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CO2-SPEICHER AUS DEM BIOREAKTOR

FREIBURGER FORSCHER ERSTELLEN DIE GRÖSSTE TORFMOOSSAMMLUNG DER WELT

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Moore können mehr Kohlenstoffdioxid speichern als jedes andere Ökosystem der Erde. Zwar bedecken die Feuchtgebiete nur rund drei Prozent der Land- und Süßwasserfläche, allerdings binden sie doppelt so viel CO2 wie alle Wälder der Welt zusammen. Durch Torfabbau und Klimawandel sind die empfindlichen Biotope stark bedroht. Wissenschaftler der Freiburger Albert-LudwigsUniversität haben nun eine Möglichkeit gefunden, Torfmoose schnell und nachhaltig zu vermehren.

Einst war Deutschlands Landfläche von 1,5 Millionen Hektar (4,2 Prozent) Mooren überzogen. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind diese Flächen heute zu 95 Prozent entwässert, um bebaut oder wirtschaftlich genutzt zu werden – es sind mithin nur noch 75.000 Hektar im naturnahen Zustand geblieben. „Moorflächen sind für den Menschen erst mal nicht nutzbar“, sagt Melanie Heck, Doktorandin an der Fakultät für Biologie. Moore werden auch für den Torfabbau zerstört. Denn Torf ist ein Tausendsassa: Das schwammige Sediment ist ein hervorragender Luft- und Wasserspeicher und erreicht als Brennstoff im getrockneten Zustand ähnliche Werte wie Braunkohle. Entsprechend groß ist die Nachfrage. „Fast alle Gemüse- und Zierpflanzen, die wir kaufen, wachsen in Torferde heran“, so Ralf Reski, Leiter der Arbeitsgruppe Pflanzenbiotechnologie. Abgebaut wird schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts im industriellen Maßstab. Heute verbraucht allein Deutschland jedes Jahr rund drei Millionen Kubikmeter Torf. Das ist nicht ohne Folgen. Heck betont: „Das durch Entwässerung und Abbau freigesetzte CO2 entspricht drei bis fünf Prozent der deutschen Gesamtemissionen.“ Um den deutschen Bedarf an Torf mit nachwachsendem Rohstoff zu ersetzen, sei jedes Jahr Torfmoos von 40.000 Hektar Fläche

Ohne Moos nichts los: Torfmoos ist ein Tausendsassa.

erforderlich. Das Problem bisher: Die geschützten Pflanzen bilden kein ausstreubares Saatgut, und für großflächigen Anbau wachsen Moose zu langsam. Nun hat es Heck mit ihrem Team geschafft, das Wachstum von 19 Torfmoosarten – und damit die weltweit größte Sammlung – im Labor 50- bis 100-fach zu beschleunigen. In einem fünf Liter kleinen Bioreaktor wachsen die Moose derzeit unter optimalen Bedingungen und frei von Pilzen, Bakterien oder anderen Pflanzen. „Damit können wir den fossilen Rohstoff Torf durch nachwachsendes Torfmoos ersetzen. Das Potenzial ist enorm“, kommentiert die Biologin Eva Decker das Projekt.

»EINE MOOSART HAT SICH EINEINHALB JAHRE GEZIERT«

Die Reinigung der im Freiland gesammelten Sporen war laut Heck die größte Herausforderung: „Die Kapseln müssen dabei intakt bleiben“, sagt die 29-Jährige. Neben einem ruhigen Händchen erforderte das Projekt auch Geduld. Eine Moosart habe sich eineinhalb Jahre geziert und sei erst kurz vor dem Kompost noch gekeimt. Die im Labor vermehrten Arten sollen nun im Freiland ausgesetzt werden. „Wir waren überrascht, wie abgehärtet die Moose bereits sind“, erzählt Reski. Ohne Zwischenschritt könnten die robusten Pflanzen direkt in die raue Realität gebracht werden. „Wir suchen nun nach probiotischen Bakterien und Pilzen, die positiv auf das Wachstum der Moose wirken“, so Decker. Derweil sucht Reski nach geeigneten Flächen für neue Moore. „Die Frage ist nun, wie wir 40.000 Hektar bespielt kriegen“, überlegt der Projektleiter. Um die Vermehrung wirtschaftlich zu machen, müsse nun die Moos-Produktion angekurbelt werden. Am Karlsruher Institut für Technologie schrauben Verfahrenstechniker bereits an größeren Bioreaktoren. Sie sollen jeweils 1000 Liter fassen.

Philip Thomas

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FREIBURGER UNTERSUCHEN GEHIRN DES WELTWEIT ÄLTESTEN WIRBELTIERES

Er wurde 1774 geboren, als Goethe die „Leiden des jungen Werthers“ schrieb, und lebte bis in die Gegenwart: Der Grönlandhai ist das älteste bekannte Wirbeltier der Welt, sehr selten, kaum erforscht. Doch jetzt ist es einem internationalen Forscherteam unter Leitung des Freiburger Uniklinikums mit Wissenschaftlern des Marine-Instituts im isländischen Hafnarfjörour erstmals gelungen, das Gehirn eines 246 Jahre alten Grönlandhais – die Tiere können bis zu 500 Jahre alt werden – ausführlich zu untersuchen. Eine erste Studie ist am 16. Oktober im Fachjournal Acta Neuropathologica veröffentlicht worden. „Dieser Fund ist ein Glücksfall für die Neurowissenschaften“, sagt Projektleiter Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie in Freiburg. „Für neurodegenerative Erkrankungen des Menschen wie Parkinson und Alzheimer galt bislang das Alter als das größte Krankheitsrisiko. Bei den über 90-Jährigen sind statistisch mehr als 40 Prozent an Alzheimer erkrankt. Deshalb ist eine detaillierte histopathologische Untersuchung eines extrem langlebigen Wirbeltiers von größtem Interesse.“ Gehirne von Patienten mit Parkinson und Alzheimer sind meist deutlich verändert. Nun gelang es den Forschenden mit neuartigen, hochauflösenden Mikroskopiertechniken das Gehirn des Hais detailliert zu untersuchen und es zu vergleichen. „Überaschenderweise fanden wir im Gehirn des Hais keine altersbedingten Veränderungen, wie wir sie vom Menschen kennen“, sagt der Erstautor Daniel Erny vom Institut für Neuropathologie. Das Alter des Hais ist mithin nicht das Hauptrisiko für neurodegenerative Veränderungen. Vielmehr seien neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse und speziesspezifische Faktoren entscheidend. Welche es genau sind, wollen die Forscher in zukünftigen Studien untersuchen. chilli

Foto: © Hemming1952 / CC BY-SA 4.0

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