München Architektur Programm | 07 + 08 2016
»WORLD OF MALLS. ARCHITEKTUREN DES KONSUMS« 14.07. - 16.10.2016 Ausstellung im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne; Foto: El Helicoide, Jorge Romero Gutiérrez, Pedro Neuberger, Dirk Bornhorst, 1955-1960, Caracas, Venezuela; © Pietro Paolini/TerraProject
fünf FRAGEN AN
World of
Malls Am 13. Juli eröffnet die Ausstellung »World of Malls. Architekturen des Konsums« im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne. Ein Gespräch mit der Kuratorin Vera Simone Bader Warum sollen wir uns gerade jetzt mit Shopping Malls beschäftigen? In der letzten Zeit haben sich Journalisten der nationalen wie auch internationalen Tagespresse verstärkt mit der Frage beschäftigt, ob die Zeit der Shopping Malls vielleicht schon bald vorbei ist. Der stetig steigende Umsatz des OnlineHandels scheint ein triftiger Grund dafür zu sein, dass vor allem in den USA immer mehr dieser Shopping-Giganten vor dem Aus stehen; und auch hierzulande beschäftigen wir uns mit der Zunahme des Leerstandes, vielleicht nicht im gleichen Ausmaß, aber es gibt dieses Phänomen eben auch. Nur dürfte der teils mit großer Schadenfreude prophezeite endgültige Niedergang noch auf sich warten lassen. Denn es ist auch sichtbar, dass weltweit zahlreiche neue Shopping Malls geplant, gebaut und eröffnet werden. Sicher steht die Bautypologie seit Jahren vor großen Veränderungen und zeigt sich gerade in ihren Verwandlungen als sehr überlebensfähig. Ihre Betreiber bauen nicht mehr bloße Einkaufszentren, sondern bemühen sich um einen viel größeren Servicebereich, zu dem neben Erlebnisangeboten inzwischen auch das Wohnen gehört. Mit diesen neuen Komplexen verwirklichen private Investoren mittlerweile
also ein Stück Stadt mit. Wie diese urbanen Bausteine gestaltet werden, darf uns in einer demokratischen Gesellschaft aber in keinem Fall egal sein und nicht den Entwicklern allein überlassen werden. Daher ist ein guter Zeitpunkt gekommen, einen Blick auf die Transformationsprozesse dieser Bautypologie zu werfen, auch um eine Diskussion voranzutreiben, ob und wie sich die Shopping Mall in Zukunft positiv entwickeln kann. Nach welchen Kriterien wurde die Auswahl der Projekte getroffen? Uns war es wichtig, in der Ausstellung den Entwicklungsprozess aufzuzeigen, weswegen die Projekte chronologisch angeordnet sind. Wir beginnen den Erzählstrang tatsächlich mit den ersten Shopping Centern, die in den 1950erJahren in Amerikas Vorstädten entstanden und zeigen durch prägnante Beispiele, wie sie nur zwei Jahrzehnte später die Städte eroberten und darin bis heute ganz neue und unterschiedliche Funktionen übernehmen. Dabei spielen nicht nur Entwürfe aus den USA eine Rolle. Viele Projekte, die wir zeigen, sind in Europa – vor allem in Deutschland –, aber auch in den arabischen Emiraten und in Asien verwirklicht worden. Natürlich kann die Ausstellung nur eine sehr stark beschränkte Auswahl zeigen. Jeder Besucher hat ohnehin seine eigene Shopping Mall im Kopf und wird sich Gedanken über deren Vorzüge und Nachteile gegenüber den ausgestellten Beispielen machen. Bei der Auswahl ging es uns vor allem darum, exemplarische Bauprojekte zu finden, Fixpunkte, die jeweils einen bestimmten Aspekt im Transformationsprozess beleuchten.
land an zweiter Stelle. Wenn diese Unternehmen Shopping Center bauen, dann erst ab einer bestimmten Größe, und meist gewinnen sie für ihre Objekte Mieter, von denen sie wissen, dass sie erfolgreich sind. Daher kommt es in Shopping Centern oft zu den immer gleichen Warenund Dienstleistungsangeboten. Es gibt natürlich auch kleinere Unternehmen oder einzelne Investoren, die Einkaufszentren bauen; diese sind insofern flexibler, als dass sie keinen so enormen Unternehmensapparat unterhalten müssen und können dann auch mal in Größe und Inhalt variieren. In der Ausstellung zeigen wir im Übrigen Interviews mit Betreibern und Architekten von ECE und Unibail-Rodamco, die solche Fragen beantworten. Sie erklären in den Gesprächen, auf welche Aspekte sie bei Shopping Centern Wert legen, wie diese ihrer Meinung nach aufgebaut sein müssen und welche Veränderungen in den letzten Jahrzehnten vorgenommen wurden. Diese Interviews stehen natürlich nicht allein! Es gibt auch Gespräche mit bekannten deutschen Architekten, mit der Stadtbausenatorin von Berlin, der ehemaligen Stadtbaurätin von München und Stadtplanern, die ihre Sicht auf die Shopping Center erläutern. All diese Stimmen zeigen die verschiedenen Kräfte, die bei der Entstehung einer Shopping Mall zusammenkommen und veranschaulichen die unterschiedlichen Bedürfnisse. Nimmt sich der Besucher die Zeit und schaut sich einige dieser Interviews an, dann erfährt er viel darüber, welche Bedeutung Shopping Center in Deutschland haben und welche Rolle die Architektur spielt oder spielen könnte.
Wer baut Shopping Malls und wie viele gibt es in Deutschland? In Deutschland gibt es derzeit rund 500 Shopping Center, die über 10 000 qm groß sind. Etwa 190 davon hat allein die ECE Projektmanagement GmbH & Co.KG gebaut oder sie werden von dieser Firma verwaltet. Die französische Unibail-Rodamco SE steht in Deutsch-
Wie sieht die Zukunft des Einkaufens aus? Werden wir künftig nur noch in Malls und Villages shoppen oder wird der Bautypus durch die unzähligen Online-portale obsolet? Der Online Handel führt sicherlich zu einem Umdenken und stellt in jedem Fall eine große Konkurrenz für die Shopping Center dar. Es ist aber nicht so, dass die Betreiber still abwar-
ten, was die Zukunft bringen wird, sondern sie gehen auf diesen neuen Trend ein, indem sie Möglichkeiten des Internets für sich und ihre Konzepte nutzen. Und nicht nur das: Die Showrooms für die einzelnen Mieter werden wahrscheinlich immer kleiner ausfallen. Das gesamte Angebot ist dann wohl nur noch Online zu erfassen. Dafür gibt es aber mehr Platz, um die Shopping Mall als Erlebnisort zu gestalten. Das große Bedürfnis der Menschen, sich zu begegnen, haben die Betreiber schon längst für sich erkannt. Daher wird beispielweise der Gastronomiebereich in Shopping Malls seit Jahren immer weiter ausgebaut. Auch andere Dienstleistungen wie Kinderbetreuung und Altenpflege werden vielleicht zunehmend für diese Projekte wichtig werden. Die Betreiber bauen schon jetzt keine Shopping Center mehr auf der grünen Wiese. Diese sind in Deutschland genauso unattraktiv geworden wie diejenigen, die nur Waren anbieten – also reine Einkaufszentren sind. Denn Shopping Malls müssen zum einen auch ohne Auto gut erreichbar sein, und zum andern sollen sie öffentlichen Raum suggerieren. Auf einmal spielt für die Objekte Urbanität und mit ihr zusammen die umliegende Stadt eine ganz neue Rolle. Ein Wort zur Ausstellungsgestaltung? Ich habe für die Ausstellung mit dem Berliner Architekturbüro Stiftung Freizeit eng zusammengearbeitet, so dass eine starke Verbindung zwischen Inhalt und Gestaltung möglich war. Das Thema schreit natürlich nach einer großen Inszenierung, dem die Architekten allein dadurch nachgekommen sind, als dass sie bestimmte Elemente der Shopping Mall aufgreifen und diese formal auf die Spitze treiben oder auch verfremden. So wird ein extrem vielschichtiger Gesamteindruck erzeugt, der den Besucher in eine andere Realität führt, in der es viele kleinere Details, Geschichten und Informationen zu entdecken gilt. Kongenial zum Inhalt gibt es ernste und spielerische Momente in der Gestaltung von »World of Malls«.