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Sommer am See
Ranger-Tour im St . Wilh el m e r Ta l
URWALD DER ZUKUNFT
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Ruhe statt Getöse, wachsen, blühen, welken, vergehen – einige Zonen im Biosphärengebiet Schwarzwald können sich „natürlich“ ungestört entfalten. Menschen dürfen diesen faszinierenden Prozess allenfalls beobachten. Lehrreich und leise ist eine kundig geführte Ranger-Tour durch einen dieser „Urwälder von morgen“.
Text & Fotos: Erika Weisser
Still und idyllisch liegt das schmale St. Wilhelmer Tal zwischen mehreren Bergriesen. Begrenzt vom Feldberg im Südosten und dem Schauinsland im Nordwesten, windet es sich fast knapp fünf Kilometer am Fuß steiler, bewaldeter und felsiger Abhänge entlang, die zu dem an der südlichen Talseite aufragenden Stübenwasen und zum nördlich gelegenen Toten Mann gehören. Zwei Wege führen von der Bushaltestelle „Hohe Brücke“ an der L126 zur etwa zwei Kilometer entfernten Dorfmitte von St. Wilhelm: Die zwar sanft, doch stetig ansteigende Dorfstraße, auf die nur wenig Schatten fällt. Und der Wilhelmitenpfad, der nach wenigen Metern von der Fahrstraße nach links zum Wald abbiegt – und zwar gleich ziemlich steil nach oben.
Dieser sehr schmale Weg geht buchstäblich über Stock und Stein. Und er ist auch wegen ständig wechselnder Auf- und Abstiege und der teilweise sumpfigen Beschaffenheit anstrengender und zeitraubender als die Teerstraße, die direkt zum Treffunkt für die geplante Gruppenwanderung an der Alten Schule in St. Wilhelm führt. Dennoch lohnt es sich, diese Variante zu wählen. Der Pfad verläuft am Kühle und Schatten spendenden Waldsaum entlang und eröffnet immer wieder herzerfrischende Ausblicke auf sonnige Sommerweiden, blühende Wiesen und Gärten sowie den Feldberg.
Er bietet auch erstaunliche Einblicke in die Natur, deren vom Menschen völlig unabhängigen Kräfte diesen Bergmischwald einst prägten: Überall auf dem Boden zwischen den uralten Baumriesen liegen moosüberdeckte und farnbewachsene Gesteinsbrocken – Überbleibsel der Gletscher der letzten Eiszeit, als sie bei ihrer
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Wiesen, Weiden und Wald prägen die Kulturlandschaft im St. Wilhelmer Tal (ganz l.). Der Wildnis-Erlebnispfad führt durch einen Bannwald, wo die von Menschen unabhängigen Kräfte der Natur die Landschaft prägen (l., u.). Lust auf REGIO | 07.2022
Schmelze massenhaft Geröll mit sich rissen und die Landschaft formten. Das ist auf einer Tafel am Wegrand zu erfahren, die darüber informiert, dass das Gebiet zur Kernzone Bannwald Faulbach gehört, und dass Kernzonen Gebiete sind, „in denen sich die Natur unbeeinflusst von menschlichem Einwirken entwickeln kann“.
„Willkommen in der Wildnis“
Diese Zonen gehören zu den besonders geschützten Bereichen des Biosphärengebiets Schwarzwald, das 2017 eingerichtet wurde – mit dem Ziel, „großräumige Kulturlandschaften mit charakteristischer und reicher Naturausstattung so zu erhalten, zu fördern und zu entwickeln, dass Mensch und Natur besser im Einklang miteinander existieren können“. So erklärt es Florian Schmidt kurz darauf den 13 Leuten in Wanderkluft, die sich auf dem Parkplatz beim Alten Schulhaus eingefunden haben. Schmidt ist einer der beiden Biosphärengebiet-Ranger, die in diesem Sommer erkundungsfreudige Wanderer mit auf kostenlose Tour nehmen – nicht nur auf dem Wildnis-Erlebnispfad in OberriedSt. Wilhelm.
„Willkommen in der Wildnis“ ist dann auf der ersten Info-Tafel an der knapp fünf Kilometer langen Strecke zu lesen, die unterhalb des Hirschfelsens zum Napf und von dort über den Katzensteig wieder zum Alten Schulhaus verläuft. „Leicht bis mittelschwer“ sei der Weg, behauptet Schmidt, und trotz einiger relativ steiler Auf- und Abstiege auch „für Familien geeignet“. Kurz nach dem Start geht es auch schon ordentlich bergan – über eine „Treppe“ aus Baumwurzeln auf einem Pfad, der die Teilnehmenden zum Hintereinandergehen nötigt. Und der dann durch eine überdimensionale Türe in die Kernzone Hirschfelsen führt.
Schön ist es hier, zwischen den mächtigen Felsformationen auf dem moosbedeckten Boden des lichtgrünen, kathedralenartigen Waldes, der von einzelnen Sonnenstrahlen, fröhlichem Vogelgezwitscher und summenden Insekten durchdrungen ist. Und außer dem Geplätscher eines zu überquerenden Bachs ist weiter nichts zu hören. Soll es auch nicht: Flüsternd erläutert Schmidt, dass die Wildtiere durch lärmende Spaziergänger fast ebenso erschreckt würden wie durch nicht angeleinte Hunde.
In diesen Urwäldern von gestern, erklärt er am Ende der Kernzone angesichts einer größeren Ansammlung von „lebendigen“, weil von etlichen Käfern und vielen anderen Kleinstlebewesen bewohnten Totholzstämmen, sollen die „Urwälder von morgen“ entstehen. Ohne Auf- oder Ausforstung, ohne Holznutzung, ohne Beeren- oder Pilzsammeln, „damit sich in nicht vorhersehbaren Prozessen Lebensräume und Rückzugsorte für gefährdete Tier- und Pflanzenarten entwickeln können“.
Nach der erholsamen Pause am Napf und einem kleinen, trügerischen Stück bergab geht es auf der anderen Seite des Tals wieder in atemberaubende, gar schwindelnde Höhen. Hier sind die klar im Vorteil, die mit dem Auto kamen und ein paar Kilometer weniger „auf dem Buckel“ haben. Doch oben angekommen, lässt der Blick auf die gegenüberliegenden soeben „unterwanderten“ Felsen und Geröllfelder und auf den Schauinsland sofort alle Anstrengungen vergessen.
Wildnispfad St. Wilhelm Info
Start und Ziel:
Altes Schulhaus St. Wilhelm Länge: 4,9 km Dauer: ca. 3 Stunden
Nächster Termin:
Sa., 3. September, 10 Uhr
Weitere Infos und Touren
(Belchen, Herzogenhorn u.a.):