Artwalk

Page 1

Spaziergänge durch Basel

Eva Bühler, Jürg Stäuble, Isabel Zürcher (Hg.) Christoph Merian Verlag




Eva Bühler, Jürg Stäuble, Isabel Zürcher (Hg.)

Spaziergänge durch Basel

Christoph Merian Verlag


Impressum

Dank

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Vielen Dank für die Unterstützung:

ISBN 978-3-85616-549-9

© 2012 Christoph Merian Verlag Alle Rechte vorbehalten; kein Teil dieses Werkes darf in irgendeiner Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Herausgeberschaft: Eva Bühler, Jürg Stäuble, Isabel Zürcher Objektrecherche: Regine Bungartz Gestaltung: Eva Bühler und Korinna Schuppli, vista point, Basel Lithos: Jessica Wolfelsperger, Berlin Druck: Offsetdruckerei Grammlich, Pliezhausen Bindung: IDUPA Schübelin GmBH, Owen / Teck Schriften: DIN, Meridien Papier: Luxo Art Samt in 115 g/m2 Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-85616-565-9 www.merianverlag.ch Kartenbasis: © Grundbuch- und Vermessungsamt Basel-Stadt. Reproduziert mit Bewilligung des Grundbuch- und Vermessungsamtes Basel-Stadt vom 12.03.2012

Hans und Renée Müller-Meylan Stiftung L. & Th. La Roche-Stiftung


Inhalt ‹Art Walk› – fünf Spaziergänge zu Basels Kunst im öffentlichen Raum

7

Von aussen nach innen

12

Mäandern im Zentrum

30

Quer durch die Mitte

46

Der Tangente entlang

62

Von Zone zu Zone

80

Index 100 Weiterführende Literatur

106

Bildnachweis 107 Autorinnen und Autoren

108



7

‹Art Walk› – fünf Spaziergänge zu Basels Kunst im öffentlichen Raum Kunst im öffentlichen Raum trage zur Lebensqualität bei. Glauben Sie das? Sie setze Akzente, schärfe die Wahrnehmung und fördere die Vielfalt der Perspektiven innerhalb intensiv genutzter städtischer Zonen. Können Sie das bestätigen? Und wenn Sie es noch nicht überprüft haben: Begleiten Sie uns auf den fünf ‹Art Walks›. Das vorliegende Büchlein lädt Sie dazu ein, bekannten wie noch nie begangenen Wegen mit dem Blick auf die Kunst vor der baselstädtischen Kulisse zu folgen. Dabei sind Ihnen Kunstschaffende beispielhaft vorausgegangen. Sie bringen hier ihre Wahr­nehmung der Kunstwerke zur Sprache und lenken den Blick sowohl auf Altbekanntes wie auf bisher Unentdecktes am Wegrand. Was tut die Kunst im öffentlichen Raum? Kunstschaffende gehen vor

Wenn wir für ‹Art Walk› Kunstschaffende um ihre Sicht der Dinge bitten, setzen wir auf mehreres: Als Profis der Wahrnehmung reagieren sie sensibel auf die Bedingungen, unter denen Kunst entsteht und sich einem breiten, meist unvorbereiteten Publikum zeigt. Sie wissen um ästhetische Mentalitätsräume und deren raschen Wandel und sind vertraut mit materiellen Beschaffenheiten, die ein Werk für den langfristigen Bestand unter freiem Himmel mitbringen muss. Sie befassen sich mit Reaktionen, die ein künstlerisches Werk provozieren kann, wenn es in den exponierten öffentlichen Raum gelangt. Und sie kennen die Herausforderung ortspezifischen Handelns, sei es aus der eigenen künstlerischen Praxis oder als Expertinnen in Wettbewerbsverfahren. Für ‹Art Walk› wollten wir uns von Beginn weg an diese Komplizenschaft mit den Machern halten; mit der Einladung von Werner von Mutzenbecher, Andrea Saemann, Markus Schwander und Tina Z'Rotz, Valentina Stieger und Nora Rekade sowie mit dem Beitrag aus unseren eigenen Reihen (Jürg Stäuble mit Maya Rikli) setzten wir auf ein anschauliches Nachdenken. Als Herausgeberschaft haben wir keine Vorgaben gemacht, wie kritisch, wie wertend, wie subjektiv die Texte werden sollen – das einzige, was wir zurückgewiesen hätten, wären autoritative Behauptungen, die Ihnen als ‹Art-Walker›, als ‹Art-Walkerin› eine eigene Perspektive verstellt


8

hätten. ‹Art Walk› kann und will die Kunst im öffentlichen Raum nicht abschliessend verhandeln; zu viele Werke, die auch eine Betrachtung verdient hätten, mussten wir beiseitelassen, um nicht die Einladung zum Spaziergang in die Lektüre eines Nachschlagewerks kippen zu lassen. Das Büchlein will auch nicht Gericht halten über Werke wie das Nussbaum-Tribunal (2006). Der Gerichtspräsident alias Guido Nussbaum hat damals Klägerinnen und Verteidiger aufgeboten, um strittige Werke auf Basels Strassen und Plätzen mit Freispruch zu entlassen oder mit einem Schandfleck zu strafen. Eine Prise von jenem Geist, der hohen Unterhaltungswert mit kritischer Reflexion zu paaren weiss, wünschen wir uns natürlich auch für dieses Büchlein. Ein Blick zurück und nach vorn

Abwechslung war ein Kriterium für die Planung dieser fünf Kunstspaziergänge. Denn Abwechslung zeichnet auch die künstlerischen Interventionen in Basels frei zugänglichen Strassen, Höfen, Parks und Plätzen aus. Kein Wunder: Die systematische Realisierung von Kunst, die auch eine programmatische Förderung ihrer öffentlichen Wahrnehmung war, hat hier eine bald hundertjährige Tradition. Sie zeichnet zudem eine Geschichte künstlerischer Umbrüche nach. In der Gründungszeit des Kunstkredits Basel-Stadt, der seit 1918 Werkaufträge an die lokalen Kunstschaffenden vergibt, herrschten noch klare Spezialisierungen vor: Der Bildhauer fand seine Aufgabe in der dreidimensionalen Figur eines Brunnenstocks oder in der Auszeichnung einer Schaufassade durch ein Relief. Die Malerin bewarb sich um die Gestaltung eines Wandbilds. Die Grenzen zwischen ‹privat› und ‹öffentlich› verliefen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eindeutig entlang von Grundstücken und Funktionsräumen. Wir wissen es, und unsere Spaziergänge illustrieren es mehrfach: Dem ist nicht mehr so. Was Sichtbarkeit und Prominenz anbelangt, haben private Investoren die öffentliche Förderung eingeholt, ja überholt. Wir hätten kein Zeichen von Picasso in der Stadt, wenn nicht die National Versicherungsgesellschaft (heute Nationale Suisse) dem damals neu nach dem Künstler benannten Platz eine sichtbare Signatur verliehen hätte (S. 25). Es gäbe nicht den lustig spritzenden Brunnen vor dem Stadttheater (S. 37), wenn nicht die Migros Genossenschaft Basel 1975 ihr fünfzigjähriges Bestehen mit einer langlebigen Geste an die Basler Bevölkerung hätte feiern wollen. Dem Interesse an öffentlicher Teilhabe folgt, dreissig Jahre später, ein weiteres Investitionsmodell. Firmen heben heute ihren Standort nicht nur mit Bauten international gefeierter Architekturbüros her-


9

vor. Sie wissen um die Potenz des kulturellen Engagements und setzen das auratische Versprechen der Kunst ein, um die Aufenthaltsqualität von Arbeits- und Aussenräumen zu optimieren. Das Areal des Novartis Campus im Norden des St. Johann-Quartiers ist ein junges Beispiel für eine exklusive, der eigenen Belegschaft, Kundinnen und Partnern vorbehaltenen Einsichtnahme, während der schon 1989 installierte Hammering Man am Aeschenplatz bei Weitem nicht nur die Mitarbeitenden der UBS mit seinem regelmässigen Hammerschlag beeindrucken will. Wie führt sich Kunst auf, die den Sitz einer Grossbank, den Neubau eines Versicherungsunternehmens hervorhebt? Unterscheidet sie sich von Werken aus Basler Ateliers, die mit öffentlichen Geldern realisiert werden, um kantonale Institutionen auszuzeichnen? Zwischen Aufbruch und Alterung

Eines haben die privat und die öffentlich motivierte Realisierung von Kunst im öffentlichen Raum gemeinsam: Kunst erobert ihren Standort meist im Zuge von baulichen Massnahmen. Sie taucht auf, wo Veränderungen im Gange sind. Neubauten, Platzgestaltungen, verkehrsbedingte Sanierungen und Quartiersveränderungen setzen fi­ n­anzielle Ressourcen frei und bieten die künstlerische Intervention auf zur Bereicherung, Akzentuierung, gelegentlich zur Entschärfung architektonischer Eingriffe. Brunnen, Wandbilder, Bronzeplastiken oder Mosaike unter Basels freiem Himmel sind also häufig Signaturen der Erneuerung – einer Erneuerung allerdings, die immobil und wetterfest auf eine lange Lebensdauer angelegt ist und manchmal von der Dynamik der Verkehrsplanung und Stadtentwicklung eingeholt wird. Hie und da entwickelt die Kunst vielleicht gerade im Spannungsverhältnis zwischen Dauer und Veränderung eine eigensinnige, symbolische, erinnerungsmächtige Kraft. Aber welche künstlerischen Interventionen bleiben auch nach Jahrzehnten glaubhaft als Zeichen ihrer Zeit? Wo ist der Anschluss ans Hier und Jetzt brüchig geworden, und wie gehen jüngere und jüngste Werke mit der Perspektive um, dass sich ihre unmittelbare Nachbarschaft möglicherweise schon in Kürze ganz anders zeigt? Auf dem Dreispitz-Areal, dessen grosse Verwandlung von einem Industrieareal und Zollfreilager zu einem neuen Stadtquartier vor einigen Jahren ihren Anfang nahm, wirft die Kunst ihr Wissen um Veränderung gleichsam auf den Plan. So simuliert Leif Bennett ein Stück Kulturlandschaft inmitten von Lagerhäusern und Werkstätten (S. 90). Ist sein Landweg immun gegen alle Zukunftspläne, ein Speicher des einst Gewesenen? Das Künstlerduo


10

Monica Studer & Christoph van den Berg zaubert Pilze aufs Dach einer Liegenschaft, die Sie sich genauso an einer Glasfassade auf der anderen Seite unseres Globusses denken könnten (S. 85) – in Sichtweite von Beat Brogles Things to Come, einem Werk, dem man den Kunststatus gar nicht recht ansieht: Wofür wirbt denn die Leuchtschrift, die so keck von der Fassade vorspringt (S. 84)? Meisterwerk, Möblierung, Intervention?

Den Anspruch, bestehende Funktionsräume durch Schmuck oder erzieherische Vorbilder zu bereichern, hat die heutige Kunst längst abgestreift. Im Verhältnis zwischen künstlerischer Intervention und städtischem Raum lassen sich bei genauem Hinsehen Zeichen der Veränderung erkennen. Michael Grosserts Lieudit an der Heuwaage ist 1976 genau für diesen Ort erfunden worden und stimuliert von hier aus die Bewegung und Betrachtung der Passanten (S. 35). Unverrückbar setzt auch Richard Serras Intersection von 1992 den Theaterplatz und seine Architekturen in ein bestimmtes Verhältnis (S. 38). Seit insbesondere die innenstädtischen Räume – nicht nur in Basel – mit Leitsystemen, funktionaler Möblierung und informativer In­ frastruktur gesättigt sind, stellen sich der Kunst neue Herausforderungen. Flexibilität ist gefragt. Treten die künstlerischen Interven­ tionen in Konkurrenz zu den heterogenen visuellen und akustischen Reizen oder mischen sie sich als leise Irritation nur kurz und nur der ganz besonders aufmerksamen Betrachterin in die Sinne? Nicht immer jedenfalls gibt sich die Kunst heute noch als solche zu erkennen: Hier schreibt sie sich als Lattenzaun in die Umgebung ein (S. 33), dort fantasiert sie als schwarze Brandspur ein Unglück auf einen Türsturz (S. 42). Sie zeigt sich in ungewohnten Lichtverhältnissen oder sucht in Dimension und Materialität die Anlehnung an die gebaute Nachbarschaft. Zeichenhaft bezieht sie ihre Motive aus Wasser und Luft (S. 53, S. 55) oder hinterlässt, wie ein überdimensioniertes Signet, ihren Stempel an einer weithin sichtbaren Brandmauer (S. 76). Und gelegentlich bleibt uns die Kunst nur als Erinnerung und in der bildlichen Dokumentation erhalten, weil sie nie auf eine dauerhafte Existenz angelegt war, sondern punktuell an einer Erzählung mitschrieb und im Ereignis einen einmaligen Höhepunkt fand. Können Sie sich Basel ohne seine Kunst vorstellen? Bei den historischen Werken kennt die Stadtmitte mehrere glückliche Beispiele: Ihre Beliebtheit hat die Diskussion über Sinn oder Unsinn künstlerischen Tuns rasch und nachhaltig überwunden. Samuel Buris Gänseliesl am Rheinsprung zählt zu ihnen (S. 28) oder die Amazone, Pferd führend von Carl Nathan Burckhardt ein paar Schritte weiter


11

am Grossbasler Brückenkopf der Mittleren Brücke (S. 52). Prominentestes Beispiel ist sicher der Fasnachts-Brunnen von Jean Tinguely, ein Publikumsmagnet erster Güte (S. 37). Auch nach bald vierzig Jahren kann er gleichsam aus dem Vollen schöpfen: Das ununterbrochene Plätschern und Spritzen, Sieben und Giessen macht uns zu Zeugen eines ganzjährigen fasnächtlichen Treibens – ein sinnbild­ liches Schauspiel, ein gewitzter Totentanz genau an der Stelle des Bühnenraums des früheren Stadttheaters. Auch in Basel sind neue Modelle für die Finanzierung und Realisierung von Kunst gefragt: Das Projekt Nordtangente-Kunsttangente hat das Thema, das in den letzten zwanzig Jahren mehrfach Gegenstand öffentlicher Debatten war, produktiv und praxisnah auch ins Bewusstsein der jungen und jüngsten Künstlergeneration getragen. 2009 ist eine Studie in Auftrag gegeben worden über den Status quo und die wünschbaren Handlungsräume von Basels Kunst im öffentlichen Raum, es folgten 2011 die Ausschreibung zu einem Gestaltungskonzept für die Innenstadt und ein Wettbewerb, der «Konzepte für die Kunst im öffentlichen Raum Basel» einforderte. Uns interessiert, vor welchem Erfahrungshorizont Basel-Stadt ein verstärktes Engagement im Bereich ‹Kunst im öffentlichen Raum› ins Auge fasst. Hierzu braucht es mittel- und längerfristig sicher innovative Entwürfe lokaler und internationaler Kunstschaffender. Es braucht auch – und darum laden wir zum ‹Art Walk› ein! – ein Bewusstsein für den heutigen Bestand, für die Prozesse seiner Alterung und die Chancen eines immer neuen Blicks. Isabel Zürcher, im Januar 2012


le itt

he

ie

inw

r üc

ke

M

e ss ra

tei nb We tts

se as

Ha

rd

10 10

se

Sevogelp ss e

Aeschenplatz

pe lle ns

Ga ge

Ka

La n

en

ab gr

en

ge

se

chs

tra

e

ho f

34 3 2

2 1

s-S

tra

ss

e

ss

Grosspeterstrasse

ers

Ho

chs

ers

ch

tra

sse

ter

ing

rna

Sch

str ass

Zw

Do

tra ss

e

sse

tra sle r-S

ob

nd

6 7 56 4 5

e

at tm .J ak

en

sse

Peter Merian

tra

St

ra s

rass

tra

eu

ofst

rk

Li

7

ns

ldpa

se

enh

ue

g

ts

enfe

Lind Na

Se

Ros

Lu f

er

M

iller

e

Tellplatz

tra

sse

stra

sse

e

el

vo

ia

er

t Pe

ss

ss e

el

S n-

lga

se

as str

sH

nn

Ho

Denkmal

s tra

st

ntu

ea

eg

w

ue

En

dr

rk Pa

Bahnhof SBB

Na

se

S

s

en

rt

Ga

o ev

s ra

lst

ge

e

ss tra

st r

Ae

Elisabethenanlage

str as

ns te in er

rn

ge

-Anla

lban

St. A

An ge

en

t

kt iadu

St e

St. Alban-A

ss e

tra s ter s

Sankt-Alb

tra

ga ss e

9

89 Aeschenplatz 8

h sc

Teic h

lzg

stra sse se

Elis abe the n

ad st

Th ea

or nv

ge-V

Heuwaage

12

11

he

waa

K

an-

14

sc

rg

rbe

Alb

dt

An

e rb

Müns platz Birsigpa rk

be r St gga ein ss nv en e or i bac sta h g ä s sle dt

n

len

n

lei

äss

ng

St.

-Vors ta

al n-T lba

lban

A St.

St. A

15 n Bru

11 14

einweg

Mühlenberg

in sle äs ng un Br strasse Dufour

Ko h

St. Alban Rh

Bankverein

Ae

ine

hre

se as rg

rg

Heu

Ste

St. Alban-Fä

tte

asse

15 12

13 13

Kunstmuseum 16 Kunstmuseum

Theater

te los

Rhein

Ri

g Gerber

16 17

rg

te

nbe

le Koh

K

Alemannengasse

ün

St

se gas ber

Münsterplatz

Barfüsserplatz

se

as

ng

ne

eg

Ma

Ger

e Fr

st er -F ä

hr e

e

rR

Fischerweg

g

ere

e

Burgw eg

se

un

ss ga ns

Ob

Röm erg as

asse

Eisen g

erstrass

Münsterplatz

o an

C

Grenzach

r sp in

rt i Ma

18 17

Wettsteinplatz

e Rh

Marktplatz

e

ass str

na

ho

sc hri

se

18 19

tt We

as s tr

n ei Rh

Ma r kt ga sse

M

e

lle

ina

ste

r de fel ein Rh

e ss ga en Ut se as ng eg ei Rh einw Rh er er Ob

B re

Sc

e

ck

Schifflände

1

M

Münchensteinerstrasse

ün

ch

en


e

ass rstr

che

nza

Gre

trasse

Von aussen nach innen bah

Eisen

Museum Tinguely

chers

Grenza

Solitudepark

13 nweg

hein

e

enad

rom

de P

Solitu

Tram 10, R11 Start Münchensteinerstrasse 1h 10 min Ende Schifflände in

Rhe

asse erstr

se tras urgs Frob

stein

sse rstra

urge

asse erstr burg

Birsfelden

5 Gun Gordillo, ‹Spira› 6 Claude Lévêque, ‹Im Paradies› 7 ‹Kunstplattform›

rs che

Zür

Anlage

Gell

erts

tras se

Gelle

lling

Renn

weg eg

rd

enw

eg

od en

w

Karl Barth-Platz Kar

l Ja

e

rz b

spe

llee

kobs

-Stra

sse

Zeug

St. Ja

haus stras

se

Spe

isers

e ass str

tras se

ler

W ar

rs-A

Ad

te nb er

gs t

ra ss

Hi

Em an

Sonn

lban -R

Hirz bod

eg

ra s

se

se

ing

enw

str as

St. A

Ha

ue lB üc he

Gre

l-S t

platz

ras

erstr asse

Lind enw

eg

rtstr asse

(bis 2013 befristete Intervention), mit Malerei von Franziska Furter, Martina Gmür, Indra, Dominique Jehle, Jeannette Mehr, Olaf Quantius 8 Louis Armand Petersen, ‹Krähe› 9 Paul Wilde, ‹Plakatankleber› 10 Jonathan Borofsky, ‹44’ Hammering Man›, ‹Large Ruby› 11 s Ilya Kabakov, ‹Denkmal für einen e verlorenen Handschuh› 12 Owsky Kobalt, ‹Perle› Schwarzpark 13 Willy Hege, ‹Schlange› 14 Luciano Fabro, ‹Giardino all’italiana› 15 Pablo Picasso, ‹L’homme aux bras écartés› 16 Alexander Zschokke, ‹Die drei Lebensalter› 17 Bettina Eichin, ‹Marktplatzbrunnen Basel, z.B. 1. Nov. 1986, 00.19 h› 18 Rémy Zaugg, ‹Ein Zugang zum Staatsarchiv im Werden› 19 Samuel Buri, ‹Gänseliesl› Rheintalbahn

e

ss tra

ban-Tor

Baldeggerstrasse

sse tra tts ma h en Teic Leh anAlb St.

ch

e

s ras

rst

che

Zür

1 Markus Müller, ‹Scusi Brancusi› Breite 2 Sylvie Fleury, ‹Libelle› 3 Renée Levi, ‹Ombre› 4 Anna Amaido, ‹Bazooka›

Lehenmattstrasse

e

gass

en Weid

St. Alban-Tei

Ram

uenb Scha

en Wald

eg

heinw

lban-R

St. A

eg

einw

-Rh

lban

St. A


14

Von aussen nach innen Vom Stellwerk der SBB zur Schifflände

Unser Spaziergang erweist sich für uns als eine eigentliche Tour d’Horizon. Mit unter­ schiedlichen Perspektiven ge­mein­sam unterwegs sind mein Gast Nora Rekade und ich. Während Nora, Künstlerin und seit acht Jahren in Wien zu Hause, die Stadt am Rhein beruflich wie privat immer häu­ fi­ger besucht, bin ich selber seit meinem Kunststudium 2006 in Basel wohnhaft und kenne einzelne Stadtteile noch immer kaum oder gar nicht. Wir teilen jedoch den neugierigen, unbelasteten Blick auf die Stadt und die beein­druckende Anzahl von künstlerischen Arbeiten, die wir hier erkunden. Manche waren uns bislang gänzlich unbekannt. Vielen Werken, gerade von alteingesessenen Kunstschaffenden, begegnen wir auf unserer Tour zum ersten Mal. Für uns bedeutet dieser Spaziergang also in erster Linie eine Entdeckungsreise, ein Ein­blick in markante Entwicklungsetappen einzelner Quartiere sowie die Offenbarung einer reichen, uns bisher wenig be­kannten (Vor-)Geschichte der Kunst in Basels öffent­lichem Raum. Valentina Stieger (rechts im Bild) und Nora Rekade


15 Zentralstellwerk der SBB

Münchensteinerstrasse

≥ über die Brücke

Blick über die Brücke

1

Ausgangspunkt unseres ‹Art Walks› ist das Zentralstellwerk der SBB, ein wirklich eigenwilliges Gebäude von Herzog & de Meuron. Es gehört zu unseren Lieblingsbauten dieser Schweizer Star­ architekten und befindet sich bei der Tramhaltestelle ‹Münchensteinerstras­ se›. Von hier spazieren wir über die Brücke, die über die Bahngeleise führt. Linkerhand ist bereits die silbern leuch­ tende, markant gewellte Aluminiumfassade des Jacob Burckhardt Hauses zu sehen.

Kurz bevor wir in die Nauenstrasse abbiegen und nur auf einen zweiten Blick erkennbar, entdecken wir an der Kreuzung die Plastik Scusi Brancusi (2009) von Markus Müller. 1 Inmitten der umliegenden Strassenpfeiler fällt sie zuerst gar nicht wirklich auf. Im Vergleich zur glänzenden Fas­sade dahinter erscheint ihre mattgraue Ober­ fläche wohl beabsichtigt stumpf; es handelt sich um mit Polyurethan-Lack beschichteten Stahl. Scusi Brancusi erinnert mit seiner beachtlichen Höhe von 24 Metern an einen Fernsehturm oder


16

3 ≥ Treppe links hoch zur Plattform

≥ Nauenstrasse

2

4

an eine Antenne. Je mehr wir uns auf sie zu bewegen, desto stärker tritt der modellhafte Charakter der Plastik zutage. Einzelne Teile erinnern uns an massstäblich vergrösserte Elemente aus dem Alltag: eine Rechaud-Kerze, ein Milchverschluss aus Plastik. Es scheint um die Hyperrealität von Material und Plastizität zu gehen. Wir schlendern der stark befahrenen Nauenstrasse am Jacob Burckhardt Haus entlang und werfen einen Blick in die fünf Atrien auf seiner Nordseite. Die Lichthöfe sind als riesige Kunstvi-

trinen genutzt. Sylvie Fleury 2 , Renée Levi 3 , Anna Amadio 4 , Gun Gordillo 6 und Claude Lévêque 5 haben hier dreidimensionale Arbeiten realisiert. Aufgrund der nahen Fahrbahn lässt sich leider wenig Distanz dazu einnehmen, wir schauen in die Lichthöfe wie in Schaufenster. Zudem fällt uns auf, dass die Arbeiten mit den angebrachten Firmenschriftzügen konkurrieren müssen, die auf die vielseitige Nutzung des Gebäudes verweisen: ein Dienstleistungszentrum mit Büros und Labors, Bibliotheken und Archiven der


17

5

6 Peter Merian Haus

Universität Basel. Das vierte Atrium zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Fünf giraffenähnliche Figuren – lange, in die Luft emporragende Kran-Arme, wie einem ‹Transformers›-Zeichentrick­ film entlehnt – sind mitten in der Arbeit. Claude Lévêque spielt mit dem Thema ‹Auf- und Abbau›: Die KranArme montieren rechteckige, spiegelverglaste Elemente – Fenster­scheiben. Oder werden sie be­reits wieder entfernt? Die pneumatischen Arme umklammern die planen Elemente, halten sie den Bürofenstern entgegen

und lassen so den Blick aus den Arbeitsräumen hinauf in den Himmel kippen. Es hat etwas Sehnsüchtiges, wenn sich dieser in den Fenstern und in die Büroräume hinein spiegelt. Im Paradies heisst die Arbeit, die uns besonders gefällt, weil sie auf die konkrete Situation Bezug nimmt. Wir fragen uns, wie die Werke wohl aus der Per­ spektive der im Haus arbeitenden Menschen zu sehen sind. Dass die Kunst hier als festes Ensemble zur Szenografie des Gebäudes beiträgt, werten wir als sehr positiv.


18

7 Malereien von Franziska Furter (links) und Olaf Quantius

Auf der Plattform zwischen Jacob Burckhardt Haus und Peter Merian Haus – da sind zwei namhaften Basler Wissenschaftlern Denkmale gesetzt – tut uns der Weitblick gut; hier erscheint Basel grossstädtisch, urban. Die beiden Bauten des Architekturbüros Zwimpfer & Partner sind Teil der Entwicklungsstrategie ‹Euroville› rund um den Bahnhof SBB. Peter Merians smaragdgrüne Fassade wurde übrigens vom Künstler Donald Judd mitgestaltet. Die verkehrsreiche Strasse verlassend, empfängt uns der Platz wie ein Ruhe-

pol, in dessen Mitte die Kunstplattform (2008) mit Malereien von Indra, Jeannette Mehr, Olaf Quantius, Franziska Furter, Martina Gmür und Dominique Jehle platziert ist. 7 Die Konstruktion aus Metall erinnert uns an ‹Billboards›, an Stellwände für Plakate im Weltformat. Die sechs malerischen Positionen führen jeweils zu zweit einen Dialog, wobei unterschiedliche Techniken zum Zug kommen. Einmal wird direkt mit Ölfarbe auf den metallenen Bildträgern gearbeitet. Andere sind bedruckt oder mit Folie beklebt. Die querformatigen


19

Jeannette Mehr (links) und Indra

7 ≥ Plattform zwischen Jacob Burckhardt Haus und Peter Merian Haus

Rosenfeldpark

Bilder spannen einen Bogen von ab­ strakt-konstruktiven bis zu figürlichen und ornamentalen Kompositionen. Auffällig viele Sujets thematisieren die Natur. Ob das mit dem unmittelbaren Umfeld zu tun hat, wo Natur und jegliches Pflanzengrün fehlen? Projek­ tions­flächen der Sehnsucht nach beschaulicher Natur? Besonders gefällt uns die einzige schwarzweisse Arbeit: Von Nahem noch abstrakt, wird Franziska Furters geheimnis­um­wobene Wald­lichtung aus der Entfernung immer deutlicher erkennbar.

Mit dem Rosenfeldpark entdecken wir eine ruhige Grünfläche mit abwechslungsreichem Baumbestand. Nach dem von Verkehrsadern geprägten Auftakt unserer Tour eine willkommene Abwechslung! Wir durchqueren den Park und treffen auf die Peter Merian-Stras­ se, folgen ihr bis zur St. Jakobs-Strasse und weiter zum Aeschenplatz, einem der grössten innerstädtischen Verkehrs­ knotenpunkte. Einige finanzkräftige Unternehmen sind hier angesiedelt, von denen der Rundbau von Mario Botta (heute Zweitsitz der Bank für In-


20

8 ≥ Lindenhofstrasse ≥ Rosenfeldpark ≥ Peter Merian-Strasse ≥ St. Jakobs-Strasse ≥ Aeschenplatz

ternationalen Zahlungsausgleich BIZ) besonders auffällt. Hinter der Tramhaltestelle gegenüber befindet sich ein rotes Transformatorenhäuschen. Hier stossen wir auf den Brunnen mit Krähe (1925) des Bildhauers Louis Armand Petersen. 8 Ein Steintrog mit Brunnenstock, auf dem eine tiefschwarze Krähe den herannahenden Betrachter oder die Durstige misstrauisch beäugt. Sie thront stolz auf einer steinernen Eichel. Das Transformatorenhäuschen dahinter zieren Steinreliefs von Paul Wilde. Die 1920er- und 1930er-Jahre haben hier künstlerische Spuren hinterlassen. Dazu gehört auch Wildes Plakatankleber (1924), der über einer achteckigen Litfasssäule mit dem Schriftzug «Plakat» ausschreitet. 9 Die ungefähr anderthalb Meter hohe Figur zeigt einen Arbeiter mit einem Pinsel in der Hand, der dem Zeitgeist entsprechend in seiner Stärke bekräftigt wird: Er hat stramme, muskelbepackte Arme und Beine. Die Figur erscheint uns etwas starr geraten. Sie spricht die Sprache des sozialistischen Realismus, der den Arbeiter, die Arbeiterin ins Zentrum der Kunst rückt. Der Plakatankleber ist ein früher Steinguss

aus einer Kalkstein-Zement-Mischung. Quer über den verkehrsreichen Platz blickend, sehen wir schon den beeindruckend hohen 44’ Hammering Man des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky. 10 Er wurde 1989 vor dem damaligen Neubau des Schweizerischen Bankvereins (heute UBS) errichtet. Seither hämmert hier un­ ermüdlich, viermal die Minute, die zwei­dimensionale, schwarze, aus Stahl gefräste, 13,4 Meter hohe Figur. Mit einer Mechanik ausgerüstet, führt sie in immer gleich bleibendem Takt eine Tätigkeit aus, die auf eine Schlosserei oder ein Bergwerk verweist, auf jeden Fall auf eine schweisstreibende Handarbeit. Das mehrfach ausgeführte Werk zeichnet weltweit weitere ökonomisch wichtige Standorte und Firmensitze aus, beispielsweise in Seattle oder Frankfurt. Wir stehen nun direkt vor der Figur, wo uns eine markante Nummer auf dem Bein des Arbeiters auffällt. Was hat sie zu bedeuten? Laut Borofsky soll der Hammering Man ein Symbol darstellen «für uns alle, die wir gemeinsam dafür arbeiten, unsere Umwelt auf diesem Planeten sicher und le-


21

9 10

10

benswert zu machen». Uns befremdet das Bild eines hart arbeitenden Handwerkers in direkter Konfrontation mit einer Bank jedoch. Ist er es, der sein mühsam und ehrlich verdientes Geld zur Bank trägt? Heutzutage kann das wie blanker Hohn wirken. Ist diese Arbeit als kritisches Statement zu verstehen oder ist die Figur seltsam deplatziert? Haben sich die Bedeutung dieses Kunstwerks und sein Kontext seit den 1980er-Jahren so radikal verändert? Die Fragen spitzen sich noch zu, wenn wir, nur wenige Meter vor

dem gläsernen Haupteingang, das zweite, gemeinsam mit der Grossfigur konzipierte Werk betrachten: Large Ruby, ein blutig roter Rubin im Entree des Bankgebäudes, dreht sich langsam um seine eigene Achse. 10 Verweist er auf den wertvollen Besitz, den die Bank hortet, oder aber auf die schmutzigen Hände, die Reichtum mit sich bringen kann? Gibt sich hier eine Bank besonders selbstkritisch?


22

11 ≥ St. Alban-Anlage ≥ St. Alban-Vorstadt ≥ Museum für Gegenwartskunst

Wir wählen den Weg durch die begrünte St. Alban-Anlage. Von der Anhöhe des St. Alban-Parks empfehlen wir einen Blick über die Dächer der St. Alban-Vorstadt. Auf dem erstbesten Weg spazieren wir hinunter ins Tal, überqueren den St. Alban-Teich, vorbei an wunderschönen Riegelhäusern. Hier ist Basel lauschig und mutet mittelalterlich an. Wir passieren ein Teilstück der alten Stadtmauer und erreichen das Museum für Gegenwartskunst (MGK). Unter einer Reihe von Bäumen hätten wir das Denkmal für einen verlorenen Handschuh (1998) von Ilya Kabakov beinahe übersehen. 11 Es handelt sich um einen aus Bronze gegossenen, rot gefassten Handschuh, der unter einem der knorrigen Kastanienbäume liegen geblieben scheint. Wer hat ihn verloren und wann? Aufschluss darüber könnten die in mehrere Sprachen übersetzten Anekdoten liefern, die in neun metallene Gedenktafeln eingraviert sind und das ‹Denkmal› wie Pulte von Orchestermusikern umstellen, bereit zur Interpretation. Wir finden uns von sentimentalen Gedanken eingeholt. Schön, wie unspektakulär sich diese Arbeit präsentiert. Wir fra-

gen uns, wie manche Spaziergängerin sich hier wohl schon vergebens gebückt hat? Rheinabwärts gehen wir das kurze Stück bis zur Wettsteinbrücke und nehmen die Treppe bis zu einer Plattform zwischen Fluss und Fahrbahnniveau. Hier begegnen wir der bestech­ end klar geformten Perle von Owsky Kobalt. 12 Aus Marmor gefertigt, liegt vor uns eine an eine Muschel erinnernde Halbkugel. Ihre Unterseite weist eine dunkle und schmutzig wirkende Patina auf. Die Oberseite hingegen, eine plane, glatt polierte Fläche, erinnert uns an Perlmutt, dieses einzigartig schimmernde Material. In direkter Nachbarschaft zu einer Sitzbank könnte die Perle auch die Funktion eines Tisches oder einer Sitzgelegenheit übernehmen. Am Tag unseres Rundgangs wirkt der Standort allerdings vernachlässigt. Wir würden uns für die Skulptur mehr Pflege wünschen, denn an diesem recht begangenen Weg fristet sie so ein etwas trübes Dasein. Auf dem Strassenniveau angekommen, gehen wir Richtung Kunstmuseum, bis uns plötzlich aus dem Dickicht –


23 Museum für Gegenwartskunst

12 ≥ rheinabwärts zur Wettsteinbrücke ≥ Treppe hoch

13

Schlange! – eine Schlange bedroht (1956). 13 Das mindestens lebensgros­ se Bronzetier von Willy Hege, das eine materialtypisch grüne Patina aufweist, schlägt uns mit seiner geschwungenen Form und der glatten Oberfläche in seinen Bann. Gut getarnt, schaut uns die Schlange hinterlistig an, und da ihr Sockel unter dem herbstlichen Laub gänzlich verschwindet, scheint sie tatsächlich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Ihre Gesichtszüge wirken fast comicartig neben der sonst realistischen Anmutung. So erinnert sie uns

an ihre Artgenossin im Trickfilm ‹Das Dschungelbuch›. Wüssten wir es nicht besser, könnte die Situation durchaus bedrohlich wirken. Wir fragen uns, was denn die Schlange an dieser Stelle zu suchen oder zu sagen hat? Das Böse lauert überall? Seid wachsam? Oder handelt es sich um eine Verbeugung vor der formschönen Eleganz dieses Reptils?


24

≥ Rheinabwärts zur Wettsteinbrücke ≥ Treppe

≥ Dufourstrasse

14

Kurz vor dem Kunstmuseum biegen wir links in die Dufourstrasse ein und legen den nächsten Halt vor dem Haupt­sitz der Bâloise-Versicherungen ein. Hier lädt eine eigentliche Gartenlandschaft, der Giardino all’italiana (1994) von Luciano Fabro, zum Verweilen ein. 14 Auf dem Vorplatz des Versicherungsgebäudes erstreckt sich eine auf einem klaren Raster basierende Installation von rechteckigen Granitsäulen. Die Stelen mit einer ungefähren Höhe von drei Metern struk­ turieren den Platz. Auffallend finden

wir ihre oberen Abschlüsse: Sie weisen alle eine halbrunde Einbuchtung auf, wo Pfähle oder Rundhölzer zum Einsatz kommen und die Säulen zu einer Art Pergola verbinden könnten, zu einer bewachsenen Überdachung, wie der Süden sie kennt. Solche Verbindungsstücke fehlen jedoch, womit die Säulen-Struktur nach oben hin offen und ohne klar zugewiesene Funktion bleibt. Die regelmässig angeordneten Säulen sorgen für eine nüchterne und kontrollierte Grundstimmung, doch bricht der Boden, in den die Stelen


25

15 ≥ Picassoplatz

≥ Kunstmuseum

eingelassen sind, diese Ordnung ganz wörtlich auf und sorgt für Irritation. Grossflächige, schieferfarbene Platten bilden den Boden und gestalten den Platz auf markante Weise mit. Wo Bäume stehen, ragen die dunklen Granitplatten wie aufgebrochen in die Höhe und säumen so die Rabatten. Es scheint, als würden die Bäume aus dem Boden herausbrechen oder als habe erst kürzlich ein Erdbeben stattgefunden. Vielleicht schlummern unter der Oberfläche unruhige und bedrohliche Kräfte? Auch nachts lohnt sich übrigens ein Besuch. 202 Beleuchtungskörper zieren dann den Vorplatz. Ob es sich beim Giardino all’italiana aber tatsächlich um Kunst oder um eine ausgefallene Platzgestaltung handelt, gibt uns noch etwas zu denken. Der Weg zurück Richtung Kunstmuseum führt uns am Picassoplatz vorbei. Umgeben von Geschäftshäusern, findet sich hier eine Grünfläche mit Bäumen, in deren Mitte eine weis­se, aus Metall geschnittene Figur steht. L’homme aux bras écartés von Pablo Picasso (2007) schaut uns etwas fragend oder leicht verlegen an und weist stumm Richtung Kunstmuseum. 15 Wie aus Papier aus-

geschnitten erscheint uns diese Figur, ihr ausgestreckter Arm ein gefaltetes, heruntergeklapptes Stück Papier. War ihre fünfzehnmal kleinere Vorlage tatsächlich nur ein Stück Papier? Auge, Nase und Mund sind durch kleine ausgestanzte Löcher angedeutet, ebenso der Nabel im Zentrum der Figur. Wäre die leichtfüssige Plastik auf ihrer rostigen Platte über dem Betonsockel nicht so gut befestigt, müsste man fürchten, sie könne beim kleinsten Windhauch kippen. Diese zurückhaltende Figur hat einen Vorgänger: Acht Meter hoch war die Schweisskonstruktion desselben Sujets. Nachdem das Stimmvolk zum Son­derkredit für den Ankauf von zwei Schlüsselwerken 1967 Ja gesagt hatte, schenkte der Künstler dem Museum vier weitere Werke dazu. Grund genug für die Versicherungsgesellschaft Nationale Suisse, ein Zeichen zu setzen, die Rechte am Werk abzuklären und die Plastik als monumentale Figur hinter dem Museum aufstellen zu lassen. Ein paar Schritte weiter, kommen wir am Brunnen direkt neben dem Kunstmuseum vorbei, den Alexander Zschokke mit drei lebensgrossen, bronzenen Ganzfiguren, den Drei Lebensaltern


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.