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SÜDEN UND NORDEN

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GENUSS IM FREIEN

GENUSS IM FREIEN

Mitten in der gesperrten Partyzone Ibiza Zwischen Dalt Vila und small brains PRIORITY MAIL WEIMAR W as bietet Ibiza, wenn die Pandemie der Partyzone den Saft abdreht? Wir landen mit Flug EZS 1127 auf dem Flughafen. Corona hat die Welt fest im Griff. In der Ankunftshalle würden die Reisenden keine Fußballmannschaft stellen können. So leer war die berühmt-berüchtigte Partyinsel vermutlich noch nie. Es gibt viele Einschränkungen, es gibt aber auch Traumstrände mit nur einer Handvoll Urlauber. Und mit der Hauptstadt Eivissia, eine der ältesten Europas, ein staunenswertes UNESCO-Weltkulturerbe.

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Enge Gassen, von Steinhäusern gesäumt: Für einen Rundgang in Dalt Vila sollte man sich mindestens zwei Stunden Zeit nehmen. Malerische Hafenszenerie: Von der Oberstadt aus öffnet sich der Blick auf das Häusergewimmel rund um den Hafen von Eivissia.

Über der historischen Oberstadt Dalt Vila thronen pittoresk die Catedral Nostra Senyora de las Neus (Schneejungfrau) und das Kastell. Aber es sind nicht die einzelnen Highlights, die ganze Oberstadt zieht einen in ihren Bann, in ihre Museen (Tipp: Das Museu d’art contemporani), ihre steilen, verwin-kelten Gassen, ihre alten, meist kalkgeweißten Häuser. Schon der Zugang von der Hafenseite her durch einen 50 Meter langen, gemauerten Rundbogentunnel, in dem irgendwo hinter der nächsten Ecke ein Akkordeonspieler spielt, hat etwas Magisches. Oben angekommen, öffnet sich der Blick über das Meer, vorgelagerte Felseninseln und den Hafen, in dem übrigens für 55 Meter lange Yachten mehr als 3000 Euro Liegegebühren fällig werden – pro Tag.

An der Hafenpromenade steht eine Bronzestatue, ein Mann in Hippieklamotten und ein Mädchen in Lebensgröße. Eine Hommage an die Hippie-Bewegung, die in den 60ern einigen Einfluss auf der Insel hatte. Zu Fü-ßen liegt eine Weltkarte mit den bedeutendsten Hip-pie-Kommunen der Welt.

Vor dem abgefahrensten Hippieladen der Insel – dem Sluiz in Santa Gertrudis – gibt es natürlich auch abgefahrene Parkplätze: „Only Siames twins“, steht über einer Parkbucht, „Only Small brains“, die Umkleiden heißen „Sperm Bank“ oder auch „Bleached Anus“, die Schaufensterpuppen tragen, ja warum auch nicht, Gasmasken.

Unser Quartier liegt in Santa Eulària des Riu im Osten, der zweitgrößten Stadt auf dem Eiland. Sehr anders als die Hauptstadt, hierhin wird sich das Partyvolk kaum verirren, vom Rathaus führt die Ramblas ans Meer, die Promenade ist das eigentliche Zentrum, das Meer muss sich das Highlight-Prädikat nicht teilen.

Auf dem Weg an die Nordspitze mit Portinatx kommen wir ins Bergdorf Sant Joan de Labritja, wo man im Gare du Nord beim Niederländer Ramon sehr gutes Essen zu sehr fairen Preisen bekommt. Portinatx ist ein lässiges Dorf mit Leuchtturm und schöner Bucht. Mehr nicht. Der Weg in den Südwesten führt über den 475 Meter hohen Sa Talaia nach Sant Josep an traumhafte Strände – wo zu dieser Zeit jeder und auch jede ein Handballfeld für sich hat – mit oft ebenso traumhaften Sonnenuntergängen. Im mittleren Westen liegt das besonders bei jungen Rei-senden beliebte Sant Antoni de Portmany, mit dem berühmten Café del Mar (die Besitzer haben den Lockdown zum Umbau genutzt), ansonsten geizt das 20.000-Ein-wohner-Städtchen mit Reizen, und neben viel Betoneskem ist auch die Promenade planerisch allenfalls als uninspi-riert zu bezeichnen.

It’s a kind of magic: Aufgang durch den Rundtunnel in die Oberstadt.

Traumstrand mit Inselblick: In normalen Zeiten sähe es hier ganz anders aus. Die Natur hingegen ist durchaus voller Reize, stolze 40 Prozent der Landesfläche, 230 Quadratkilome-ter, stehen unter Schutz. Wer sie geführt erwandern will, ist bei Toby Clarke richtig. Bei dem kann man einstündige Touren buchen, aber auch eine geführte Inselumrundung mit 260 Kilometern und 7000 Höhenmeter in 12 Tagen. Aber dafür waren wir einfach nicht lange genug auf der von Corona komplett entpartyisierten Insel.

Crazy House: Im Kaufhaus Sluiz gibt es Abgefahrenes und Anzügliches. Lars BargmannInfo & Anreise: Easyjet fliegt nahezu täglich vom EuroAirport Basel-Mulhouse-Frei-burg nach Ibiza. Reiseführer: Ibiza & Formentera von Marco Polo,18. Auflage von 2020. Web: ibiza-tipps.com

Fotos: © Michaela Moser, iStock.com/tupungato; LindaMore; jenifoto

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Pittoresk im Abendlicht: Das Edinburgh Castle ist auf einem Vulkanfelsen gebaut. M anche nennen sie die Stadt der sieben Hügel – obwohl dafür ja eher Lissabon berühmt ist. Oder Rom. Theodor Fontane bezeichnete sie einst als „Athen des Nordens“ - aber das muss aus einer sehr beschränkten Perspektive formuliert worden sein. Nein, Edinburgh, schon seit dem 15. Jahrhundert die Hauptstadt von Schottland, hat gar kein griffiges Prädikat nötig. Dort verschränken sich einfach reichhaltige Kultur und Natur ineinander. Das aber durchaus spektakulär. Edinburgh – urbane Metropole mit Highlandanschluss Zwischen Mittelalter und Mondäne

Die namensgebende Burg wuchs schon im 7. Jahrhundert förmlich aus einem Vulkan-kegel, aus erstarrtem Lava-Gestein heraus und thront bis heute pittoresk über der 525.000-Einwohner-Metropole, in der sowohl die Old als auch die New Town zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Die zwischen den beiden liegenden Princess Street Gardens verbinden gleichsam das Mittelalter mit dem Mondänen.

Das Mittelalter, die Old Town, ist am besten beim Sunset vom Carlton Hill aus zu bestaunen. Auf dem parkähnlichen Hügel reihen sich Sehenswürdigkeiten, die diesen Namen verdient haben, nur

so aneinander. Ganz oben steht das unfertige National Monument. Zwölf dorische Säulen des Edinburgher Baumeisters William Henry Playfair stehen auf einem Fundament, das Ensemble, das als pompöses Krieger-denkmal nach dem Vorbild des Parthenon auf der Akropolis angefangen wurde, übt heute den fotogenen Reiz einer Ruine aus – den Bauherren war offenbar schon in der ersten Bauhalbzeit das Geld ausgegangen. Das Nelson Monument nebenan, das an ein umge-drehtes Fernrohr erinnert und an den Sieger der Trafalgar-Seeschlacht erinnert, besticht an der Turmspitze dafür mit noch spektakulärerer Aussicht. Täglich um 13 Uhr fällt im Turm (143 Stufen) ein roter Ball nach unten: Er zeigte den Seeleuten im Firth of Forth und im Hafen von Leith, was die Stunde geschlagen hat. Seit 1861 kommt exakt zur selben Uhrzeit auch noch der Kano-nenschuss vom Castle-Hügel dazu.

Die Royal Mile ist die zentrale Straße in der Old Town von Edinburgh, die vom Edingburgh Castle zum Holyrood Palace – der Residenz der britischen Königin in Schottland – führt, und tatsächlich zirka einer schottischen Meile entspricht.

Schönes Gedudel: Ohne die atmosphärischen Klänge aus dem Dudelsack geht in Edinburgh nichts.

Es gibt auf Carlton Hill zudem das City Observatory, ein Denkmal für den Mathematiker John Playfair, das herrlich gelegene Sterne-Restaurant The Lookout oder auch ein Gedächtnistempelchen für den einheimischen Mo-ralphilosophen Dugald Stewart. Der berühmteste Philosoph aber sitzt in Bronze an der Royal Mile: David Hume (1711–1776), der Vordenker der europäischen Aufklärung.

Die königliche Meile – die schottische Meile ist übrigens 1,8142 Kilometer lang, mithin fast eine Seemeile – zieht sich vom Castle bis hinunter ans Holyroodhouse, dem königlichen Palast. Gegenüber hat der katalanische Architekt Enric Miralles mitten ins mitttelalterliche Surrounding mit dem neuen Parlament einen kräftigen, nahezu poetischen Kontrapunkt gesetzt. Außen wie innen erstaunlich. Fünf Jahre vor Humes Tod wurde Sir Walter Scott (1771–1832) geboren, dem wohl weltweit das be-eindruckendste Denkmal direkt an der Princess Street erbaut wurde. Nach 287 Stufen in dem gotisch verschnörkelten Sandstein-Turm, der 64 Figuren aus Scotts romantischen Romanen und 16 Büstenporträits von schottischen Dichtern beherbergt, steht man oben und schaut ringsum auf die Stadt hinunter. Noch spektakulärere Ausblicke hat indes der, der Arthur’s Seat erklimmt. Gar nicht so hoch der Vulkan, aber der Aufstieg entlang der Steilklippen Salisbury Crags dauert eine Weile. Dafür gibt es herrliches Highland-Feeling am Rande einer Stadt, die nach London die zweitstärkste Wirtschaft aller Städte im Vereinigten Königreich hat – und mit deutlich über vier Millionen Besu-chern jährlich auch die zweitbest besuchte ist.

Das Nelson-Momument: Wie ein umgedrehtes Fernglas auf Carlton Hill. Ein ausgedehntes Päuschen auf dem Gipfel, das Trällern der Vögel, die Aahs und Oohs der ankommenden Wandersleute – hier oben lässt es sich bei gutem Wetter eine lange Weile ohne Langeweile aushalten. Wieder unten an der Royal Mile angekommen, lohnt sich ein Gläschen im Café Edinburgh, das direkt an das Haus des Naturwissenschaftlers Robert Knox (1791–1862) angrenzt. Dieses und das benachbarte Mombray House sind wohl die ältesten der Stadt, aus der Mitte des 16. Jahrhunderts.

Knox war es übrigens, der 1567 durch seine Predigten kräftig zur Absetzung der katholischen Königin Maria Stuart beigetragen, danach großen Einfluss auf den neuen König Jakob VI. ausgeübt hatte und einer der Gründer der presbyterianischen (selbstverwalteten) Kirche Schottlands war.

Noch bekannter ist der 1790 in Edinburgh gestorbene und beerdigte Adam Smith, der in Glasgow studiert, dort und in Edinburgh gelehrt hatte und als Begrün-der der klassischen Nationalökonomie gilt. Wem es in der Stadt zu trubelig ist, der fährt am besten mit dem Bus nach Leith an die Docks, wo es einen Schwarm sehr guter Fischrestaurants gibt, wo die vielen Neubauten im New Haven an die Hafencity in Hamburg erinnern, wo die Luft nach Salzwasser schmeckt und wo der Firth (Fjord oder Förde) of Forth den Weg in die Nordsee weist.

Lars Bargmann Easyjet fliegt täglich zu wechselnden Uhrzeiten in die schottische Hauptstadt. Reiseführer: City Trip Edinburgh,Reise Knowhow, 7. Auflage 2022 Edinburgh, Marco Polo, 6. Auflage 2020 Anreise:

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