die BTCL-Leiterschule besucht. Neben diesen Verantwortungsbereichen schult er die fünfzig Mitarbeitenden von «Ukraine für Chri-

• Oleh Tscherwiatschenko: «Ich war

stus» und vermittelt ihnen biblisches und theologisches Wissen für ihr Leben und ihren Dienst.

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«Glaube in Aktion».

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Beziehungen aufbauen

RUnterwegs O L A N D K U R T H erlebt

Im April 2007 reist Alioscha zum ersten Mal nach Georgien, um an einer Konferenz in Bakuriani, drei Stunden von der Hauptstadt Tiflis entfernt, einen Kurs über Kleingruppendynamik zu halten. Zusammen mit Anatoly Tsymbal, einem ukrainischen Pastor und Gemeindegründer, schult er georgische Brüder und Schwestern im Leiten von Kleingruppen. «Diese Reise war nur der Anfang meiner Beziehung zu den georgischen Campusarbeitern», sagt Alioscha. «Ich vertraue, dass die Zusammenarbeit wächst und

• Svetlana Iwanowa: «Während einer

Wenn es in unseren Köpfen rumort … Unsere internationale Tätigkeit ist punkto Versöhnung eine permanente Herausforderung. Wo man auch hinkommt, ist man als Erstes fast immer ein willkommener Gast und wird durch eine vorbildliche Gastfreundschaft verwöhnt. Man fühlt sich sofort zu Hause und nimmt die Annahme und Freundlichkeit auf wie ein trockener Schwamm. Man bekommt Liebe und erwidert sie mit Dankbarkeit. In den gemeinsamen Gesprächen unter uns Schweizern staunen wir über so viel Offenheit und Annahme und können uns nicht vorstellen, warum die andern immer von Problemen und Streit erzählen. Bis zum Zeitpunkt des ersten Problems, Konfliktes oder der ersten grossen Differenz ist noch alles in Ordnung. Doch jetzt, nachdem es passiert ist, das in unseren Augen Falsche, das Ungeheuerliche, die Nachlässigkeit oder was auch immer, jetzt beginnt es in unseren Köpfen zu rumoren. Bilder, vorgefertigte und

• Oleksandr Tashuta: «Unsere Diskus-

management-Kurs half mir, Ziele zu

sehr beeindruckt von dem Geist der

Kleingruppendiskussion lernte ich,

sionen über biblische Schlüsselstellen

formulieren und die Arbeit effektiver

Einheit hier. Die Ausbildung war

wie ich Barrieren in der Evangelisation

forderten mich heraus, nicht nur beim

auszuwerten.»

dynamisch und einfach.»

erkennen und überwinden kann.»

Bibelstudium, sondern auch im Dienst die Weisung Gottes selber zu suchen.»

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• Einige der 1500 ukrainischen Multiplikatoren nach dem Abschluss der Ausbildung

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mitgebrachte Bilder, beginnen ihre Kraft auszubreiten und unsere Beziehung zu erschweren und zu blockieren. In den Gesprächen «unter uns» ist die Meinung schnell gemacht: Die anderen sind faul, unzuverlässig, heimtückisch. Schon seit Jahrhunderten sind sie so: Araber sind halt Terroristen, Afrika kann niemand helfen, alle wollen immer nur unser Geld, wenn wir weg sind, werden sie wieder vom Glauben Abstand nehmen! Diese und hundert andere vorgefertigte Bilder tragen wir mit uns herum, und sie bestätigen uns darin: Wir sind die Guten, und die anderen sind die Bösen. Wir, die Weissen, sind die Guten, und sie, die Schwarzen, Roten oder Gelben, sind die Bösen. Wenn du persönlich hier, an diesem Punkt angekommen bist, findest du leicht Verbündete in unserer Kultur. Zeitungen und Zeitschriften, Stammtischund Hauskreisgespräche, Parteien und ganze Kirchen oder Denominationen bestärken uns in unserer Voreingenommenheit. 43

• Roland Kurth ist Leiter von Agape interna­ tional und 120 Tage im Jahr in den Einsatzgebieten unterwegs.

Nun beginnt die grosse Arbeit für mich: die Arbeit an mir! Will ich den anderen annehmen, mich auf ihn einlassen, will ich ihn verstehen, seinen Argumenten zuhören – vielleicht nur einmal für kurze Zeit in seinen «Schuhen» gehen? Will ich mich und meine Motive genauso hinterfragen wie meinen Nächsten? Ja, ich will, ich will immer wieder auf ihn zugehen mit offener, ausgestreckter Hand. Ich will vergeben und Vergebung annehmen. Ich will mich ganz auf das Wort Gottes einlassen: Wer gibt, bekommt; wer Liebe gibt, wird Liebe zurückbekommen. Nur auf diese Weise können wir Herzen bewegen.


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– I N T E R N A T I O N A L

Agape Österreich

Leiterkonferenz in Genf als Startschuss

Was Campus für Christus in Europa bewegt

Neue Arbeit von Campus für Christus unter internationalen Führungskräften

«Wenn man die konfessionellen Herkünfte der Mitarbeiter betrachtet, sind wir sicherlich der ‹bunteste Haufen› innerhalb von Campus für Christus weltweit!», sagt Peter Heinz schmunzelnd. Mit seiner Frau Maria leitet er seit 1993 das 16-köpfige Mitarbeiterteam von Agape Österreich.

Johanna Vollenweider

Zuerst die Russen

Genf ist eine Weltstadt, in der sich zahlreiche internationale Organisationen einschliesslich der Vereinten Nationen niedergelassen haben. Um die gläubigen Führungskräfte zusammenzubringen und in ihrem geistlichen Leben zu stärken, hat Campus für Christus 2008 die Arbeit Global Leadership Geneva (GLG) ins Leben gerufen.

Benjamin Moses scheint wirklich von Gott in diese Arbeit berufen worden zu sein: Am 26. Juni 2008 begann er mit sechs Personen eine russische Bibelgruppe in der evangelischen Täuferkirche in Genf. Innert weniger Monate wuchs die Gruppe auf 14 Personen an. Ivan Timoshenko, Gründer der Vereinigung Russisch sprechender Christen in Europa, bot Benjamin Moses an, die Arbeit von GLG voranzutreiben, ihn im Gebet zu unterstützen und ihm weitere Kontakte zu vermitteln.

Peter Höhn In Österreich gibt es keine andere Missionsbewegung, die Mitarbeitende aus so verschiedenen kirchlichen und gemeindlichen Hintergründen hat. «Ein tolles Team, und ich bin begeistert von dieser Vielfalt, die Gott uns da geschenkt hat», schwärmt Peter Heinz, der früher als Bankkaufmann arbeitete und 1993 als Nachfolger des amerikanischen Pionierehepaars Edward und Coralee Murray in die Leitung berufen wurde.

kenntnis im Konzentrationslager Mauthausen (2006). Aus der nationalen Arbeit entstanden regionale «Kreise zur Einheit» bzw. «Plattformen der Versöhnung» in Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Graz. In verschiedenen Foren werden Gesellschaftsthemen aus christlicher Sicht erarbeitet.

und Spass zu haben. Das «Ehe- und Familiennetz» ist eine Plattform, welche die Be­gegnung für alle Interessierten an Ehe- und Familienthemen fördert und Weiterbildung für Beraterinnen und Seelsorger anbietet (www.ehenetz.org).

Weg der Versöhnung Peter und Maria Heinz stammen selbst aus der katholischen Kirche und kamen in den Achtzigerjahren durch Mitarbeiter von Agape Österreich zum lebendigen Glauben an Jesus Christus. Von Beginn weg war es ihr Anliegen, zur Versöhnung zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen, Gemeinden und Werken beizutragen. Peter Heinz war als Vorstandsmitglied von Anfang an dabei, als 1998 im Zuge einer Begegnungskonferenz von Christen der «runde Tisch» ins Leben gerufen wurde. Zweimal im Jahr trafen sich zwischen 1997 und 2001 vierzig bis fünfzig Leiter aus verschiedenen Kirchen, Denominationen und Werken: Protestanten, Evangelikale, Leiter aus charismatischen Freikirchen und Katholiken. Spannungen gab es anfangs besonders zwischen Pfingstlern und Katholiken, die aber bald einer tiefen Achtung und Freundschaft wichen. Neben mehreren Gebets- und Fastentagen werden auch heikle theologische Fragen behandelt wie das Thema Maria (2001), Israel (2003), die Aufarbeitung von 1800 Jahren Schuldgeschichte der Kirchen an den Juden und ein gemeinsames, stellvertretendes Schuldbe-

• Peter und Maria Heinz. Ihr Anliegen ist die Versöhnung zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen.

• Startteam der GAiN-Arbeit in Österreich am 18./19. März 2009.

Austrian Prayer Congress (APC)

Gott ist der Leiter

Der APC ist eine Gebetsinitiative, bei der Agape Österreich durch Athletes in Action (AiA) und seinen Leiter, Wolfgang Sutter, vertreten ist. Es ist faszinierend, wie sich diese seit 2001 stattfindenden Gebetskongresse auf die junge christliche Generation Österreichs auswirken. Hunderte von Teens berichten, wie sie im christlichen Glauben gestärkt wurden. Im Zuge verschiedener nationaler und regionaler Anlässe mit bis zu 1100 Teilnehmenden entstanden Gebetsfrühstückstreffen, Schülergebetskreise und vieles mehr.

Agape Österreich – das sind sechzehn hauptamtliche, zwölf assoziierte und über fünfzig ehrenamtliche Mitarbeitende in neun Arbeitszweigen: CampusLive + renovatio, Crescendo, Institut für Lebensgestaltung, AiA, Jesus-Video-Projekt, GAiN, einsicht, Crown-Life und Gottkennen. at. Das innovative Team von Agape Österreich schafft es, Brücken der Liebe und der Versöhnung zu bauen, ein Engagement, von dem Christen anderer europäischer Länder viel lernen können. «Trotz vieler finanzieller, personeller und geistlicher Herausforderungen gehen wir zuversichtlich in die Zukunft», sagt Peter Heinz. «Denn wir sind überzeugt, dass nicht wir die Leiter sind, sondern Gott selbst, sonst wäre Agape Österreich schon längst von der Bildfläche verschwunden.»

Das Ehenetz In einem weiteren überkonfessionellen Netzwerk treffen sich die Leiterehepaare von dreizehn Organisationen einmal jährlich für ein ganzes Ehewochenende, um Beziehung zu pflegen, auszutauschen, auf Gottes Wort zu hören, Termine abzustimmen, auszuspannen

«Von der Reformation zur Transformation» heisst die Leiterkonferenz, die Campus für Christus vom 4. bis 8. Dezember 2009 anlässlich des 500. Geburtstags von Johannes Calvin in Genf durchführen wird. Es soll eine Konferenz zur Stärkung und Ermutigung gläubiger Führungskräfte werden. Die Hauptreferenten der Konferenz sind unter anderem: Henry und Richard Blackaby («Gott am Arbeitsplatz»), Sunday Adelaja («The Church Shift») und Luis Bush von Transform World. Dr. Benjamin Moses, seit 1. Juni 2008 Geschäftsleiter von Global Leadership Geneva, ist überzeugt: «Wenn einflussreiche Leiter aus allen Ländern der Welt für den Herrn gewonnen werden, kann das grosse Auswirkungen auf Nationen, Gemeinschaften und die Wirtschaft haben.»

www.agapeoesterreich.at www.agapeeurope.org

• Benjamin und Jessy Moses mit ihren Söhnen Steve (7) und Chris (2).

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Ausgelöst durch die Wirtschaftskrise wird in den Medien immer häufiger die Frage diskutiert, welche Rolle der Charakter bei Leitungsverantwortlichen spiele. Dies nahmen GLG, das Trinity Forum unter der Leitung von Prof. Prabhu Guptara von der UBS sowie Jack Fallow zum Anlass, im vergangenen März Leiter verschiedenster Hintergründe, Religionen und Weltanschauungen zu einem Frühstückstreffen zum Thema Charakterbildung und Gesellschaftsveränderung einzuladen.

• Die russische Bibelgruppe erfreut sich einer wachsenden Teilnehmerzahl – und wächst auch geistlich. • Das Team von GLG (von links): David und

Mittagessen bei der WHO

Sue Imbrock, Benjamin Moses, Thomas Weber.

Inzwischen kann Benjamin Moses gemeinsam mit Dr. Tony Ukety, einem Beamten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), monatlich Lunchmeetings in der WHO in Genf anbieten.

• Benjamin Moses und Tony Ukety bei der WHO.

Weitere Informationen:

Charakter – auch wenn niemand hinsieht

Auch in der Weltklimaorganisation (WMO) entstand ein ähnliches Treffen. «Die Dinge fügen sich wie von selbst zusammen, nicht wegen GLG, sondern wegen Gottes Plänen», erzählt Benjamin Moses. Er freut sich, dass sich Führungskräfte der WHO aktiv an den Treffen beteiligen. Sogar Eheseminare für die WHO sind in Planung. 45

Von Geburt an Gott geweiht Benjamin Levi Moses kam 1971 in einer christlichen mittelständischen Familie in Indien zur Welt. Seine Eltern weihten ihn schon bei seiner Geburt Gott. Als einziges der fünf Kinder hatte er das Privileg, eine englische Mittelschule zu besuchen. Jemand, dessen Namen Benjamin Moses bis heute nicht kennt, finanzierte ihm später eine gute Bibelschule. «Durch seine Investition in mein Leben konnte ich ein Theologiestudium in Angriff nehmen und auch erfolgreich abschliessen. Dies alles bedeutet sehr viel für meine Familie und mich. Es hat mich dorthin gebracht, wo ich heute bin», erzählt Benjamin Moses. Seit 2001 lebt er mit seiner Frau Jessy in der Schweiz. Hier sind ihre Söhne Steve und Chris zur Welt gekommen. Mehr Informationen zu GLG unter:

www.GLGeneva.org


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Anna findet Gott im Internet ... ... dank E-Coach Karin

Johanna Vollenweider

Wie Anna zum Glauben kam und wie ihr Karin dabei geholfen hat. Ein Beispiel dafür, dass immer mehr Menschen auf www.gottkennen.ch nach Gott fragen. Mittwoch, 5. Dezember 2007, Berg SG, mitten in der Nacht. Anna (51) kann nicht schlafen. Vor sieben Jahren sind ihre Eltern in Kroatien verstorben, zwei Jahre später ganz unerwartet ihr Mann. Jeden Tag arbeitet sie in der Arztpraxis und macht Überstunden, bis es zum Burn-out kommt. Die Kinder sind von zu Hause ausgezogen. Wie soll es weitergehen? Vor wenigen Tagen hat sie im Internet www.gott.com eingegeben. Sie war ganz überrascht, als sie auf die Homepage www.gottkennen.ch weitergeleitet wurde, wo sie auch gleich ihre Fragen stellte. Wenig später kam der Kontakt zu Karin zustande, die sich vom Internet-Ministry-Team zum E-Coach hatte ausbilden lassen.

Flexibilität ist gefragt Wie sie es in ihrer Ausbildung gelernt hat, stellt Karin Anna Fragen, um sie zum Nachdenken zu bringen. Doch die Korrespondenz ver-

läuft nicht nach Schema X. «Ich kann deine Fragen im Moment leider nicht beantworten», schreibt Anna zurück. Sie will es gerne, doch etwas blockiert sie total. Fieberhaft überlegt Karin, wie sie Anna helfen könnte. Dann kommt ihr die Illustration in den Sinn, die sie kürzlich im Buch von Bill Hybels «Bekehre nicht – lebe!» gesehen hat. Sie zeichnet sie nach und schickt sie Anna. Diese ist noch immer hellwach. Um drei Uhr Morgens sieht sie die E-Mail von Karin, druckt sich die Illustra­ tion aus und betrachtet sie.

Intensives Glück Plötzlich fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: Jesus ist der Weg zu Gott! Es ist, als ob Ameisen über ihren Körper krabbeln würden, sie weiss nicht, wie ihr geschieht. Das ist es, wonach sie ihr Leben lang gesucht hat! «Ab­ gesehen von der Geburt meiner Kinder habe ich niemals diese Intensität von Glück erlebt!», sagt Anna. «Die Leute sagen immer, dass das Christsein beengend sei, doch ich habe erst echte Freiheit erlebt, als ich Jesus fand», schwärmt sie. Seither hat Anna erlebt, wie Gott sie an ihrem Körper heilte und was das Gebet von Gläubigen auch in der unsichtbaren Welt bewirken kann. Obwohl oder gerade weil

sie seit fast einem Jahr arbeitslos ist, ist ihre Beziehung zu Gott enorm gewachsen. «Ich bin wie ein Schwamm, der alles aufsaugt, was er an Nahrung bekommt», beschreibt sie sich selber, «sonntagabends gehe ich zur Kirche und unter der Woche in den Hauskreis.» Was sie in der Bibel liest, integriert sie in ihren Alltag, so geht sie auf ganz natürliche Art mit Gott, hört auf das, was er ihr sagt, und tut es.

Jeder kann E-Coach werden «Die Internetplattform Gottkennen.ch, die suchende Menschen mit E-Coaches in Kontakt bringt, ist eines der besten Mittel zur Evangelisation, die ich kenne», sagt Karin. In ihrer Ausbildung zum E-Coach habe sie gelernt, die Menschen nicht anzupredigen, sondern durch Fragen zu coachen. In ihrer Funktion als E-Coach ist sie bereits einigen Menschen begegnet, zu denen sie in ihrem normalen Umfeld niemals Zugang hätte. Es sind Einzelgänger, Randständige oder vom Leben überforderte und verzweifelte Menschen, die sich nicht mehr oft in der Öffentlichkeit zeigen. «Die Anonymität des Internets bietet mir den Vorteil, dass ich Menschen ohne Vorurteile begegnen kann», sagt Karin.

Kampagne im Aargau Über Ostern organisierte Internet Ministry eine Gottkennen.ch-Kampagne in Aarau, Lenzburg, Brugg, Baden und Umgebung. Der Arbeitszweig liess 120 Grossplakate aufhängen mit der Aufschrift: «Eine persönliche Begegnung mit Gott – Gottkennen.ch.» Die Kampagne lief in Zusammenarbeit mit neun lokalen Kirchen im Kanton Argau. «Wir hoffen, dass diese Kampagne dazu beiträgt, dass viele suchende Menschen ähnlich lebensverändernde Begegnungen mit Gott machen können wie Anna», sagt Matthias Langhans, Leiter von Internet Ministry. Auf die Kampagne hin hat der Arbeitszweig rund zwanzig neue E-Coaches ausgebildet.

www.internetministry.ch

Engadiner Skimarathon

Rund 1000 Personen besuchten am 7. März den Gottesdienst vor dem Engadiner Skimarathon in St. Moritz.

• «Wenn Christen gemeinsam beten, sind sie sehr stark und können viel errei-

• Karin: «Jeder, der ein Herz für Menschen hat, kann als E-Coach suchenden

chen», sagt Anna. Sie hat erlebt, dass Gott sie körperlich geheilt und ihr ein

Menschen helfen. Dazu braucht es keine evangelistische Gabe und keine

Leben in Freiheit geschenkt hat.

tief gehenden Computerkenntnisse.» 46

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Der Skimarathon ist mit 11 000 Teilnehmenden einer der grössten Sportevents der Schweiz. Der Gottesdienst zum Thema «Wer bin ich?» mit Marcel Bäni und Anja Lehmann mit Band wurde unter anderem von der Christian Activity Association und Athletes in Action organisiert. cz 2|09

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P R O D U K T E

für sie notiert

«More than Chocolate and Cheese» Maria aus Magdala – von der Liebe berührt DVD be. Das Leben Jesu aus der Perspektive einer faszinierenden Frau: Maria aus Magdala. Sie stand am Rande der Gesellschaft, doch Jesus Christus hat ihr Leben verändert. Im Film erzählt sie rückblickend, wie sie seine freimachende Liebe erfahren und ihre Würde als Frau zurückbekommen hat. Sie nimmt die Zuschauer mit und zeigt, wie Jesus auch das Leben anderer Mitmenschen ihrer Zeit verändert hat. Der Spielfilm basiert auf dem bekannten Jesus-Film nach dem Lukasevangelium, ergänzt mit Szenen, in denen Jesus Maria aus Magdala und anderen Frauen begegnet. Die 82-minütige DVD ist ein guter Aufhänger, um mit Menschen über Jesus ins Gespräch zu kommen, und spricht vor allem Frauen auf beeindruckende Weise an. Auch ein ideales Geschenk! Audiosprachen: Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch. Untertitel: Deutsch, Englisch, Chinesisch, Koreanisch, Spanisch-Kastilisch, Katalanisch. Bestellmöglichkeit Schweiz: Campus für Christus, Josefstrasse 206, 8005 Zürich, Tel. 044 274 84 84 admin@cfc.ch Einzelpreis Schweiz: CHF 19.80 Deutschland: www.campus-d.de oder www.cfc-online.org/shop Einzelpreis: ab EUR 14.95 Österreich: www.agapeoesterreich.at 48

DVD be. Jedes Jahr bereisen Millionen von Touristen unser Land. Es sind Menschen mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund: Christen, Buddhisten, Juden, Muslime, Hindus, Atheisten und viele andere mehr. Sie sind fasziniert von der Schönheit der Schweiz. Während ihres oft kurzen Aufenthaltes ist es nicht möglich, sie alle mit dem Evangelium bekannt zu machen. Was wir ihnen aber mitgeben können, ist die DVD «More than Chocolate and Cheese». Sie enthält eine halbstündige Dokumentation über Kultur und Schönheit der Schweiz. Anschliessend folgt die Einladung, sich von den christlichen Wurzeln der Schweiz ein lebendiges Bild zu machen – anhand des legendären Jesus-Films nach dem Lukas­ evangelium. Ziel ist, diese DVD zu verteilen – zum Beispiel in Hotels beliebter Kurorte, an Flughäfen und Bahnhöfen. Die Dokumentation zur Schweiz mit wunderschönen Filmaufnahmen ist in den Sprachen Englisch, Deutsch, Fran­ zösisch und Italienisch erhältlich; der Jesus-Film in 24 Sprachen. Bestellmöglichkeit Campus für Christus, Josefstrasse 206, 8005 Zürich, Telefon: 044 274 84 84 admin@cfc.ch Einzelpreis Schweiz: CHF 19.80 Sonderpreise für Verteilaktionen

Auf dem Weg zur Versöhnung Media-Package: DVD und Begleitheft ts. Gibt es ein Leben ohne Konflikte? Nein, sie gehören zum Leben. Gibt es Konflikte, die versöhnlich enden? Ja, aber es gehört ein Weg dazu, der auch beschwerlich sein kann. Jesus hat nie gesagt: «Seid nett zueinander!», aber er hat mit seinem Leben und Sterben einen Weg gewiesen, mit Gott und als Menschen untereinander in Versöhnung zu kommen. Diese wirklich zu leben, ist auch für Christen eine Herausforderung. Hier ermutigt der Dokumentarfilm, wirklich Schritte zu tun. Das Begleit- und Studienheft will in einer bewusst nicht frommen Sprache gerade auch Nichtchristen gewinnen, sich mit dem Thema Versöhnung auseinanderzusetzen und dem biblisch-christlichen Weg eine Chance zu geben. In diesem Sinne ist das Heft evangelistisch. Das didaktische Arbeitsmaterial eignet sich für die schulische Oberstufe und den kirchlichen Unterricht. Bestellmöglichkeit Campus für Christus, Josefstrasse 206, 8005 Zürich, Telefon: 044 274 84 84 admin@cfc.ch Einzelpreis DVD: CHF 20.00 Einzelpreis Arbeitsmaterial (Begleitheft/ CD): CHF 10.00 cz 2|09

Freiheit und Grosszügigkeit leben Media-Package: DVDs und Begleithefte be. Grosszügig sein bedeutet nicht immer nur, den eigenen Gürtel enger zu schnallen, sondern kann auch unerwarteten Segen bringen: emotional, zwischenmenschlich, geistlich, finanziell. Als Einführung zum Thema «Umgang mit dem lieben Geld» hat CROWN Life ein niederschwelliges DVD-Seminar zum Selbst- und Gruppenstudium entwickelt. In sechs zweistündigen Lektionen bieten Horst Reiser und Duane Conrad, Leiter von CROWN Life Schweiz und Deutschland, zusammen mit Andreas A. Walker, einem ehemaligen Direktionsmitglied einer schweizerischen Grossbank, zu den Themen «Identität», «Freiheit», «Lebensstil», «Zufriedenheit», «Grosszügigkeit» und «In Gemeinschaft» ein breites Spektrum von Ideen und biblischen Gedankenanstössen. Ergänzt werden diese mit fünfzehn praktischen Erfahrungsberichten. Das DVD-Seminar eignet sich für Menschen, die noch kaum über den biblischen Umgang mit Geld nachgedacht haben, sich aber interessiert und neugierig auf das Thema einlassen möchten. Mit Leiter- und Teilnehmerheft ist das Seminar ideal für Kleingruppen, Hauskreise oder fürs Selbststudium. Gemeindeund Kirchenleitungen erhalten mit der Leiter-DVD weitere Impulse, um Menschen zur materiellen Freiheit und Grosszügigkeit sowie zur praktischen Umsetzung zu ermutigen. Bestellmöglichkeit CROWN Life, Josefstrasse 206, 8005 Zürich, Telefon: 044 247 84 35 www.crownlife.ch Basis-Set mit 3 Lektionen-DVDs, 1 Leiter-DVD, je 1 Seminarund Teilnehmerheft: CHF 188.00, EUR 120.00 Starter-Set für mehrere Teilnehmer: Rabattkonditionen auf Anfrage cz 2|09

Die Floppharts – schrägschrille Freunde Buch be. In 51 Kolumnen beschreibt der Autor Andreas «Boppi» Boppart mit erfrischend-überspitzter Feder die Peinlichkeiten, die ihm tagtäglich widerfahren. In weiteren 60 Kolumnen kommen sechs seiner Freunde zu Wort. Dabei geht es nicht nur um Beat und Susi Flopphart (wie der Autor sich und seine Frau Tamara im Buch nennt), sondern man lernt eine bunte Schar von Menschen kennen, die in die Hoffentlich-hat-es-niemand-gesehenFettnäpfchen treten: vom musikfanatischen Single über die Bewohnerinnen einer skurrilen Frauen-WG bis hin zum überforderten Familienvater. Nach jeder Episode gibt der Autor Anstösse zum Weiterdenken: Seien es erfrischende Auslegungen von Bibelversen oder neue Einsichten in alltägliche Redensarten, die man beim näheren Hinsehen auch mal ganz anders verstehen kann. Zielgruppe sind Leserinnen und Leser jeden Alters, die komisch-humoristische Literatur mögen, aber auf Tiefgang nicht verzichten wollen. Helvetismen bzw. schweizerdeutsche Spracheigentümlichkeiten werden ins Hochdeutsche übersetzt oder erklärt. Bestellmöglichkeit campus generation: Telefon: 044 274 84 99 info@campusgeneration.ch Einzelpreis: CHF 26.80 Brunnen Verlag Basel: ISBN 978-3-7655-1433-3 Telefon: 061 295 60 00 info@brunnen-verlag.ch Verein Mosaicstones: ISBN 978-3-906959-19-1 Telefon: 033 221 62 94 info@mosaicstones.ch 49


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