ONE REGIO. Das unabhängige Lifestyle-Magazin

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ONE REGIO N° 3 / 2006

3,00 BILDER, MENSCHEN UND GESCHICHTEN FÜR DIE STÄDTEREGION AACHEN

MENSCHEN

Tokio Hotel Rafe Hardy Frank Wallitzek Tristan Louwaars Christian Moullec Dieter Kuckelkorn Frank & Marc Lersch

INTERVIEWS Ruth Frambach Sebastian Lynen

FOTOSTRECKE in Aachen

Ein Kleid für alle Fälle 80 Jahre Kleines Schwarzes

SKYHIGH: FLIEGERASSE IN MERZBRÜCK FREE CLIMBING:: OFFROAD EXTREM RADIO INSIDE: RUTH FRAMBACH S PERSÖNLICHE FOTOSERIE HANDMADE: EXCLUSIVE SCHUHE AUS AACHEN SEXY-HAIR: SEBASTIAN LYNEN S STARSCHNITTE REIZ UND SCHAM: VON PARISER POPÖCHEN UND PUSH-UP BH S



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BILDER

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(Ge-)Schrei Der Katschhof bebte in den höchsten Tönen als Tokio Hotel sich im Herzen Aachens die Ehre gaben. Der Auftritt der Band während des Kultursommers bescherte den - vor allem weiblichen - Fans feuchte Augen, während Si­ cherheitspersonal und medizinischer Dienst bereits vor dem eigentlichen Konzert alle Hände und Arme voll zu tun hatten. Tokio Hotel: Ein Phänomen. Als die Rockballade Durch den Monsun sich im August 2005 auf Anhieb an die Spitze der deut­ schen Single-Charts setzt, kann niemand glauben, dass Kids derart ausgeschlafene Musik machen können. Der Sänger hat klasse Tricks drauf mit seiner Stimme und seinen Bewegungen, der Gitarrist kann echt losrocken, und alles klingt, wie seit Jahren trainiert. Das stimmt sogar. Sänger Bill Kaulitz hat Tokio Hotel gemeinsam mit seinem Zwil­ lingsbruder Tom schon vor fünf Jahren gegründet. Tom spielt Gitarre, seit er neun ist, Bill schreibt seine ersten Songs schon mit sieben. Bei einem Konzert lernen die beiden Trommler Gustav Schäfer (heute 17) und Bassist Georg Listing (18) kennen. Alle verstehen sich auf Anhieb, auch weil sie die gleichen Vorbilder haben: Green Day, Metallica, Aerosmith, Guano Apes und Korn. Gestandener Rock mit Melodie also. Dazu aber auf jeden Fall deutsche Texte. Warum? Komische Frage, meint Bill. Ich hab doch mit sieben angefangen mit dem Texten. Da konnte ich noch kein Englisch. Und jetzt finde ich es einfach besser, die Songs in der Sprache zu singen in der ich auch immer rede und träume. Und der neue Bandname? Tokio ist eine Stadt, in der man sehr viel erleben kann , erklärt Tom. So ist das in unserem Leben auch. Wir sind sehr viel unterwegs und kennen schon viele Hotels. Da passt das doch.


„Nichts ist erfrischender als eine neue Erfahrung.“

www.koenig.de

Eva Padberg

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EDITORIAL

Es gibt diese Tage, an denen Friede und Freude und der viel zitierte Eierkuchen schnell zur Nebensache werden. Jedem sind die Schlagzeilen über Arbeitsplatz­ abbau, Stellenstreichungen und Rationalisierungsmaßnahmen bestens bekannt. Niemand lacht darüber, hofft jedoch insgeheim, es werde be­ stimmt die anderen treffen. Die anderen sind allerdings nicht nur anonyme BenQ Mitarbeiter, nein, unter der Bezeichnung verstecken sich auch Freunde und Bekannte. Ganz anders betrachtet man die diesbezüglich geführten Diskussionen, wenn plötzlich Menschen aus unserem unmit­ telbaren Umfeld vom Job-Sensenmann getroffen werden. So einen Tag habe ich vor kurzem erlebt. Schauplatz der Geschichte war das Casino in Aachen. Geschäftsleitung und Marketing-Chef Klaus Pietsch baten die honorigen Vertreter der regionalen Medien zum Dinner. Die Einladung versprach einen geselligen Abend in entspannter Atmosphäre, und sollte als kleines Dankeschön der Verantwortlichen für die angenehme Zusammenarbeit im (fast) abgelaufenen Jahr verstanden werden. Grundsätzlich ist eine solche Zusammenkunft für uns Journalisten und Fotografen immer einen Besuch wert, ergeben sich doch oft neue Kontakte und anregende Gespräche. Nicht so an diesem Abend. Abgesehen von der hervorragenden Bewirtung durch die Casino Gastronomie, blieb mir bereits nach wenigen Minuten entspanntem Smalltalk bereits der noch nicht einmal verspeiste Bissen im Halse stecken. Kaum waren die Grußworte des Casino-Direktors KlausJürgen Strunck verklungen, gab Klaus Pietsch sein (unfreiwilliges) Ausscheiden aus dem Dienst der Westspielgruppe bekannt. Einfach so. Und ohne Vorwarnung. Was folgte war eine betretene Stille und eine immer wieder gestellte Frage: warum? Niemand hatte etwas geahnt, obwohl Journalisten doch gemeinhin als immer gut informiert gelten. Und das bedrückte umso mehr. Unser Klaus Pietsch geht? Der Klaus Pietsch, der seit 30 Jahren dem Unternehmen angehörte, mit dem wir so lange unseren beruflichen Alltag teilten? Genau dieser Klaus Pietsch setzte uns nun - sichtlich bewegt - und doch sehr pragmatisch über die Entscheidung der Geschäftsleitung in Münster in Kenntnis. Sein Job war im Zuge der allgemeinen Umstrukturierungen (ein Terminus der Job-Sensenmänner), deren Auswirkungen ebenso Kollegen an gleicher Stelle in anderen Casinos trafen, überflüssig geworden. Obwohl ich in vielen Abhandlungen mit dem Thema Stellenabbau beschäftigt habe, hat der Begriff Unstrukturierung für mich seitdem seine Unschuld verloren. Vielleicht urteile ich auch in Anbetracht der persönlichen Nähe zu emotional. Das Lachen ist mir jedoch an diesem Abend gründlich vergangen, denn, beruflich gesehen, fehlt mir in Zukunft nicht nur eine zentrale Anlaufstelle für meine Fragen und Wünsche, das wäre zu verschmerzen. Nein, ich verliere einen kompetenten und sympathischen Kollegen - und das tut weh. Die vielen witzigen, angenehmen und menschlichen Augenblicke werden mir fehlen. Auch wenn dieses Editorial diesmal keine positive Botschaft enthält hoffe ich, Sie mit dem neuen Magazin ONE REGIO ein paar Minuten aus dem Alltag entführen zu können. Es erwarten Sie tolle Bilder, interessante Interviews und informative Einsichten. Ich wünsche Ihnen schon jetzt eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit, einen guten Rutsch in Jahr 2007 und wie immer viel Spaß beim Lesen. Ihr

Chris Neumann Chefredakteur


IINHALT

ONE REGIO NOVEMBER/DEZEMBER 2006

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Zeitlos: 80 Jahre Kleines Schwarzes

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Atemlos: Eine Reifenbreite über dem Abgrund

04 07 08 10 11 12 36 48 60 64 74 82 84

Bilder Editorial Inhalt Kolumne Mailbox Das Kleine Schwarze Who s that Girl Schuhe fürs Leben Essen gehen Haircuts Automobil extrem Der Flug der Gänse Rocki n the Sky

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Zweifellos: Ruth Frambach

84

Rastlos: Christian Moullec und seine Gänse

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KOLUMNE

Dickes Ding: Model zu dünn! Was man bisher von Boxkämpfen kennt, setzt sich nun offenbar auch in der Welt der Dünnen und Schönen durch: Vor der Show auf die Waage. Unser Kolumnist Frank Walli Wallitzek hat sich mit dem Thema beschäftigt.

Die Meldung ist wenige Wochen alt und markiert vielleicht eine Wende im Modelbusiness: Fünf Models wurden wegen Achtung: UNTERGEWICHT (!) von der Madrider Modewoche ausgeschlossen. Vor der Show mussten 68 dürre Damen auf die Waage und nicht alle entsprachen dem, was die Weltgesundheitsorganisation WHO noch für gesund hält. Dort heißt es: Alles unter 56 Kilo bei einer Körpergröße von 1,75 m geht gar nicht und so erließ die Madrider Bezirksregierung ein Auftritts-Verbot für alle Mädchen, die darunter lagen. Autsch! Aus Model-Sicht (KLAR KANN ICH MICH DA REINDENKEN!) hätte mich das auch geärgert! Wie würden Sie gucken, wenn sie morgens erst gewogen würden, bevor man sie auf Ihren Arbeitsplatz lässt? Und dann kommt man nicht rein: 500 Gramm zu leicht! Also schnell rüber zur Döner-Bude, zwei Kebab in die Luke und wieder hinten anstellen. Mist, immer noch 100 Gramm zu leicht außerdem setzt der nach der Nahrungsaufnahme antrainierte Würgereiz schon ein Mist. Im Ernst: Jahrelang galten Mädchen, die so dünn waren, dass man jeden Knochen sehen konnte als chic kein Wunder also, dass sich manch eine Laufsteg-Schönheit bis in die Bulimie gehungert hat. Und plötzlich darf man nicht mehr auftreten, weil man ZU dünn ist? Ganz ehrlich: da wäre mir auch der Appetit vergangen! Als Arbeitnehmerin jedenfalls. Als Konsument muss ich hingegen sagen: Wirklich schön fand ich sie nie, die klapprige Naomi Campbells, Bündchens oder Kate Moss. Erinnerten mich immer an die Häkelpüppchen, die man in der Grundschule gebastelt hat die blieben auch nur stehen, wenn man ihnen einen Kleiderbügel in den Rücken gesteckt hat. Dünn darf, ja. Wenn dünn so aussieht, wie bei Heidi Klum dann ist dünn schön, aber bitte nicht weniger. Lieber etwas mehr. Auch nicht zuviel natürlich, klar. Hella von Sinnen bezeichnet kein Mann als sexy, der BEI Sinnen ist. Aber einigen wir uns auf irgendwas zwischen Heidi Klum und Sabine Verheyen. So kann man sich doch sehen lassen, oder? Wie sage ich immer zu meiner Kollegin Barbara: Mindestens zwei Problemzonen sollten schon sein. Das hat Charme. Perfekte Körper sind so langweilig. Aber mit diesem Problem müssen sich ja Gott sei Dank ohnehin nur die wenigsten von uns Beschäftigen... Bis die Tage!

Euer Walli

[

Als Frank Wallitzek am 15. November 1977 in Aachen geboren, sammelte er schon im zarten Alter von 13 Jahren erste Erfahrungen beim Radio und pflegt diese Leidenschaft bis heute. Derzeit erfrischt Frank Walli Wallitzek zusammen mit seiner Co-Moderatorin Barbara Bäumges jeden Morgen die Hörer vom Aachener Stadt-Radio-Sender AACHEN 100, EINS.


mailbox

Liebe Leserinnen und Leser, schreiben Sie uns. Wir möchten wissen, was Ihnen gefällt, was Sie ärgert und wo Sie mehr wissen möchten. ONE Redaktion, Weierstraße 17, 52249 Eschweiler. E-Mail-Adresse: mailbox@oneregio.de

ONE REGIO ISSN 1861-8626 Herausgeber Chris Neumann Verlag ONE MEDIA Publishing Martina Neumann Weierstraße 17 52249 Eschweiler T 02403 - 505667 F 02403 - 505668 E verlag@oneregio.de Redaktion Chris Neumann (Ltg.) Martina Neumann Frank Wallitzek (Kolumne) Marcel Reuter (Stolberg) Jennifer Herzog (Eschweiler) Elmar Mertens (Aachen) Cornelia Driesen (Aachen) Weierstraße 17 52249 Eschweiler E redaktion@oneregio.de Bildredaktion/Fotografie Chris Neumann Layout und Grafik ONE MEDIA Publishing Druck und Weiterverarbeitung Leen Offsetdruk NV., Sasstraat 4, B- 3500 Hasselt

Liebe ONE-Redaktion, zuerst möchte ich euch zu eurem tollen Heft gratulieren, besonders der Bericht (und die Fotos) über die Designerin Heike Reul hat mich echt gefreut. Gerne würde ich in Zukunft noch mehr über Modemenschen, die wir sicher in der Region haben, lesen. Sabrina Huppertz, Düren Sehr geehrter Herr Neumann, beim Blättern in der letzten Ausgabe traute ich meinen Augen nicht: erotisch foto­ grafierte Frauen in einem regionalen Magazin? Bis jetzt war ich nur die üblichen Werbehefte gewohnt und deshalb mehr als überrascht. Ich glaube, Sie würden den männlichen Lesern einen großen Gefallen tun, wenn es öfter solche Fotostrecken in Ihrem Magazin geben würde. Meine Freundin ist übrigens derselben Meinung. Ralf Westphal & Maria Dreßberger, Aachen Liebe Redaktion, ich bin immer wieder erstaunt, wie Ihr es schafft, so interessante Menschen vor die Kamera (und ins Heft) zu bekommen. Der Bericht über den Würselener Uhrmacher war wirklich lesenswert. Auch die tollen Bilder sprechen für sich. Nur die Größe des Heftes solltet Ihr noch mal überdenken, denn solche Fotos verdienen mehr Raum . Wie heißt es so schön: Size matters . Daniel Welter, Monschau

Vertrieb und Verbreitung ACMV Aachener Medien Vertriebsgesellschaft mbH&Co. KG Talbotstraße 25 , 52068 Aachen ONE MEDIA Publishing Distribution Weierstraße 17, 52249 Eschweiler Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt Chris Neumann; Anschrift: siehe Verlag & Redaktion Das Magazin ONE REGIO erscheint zweimonatlich Einzelpreis: 3,00 inkl. 7% MwSt. Abonnementpreis: 3,00 (keine Zustellgebühr innerhalb Deutschlands) Die Redaktion übernimmt keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen. Mit Übergabe der Manuskripte und Bilder an die Redaktion erteilt der Verfasser dem Verlag das Exklusivrecht zur Veröffentlichung. Honorierte Arbeiten gehen in das Verfügungsrecht des Verlages über. Kein Teil dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verar­ beitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Eine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentlichungen kann trotz sorgfältiger Prüfung durch die Redaktion vom Herausgeber nicht übernommen werden. © 2004-2006, soweit nicht anders vermerkt, by ONE MEDIA Publishing

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MODE

Espresso Text Anke Schipp und Chris Neumann Fotos Chris Neumann

zum Anziehen

Wo seine Trägerinnen sich im selben Alter schon arg zerknittert zeigen würden, präsentiert sich das Kleine Schwarze unverändert schick und sexy. Der Klassiker wird stolze 80 Happy Birthday!

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Es scheint, als besäße jede von uns ein Kleid für offizielle Anlässe, nämlich dieses besondere kleine Schwarze, das Chic und Schutz zugleich bietet.

Edna O´Brien >Mirabella< Juni 1994

Produktion: ONE MEDIA Publishing - Make-up and Hair: Marion Reinhard-Schiffer - Make-up and Hair on Location: Kim Rensing - Models: Elena Kryuckkova (Titel), Melanie Juffern(Seite 12), Davinia Stöber (Seite 26) - Location: Elisabethstraße, Aachen - Fashion and Accessoires: ESCADA-Shop Aachen (Seite 12,16,17,20,21,25)


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DOESN’T DISAPPOINT



MODE

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MODE

D

Die erste Frau, die im kleinen Schwarzen auf sich

aufmerksam

machte, war Virginie Avegno Gautreau. Die

Amerikanerin heiratete im ausge­ henden 19.Jahrhundert einen französischen Geschäftsmann. Das hielt sie nicht davon ab, fürderhin mit gelegentlichen Seitensprüngen in der Pariser Gesellschaft für Aufse­ hen zu sorgen. Die ganze Stadt tu­ schelte über Madame Gautreau. Ihr Ruf war bereits angeschlagen, als sie für den Maler John Singer Sargent Modell saß. Auf dem Bild "MadameX", das später weltberühmt werden soll­ te, trug sie ein schwarzes, tiefdekol­ letiertes Kleid mit diamantenbesetz­ ten Trägern. Eine Aufmachung, die 1884 zum Skandal führte, denn Schwarz trugen damals nur Witwen,

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Es gibt Situationen, in denen Sie auch ohne das »Kleine Schwarze« immer gut angezogen sein sollten.

Der Blick für s Wesentliche!


MODE

Auf dieser Party kam ich fast in Schwierigkeiten. Ich glaube, das Kleid war schuld Ilene Beckerman daran.

>Liebe, Leid - und welches Kleid<

und die Kleider hatten züchtig und hochgeschlossen

kleine Schwarze seinen großen Auftritt.

zu sein, wollte man nicht als gefallenes Mädchen

Es ist eines der Kleidungsstücke, die die moderne

gelten. Das Bild wurde aus der Ausstellung entfernt,

Zeitrechnung in der Mode eingeleitet haben, denn

und der Ruf von Madame Gautreau war endgültig

es war der Gegenentwurf zu den schweren, unbe­

ruiniert.

quemen Roben, die noch zu Beginn des

Nach diesem bemerkenswerten Start dauerte es

20.Jahrhunderts getragen wurden. Noch vor dem

noch eine Weile, bis das kleine Schwarze tatsächlich

Ersten Weltkrieg galt schwarze Kleidung für eine

auf dem Modeparkett heimisch wurde. Aber schon

junge Frau als unschicklich, weil es ihr eine Aura

damals zeigte sich, was das Geheimnis des schlicht

von Erfahrung gab, die sie besser nicht haben

geschnittenen Kleids ohne Muster und Verzierung

sollte, wie Amy Holman Edelman in ihrem Buch

ist: Es ist einfach, fast androgyn und ausdruckslos,

"Das kleine Schwarze" schreibt. Schwarz war

steht aber gleichzeitig durch seine Farbe für Sinn­

Angelegenheit von Witwen oder verheirateten

lichkeit. Mit dieser spannungsvollen Kombination

Frauen, die schon sexuelle Begegnungen hinter

entstand ein neuer Frauentyp, der nicht die Femme

sich hatten. Junge Frauen sollten deshalb am

fatale spielte, sondern eher eine unterkühlte Erotik

besten Weiß, die Farbe der Unschuld, tragen. Nach

ausstrahlte.

dem Ersten Weltkrieg gestand man den Frauen

Schwarz galt für Witwen oder verheiratete Frauen

mehr Freiheiten zu: Die Kleider wurden bequemer,

Diese Aura ist es, die das Kleid bis heute interessant

die Röcke kürzer, und die Korsette verschwanden.

macht. Es hat zwar mal mehr und mal weniger

So wurde der Siegeszug des kleinen Schwarzen

Beachtung gefunden, aber letztlich alle Moden

erst möglich. Er begann 1926, als eine Zeichnung

überlebt. In diesem Herbst jedoch, der modisch

der französischen Modedesignerin Coco Chanel in

sehr dunkel und geheimnisvoll sein wird, hat das

der amerikanischen "Vogue" abgedruckt wurde:

24



MODE

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ein knielanges, schlichtes, untailliertes Kleid in der Farbe Schwarz. Die "Vogue" prophezeite damals ganz richtig, dass das Kleid eine Uniform für alle Frauen mit Geschmack werden würde, und verglich es mit einem Auto der Marke Ford, denn es war schnittig und für die breite Masse gedacht. So war es Cocos ausdrücklicher Wunsch, dass das kleine Schwarze auch in den Kleiderschränken aller Büromädchen und Fabrikarbeiterinnen zu finden sein würde. Ein Wunsch, der bald schon Wirklichkeit wurde. Und wie ein Chamäleon passt es sich jedem Anlass an: Mal elegant zurückhaltend, mal aufre­ gend sexy. Ein Hauch von Verführung und SexAppeal umweht die Trägerin und verleiht jeder Frau das gewisse Etwas. Im kleinen Schwarzen ist man weder under- noch overdressed, sondern einfach immer gut angezogen. Kein Wunder, dass es zur Basisgarderobe jeder modebewussten Frau gehört. Das kleine Schwarze wurde ein voller Erfolg. Es schien, als ob die Damenwelt nur darauf gewartet hatte, von Korsetts, pompösen Stoffmassen und bodenlangen Rocksäumen befreit zu werden. Das unkomplizierte und elegante Kleid sprach Frauen an, die Lust auf die neue Zeit hatten in der ihnen

Der Rausch, der durch das Tragen bestimmter Kleidungsstücke erzeugt wird, kann so machtvoll sein wie die Wirkung einer Droge.

allmählich zugestanden wurde, berufstätig zu sein, Charleston zu tanzen und in der Öffentlichkeit Sport treiben zu dürfen. Seinen größten Auftritt hatte das Kleid in den fünfziger Jahren. Den hätte es nicht gegeben, wenn Truman Capote in seinem Roman "Frühstück bei Tiffany" nicht eine bestimmte Frau vor Augen gehabt hätte: "Es war ein warmer Abend, fast

Bernhard Rudofsky

>The Unfashionable Human Body<


Der Veranstaltungsort in der Region

Eintrittskartten f端r nahezu alle Veranstaltungen in der Region: Mo-Fr 10 bis 18 Uhr Tel. 0241/91 31 100 Eurogress Aachen | Monheimsallee 48 | 52062 Aachen www.eurogress-aachen.de


Termine [Europasaal]

Mo 20. Nov/Di 21. Nov 2006

Michael Mittermeyer [Europasaal]

Sonntag 26. November 2006

Jürgen Becker

Leck mi am Oka mit d r La Metta [Europasaal]

Freitag 01. Dezember 2006

Wise Guys [Europasaal]

Dienstag 05. Dezember 2006

Silbermond [Europasaal]

Donnerstag 07. Dezember 2006

Mario Barth [Europasaal]

Freitag 08. Dezember 2006

Konrad Beikircher [Europasaal]

Freitag 15. Dezember 2006

Herbert Knebel [Europasaal]

Dienstag 19. Dezember 2006

BAP [Europasaal]

Mittwoch 27. Dezember 2006

ABBA Fever


MODE

schon Sommer, und sie trug ein schmales, schlichtes, schwarzes Kleid, schwarze San­ dalen, eine halsenge Perlenkette. Sie war nie ohne eine dunkle Brille unterwegs, sie war stets untadelig angezogen, es lag un­ weigerlich ein guter Geschmack in der Schlichtheit ihrer Kleidung, was dafür ihr selbst so viel Glanz verlieh." Eigentlich sollte Marilyn Monroe diese Rolle in der gleichna­ migen Verfilmung spielen, aber es war die Zweitbesetzung Audrey Hepburn, die es schaffte, in einem ärmellosen schlichten Kleid von Hubert de Givenchy Modegeschich­ te zu schreiben und den Mythos des Little Black Dress, wie es in Amerika heißt, zu begründen. Schwarz kann man zu (fast) jedem Anlass tragen. Alle großen Hollywood-Stars haben mit ihm Jahrzehnt für Jahrzehnt einen eigenen Stil kreiert, in dem sie ihm ihre persönliche Note gaben: Bette Davis trug es mit Pelz, Rita Hayworth als eng anliegen­ des Minikleid, Marilyn Monroe mit schwin­ genden Fransen, Audrey Hepburn kombi­ nierte es mit langen Handschuhen und Catherine Deneuve mit Gürtel. Seitdem gehört es in den Kleiderschrank jeder Frau. "Man kann Schwarz tragen zu jeder Tages- und Nachtzeit, in jedem Alter und zu jedem Anlass", sagte Christian Dior, der das kleine Schwarze mühelos in seinen "New Look" integrierte. Tatsächlich übersteht man mit ihm jede gefährliche Gratwande­ rung zwischen "overdressed" und "under­ dressed". Außer bei einem Ball und einer Beerdigung ist man fast immer richtig an­ gezogen: Es trägt sich gut zur Cocktailparty, zum Sektempfang, zur Hochzeit und zum abendlichen Geschäftsessen. Gerade dort

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STAR COLLECTION by Marion Reinhard-Schiffer

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Die richtige Frisur zum

KLEINEN SCHWARZEN

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MODE

passt es dank seiner Schnörkellosigkeit. Donna

sich die Stoffe und Schnitte der Saison zunutze.

Karan war es, die Anfang der neunziger Jahre für

Karl Lagerfeld interpretiert für Chanel mit viel Tüll

die amerikanische Business-Frau eine sachliche

den Klassiker im leicht morbiden "Gothic"- Stil, bei

Version des ursprünglich sehr französischen

Prada zeigt er sich in durchsichtigem Chiffon, ohne

Kleidungsstücks schuf. Mit ihren schwarzen Jersey-

vulgär zu wirken, und Loewe bläht ihn zum Ballon­

Kleidern machte sie sich die Analysen von Farbpsy­

rock auf. Es sind allesamt leicht veränderte Versi­

chologen zunutze, die erkannt hatten: Schwarz

onen des Ursprungsmodells aus den zwanziger

steht auch für Macht und Ehrgeiz.

Jahren. Aber der Kern bleibt bestehen: Es ist klein,

In diesem Herbst mögen die Designer weniger an

schwarz und stark, wie ein Espresso ohne Zucker.

eine kühl berechnende Geschäftsfrau gedacht

Und der kommt auch nie aus der Mode.

haben. Sie legen den Schwerpunkt auf die mysteriöse Seite des Little Black Dress und machen

Das Gefühl, perfekt gekleidet zu sein, vermag jenen Frieden zu schenken, den die Religion nichts geben kann. Bernhard Rudofsky 32



MODE

Es war ein warmer Abend fast schon Sommer, und sie trug ein schmales schlichtes schwarzes Kleid, schwarze Sandaletten, eine halsenge Perlenkette. Truman Capote >Frühstück bei Tiffany<

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MENSCHEN

?

WHO´S THAT GIRL

» AUTHENTISCH ZU SEIN, IST MIR LIEBER« Ruth Frambach macht dem Berufsstand der Verkäufer alle Ehre. Im positivsten Sinne, wohl gemerkt. An vielen Stellen hat die Aachenerin während ihrer Karriere bereits deutliche Spuren hinterlassen und sorgt seit gut fünf Jahren beim beliebtesten privaten Radiosender ihrer Heimatstadt, Aachen 100, Eins, für zufriedenen (Werbe-) Kunden. Warum das so ist, sehen und lesen sie auf den nächsten Seiten. Interview und Fotos: Chris Neumann

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MENSCHEN

» ICH FINDE ES SPANNEND, ZU BEOBACHTEN, WIE MEIN GEGENÜBER AUF MICH WIRKT«

Interview ONE: Ruth, wie hat dir dein erstes persönliches Fotoshooting gefal­ len, und vor allem: wie fühlst du dich getroffen? Ruth Frambach: Das Shooting war klasse. Es hat super viel Spaß ge­ macht und ich bin begeistert von der Qualität der Bilder. Hast du früher schon einmal vor der Kamera gestanden. Deine Lust und dein Engagement beim Fototermin haben uns überrascht,

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weil alles gänzlich entspannt ab­ lief. Diese Einstellung haben meist nur Kameraprofis ? Kameraprofi wäre übertrieben, aber ich habe früher viel getanzt und jedes Wochenende Auftritte gehabt, also ist mir das ganze nicht ganz fremd. Beim Friseurtermin zuvor war aber wohl etwas Nervosität zu spüren, haben wir gehört;-). Stimmt das? Das lag eher an dem Friseur, den ich

das erste Mal ausprobiert habe, als an unserem Termin. Meine Haare hat er aber super hinbekommen. Dann bist du außerdem noch eine tolle Schauspielerin. Oder hat dein Beruf als Verkäuferin die Selbstinszenierungsfähigkeiten gefördert? Danke für das Kompliment. In der Tat finde ich es spannend, zu beob­ achten, wie mein Gegenüber auf mich wirkt, allerdings eher im privaten

>>



MENSCHEN

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MENSCHEN

» ES GIBT NICHT NUR SCHWARZ ODER WEIß. FÜR MANCHE IST EBEN ROSA DIE RICHTIGE LÖSUNG«

>> Bereich. Authentisch zu sein ist mir im Job lieber. Apropos Verkaufen: Dein berufli­ cher Werdegang beinhaltet eine reichhaltige Auswahl an interes­ santen Tätigkeiten. Nach deiner Ausbildung zur Werbekauffrau zog es dich als Reiseleiterin nach Lanzarote. Wie kam es dazu? Ins Ausland zog es mich immer schon und. Als Reiseleiterin habe ich eine ideale Kombination gefunden Spa­ nisch zu lernen und Auslandsluft zu schnuppern. Sonne, Palmen, Meer und heute wieder im (manchmal) mieswett­ rigen Aachen - warum hast du dich für die Rückkehr nach Aa­ chen entschieden? Keine Lust mehr auf permanent schönes Wetter? Doch und wie! Ich liebe zwar alle unsere Jahreszeiten, aber der Som­

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mer ist mir die Liebste! Zurück ge­ kommen bin ich nur weil ich an mei­ nen Freunden und meiner Familie hänge - die waren mir zu weit weg. Meine Traumvorstellung wäre allerdings den Winter im Süden zu verbringen und den Sommer hier. Da ich aber nicht den Jackpot geknackt habe wird da wohl erst einmal nichts draus. Wenn du heute aufzählen müsstest, was du schon alles verkauft hast, würden zwei Hände voll ausreichen? Da würden wohl die Hände einer Fußballmannschaft nicht ausreichen. Lernt man dich kennen ist schon nach wenigen Minuten klar, dass du im Notfall auch einem Eskimo einen Kühlschrank andrehen könntest. Gibt es ein Erfolgsge­ heimnis oder ein Rezept, Men­ schen von seinem jeweiligen Pro­ dukt zu überzeugen - so was wie Ruth s Power-Seller-Tipps?

Ganz wichtig ist, mich wirklich indivi­ duell auf mein Gegenüber einzulas­ sen. Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß. Für manche ist eben Rosa die richtige Lösung. Hört sich einfach an, aber es wird sooft der Fehler gemacht, sein Ding durchzuziehen zu wollen. Alles nach Schema F. Nach einem Abstecher in den Quellenhof in Aachen ging s dann zum Radio. Aachen 100, Eins ist seitdem dein beruflicher und pri­ vater Haussender. Vom Hotel als Mediaberaterin zum Radio. Wieder ein bemerkenswerter Spagat. Du scheinst keine Angst vor neu­ en Herausforderungen zu haben. Herausforderung nehme gerne an. Wenn du einmal Feuer gefangen hast, dann ist es egal ob du Reisen, Hotels oder Radio vermarktest. Hauptsache ist, man tut es mit Leidenschaft und das habe ich bisher immer getan. Den Spagat konnte ich außerdem immer schon recht gut (lacht).

>>


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MENSCHEN

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>>

Eine Frage für alle, die es nicht wissen mit der Bitte um Aufklärung: Was ver­ birgt sich hinter der Be­ rufsbezeichnung Media­ beraterin ? Im klassischen Sinne ist der Werbezeitenverkauf die H a u p t-a u f g a b e . I n d e r Realität ist die Tätigkeit natürlich viel umfassender. Vom ersten Gespräch, über die Entwicklung der Idee, bis zur werblichen und redaktio­ nellen Umsetzung helfe ich, für den Kunden die passende Lösung zu finden. Alles hängt selbst-verständlich individuell vom Kunden und dem Pro­ dukt ab. Was kommt nach dem Ra­ dio? Ich werde bald heiraten und ganz viele Kinder in die Welt setzen. Diese werde ich zu ferngesteuerten Verkäufern ausbilden, die für meinen Le­ bensunterhalt sorgen. Scherz bei Seite - keine Ahnung! Allgemein gelten Men­ schen, die im Vertrieb zu Hause sind, als Workaho­ lics. Bei aller Leidenschaft, freie Zeit muss auch sein. Verrätst du uns deine An­ leitung zur ultimativen Entspannung? Ein gutes Essen mit Champus

oder das komplette Wellnes­ sprogramm. Beides wunder­ bar! Gibt es eine Lieblingsknei­ pe, in der man dich des Öfteren antrifft, und wenn ja, warum gerade die? Gibt es leider seit einigen Jahren nicht mehr, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf . Dem Vernehmen nach klönst du auch gerne mit deinen Lieblingstussis über die ernsten Dinge des Lebens. Da drängt sich die Parallele zu Sex and the City auf. Gibt es Themen, die regelmäßig auf der Ta­ ges-Klön-Ordnung stehen. Unsere Themen sind Klamot­ ten - mit vorliebe Schuhe, Schmuck und diese wunder­ bare Kosmetik in den wunder­ vollen Verpackungen. Immer beliebtes Thema: warum sind Männer und Frauen so unter­ schiedlich mit dem Fazit, dass natürlich die Frauenmeinung immer die richtige ist. Unterm Strich Tussis mit Tiefgang. Letzte Frage: Wenn wir dich um eine etwas eroti­ schere Inszenierung der Fotostrecke gebeten hätten, wärest du einge­ stiegen? Das wirst Du wohl nie erfah­ ren

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» ICH WERDE BALD HEIRATEN UND VIELE KINDER IN DIE WELT SETZEN«

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Dürener Straße 42 | 52249 Eschweiler | Tel 02403-838685


NEWS Trotz aller dienstlichen Etikette, den Spaß an der Arbeit verliert das Team der VRBank in Eschweiler nie. Eine schnelle Runde zwischendurch kann niemandem ernsthaft schaden. Der Grund: nicht nur beim RC-Car steuern, sondern auch im Bereich KfzVersicherungen ist das Team um Zweigstellenleiter Guido Breuer (l.) kaum zu schlagen. Interessierte Kunden haben noch bis 30. November die Gelegenheit, sich mit den schnellen

Schnelle Banker

Bankern zu messen. 3, 2, 1 - Start.

Foto: Chris Neumann

Spritzig-Hinreißend-Sexy The Magic Night of DANCING MUSICALS präsentiert die Highlights der aktuellen Tanz-Musicals

Saturday Night Fever , Dirty Dancing , Mamma Mia und noch viele mehr unsere Tänzer und Sänger präsentieren das Beste dieser erfolgreichen Musicals in einer aufregenden Tanz-Show! Gesang, Tanz und Action pur. Selbst dem größten Tanzmuffel kribbeln die Füße, wenn Showtänzer über die Bühne wirbeln. Ob Salsa, Mambo, Disco die packenden Rhythmen weltbekannter Songs werden das Publikum begeistern.

EUROGRESS in Aachen Dienstag, 23. Januar 2007 20.00 Uhr

Boyz under the hood

Seit kurzem können Autoenthusiasten auf dem britischen Lifstyle- und Musiksender MTV die Serie Pimp my Ride International verfolgen. Angelehnt an das amerikanische Original, werden auch hier alte Rostlauben zu Aufsehen erregenden Schlitten gepimpt (aufgemotzt). Eine der Haupt­ rollen besetzt der Heerlener Tristan Louwaars, der mit seiner Werkstatt KARS im niederländischen Landgraaf bereits jetzt zu den europäischen Kult­ schraubern gehört. 'Pimp my Ride' ist alles, was

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jenseits der Autoschrauberei liegt - Watch out: they are about to pimp your ride!


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MENSCHEN

EIN GUTER SCHUH GEHT NICHT MIT DER MODE UND ÜBERHOLT SICH NICHT DIETER KUCKELKORN Text: Elmar Mertens Fotos: Chris Neumann

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MENSCHEN

EIN SCHUH IST IMMER SO VIEL WERT WIE DER STOFF, AUS DEM ER GEMACHT WIRD

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Es war einmal ... ein Mann namens Kuckelkorn, der auszog um heimzukehren. Dieser Mann hatte einen Traum: er wollte, dass die Schuhe, die er trug, wirklich die seinen waren. Und er wollte, dass auch andere Menschen seine Schuhe trugen. Also beschloss er, Schuhmacher zu werden, auf das sein Name in die Welt hinaus getragen werde... Der Leser mag sich zu recht fragen, warum ein Bericht, der einen lokalen originären Schuhmacher vorstellen soll, in die Form eines Märchens eingebunden wird? Was für eine Art von Bericht ist das denn? Ist das nicht eher eine Erzählung? Die Grenzen zwischen nüchterner Berichterstattung und märchenhafter Erzählung können schnell verschwimmen, wenn man es nur zulässt; und es passt. In diesem Bericht ist diese Entscheidung für den Erzählstil nachvollziehbar: wir haben hier einen Schuster, der in die Ferne zieht, die seine Heimat ist, um sein Glück im Schuhhandwerk zu suchen: Dieter Kuckelkorn ist 21 Jahre alt, als er beschließt, nach Deutschland zurückzukehren, nachdem er 14 Jahre zuvor mit seinen Eltern nach Spanien gezogen war. In Deutschland ange­


kommen vertreibt der Autodidakt zunächst die spanische Edelmarke Zerep , bevor er schließlich 1975, im Alter von gerade mal 23 Jahren seine erste Kollektion handge­ fertigter Schuhe aus eigener Manufaktur auf den Markt bringt. Klingt das etwa nicht märchenhaft?! Man mag es in den Zeiten von Massenproduktion und Outsourcing vielleicht vergessen haben, aber das Schuh­ handwerk ist insofern es tatsächlich noch als HandWerk verstanden wird eine wahre Kunst, die etliche Jahre auf dem Buckel hat, ein lebendes Fossil, das unsere ungeteilte Aufmerksamkeit verdient. Das Schuhhandwerk hat seine Blüte wohl im Mittelalter erlebt, als talentierte, handfertige Menschen in die Städte zogen, sich zu Zünften zusammenschlossen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten und den wachsenden Markt mit ihren eigenständig gefertigten Produkten zu bedienen. Neben der Zimmermann-, der Schneider- und der Schmiedezunft (um nur einige zu nennen), gab es

auch die Zunft der Schuhmacher oder Schuster. Das Wort Schuster leitet sich aus dem lateinischen sutor ab und bezeichnet wortwörtlich den Ledernäher. Heutzutage wird das Wort Schuster leider häufig negativ konnotiert. So ist der Flickschuster jemand, der etwas zusammenschus­ tert, in der Hoffnung, dass es lange hält (zumindest solange, bis er sich unbemerkt aus der Affäre gezogen hat). Für einen Spruch hat der Schuster auch hinhalten müssen: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Soll heißen: Tu nur das, wovon du etwas verstehst, und pfusche anderen nicht ins Handwerk! (nach einem Ausspruch des altgrie­ chischen Malers Apelles, mit dem er auf die Kritik eines Malers antwortete) [Quelle: Duden]. Und des Schusters Rappen, auf dem er (zum Beispiel als Geselle auf der Walz) durch die Lande zieht, ist: sein Schuhwerk. Früher waren Schuster angesehene Handwerker. Aber das war lange, bevor es den 5-Minuten-Schuhservice an der


MENSCHEN

Straßenecke gab oder Schuhe nur mehr weitestgehend in Fließbandarbeit fabriziert werden. Das Mittelalter war auch die hohe Zeit der Märchen. Die Lebenswirklichkeit der Menschen und das Zauberhafte waren nicht nur zwei Welten, die parallel nebeneinander aber separiert voneinander Bestand hatten; sie um­ flossen und durchwirkten und stützten einander. Und ihres regen Austausches Kind ward das Märchen. Auch wenn es kein Schuster je zum Helden brachte, so waren doch wenigstens ihre Produkte allgegenwärtig und von hohem Wert für ihre Träger in den Märchen. So gibt es zwar kein tapferes Schusterlein, aber jede Menge bedeutende Schuhabdrücke, nachzuvollziehen zum Beispiel in Volksmärchen der Gebrüder Grimm (die großen Sammler und Bewahrer deutschen Kulturgutes) oder den Kunstmärchen eines Wilhelm Hauff (dem die Volksmärchen als Quelle der Inspiration dienten). Drei Märchen will ich zur Veranschaulichung anführen: So wäre Aschenputtel nie über den Job einer Küchenmagd hinausgekommen, hätte sie nie ihre goldenen Schühchen besessen. Und nie hätte es den pointiertesten Kommentar gegeben, zu dem sich zwei Tauben je haben hinreißen

ZEIG MIR DEINE SCHUHE, UND ICH SAG DIR, WER DU BIST 52

lassen: »Rucke di guck, rucke di guck, Blut ist im Schuck (Schuh): der Schuck ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim« (nachzulesen z.B. im Projekt Gutenberg). Weiter. Der gestiefelte Kater: Kleider mögen Leute machen, aber ein Kater in Stiefeln wird derart besohlt (nahezu) zum Menschen gemacht. So bescherte das richtige Schuh­ werk einem armen Müllerssohn ungeahnten Reichtum. Der kleine Muck (von Wilhelm Hauff) schließlich ist ein Pantoffelheld im besten Sinne. Und so kann es weiter gehen: die Siebenmeilenstiefel, Dorothys rote Schuhe aus dem Zauberer von Oz usw. Märchen huldigen dem Schuh, indem sie ihrem Träger übermenschliche Macht in der ein oder anderen Art verleihen. Unverständlicherweise wird aber nicht dem Schuhmacher die nötige Ehre gezollt. Oder sollte das die Bescheidenheit des großen Künstlers sein, der hinter sein Werk zurücktritt? Und noch einmal: Man kann den Wert des Märchens nicht hoch genug einschätzen. Dadurch, dass es Lebenswirk­ lichkeit einfing (ein Großteil des personellen Inventars entstammt der realen Welt) und in ihre eigene Welt (zerr)spiegelte durch sie eine Verzauberung der Welt und in ihnen ein Alltag des Wunderbaren -, haben sie fast schon historisierende Bedeutung. So gelingt es, die Erinnerung an die Urtypen des Handwerks wach zu halten, die in der Fülle an Spezialisierungen innerhalb der heutigen Arbeits­ welt untergehen würden. Mit der Industrialisierung wurde der Handwerker in dem Maße von der Maschine bedrängt, dass er seine Künste beschneiden musste. Das Gebot des Anbietens möglichst vieler Artikel innerhalb möglichst kurzer Zeit und zu möglichst geringen Herstellungskosten verlangte nicht mehr nach einem menschlichen Alleskönner, sondern nach einem stets funktionierenden Rädchen im Getriebe der großen Maschine. Mit dieser Schwarzmalerei soll nicht die Maschine an sich, die sich häufig genug als hilfreicher Geist auszeichnen durfte, verdammt werden; nur ist der gerufene Geist aufgrund seiner Verdrängungstendenzen nicht mehr ganz so willkommen. Wie mag diese Geschichte weitergehen? Dieter Kuckelkorn will kämpfen. Auch wenn er glaubt, dass es wahrlich nicht gut um sein Gewerbe bestellt ist billige wie teure Markenketten überschwemmen schier den Markt mit ihren Produkten - , will er die Gattung des Einzel-Herrenausstatters, Sektion Schuh, nicht aussterben lassen. Er hält traditionelle Qualität made in Germany hoffnungswillig dagegen. Er vertraut auf den distinguierten Geschmack, den seine Schuhe gleichsam ausstrahlen. Er selbst steht mit seinem Erscheinungsbild dafür ein. Er weiß: Seine Kunst ist schön, denn sie ist gut. Will heißen: Damit seine Schuhe die Klasse bekommen, die sie aus­ zeichnet, müssen eine Vielzahl von Arbeitsschritten am Material verwendet werden, die nur den höchsten Ansprüchen genügen. Es drängt sich an dieser Stelle


Art Open

präsentieren

Eschweiler 2006

www.art-open.net

Schirmherrschaft: Bürgermeister Rudi Bertram

19. November 2006 | 11-18 Uhr

KUNST UND MODE präsentiert von Galerie ART ENGERT

EINBLICKE IN DIE ESCHWEILER KUNSTSZENE präsentiert von Max Krieger Kulturmanagement

Mit freundlicher Unterstützung von:

1

Kim Gisoo

13 Alessia Krause

2

Natalia Zernikel Nadine Maier

14 Nikolai Arnaudov

3

Anna Stöcker

15

4

Ingrid Roscheck

16 Chris Poethke

5

Vera Sous

17 Rolf Klotz

6

Judith Sturm

18 Norri Heinen

7

Christoph Platz

19 Ulrike Schmitz

8

Wolfgang Bellingradt

20 Dieter Flüggen

9

Karin Odendahl-Tobias

21 Elfriede Otto

Chris Neumann Lisa Lambertz

10 Heike Reul

22 Astrid Bohne

11 Helga Semmler

23 Preisträger des Kunst-

12 Ulrike Rutschmann

förderpreises 2006


MENSCHEN

54


geradezu der Vergleich des Schuhmacherhandwerks mit demjenigen des Uhrmachers auf. So finden sich nämlich etliche Gemeinsamkeiten zum Beispiel in Bezug auf die Genauigkeit der Verarbeitung von ausgewählten Stoffen, indes aber genügend Unterschiede, um diese beiden Kunsthandwerke gleichwertig und doch einzigartig neben­ einander zu stellen (siehe Ausgabe August/September 2006 für eine eingehende Betrachtung des Uhrmacher­ handwerks in unserer Region). Den Produkten beider Handwerke ist gemein, dass Uhr wie Schuh sich aus vielen Einzelteilen zusammensetzen. So besteht allein ein Paar Schuhe, das die Manufaktur Kuckelkorns verlässt, aus 80 Einzelteilen. Diese müssen alle an die richtige Stelle gesetzt und zusammengeführt werden, damit auch sie ihre Funktion erfüllen können. Dieter Kuckelkorn legt nur noch in seltenen Fällen selber Hand an die Fertigung eines Schuhpaares (für Spezialaufträge) an, doch hat er alle 22 in der Schuhherstellung tätigen Angestellten selber ange­ lernt. Dass diese Angestellten alle in Spanien ansässig sind, ist in diesem Falle kein Fall von Outsourcing, sondern vielmehr ein Ausdruck seiner nach wie vor gegebenen tiefen Verbundenheit zu Spanien, auch eine Art von Nostalgie. Dieter Kuckelkorn ist Alleskönner und Spezialist in Sachen Schuhe. Er managt sein Unternehmen in Eigenregie, ist Schuhstylist und Leistenmodelleur, das heißt er entwirft die Modelle und stellt die entsprechenden Musterleisten her. Allein für die Herstellung eines einzigen Leistens traditionell aus Holz, neuerdings auch aus witterungsun­ empfindlichen Kunststoff benötigt man 60 bis 80 Stunden. Die Fertigung eines Schuhes bzw. nach Verdoppelung der Zeiten eines Paares (denn ein Schuh allein bringt ja bekanntermaßen nichts) dauert mithin sechs bis acht Wochen! Außer Frage jedoch steht, dass Zeit und Mühe und Material wohl investiert sind. Woraus nun setzt sich so ein Schuh zusammen? Sehen wir nach! Willst du ein Paar Schuhe machen, musst du haben diese Sachen: Der Leisten er gibt dem Schuh die Vorlage, wie der Schuh später einmal auszusehen hat. Bei maßgefertigten Schuhen wird von dem Fuß des späteren Trägers ein Abdruck genommen, wonach der Leisten geformt wird. Auf den Leisten wird mit einem Stift das Muster vorgezeichnet, welches ähnlich einem Schnitt­ muster für Kleider anzeigt, wie die einzelnen Lederstücke in dem Schuh verarbeitet werden sollen. Das Leder wird in bewährter Weise nach wie vor traditionell in Eichellohe in Gruben gegerbt. Lohe ist ein Sud aus der Rinde von Bäumen, in diesem Fall von Eichen. Die Rinde enthält die so genannten Gerbstoffe, die das Eiweiß in der Lederhaut dahingehend verändern, dass das Leder konserviert und geschmeidig wird. Normalerweise wird Kalbsleder für die Schuhe verwendet. Dieses wird in der Regel aus Frankreich und Italien bezogen. Im Prinzip kann man so gut wie aus allen Tierhäuten Leder machen. So gibt es Schuhe aus

DIETER KUCKELKORN IST ALLESKÖNNER UND SPEZIALIST IN SACHEN SCHUHE Ziegenleder, Schlangenleder, Krokodilleder oder Känguruleder. Deren Haut ist mit ca. 7 mm Dicke fast nur halb so dick wie Kalbsleder, dafür aber genauso strapazierfähig.


MENSCHEN Der Pferdeliebhaber sollte diese nächsten Zeilen überspringen ..., denn auch aus Pferdehaut lassen sich vorzügliche Schuhe fertigen. Genauer gesagt aus ihren Spiegeln. Das Pferd besitzt zwei Spiegel, die das Hinterteil formen. Beide Spiegel reichen für ein Paar Schuhe. Wir sprechen beim Schuhhandwerk von Präzisionsarbeit. Dennoch gibt es auch einen Bereich, in welchem der Schuster unpräzise bleiben muss, und zwar in der Angabe der Dicke des Leders. So sind die Lederstücke, die für den Absatz benutzt werden, 4,5 bis 5 mm dick; ein Absatz wird aus mehreren Schichten zusammengesetzt, die von innen mit dem Schuh verschraubt werden und von außen genagelt. Die Ungenauigkeit in der Angabe liegt an der unterschiedlichen Dicke des Ausgangsmaterials, der Haut. Je nachdem, aus welcher Stelle des Coupons (so bezeichnet man die Lederfläche, die aus der Haut eines Tieres gewonnen wird) das Stück geschnitten wird, kann es besagte unterschiedliche Dicke haben. Bevor aber der Absatz an den Schuh befestigt werden

AUCH AUS PFERDEHAUT LASSEN SICH VORZÜGLICHE SCHUHE HERSTELLEN kann, müssen viele Arbeitsschritte vorangegangen sein. Zunächst muss der Schaft (zu sehen als das Leder, das den Fuß oberhalb der Fußsohle umgibt) über dem Leisten in Form gebracht werden. Die Einzelteile des Obermaterials werden miteinander vernäht. Der Rekord der Einstiche pro cm wurde 1920 aufgestellt und liegt bei sieben. Beim Kuckelkorn chen Schuh liegt man mit sechs pro cm nur knapp dahinter. So präzise auch gearbeitet wird, leichte Unregelmäßigkeiten gibt es schon. Und sind auch erwünscht: Diese Unregelmäßigkeiten so unscheinbar sie auch sind verleihen dem Schuh erst Individualität und Charakter , so der Meister. Unter dem Schaft wird die Lederbrandsohle befestigt, indem ihr der so genannte Rahmen aufgelegt wird, der mit dieser und jenem gedoppelt, also doppelt vernäht wird. In dem fersennahen Bereich wird eine Feder aus Stahl eingesetzt, die dem Schuh zusätzliche Stabilität verleiht. Darüber wird eine Korkausballung aus Korkschrot eingespachtelt. Die Korkmasse dient der Ausbildung des

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Fußbettes, wodurch der Schuh in seiner Individualität unterstützt wird. Dann wird die Laufsohle fixiert; ebenfalls durch Doppeln mit dem Rahmen. Nach dem Aufsetzen des Absatzes wird der Schuh geflammt und poliert. Das Oberleder bleibt aber trotz aller Behandlungen naturbe­ lassen; es atmet und lebt gleichsam und lässt eine Interaktion des Schuhs mit seiner Umwelt zu, will meinen: die Feuchte des Fußes wird nicht im Schuh gehalten, sondern nach draußen abgegeben, was Schweißfüßen vorbeugt. Der Schuh ist also fertig. Der Preis von ca. 400 ist ein stolzer, aber durchweg gerechtfertigt. Und abschließend gibt Dieter Kuckelkorn dem Käufer noch einen Tipp mit auf den Weg: ...den Schuh peu à peu eintragen. Zunächst im Sitzen vor der Sportschau, dann stundenweise im Gehen. Man sollte immer darauf achten, dass der Schuh auch wirklich richtig passt. Also nicht nach der Devise: was nicht passt, wird passend gemacht. Denn: Kleidung, die nicht richtig passt, tut keinem weh; Schuhe hingegen, die nicht richtig passen, können eine sehr schmerzhafte Angelegenheit sein. Diese Erfahrung hat wohl jeder einmal ergangen. Und auch hier wird empfohlen: Schuster, bleib bei deinem Leisten! In diesem Fall soll das heißen: was einmal passt, soll beibe­ halten werden; der Schuhtyp, der meinem Fußprofil entspricht, sollte mein ewiger Begleiter sein. Doch häufig wählt man seine Schuhe nach anderen Kriterien aus, und dies nicht unbedingt bewusst. Man kann sogar eine kleine Schuhschrank-Psychologie bemühen, gemäß dem Motto: zeig mir deine Schuhe, und ich sag dir, wer du bist. Dabei sollte man lieber auf seine Füße hören, was sie einem sagen wollen, wenn sie aufstöhnen unter ihrer Last. Sie verdienen Aufmerksamkeit und auch unsere Wertschätzung, denn: Ein Fuß ist ein Wunderwerk natürlicher Architektur. Die Belastbarkeit, die ein Fuß tagtäglich unter Beweis stellen muss, ist eine Leistung, die ihresgleichen im menschlichen Körper sucht. Der Fuß ist anatomisch betrachtet das vielleicht am meisten unterschätzte Organ. Zumindest tritt seine Bedeutung nur zu oft in den Hintergrund wenn es darum geht, gegen die Leistungen der Hand anzustinken. Die Entwick­ lung des Menschen vom Vierfüßer zum Zweifüßer, kombi­ niert mit dem Erwerb des aufrechten Ganges, geht einher mit der zunehmenden Prominenz seiner Hände. Denn wer guckt denn schon auf die Füße, um zu sehen, ob die Zehennägel ja auch sauber sind. Höchstens im Freibad ergibt sich diese Gelegenheit, und das zumeist auch nur beim Nebenmann, da sich die eigenen Füße in der Sicherheit des Schatten spendenden Bierbauches wähnen dürfen. Abgesehen von hygienischen bzw. ästhetischen Aspekten ergeben sich aber noch andere Umstände, die den Fuß ins rechte Licht rücken sollten. Mag der Fuß zwar im Laufe seiner Evolution vom Greif-Fuß zum Stand-Fuß seine



MENSCHEN manipulierenden Fähigkeiten eingebüßt haben, so hat er in gleicher Weise pedipulierende Kompetenzen hinzuge­ wonnen, die außerordentlich sind und den Menschen somit über alle anderen Lebewesen stellt. So heißt es zwar, dass er [der Fuß] einen Teil seiner ursprünglich gegebenen Bewegungsmöglichkeiten eingebüßt [hat], so dass nur die reine Stützfunktion übrig geblieben ist (Lehrbuch der Anatomie des Menschen, S. 343). Dieses nur wird aber postwendend revidiert zugunsten einer Herausstellung des Organs Fuß im Gefüge des menschlichen Körpers, denn: An keinem Glied des Körpers kann man so deutlich die Abstimmung eines funktionellen Systems von Knochen, Bändern, Muskeln und Sehnen beobachten wie am Fuß. Jeder Teil trägt und stützt den anderen... (a.a.O, S. 346). Dieses perfekt-aufeinander-abgestimmt-sein offenbart jedoch zugleich die Anfälligkeit des Systems für Störungen von außen. Und genau hier setzt die Aufgabe des Schusters

DIE NEUE CD Meine Träume

DEC 2006

w w w. s t i l e c h t m u s i c . d e

ein, bevor er den Staffelstab an den Orthopäden weiter­ reichen muss. Im Gegensatz zu den Quadripeden (Vierfüßern), die als Zehengänger die Welt durchstreifen, ist der Mensch, der zumeist dem bipeden (zweifüßigen) Gang verschrieben ist, ein Sohlengänger. Diese Ausdrucksweise suggeriert eine Gangart, die den Fuß in ganzer Fläche auftreten lässt. Dem ist aber überhaupt nicht so. Zumindest nach dem Plan der Natur nicht. Tatsächlich sieht man an den Abdrücken gesunder Füße ganz deutlich, dass nur Zehen, Ballen, Ferse und ein Teil der Sohle (seitlich außen) bei einem Schritt bzw. beim Abrollen des Fußes aufgesetzt werden. Sobald sich die ganze Sohle abbilden sollte, handelt es sich um eine weit verbreitete Fehlstellung des Fußes, dem Senk-Spreiz-Fuß im Volksmund auch als Plattfuß be­ zeichnet. Deshalb muss man immer darauf achten, dass das neu zu erwerbende Schuhwerk nicht nur den anatomischen Gegebenheiten des Fußes entgegenkommt, sondern diesen auch unterstützt im wahrsten Wortsinne. Dieter Kuckelkorns Schuhe zum Beispiel genügen diesen Ansprüchen in vollster Weise durch Einsatz einer Materialverstärkung an ent­ scheidender Stelle im Schaft. Eigentlich sollte es einer besonderen Herausstellung dieses Umstandes nicht bedürfen müssen, aber leider sind allzu viele Schuhe eben nicht an der Anatomie des Fußes angelehnt wie es das Meisterhandwerk für den Fuß verlangt. Zufrieden wiegt er das Gewicht eines unter den rechten Voraussetzungen geschaffenen Schuhs, wozu auch wie selbstverständlich gehört, dass sämtliche am Schuh verwendeten Materialien aus dem alten Europa stammen. Mit Stolz darf er da als antiquiert angesehen werden. Er lächelt den schnelllebigen Markt mit seinen weltweiten Bezugsquellen (zumeist aus Billiglohnländern) weg, doch liegt auch Traurigkeit in seinem Blick: Deutsche Leder­ produkte liegen nicht hoch im Kurs trotz ihrer hervorra­ genden Qualität. Im Gegensatz zur Autoindustrie (siehe Mercedes, BMW und Audi) haben wir in der Bekleidungs­ sparte keine stimmkräftige Lobby. Vielleicht ist es aber auch so, dass ... wir Deutschen in gewisser Weise ein mangelndes Selbstbewusstsein zeigen, was das Tragen deutscher handwerklich gefertigter Bekleidungsprodukte anbelangt... . Aber wie zeigt uns dann doch wieder das deutsche Volksmärchen: ...und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage dank der richtigen Schuhe...

LEIDER SIND ALLZU VIELE SCHUHE NICHT AN DIE ANATOMIE DES FUßES ANGEPASST


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ESSEN GEHEN

Wenn gutes Essen zur Leidenschaft wird. Das Eschweiler Restaurant Essperiment erfreut sich bei Feinschmeckern in

der Region und im benachbarten Ausland immer größerer Beliebtheit. Marc und Frank Lersch ermöglichten uns kürzlich einen kleinen Einblick in ihre Leidenschaft(en).

Text und Fotos: Chris Neumann

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or gut vier Jahren machten sich zwei Brüder auf, ihr ganz persönliches Ex(ss)periment zu wagen. Marc und Frank entstammen einer alteingesessenen Eschweiler Familie, deren gastronomisches Engagement bis ins Jahr 1567 zurückreicht. Zu dieser Zeit betätigte sich Urahn Paulus Lerch als Greve der Brauerzunft in Aachen. Seit dieser Zeit hat sich vieles verändert. Nach wie vor entspringen die meisten neuen Projekte immer einer guten Idee. So auch im Fall Lersch s Essperiment . Den Sprung in die Selbstständigkeit dem Stehen auf eigenen Beinen so zusagen - hätten Marc und Frank gewiss nicht wagen müssen.

Stehen auf eigenen Beinen Bot das über die Stadtgrenzen hinaus be­ kannte und beliebte Mutterhaus Lersch ihnen doch auch so alle Möglichkeiten. Welcher Visionär lässt sich jedoch auf ver­ standgelenkte Entscheidungen reduzieren. Der Begriff Mutterhaus ist in diesem Zu­ sammenhang ganz bewusst so gewählt. Den Brüdern war es wichtig, den Status ihrer Mutter Rita im Lersch- Imperium deutlich heraus zu stellen. War sie es doch, die die Geschichte des Hauses über viele Jahrzehnte entscheidend mit prägte. Zwar nicht immer an exponierter Stelle. Ohne den unermüdlichen Einsatz der Frau, die ohne Frage den Titel Powerfrau verdient hat, wäre das Haus Lersch jedoch niemals >>>


ESSEN GEHEN

zu dem geworden, was es heute unumstritten ist:

Weiterbildung gewonnnen Einsichten dazu bei,

Treffpunkt, Restaurant und Kneipe im Herzen der

dass die Idee, einmal etwas ganz Anderes zu

Stadt. Die Verdienste von Karl-August, Aü Lersch,

machen , der realen Umsetzung stetig näher kam.

(Vater, öffentliche Person, Clanchef und Frontman

Für uns hat Kochen was mit Kreativität, Spaß und

zugleich) sollen durch dieses Statement aber

Leidenschaft zu tun, nicht mit Produktion und

keinesfalls herabgewürdigt werden.

Geldmacherei , erklärt Frank Lersch. Er war es

Einmal etwas ganz anderes machen Ohne den Rückhalt der Familie, da sind sich Marc und Frank einig, wäre es zum Lersch s Restaurant wohl niemals gekommen. Ebenso verhält es ich mit der hervorragenden Ausbildung, die Pap und Mam , wie die beiden ihre Eltern liebevoll nennen, ihren Kindern ermöglichten. Vielleicht trugen eben diese, während der außerhäuslichen Aus- und

auch, der seinen Horizont bei einem zweijährigen Aufenthalt in London erweiterte, während auf der Dürener Straße die ersten Spatenstiche erfolgten. Die Resultate manifestieren sich heute im zeitgemäß-modernen Trendrestaurant Essperi­ ment . Die Perfektion, mit der die beiden Musterköche jeden einzelnen Handgriff in der transparenten Küche beherrschen, spiegelt sich gleichfalls in Stil und Ambiente des Gastraumes wieder. Gut 70 Personen finden im Restaurant Platz, dessen Wohlfühl-Charakter sich dem Besucher bereits beim Gang über die Schwelle offenbart.

Kochen ist Leidenschaft Ein Gesamtkunstwerk, gestaltet mit viel Liebe zum Detail, begrüßt den erstaunten Gast. Kein Innen­ architekt hat hier Hand angelegt. Keine androgynleblose Atmosphäre irritiert den kulinarischen Genießer. Das unaufdringliche Ambiente vereint gekonnt moderne Raumgestaltung mit traditionellen Elementen wie beispielsweise den herausgearbei­ teten Bruchsteinen der ursprünglichen Mauern. Hier erwartet den Gast also beileibe nicht nur Nahrung für den hungrigen Magen. Der Slogan: Essen erleben beschreibt den ersten Eindruck punktgenau. Neben der von beinahe jedem Platz einzusehenden offenen Küche, die beim Besucher keinen Zweifel über die uneingeschränkte Authentizität der Lersch schen Kochkünste aufkom­ men lässt. Die individuelle und persönliche Betreu­ ung des Gastes fügt sich dabei nahtlos in die Philosophie des Hauses. Festgefahrene Regeln sind Marc und Frank seit jeher ein Gräuel. Die virtuos

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Foto: Chris Neumann


Dürener Straße 62 52249 Eschweiler Öffnungszeiten: Tel.: 02403-29706 Mo. + Do. - So. ab 18.00 Uhr www.essperiment.de Dienstag und Mittwoch Ruhetag

gestaltete Tischdekoration bleibt ebenso den indi­

Ideenküche von Marc und Frank Lersch spielt

viduellen Wünschen des Gastes überlassen, wie -

sich auf weit größerer Ebene ab. Als offizielle

auf Wunsch - die persönliche Zusammenstellung

Caterer bei Megaveranstaltungen wie dem Aachener

der Menüvorschläge. Es soll, so die Überzeugung

CHIO oder den Weltreiterfestspielen machte sich

der Brüder, niemand die sehens- und schmeckens­

das Team in diesem Sommer einen hervorragenden

werten Sushi-Kreationen inmitten weißer Lilien

Namen. Gäste aus aller Welt, darunter Hoheiten

genießen müssen, wenn die persönliche Vorliebe

aus dem fernen Dubai, lobten die Kochkünste der

viel eher bei roten Rosen angesiedelt ist.

beiden Köche. Das Soerser Zelt entwickelte sich

Weiße Lilien oder rote Rosen

während dieser Zeit schnell zum Anlauf- und Treff­ punkt der High-Society aus vielen Kontinenten.

Wahlmöglichkeiten, die übrigens auch für die

Ihre Wurzeln an der heimischen Inde wollen Marc

kulinarische Vielfalt gelten. Jenseits von oftmals

und Frank, trotz aller Erfolge in der Fremde , aber

hoffnungslos überfrachteten Menülisten , bietet

keinesfalls vergessen. Das Essperiment ist und

die jeden Monat völlig neu gestaltete Essperiment -

bleibt unser Baby , betont Frank Lersch, und das

Menükarte eine hervorragende und abwechslungs­

werden wir auf keinen Fall vernachlässigen . Am

reiche Auswahl an Gerichten aus Flora und Fauna.

Anfang stand eine innovative Idee - die Realität

Maritime Köstlichkeiten aus Gewässern rund um

kann man heute schmecken, riechen und sehen:

den Globus vollenden die stimmige Zusammenstel­

bei Marc und Frank Lersch im Restaurant Esspe­

lung perfekt ab. Da macht auch die international

riment in Eschweiler.

besetze Weinkarte keine Ausnahme und die ex(ss)perimentellen Cocktails sind für jeden Besucher unbe­ dingtes Must have . Namen, wie Newtons Special oder Frozen Daiquiri sprechen dabei ihre eigene Sprache. Im kuli­ narischen Terminplan ex(ss)perimentierfreudiger Gäste aus Nah und Fern hat das Restaurant inzwischen einen festen Platz. So trifft man in geselliger Runde sowohl bodenständige Genießer, Traditionalisten als auch die Avantgarde der jungen Wilden . Ein weiterer Bereich aus der


ONE MENSCHEN

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einem ganz einfachen Schnittmuster: Dem Sich-Aufeinander-Einlassen. Monotones Kürzen, Färben und Föhnen als handwerkliche Einbahnstraße sind deshalb Relikte aus der Scherenkiste. Das zumindest behauptet der Würselener Friseur Sebastian Lynen. Warum das so ist, und wie Kollegen und Kunden davon profitieren können, verrät uns der 25-Jährige Shooting-Star auf den folgenden Seiten.

Interview und Fotos: Chris Neumann

HAIRCUTS

HAARE SCHNEIDEN IST EINE PHILOSOPHIE und folgt


HAIR ONE MENSCHEN

»Die Haarschnitte werden chicer, weicher und femininer. Der abgefuckte OUT-OF-BED-LOOK ist vorbei«

ONE: Dein Auftritt bei der Trendshow der Friseurin­

Welche neuen Trends dürfen wir in diesem Herbst

nung Aachen Kreis war ein beachtlicher Erfolg. Kann

erwarten?

man eingefleischten Friseuren wirklich noch etwas

Es wird definitiv zurück zu mehr Eleganz gehen. Die

Neues beibringen?

Haarschnitte werden chicer, weicher und femininer. Und

Sebastian Lynen: Ich denke, jeder Friseur hat eine eigene

vom Friseur wird deutlich mehr Präzision bei der Arbeit

Interpretation von Mode. Was wir auf unseren Shows

verlangt werden. Der abgefuckte out-of-bed-look, wie

zeigen, ist eine andere Technik Haare zu schneiden. Eine

er die letzten Jahre propagiert wurde, ist vorbei. Es gibt

neue Ebene so zusagen. Über diese neue Technik haben

jedoch keine bestimmte Frisur oder Form, die im dabei

wir es denke ich geschafft, die Friseure zu fesseln und zu

im Mittelpunkt stehen wird. Für mich sind Mode und Trends

begeistern.

sowieso sehr relative Beschreibungen. Jede Kundin hat

Wer entwickelt die immer neuen Trends? Und welche

einen eigenen Charakter. Sie besitzt ihre eigene

Zielgruppen stehen im Fokus?

Individualität in Form von Haarlänge und Haarqualität.

Eigentlich macht der Kunde die Mode. Das heißt, dass,

Darauf muss man als Friseur aufbauen - Trend hin, oder

was die Kundin schön findet, was sie mag, ist das, was

her. Es muss einfach passen. Es geht auch am Thema

nachher auch als Mode empfunden wird. Als Friseur oder Hairdresser hast du Ideen, die bietest du der Kundin an - das geschieht oft über eine ganze Saison hinweg. Das, was die Kundin davon annimmt ist später dann der Trend, der sich auf der Straße durchsetzt. Inspirieren kann man sich als Friseur eigentlich beinahe überall. Dazu zähle ich eine Parkbank auf der du Leute beobachtest genauso, wie ein Museum, in dem du dir Skulpturen ansiehst. Daraus entstehen im besten Fall dann Visionen, die umgesetzt werden können. Als Friseur kannst du nur dann eine eigene Aussage finden, wenn du alle Strömungen auf­ saugst , das Beste daraus für dich neu interpretierst, und gemeinsam mit dem Kunden neu erarbeitest. Auf regionaler Basis wird oft wenig oder gar kein eigenes kreatives Potenzial genutzt - man macht nach, was andere vormachen? Leider Gottes ist das in vielen Fällen so. Viele Kollegen kopieren mehr, als das sie wirklich kreieren, weil oft einfach die Technik dazu fehlt. Dennoch denke ich, dass es hier bei uns sehr wohl Mode und Trends gibt. Der mediale Fokus liegt nur leider auf den großen Metropolen.

vorbei, wenn in diesem Zusammenhang von den 60ern, 70ern, oder 80ern gesprochen wird. Das sind immerhin jeweils zehn Jahre und da gab es mehr als nur eine Modebewegung mit einer Vielzahl von Unterordnungen. Aus dieser Zeit dann eine spezielle Frisur stellvertretend herauszunehmen wird der Vielfalt nicht gerecht. Die gefühlte Friseurdichte in den Städten ist ziemlich hoch. Die Konkurrenz und somit der Preiskampf ist hart. Kann man als normaler Salon in diesem Milieu überhaupt noch Geld verdienen? Ja, kann man. Ich glaube, wenn man sich auf die Mittel­ klasse besinnt, was auch die Preisgestaltung mit einbezieht, kann man durchaus auch heute noch sein Geld mit dem Haare schneiden verdienen. Vor allem, wenn man bereit ist, Qualitätsoffensiven zu betreiben und in seiner Preis­ kategorie ständig an dieser Qualität zu arbeiten und sie weiter auszubauen. Ich glaube nicht an die Zwei-SpartenGesellschaft, in der es nur teuer oder billig gibt. Für mich ist der Preis relativ in der Aussage über die Qualität des Haarschnitts. Der Unterschied ist der: Möchte ich lieber an einer Marmorplatte sitzen und dafür zehn Euro mehr

Und wenn man London oder Mailand sagt, meint man

bezahlen, oder bin ich auch mit einer Holzplatte zufrieden,

schließlich ja auch nicht nur den engsten Stadtkern es

auf der mein Kaffee steht.

gibt noch viel mehr. Mode kommt für mich ganz sicher auch aus kleinen Städten und wir haben eine Menge

Du hast dich zusammen mit deinem Vater Günter

kreativer Köpfe auch hier bei uns.

bewusst für den Standort Würselen entschieden

66


Show your Hair: Sebastian Lynen erklärt während der Trendshow der Friseurinnung Aachen Stadt den anwesenden Kollegen spezielle Schnitttechniken.

und orientierst dich dennoch an internationalen Trends. Ist das kein Widerspruch? Das ist absolut kein Widerspruch. Trends und Mode, darüber haben wir Eingangs gesprochen, passieren auch

Virtuos: Der amerikanische Starcoiffeur Rafe Hardy demonstriert SIM (Structure in Motion) am »lebenden Objekt«.

in einer kleinen Stadt. Darum ist es für mich völlig ohne Bedeutung wo der Salon angesiedelt ist, wer du bist oder was du bist. Hauptsache du bleibst am Puls der Zeit und gehst mit dem Jetzt dem Hier und Heute. Die Lage des Salons ist dabei vollkommen egal. Erfolg ist also keine Frage des Standorts. Nein. Erfolgsgaranten sind eher die Personen, die dahinter stehen. Und ganz wichtig ist die Philosophie, die vermittelt wird. Du bist oft im Ausland und arbeitest unter anderem Mit Michael O Rourke und Rafe Hardy von SexyHair

Kunden im Salon angenommen, oder hagelt es auch

zusammen. Da stellt man sich schnell den abgedreh­

schon mal kopfschüttelnde Kommentare?

ten Überfriseur mit Promiladen an der besten Adres­

Eine Eins zu Eins-Kopie von dem, was man woanders

se vor. Werden deine Ideen und Konzepte von den

gesehen hat, zu erstellen, ist für mich ein absolutes Tabu.

CUTS »Trends und Mode passieren auch in einer kleinen Stadt«


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HAIR »Der Friseur, der Trends und Strömungen in der heutigen Zeit negiert, wird nicht überleben«

Anleihen an Trends und Strömungen sind ok, aber gänzlich

Auszubildende im ersten Lehrjahr. Für mich sind solche

Dinge von anderen zu übernehmen zeugt von wenig

Kategorisierungen sehr relativ.

eigener Kreativität. Für mich ist wichtig, das zu machen,

Was muss deiner Meinung nach ein Friseur in der

was die Kundin wünscht natürlich verknüpft mit den

heutigen Zeit mitbringen, um erfolgreich zu sein?

Anleihen, die ich als Friseur zum Beispiel im Ausland

Herzblut, Spaß und Freude daran zu haben, jemandem

erwerbe. Ich bin niemand, der dem Kunden einen Trend-

Freude zu machen. Und natürlich handwerkliches Können

Stempel aufdrückt. Was gar nicht geht auch nicht bei

und das nötige Geschick im Umgang mit seinen Kunden.

den Star-Friseuren ist eine diktatorische Art, dem

Weiterhin sollte er nicht schlafen was Trends und Mode

Kunden ohne Wenn und Aber aktuelle Trends auf den Kopf

betrifft - darüber haben wir eben gesprochen. Und dabei

zu setzen. Alles basiert auf der Kommunikation zwischen

meine ich nicht nur die Haarschnitte, sondern auch die

Friseur und Kunden. Und das gilt für die Otto-Normal-

sich verändernde Zeit im Allgemeinen. Ein Meistertitel

Verbraucherin genauso, wie für das Society-Girl.

beispielsweise sagt gar nichts über das Können des jeweiligen Friseurs aus.

Was machen die Starcoiffeure von Sexy Hair anders und was kann der normale Friseur von Rafe Hardy

Wie sieht s mit den Äußerlichkeiten aus. Sollte ein

und Co. lernen?

Friseur, der was auf sich hält, immer Vorbild in

Bei SexyHair steht die Philosophie im Fordergrund. Wir

Sachen Haartracht sein?

möchten der Kundin mehr mit nach Hause geben, als nur

Er sollte definitiv eine Vorbildfunktion haben. Denn das,

einen Haarschnitt. Ziel ist in meinem Fall eine Interpretation

was ich selber nicht verkörpere, kann ich später auch

von dem, was die Kundin ist, wie sie wirken möchte. Man

meiner Kundin nicht verkaufen . Dazu zählen Haare

muss mit Herz und Seele bei der Sache sein, seine Kundin

ebenso wie der persönliche Kleidungsstil. Was meine Frisur

kennen lernen, um so die passendste und individuellste

angeht ist es leider so, das ich, aus genetischen Gründen,

Lösung erarbeiten zu können. Man könnte es auch als

nicht mit einer üppigen Haartracht dienen kann. Damit

Lebensgefühl bezeichnen, das wir im Laden vermitteln. Vielen Kollegen sind die ganzen Trends eine Nummer zu groß und elitär für ihre Kunden. Deine Einschätzung: falsche Klientel oder falsche Geschäftspolitik? Falsche Geschäftspolitik, ganz eindeutig. Der Friseur, der Trends und Strömungen in der heutigen Zeit negiert sie nicht wahrnimmt wir nicht überleben. Es sind diejenigen, die es meiner Meinung nach schlichtweg verpennt haben, mit der Zeit zu gehen, und so dem Kunden etwas vorent­ halten. Es passiert so viel, da kann man es sich nicht leisten eine Sekunde die Augen schließen. Täte man es,

falle ich, was den Haircut angeht, in dieser Beziehung aus dem Bewertungsraster. Meine Mädels achten schon von sich aus auf ihr Äußeres. Sie haben immer das Bestreben gut auszusehen und Mode auf ihrem Kopf zu tragen. Wie wirst du eigentlich lieber genannt: Friseur oder Hairdresser Friseur gefällt mir besser. Der amerikanische Ausdruck Hairdresser ist ein weiterer Anglizismus, von dem wir sicher schon genug haben. Jeder spricht nur noch von Location und nicht mehr von Räumlichkeit. Nein, Friseur ist schon ok.

würde man den Abstand verlieren und letztendlich scheitern. Deine Kopfbedeckungen sind fast schon ein Marken­ Jeder Kleine Friseur kann also von den Ideen der

zeichen. Gibt es eine Geschichte dahinter?

Großen in jeder Hinsicht profitieren.

Ja, es gibt eine kleine Geschichte dahinter. Irgendwann

Gegenfrage: Wer ist groß und wer ist klein? Für mich ist

habe ich auf einer Show das erste Mal einen Hut getragen

ein Friseur groß, wenn eine eigene Aussage hat, hinter

- vorher hatte ich immer eine Glatze. Später habe dann

der steht, was er tut. Und er es auch begründen kann.

die Bilder gesehen, die während der Show aufgenommen

Das kann ein kleiner Dorffriseur genauso sein wie eine

wurden, und habe festgestellt: Ok, die Glatze ist schön,


CUTS

ONE MENSCHEN

aber der Hut hat auch etwas. Letztendlich bin ich bei der

Wann können wir dich das nächste Mal in Aktion

Entscheidung pro Hut geblieben. Für mich ist die Kopf­

sehen? Sind weitere Shows oder Events hier in der

bedeckung auch eine Aussage - wie auch immer diese

Region geplant.

dann am Ende interpretiert wird. Von daher ist der Hut

In der Region zurzeit leider nicht. Im Augenblick finden

schon zum Markenzeichen geworden.

unsere Shows deutschlandweit statt. Im Oktober findet dann die Friseurmesse Salon International in London

Also kein bewusstes Stilmittel des exzentrischen

statt, die ich auch besuchen werde. Anfang November

Figaros?

werde ich dann noch einmal nach Los Angeles reisen.

Nein, auf keinen Fall. Die Entscheidung kam aus dem

Dort wird das SexyHair-Team, dem ich als Ausbilder und

Bauch heraus, rein intuitiv. Dazu brauchte ich keinen

Team- Leader angehöre, geschult und trainiert.

Stilcoach.

Bist du eitel?

Ja, ich bin sehr eitel. Ich lege viel Wert auf mein Äußeres, weil mein Beruf schließlich auch etwas mit Äußerlichkeiten zu tun hat.

Während der Trendshow in Aachen haben Rafe Hardy und du eine neue Schnitttechnik vorgestellt. Erklär uns bitte kurz, welche Philosophie sich hinter SIM (Structure in Motion) versteckt. Eine neue Dimension des Haareschneidens in gerundeten und gebogenen Formen. Dazu zählen das Strukturgeben und Längenbestimmen, immer im Kontext zu den natürlichen Rundungen des menschlichen Kopfes. Stufun­ gen und Graduation werden aus einer Bewegung heraus erarbeitet. Im Gegensatz dazu arbeitet der Friseur beim klassischen Schnitt immer im rechten Winkel zum Kopf, was automatisch eine harte (Schnitt)- Kante verursacht. Structure in Motion schließt auch die Haltung und Bewegung des Friseurs ein. Abschließend: Welche Ziele verfolgst du in den nächsten Jahren? Wirst du uns hier in Provinz auch weiterhin als Trendsetter erhalten bleiben? Ich möchte mit meinem jetzigen Team wachsen. Wachsen in punkto Qualität wachsen in Sachen Mode und, räumlich gesehen, in der Größe des Geschäftes. Wobei die erfolg­ reiche Zusammenarbeit mit unserem Team an erster Stelle steht, das die Philosophie zusammen mit meinem Vater Günter und mir weiter mit Leben erfüllt. Wenn man Aachen und Umgebung als Provinz bezeichnet, dann möchte ich definitiv hier bleiben und weiterhin die Welt bereisen, und so mit dazu beitragen, dass das Wort Provinz irgendwann einmal seine Gültigkeit verliert.

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Haarstudio

Günter Lynen bsexyhair Top-Stylist Sebastian Lynen

Hauptstraße 123 · 52146 Würselen-Broichweiden, Telefon 02405 / 7 10 51 · Termine nach Vereinbarung Öffnungszeiten: Di. - Do. 8.30 - 18.30 Uhr, Freitags 8.30 - 20.00 Uhr · Samstags 8.00 - 15.00 Uhr


NEWS

Reiz und Scham 15. Oktober 2006 bis 27. Mai 2007 Ausstellungskatalog: 6,95 Rheinisches Industriemuseum Textilfabrik Cromford Cromforder Allee 24 40878 Ratingen www.rim.lvr.de Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag 10-17 Uhr Eintritt: 3 , erm. 2,50 , Kombikarte Dessous und Dauerausstellung 5 Rheinisches Industriemuseum Tuchfabrik Müller Carl-Koenen-Straße 53881 Euskirchen www.rim.lvr.de Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag 10-17 Uhr Eintritt: 1,50 Information und Buchung von Führungen kiR-kulturinfo Rheinland Tel.: 01805-743465 (0,12 / Min.) info@kulturinfo-rheinland.de Foto oben: Jürgen Hoffmann, © Landschaftsverband Rheinland / Rheinisches Industriemuseum

Reiz und Scham von Pariser Popöchen und Push-Up-BHs

In der einstigen Textilfabrik Cromford am Schauplatz Ratingen präsentiert das RIM auf rd. 350 qm mehr als 250 Originalexponate. In der Ausstellung Dessous treffen die weiße Rüschenunterhose und das Atem raubend eng geschnürte Korsett des 19. Jahrhunderts auf die Panties, Tangas und Spitzen-BHs von heute, die mit sehr viel weniger Stoff auskommen als ihre Vorgänger. Auch die frühen BHs der 1920er, edle Seidenensembles der Femme fatale sowie panzerartige Mieder und Spitzentüten-BHs der Wirtschaftswunderzeit lassen den Wandel der Unterwäsche ins Auge springen. Wie anziehend das Darunter tatsächlich ist, liegt allerdings im Ermessen des Betrachters - oder der Betrachterin. Die Präsentation macht deutlich, dass nicht alle den gleichen Blick auf Krinoline & Co. hatten und haben: für die Näherin ist ein Dessous vielleicht nur ein Stück Stoff, ein Arzt mag es als ungesunde Unterwäsche verurteilen, während das Darunter für einen anderen die Erfüllung erotischer Träume bedeutet. Modejournale, Fotos, Accessoires und Filme ergänzen die Ausstellung. Verhüllung kann äußerst reizvoll sein - und das nicht erst seit Christo. Doch das, was man darüber trägt, hat sich im

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Laufe der Zeit erheblich gewandelt. Was aber durfte und darf dabei vom Körper gezeigt werden - und was nicht? Was war gerade noch akzeptabel und was verstieß schon gegen die ungeschriebenen Regeln von Reiz und Scham? Diesen Fragen geht ab dem 15. Oktober die Ausstellung Kleider und Körper seit 1850 in der ehemaligen Tuchfabrik Müller in Euskirchen nach. Auf 270 Quadratmetern erwarten Besucherinnen und Besucher mehr als 200 reizvolle Exponate aus über 150 Jahren. Ball- und Gesellschaftskleider, Sportund Strandanzüge, Grafiken und Fotografien sowie Kunst und Werbung erzählen, wie durch Kleidung mit Reiz und Scham gespielt wurde. Ob Beine, Busen, Po oder Taille die Ausstellungsstücke erzählen von Sittlichkeits- und Tugendvorstellungen ihrer Zeit beziehungsweise vom Spiel mit körperlichen Reizen. Doch auch Reformbewegungen und kulturelle sowie politische Strömungen kommen in der Ausstellung ins Spiel. Gezeigt wird, wie sich die ungeschriebenen Gesetze der Verhüllung in verblüffender Weise rasch verschieben und mit ihnen das, was als reizvoll oder auch als anstößig empfunden wurde.


Foto: Chris Neumann, © ONE MEDIA Publishing


AUTOMOBIL

Free Climbing Unübersehbar hohe Abhänge, unbefestigte Zufahrtsstraßen und schier unbezwingbares Gelände. Für zwei Tage bat die KohlGruppe mit ihrer Abteilung Land Rover zur Ausfahrt Text und Fotos: Chris Neumann

der besonderen Art. Auf der hauseigenen OffroadTeststrecke wurde niemand geschont. Wir waren live dabei - und schwer beeindruckt.

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AUTOMOBIL

Aufgesessen

Einige mutige wagten sich während der Ausfahrt an schier unüberwindliche Hindernisse. Wie in diesem Fall. Mit mäßigem und gewiss Fahrzeug schonenden Anlauf schaffte es dieser Teilnehmer zwar sicher zum Scheitelpunkt des Sandhügels. Dort ließ der Vortrieb jedoch abrupt nach. Vier gänzlich frei drehende Räder bescherten dem Fahrer einen unfreiwilligen Aufenthalt in luftiger Höhe.

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Wo zum Teufel geht s hier wieder runter . Dieser Ausruf wird manchem Teilnehmer der Kohl Offroad-Challenge noch heute - 8 Wochen danach klamme Handflächen bescheren. 35 aktive und zukünftige Landy-Besitzer traten im August an, um auf der hauseigenen Teststrecke der KohlGruppe im niederrheinischen Erkelenz ihr fahreri­ sches Können unter Beweiß zu stellen und wagten sich - zunächst unter Anleitung eigens angereister Instruktoren - an die Grenzen der Belastbarkeit von Mensch und Material. Die anfänglichen Beden­ ken einiger Newbies (Fahrer ohne Geländeerfahrung) erwiesen sich im Nachhinein keineswegs als übertrieben. Nicht ganz so einfach war es nämlich, in einem straßenzugelassenen SUV, zu deren Gattung Freelander, Defender und Range Rover zweifelsohne zählen, einmal kreuz und quer über Steilhänge, Sandberge, rumpelnden Schot­ terpisten und durch Furcht einflößenden Wasser­ durchfahrten zu reiten. Die theoretischen vertikalen und horizontalen Böschungswinkel, mit denen ein Land Rover gekippt werden kann ohne wirklich zu kippen - seien hier nur der Form halber erwähnt. Denn wohl kaum ein Normalsterblicher würde sich freiwillig an solch extreme Neigungen heranwagen. Genau dieses Gelände allerdings hatten die Orga­ nisatoren aus dem Hause Kohl ausgewählt, um den mehr oder weniger mutigen Land Rover-Fans

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AUTOMOBIL

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die geballte Ladung Offroad zu verpassen. Nicht so verwunderlich, denn jeder bekennende Liebhaber der britischen Geländewagen-Schmiede fühlt sich abseits befestigter Straßen und in schwerem Gelände erst dann richtig wohl, wenn entweder der Blick über die Motorhaube nur noch die Wolken am Himmel erkennen lässt oder vice versa Kühlergrill samt Scheinwerfer im schlammfarbigklebrigen Pistenwasser verschwinden. Und genau die Art Nervenkitzel war es, den die Teilnehmer des Ausritts ins Geheim erwarteten. Free-Climbing wäre eine im Wortsinn richtige Umschreibung der beiden Abenteuer-Erlebnistage gewesen. Denn es wurde weder unterschieden noch kategorisiert. Motorleistung und Geschlechterzugehörigkeit zählten in der überdimensionalen Sandgrube wenig. Frauen stan­ den ihren Mann genauso wie Männer an die Grenzen ihrer vermeintlichen (technischen) Überlegenheit gerieten. Alles schien möglich. Lediglich die prüfenden Augen der Instruktoren von Land Rover Experience mussten der Offroad-Euphorie in einigen Fällen und zur Sicherheit der Insassen etwas Zurückhaltung in der Streckenauswahl gebieten. Beliebt waren neben den teilweise Schwindel erre­ genden Hangabfahren vor allem die zahlreichen Wasserlöcher. Kleinere pfützentiefe Varianten konn­ ten gefahrlos mit fontänenhaft spritzenden Was­ serwogen im Schnelldurchmarsch genommen wer­ den, während jene - an mittlere Forellenteiche erinnernder - Löcher schon bei der Trockeninspek­ tion per pedes von den Schlammrittern mit Ernst und tiefem Respekt begutachtet wurden. So blieb im letzteren Fall auch nur der wirklich harte Kern beeindruckt und diskutierend am Ort der ultimativen und finalen Herausforderung zurück. Jeweils zwei Brüder aus der Land Rover-Familie begaben sich nach intensiven Abwägungen der

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Das Teufelsloch: Nur mit viel Gefühl und dem richtigen Gespür für Geschwindigkeit, ließ sich der hüfttiefe Tümpel bezwingen.


AUTOMOBIL

Mittendrin statt nur dabei: »Schirmherrin« Gisela Kohl-Vogel gönnt sich abseits der schlammigen Pisten eine wohlverdiente Ruhepause. 80


>> jeweiligen Steuermänner an den Start. Die klas­ sisch-robusten Defender in der langen 110er Vari­ ante meisterten schon die anspruchsvolle Anfahrt zum Teufelsloch problemlos. Die edelgeschürzten Discovery-Geschwister hingegen hatten hier und da Berührungsprobleme mit den steilen Kanten der Böschungen. Aber auch ihnen gelang nach einigen Anläufen schließlich der Slide durch die schmierseifenglatten An- und Abfahrten der Tümpel. Immer jedoch in gebührendem Abstand und vorbei am Teufelsloch, das zuvor schon einige unerschro­ ckene Landy-Fahrer auf den Grund gezogen hatte. Nur ein erfahrener Abenteurer brachte den Mut auf und forderte von seinen Defender ungeahnte Höchstleistungen. Schreiend und mit dunkel­ schwarzen Qualmwolken quittierend trieb der ölbefeuerte Motor des Ur-Landrover vorwärts. Trübe gelbbraune Wassermassen schwappten derweil beängstigend hoch in Richtung Windschutzscheibe während die Mittendifferentialsperre Vorder- und Hinterachse in gleiche Drehung versetzte. Die Durchfahrt wurde zum Bravourstück und lieferte erneut den lebendigen Beweiß für die beinahe unschlagbaren Offroad-Eigenschaften der legendären Defender-Serie. Als Lohn für die Strapazen wartete auf alle Teilneh­ mer im Anschluss des offiziellen Treck ein reichhaltig gedeckter Tisch im Verpflegungsbiwak, das standesgemäß vom Familienrestaurant Kohlibri mit allerlei stärkenden Köstlichkeiten bestückt wurde. Hier hatten schon in der Nacht zuvor einige weit angereiste Teilnehmer ihr (Zelt-)Lager aufge­ schlagen. Die intensiven Erlebnisse der KohlOffroad-Challenge und all die viele Geschichten, die an diesem Abend die Runde machten, werden sicher ihren Teil zum Mythos Land Rover beitragen. Denn dieses Automobil, da waren sich alle einig, ist nicht nur ein Geländewagen, sondern THE BEST 4x4 FAR.


MENSCHEN Fotos Chris Neumann

Christian Moullec und seine Zwerggänse über dem Himmel von Merzbrück.

DIE MAMA IST EIN FLUGZEUG... Das Auswildern von vor dem Aussterben bedrohten Zwerggänsen, hat sich der Franzose Christian Moullec (41) aus der Auvergne zur Aufgabe gemacht. Mit unendlich viel Geduld, Idealismus und Liebe zu den Tieren trainiert er unermüdlich mit seinen Vögeln. Dabei tritt er ihnen nicht als Mensch sondern als Vogelvater entgegen, um ihnen den späteren Abschied zu erleichtern.

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Christian Moullec hat einen Traum: mit den

ausgeprägten Gesichtssinn. Sie haben außerdem spezielle

Gänsen zu fliegen, und zwar mit Zwerggänsen. Die

Sensoren, die auf den magnetischen Norden reagieren.

Schweden nennen sie "die Gans der Berge", in den meisten

Dieser "innere Kompass" wird zur Orientierung ebenso

Ländern heißt sie jedoch "Zwerggans", denn kaum eine

genutzt wie die Position von Sonne, Mond und Sternen.

andere Gans ist so klein wie sie. Einst bevölkerte sie weite Gebiete am nördlichen Rand Europas und Asiens. Heute

Christian Moullecs Traum hat sich erfüllt. Wenn er in

ist die Art vom Aussterben bedroht. Sie brüten in der

seinem offenen Flugzeug dahingleitet, fühlt er sich den

Tundra und ziehen im Winter gen Süden. Dabei überqueren

Wolken nah. Fast sieht es so aus, als säße er wie Nils

sie Regionen, in denen sich die einstige Wildnis verändert

Holgersson auf dem Rücken der Vögel.

hat und wo ihnen die Jäger auflauern - eine gefährliche Route.

Selbst wer es mit eigenen Augen gesehen hat, kann es

Christian und seine Frau Paola haben nun einen trickreichen

kaum glauben: In einigen Hundert Metern Höhe fliegt

Plan entwickelt. Sie ziehen Zwerggänse auf und wollen

Christian Moullec mit seinem Ultralight-Flugzeug und

ihnen als Adoptiveltern eine ungefährliche Flugstrecke

ihm folgt in der typischen V-Formation ein Schwarm von

zeigen. Wenige Tage vor dem Schlüpfen durchstoßen die

rund zwanzig Zwerggänsen. Er tauscht mit ihnen Blicke

Küken eine Luftblase im Inneren des Eis. Christian beginnt

aus, und gelegentlich berührt er ihre zarten Federn im

nun, mit ihnen zu sprechen - und die Kleinen antworten.

Flug mit den Händen. Andere Zugvögel begegnen dem

Mit

genannten

seltsamen Vogelschwarm in den Lüften, Tausende von

Stimmfühlungnahme, vollzieht sich die "Prägung", durch

Eiderenten, Kranichen, Sperlingsvögeln, Reihern und viele

die Christian zur "Gänsemutter" wird. Ein idealer Zeitpunkt,

Greifvögel, die auf gleicher Höhe fliegen. Manchmal

um die Küken mit den Geräuschen des Flugzeugmotors

geschieht es, dass sich einige Wildvögel zu der Gänseschar

und der Hupe vertraut zu machen. Denn die "Ersatzmutter"

gesellen Augenblicke, die Christian Moullec zu seinen

kann schließlich nur mit Hilfe eines Ultraleichtflugzeugs

intensivsten Erlebnissen zählt: »Das ist der Traum eines

fliegen. Das Unglaubliche geschieht. Sie schaffen es, die

jeden Vogelbeobachters, selbst Teil eines Schwarms zu

Gänse an ein Ultraleichtflugzeug zu gewöhnen. Und so

sein. So etwas vergisst man nie wieder.«

dem

ersten

Ko n t a k t ,

der

so

fliegen sie heute gemeinsam mit ihren "Kindern" in luftigen Höhen. Oft entstehen dabei einzigartige Aufnahmen der Zwerggänse. Die Experimente mit den Gänsen sind nur möglich, weil Zugweg und Zugverhalten der Gänse - anders als bei Singvögeln - nicht im Erbgut verankert sind. Gänse verfügen stattdessen über die erstaunliche Fähigkeit, sich den Ort einzuprägen, an dem sie fliegen gelernt haben. Er gilt ihnen als ihre "Heimat", in die sie jedes Jahr zurückkehren, um sich dort fortzupflanzen. Eine einzige Reise mit den Eltern genügt, um den Weg für immer in ihnen festzuschreiben. Doch Zugvögel haben nicht nur ein erstaunliches Gedächtnis und einen besonders

»Das ist der Traum eines jeden Vogelbeobachters, selbst Teil eines Schwarms zu sein. So etwas vergisst man nie wieder.«


BILDER

ROCKI N THE SKY Text und Fotos: Chris Neumann

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein .

Das stellte Reinhard May bereits vor langer Zeit fest. Ein genaues Bild dieser Freiheit hätte sich der Liedermacher im beim Westflug-Festival machen können. Die Organisatoren boten erneut ein Programm der Superlative. Die viel besungene Freiheit begann für die Besucher bereits am Boden. Viele unterschiedliche Attraktionen darunter ein lebensnahes Model des am Flughafen stationierten ADAC Rettungshubschraubers Christoph Europa 1 zog neugierige Blicke auf sich. Ein weiterer Anziehungspunkt war der weltgrößte einmotorige Doppeldecker. Zumal die russische nicht nur als Modell zu bestaunen war. Die Rundflüge in der Antonov AN2 wurden vor allem für die zum Erlebnis, deren fliegerische Erfahrung normalerweise nicht weit über die modernen Sessel in einem komfortablen Linienjet hinausgehen 1953, dem Baujahr der Anna , wurden bekanntlich andere Anforderungen an die Gemütlichkeit über den Wolken gestellt. Sowohl Start als auch die Landung der 1.000 PS starken Maschine (Nato Codename Colt ) wurden zum sehenswerten Spektakel, denn mit ihren über 18 Metern Spannweite ist die Antonov wahrlich keine zierliche Dame. Zu den mutigsten Männern am Steuerknüppel zählte auch diesmal wieder Walter Kampsmann. Der Ausnahmepilot und Local-Hero gab den staunenden Besuchern einen Kostprobe von dem, was Top-Gun-Schönling Maverick alias Tom Cruise schon 1986 berühmt machte. Mit waghalsigen Flugmanövern, deren guten Ausgang oft erst im letzten Moment offensichtlich wurde, übertrumpfte Walter Kampsmann die Filmpiloten in seiner Extra 300S. In wenigen Metern Höhe und mit beinahe quer gestellter Maschine donnerte der martialisch bemalte gelbe Kunstflieger an der applaudierenden Menge vorbei. Zieht man solche Flugabenteuer als Meßlatte für das nächste Westflug-Festival heran, so ist heute der Erfolg schon garantiert.

Infos: www.westflug.de 84





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