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Kapitalmarktstratege Thomas Lehr über Geldanlagen in Krisenzeiten

Krisensichere Investments Wo Pandemie, Brexit und US-Wahl keine Rolle spielen

Foto: © Flossbach von Storch

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Am 18. Februar stand der deutsche Aktienindex (DAX) bei 13.681 Punkten. Am 20. März, an dem Tag hatte Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn ein Betretungsverbot von öffentlichen Plätzen erlassen, war der DAX auf 8928 Punkte abgerauscht. Die Pandemie hatte an den Märkten die erste allgemeine Verunsicherung ausgelöst. Für Analysten wie Thomas Lehr vom renommierten Vermögensverwalter Flossbach von Storch, derzeit mit 60 Milliarden am Markt, spielen Pandemien indes beim Anlegen höchstens eine Nebenrolle.

„Die Pandemie, die zweite Welle, der Brexit, die US-Wahlen, das alles spielt für uns keine große Rolle“, sagt der 48-Jährige, der selber schon seit 30 Jahren Aktien hält. Allein schon gegen die Zinsentwicklung verblassten all diese Faktoren. Bereits die vergangenen zehn, zwölf Jahre seien sehr krisenbeladen gewesen, aber die Aktienwerte – Ende Februar 2009 lag der DAX bei unter 4000 Punkten – dennoch deutlich gestiegen. Sicher, Investments in Reiseunternehmen, in Hotels und Gastronomie, in die Veranstaltungswirtschaft übten heute keinen großen Reiz aus, „das war aber auch schon vor der Pandemie so“. Geändert, gar einen Strukturbruch evoziert, habe sich indes die Zinslandschaft – und damit auch die Renditeansprüche. 80 Billionen Euro sind derzeit weltweit an den Kapitalmärkten, die Hälfte, so Lehr, halten amerikanische Investoren. Und die würden völlig anders ticken als deutsche, die die Sehnsucht nach schwankungsarmen Papieren im Blut haben. Die bei Kursschwankungen ständig kaufen und verkaufen. Für Lehr sind Aktien, die weniger als drei Jahre im Bestand bleiben, nur Geldmanagement – vergleichbar mit einem Festgeldkonto. Der Kapitalmarktstratege denkt längerfristig. „Anleger müssen sich viel mehr die Werte der Unternehmen als den Preis der Aktie anschauen. Genau das machen die Amerikaner, der Wert der Unternehmen sind deren Gewinne in der Zukunft.“ So ähnlich hatte es einst auch die Investmentlegende Warren Buffet formuliert.

Kapitalmarktstratege: Thomas Lehr

Lehr vergleicht die Preise der amerikanischen Aktien gern mit der „Immobilie in München“. Teuer, sehr teuer, aber wertbeständig. Zum Wert der Unternehmen gehöre untrennbar auch deren oder konjunkturelle Faktoren. Die Ölbranche etwa vereint diese. Kein Platz für nachhaltige Anlagen also. Eher was für Zocker. Wie es auch Fondsmanager gibt, die auf Währungsschwankungen setzen. Wenn es um nachhaltige Investments geht, dann spricht Lehr eher von amerikanischen Software-Riesen oder Schweizer Lebensmittelproduzenten. Die vielstimmig kritisierte lockere Geldpolitik der EZB verteidigt er: „Was ist denn die Alternative?“ Ohnehin sei der point of no return längst überschritten. Die Notenbanken seien gefangen von politischen Friktionen. Und wenn die Zinsen nun tief bleiben – und das würden sie noch viele Jahre –, gehen die Schulden durch den massiven Kauf von Anleihen hoch. Gehen die Immobilienpreise hoch. Aber wer Geld hat und nun Strafzinsen zahlt – bei einigen Instituten euphemistisch „Verwahrentgelte“ genannt –, investiert es lieber auch bei kleinen Renditen. Als Lehr anfing, in Aktien zu investieren, lagen die Zinsen in Deutschland bei acht Prozent. Heute sind sie knapp über der Nachweisgrenze. Aktien seien im selben Zeitraum aber gar nicht so viel teurer geworden. Da sei noch viel Luft nach oben: „Die Aktienwerte werden bei weiter tiefen Zinsen steigen.“ Doch diese Geldpolitik macht es vor allem den Regionalbanken immer schwerer, Erträge zu erwirtschaften und damit den Mittelstand finanzieren zu können. Folgt auf die Pandemiewelle eine Fusionswelle? Lehr macht sich um die Finanzierung der Wirtschaft keine allzu großen Sorgen. Die Staaten wür-

Anfälligkeit für politische, geopolitische den den „Schmierstoff für die Mittelstandsfinanzierung bereitstellen“, auch wenn das in letzter Konsequenz zu einer Welle von verstaatlichten Banken führen würde. Lars Bargmann Info

Kapitalmarkt live

Die GFA Finanzberatung GmbH aus Ettenheim veranstaltet mit ihrem Geschäftsführer Pirmin Bender und mit Thomas Lehr am 19. November von 19 bis 20.30 Uhr eine Telefonkonferenz. Thema: Geldanlage in Zeiten von Niedrigzins und Corona. Anmelden können sich Interessierte unter www.anmelden.org/201119gfa, unter Tel. 07822-446790 oder per E-Mail an service@gfa-finanz.de

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