The Making of - Neubau Kunstmuseum Basel

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The Making of Neubau Kunstmuseum Basel



THE MAKING OF NEUBAU KUNSTMUSEUM BASEL Philippe Bischof, Pr채sidialdepartement Basel-Stadt (Hg.) Stefan Charles, Kunstmuseum Basel (Hg.)

Christoph Merian Verlag


INHALT 1

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BILDSERIE 1

GESPRÄCH 1

Mai bis August 2014 Walter Mair

Gespräch mit Philippe Bischof und Fritz Schumacher Gesprächsleitung: Franziska Baetcke

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GRUSSWORT Guy Morin

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WÄHLEN, WÄGEN, ZWEIFELN, WAGEN – ENTSCHEIDEN:

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GRUSSWORT Hans-Peter Wessels 26

WOZU KUNSTMUSEEN? Boris Groys

MIT BEGEISTERUNG! Zur Jurierung im Wettbewerb für die Erweiterung des Kunstmuseums Dorothee Huber 47–62

BAUIMPRESSIONEN Oktober 2012 bis Januar 2016 54

PLÄNE Grundrisse und Schnitte


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GESPRÄCH 2

GESPRÄCH 3

Gespräch mit Bernhard Mendes Bürgi und Emanuel Christ Gesprächsleitung: Franziska Baetcke

Gespräch mit Claudia & Julia Müller und Hannah Weinberger Gesprächsleitung: Daniel Baumann

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BETRIEBSPERSPEKTIVEN

BEGEGNUNGSSTÄT TE

Stefan Charles

STAT T SCHATZKAMMER

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KURZE BAUGESCHICHTE

Das Kunstmuseum Basel als ein Haus der Bürger Gerhard Mack

ZUR ÖFFENTLICHEN KUNSTSAMMLUNG DER STADT BASEL 1936–2016 Silvia Pfaffhauser 89

BILDSERIE 2 Januar bis Februar 2016 Börje Müller-Nolasco

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ANHANG 120 Daten und Fakten 121 455 Jahre öffentliche Kunstsammlung Basel Silvia Pfaffhauser 126 Kurzbiografien 129 Bildnachweis 130 Impressum 131

BILDSERIE 3 Dezember 2015 bis Februar 2016 Walter Mair


GRUSSWORT GUY MORIN Das Kunstmuseum Basel ist eine alteingesessene Institution und ein Museum von Weltrang. Seine Sammlung – die öffentliche Kunstsammlung des Kantons Basel-Stadt – ist in ihrer Qualität einzigartig und umfasst Werke von den Alten Meistern bis in die unmittelbare Gegenwart. Sie ist der Stolz unserer Region und ein Fixstern in der Museumswelt. Wenn wir nun mit dem Neubau auf dem Areal des ehemaligen Burghofs für das Kunstmuseum ein drittes Haus neben Hauptbau und Museum für Gegenwartskunst eröffnen, dann dient dies allein einem kulturpolitischen Ziel: In architektonisch fein austarierten Räumen sollen Besucherinnen und Besuchern einzigartige Kunstwerke präsentiert werden. Mit diesem Erweiterungsbau gewinnt das Kunstmuseum Basel endlich angemessene Möglichkeiten für die Präsentation seiner spektakulären Sammlung und für die Realisierung von hochkarätigen Sonderausstellungen. Nach eindrücklich kurzer Bauzeit hat das grösste bauliche Kulturprojekt Basels der vergangenen Jahrzehnte Gestalt angenommen. Das neue Haus sorgt in der Schweizer Museumslandschaft zweifellos für Aufsehen und leistet zugleich einen architektonischen Beitrag zur Entwicklung unseres urbanen Lebensraumes. Es ist daher eine besondere Freude für den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, mit diesem Buch den Weg von der Idee bis zur Realisation des Erweiterungsbaus unseres Kunstmuseums aufzeigen zu können. Lassen Sie mich kurz die Geschichte des Museums streifen: Die bildende Kunst, wie die Kultur im Allgemeinen, hat in Basel einen bemerkenswert hohen und identitätsstiftenden Stellenwert. Unsere Museen geniessen international eine grosse Anerkennung und Ausstrahlung, die weit in die Geschichte zurückreichen – und auch in Zukunft prägend sein sollen. 1661 wurde durch Stadt und Universität das Amerbach’sche Kunst- und Kuriositätenkabinett angekauft. Damit kam Basel in den Besitz einer bedeutenden Kunstsammlung, die bis heute massgebend für das Kunstmuseum Basel ist und den Grundstock für das erste bürgerliche Museum eines Gemeinwesens in Europa legte. Sowohl die Sammlung wie auch die Bauten wurden über die Jahrhunderte erweitert. Basel zeichnet sich durch eine überaus grosse Verbundenheit mit ‹seinem› Kunstmuseum aus, was national und international mit Staunen und Bewunderung bedacht wird. Gerne erinnere ich etwa daran, dass im Jahre 1967 54 Prozent der Basler Stimmbevölkerung Ja zu einem Staatskredit von 6 Millionen Franken sagten, um zwei bedeutende Picassos

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für das Kunstmuseum Basel zu erwerben und ihren Verbleib in unserer Stadt zu sichern; und ich erinnere auch gerne nochmals daran, dass Picasso über diese demokratische Liebesbekundung so gerührt war, dass er der Stadt weitere vier seiner Werke schenkte. Nicht umsonst ist das Kunstmuseum seitdem auch als Ort berühmt, der dem genialen Künstler Pablo Picasso ein ehrendes Andenken bewahrt. Ebenfalls noch in lebhafter Erinnerung dürfte sein, wie intensiv die Reaktion war, als 2014 bekannt wurde, dass das Kunstmuseum im Folgejahr wegen Renovationsarbeiten vorübergehend schliessen müsse. Eine grosse Empörung tat sich in der Öffentlichkeit kund und verdeutlichte das Selbstverständnis der Baslerinnen und Basler, das Kunstmuseum jederzeit besuchen zu können. Und schliesslich gilt es zu erinnern, wie überwältigend im Jahr 2015 das Gastspiel der Sammlung des Kunstmuseums im Museo Reina Sofía in Madrid war und wie die Begeisterung der spanischen Besuchenden den Stolz der Baslerinnen und Basler auf diese Sammlung, die in der Regel vor der eigenen Haustür zu bewundern ist, bestärkt oder gar wieder erweckt hat. Allein diese drei Ereignisse veranschaulichen die hohe Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Kunstmuseum. Heute, im Jahr 2016, manifestiert sich diese kulturelle und politische Haltung in der Erweiterung des Kunstmuseums durch den Neubau von Christ & Gantenbein. Die Öffentliche Kunstsammlung Basel verfügt über eine der bedeutendsten Kunstsammlungen und hochkarätige Leihgaben. Meisterwerke des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne, vor allem der französischen Malerei und des deutschen Expressionismus sowie der amerikanischen und europäischen Gegenwartskunst oder die alten Meister, wie die einzigartigen Holbein-Gemälde, die den Ruhm des Museums begründeten, sind neu unter einem Dach von drei Häusern vereint. Diese Sammlung bildet die Grundlage für die Bedeutung von Basel in der internationalen Kunstwelt. Die Eröffnung des Erweiterungsbaus markiert den Moment einer neuen Ära in der Geschichte des Kunstmuseums. Ich freue mich sehr, dass das Museum nun endlich den Raum und die Möglichkeiten erhält, die ihm gebühren. Mit ihnen wächst die Verantwortung des Kunstmuseums, eine lebendige Gedächtnisinstitution zu sein, im Bewusstsein der Geschichte, und mit wachem Blick auf die Zukunft unserer Gesellschaft. Ich bedanke mich bei allen, die dieses Projekt unterstützt haben. Mein herzlicher Dank gilt insbesondere Dr. h. c. Maja Oeri. Ohne ihre Vision und Unterstützung hätte das Projekt nicht realisiert werden können. Dr. Guy Morin Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt

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GUY MORIN


GRUSSWORT HANS-PETER WESSELS

Nicht nur die Museumsstadt, auch die Architekturstadt Basel ist mit dem Erweiterungsbau des Basler Kunstmuseums um ein weiteres Highlight reicher geworden. Das neue Gebäude ist das Resultat eines internationalen Architekturwettbewerbs, an dem hervorragende Architekten aus der ganzen Welt – darunter fünf Pritzker-Preisträger – teilgenommen haben. Dass Basel den Titel ‹Architekturstadt› zu Recht trägt, zeigt sich auch darin, dass sich das Basler Siegerteam unter Leitung der Architekturbüros Christ & Gantenbein und Peter Stocker AG gegen die namhafte internationale Konkurrenz durchgesetzt hat. Eine besondere Herausforderung für die Architekten ergab sich aus dem Ort des Erweiterungsbaus am Rande der Altstadt und aus dem anspruchsvollen Raumprogramm. Mit einer markanten und zugleich sorgfältig eingebetteten Setzung als Solitär mit starkem Bezug zum Hauptbau wurden die städtebaulichen Herausforderungen hervorragend gelöst. Das neue Gebäude fügt sich selbstbewusst und harmonisch in die heterogene Stadtstruktur ein und tritt in einen spannenden Architekturdialog mit dem prominenten Stammhaus. Bemerkenswert sind unter anderem die differenzierten Aussenräume wie auch die sorgfältig gestaltete Fassade. Mit ihrer Materialisierung und der horizontalen Gliederung zieht diese die Blicke auf sich und fordert den Betrachter zur Auseinandersetzung auf. Bemerkenswert ist auch die unterirdische Lösung unter der Dufourstrasse hindurch als Verbindung der beiden Museumsgebäude, die gleichzeitig auch als Herberge für die Lagerbestände dient. Der Bau dieser zweigeschossigen Verbindung war sehr aufwendig: So musste zum Beispiel die bestehende Kanalisation mittels Tunnelbau auf eine neue Tiefe von fünfzehn Metern verlegt werden. Und um einen praktisch unterbruchlosen Verkehrsfluss während der gesamten Bauzeit aufrechtzuerhalten, wurde die Dufourstrasse während zweier Jahre über eine provisorische Brücke geführt.

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Im Innern bietet das Gebäude unterschiedliche, wohlproportionierte und für die Kunst ideale Ausstellungsräume. Für grosse Sonderausstellungen bieten sie optimale Voraussetzungen, die bis anhin gefehlt haben. Da ursprünglich im Kunstmuseum keine grossen Sonderausstellungen vorgesehen waren, gibt es dort auch keine entsprechende Infrastruktur. So mussten immer wieder ganze Sammlungsbereiche umgehängt oder magaziniert werden, was einem Dauerprovisorium gleichkam. Ausserdem konnten nicht alle neueren Kunstformen in den eigentlich idealen Räumen ausgestellt werden. Und abgesehen von der temporären Nutzung von Sammlungsräumen für Sonderausstellungen wurde der Raum im Hauptgebäude des Kunstmuseums immer knapper für die erfreulicherweise stetig wachsende Sammlung. Die Materialisierung der Innenräume nimmt – genauso wie ihr Äusseres – einen feinen Dialog mit dem Hauptgebäude auf. Die Raumwirkung der Ausstellungsräume wird unter anderem von vorfabrizierten Betondeckenelementen geprägt, welche die gesamte Raumbreite überspannen. Die Struktur dieser Betonelemente wurde so gestaltet, dass die notwendigen Haustechnikinstallationen und die künstliche Beleuchtung in den markanten Fugen zwischen den Elementen angeordnet werden konnten. Mit solchen gezielten Massnahmen wurde viel hochwertige Technik gleichsam ‹unsichtbar› verbaut. Zugleich wurde auch Kriterien der Nachhaltigkeit Rechnung getragen. Zwei Beispiele dafür: Der Bau wurde im Minergie-P-Eco-Standard erstellt; und soweit es die Statik erlaubte, wurde konsequent Recycling-Beton verwendet. Unser grosser Dank gebührt an dieser Stelle Dr. h. c. Maja Oeri, die den Bau des neuen Hauses ermöglicht hat, sowie allen, die in den unterschiedlichsten Funktionen und mit den unterschiedlichsten Aufgaben in die Planung und den Bau involviert waren. Nur dank des überall überdurchschnittlich hohen Engagements ist es gelungen, die vereinbarten hohen Ziele dieses komplexen Projekts zu erreichen. Mit dem Neubau Kunstmuseum sah sich Basel mit einer einzigartigen Bauaufgabe konfrontiert, einem Projekt, das über Generationen hinweg Bestand haben soll! Damit stellt das Kunstmuseum Basel als eines der international führenden Häuser für Bildende Kunst entscheidende Weichen für die Zukunft. Ich freue mich auf all die zahlreichen Kunst- und Architekturinteressierten aus Basel, der Region, der Schweiz und der ganzen Welt, die im nunmehr aufs Schönste erweiterten Kunstmuseum Basel als Hort der weltweit ältesten öffentlichen Kunstsammlung verweilen werden. Dr. Hans-Peter Wessels, Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

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HANS-PETER WESSELS


WOZU KUNSTMUSEEN? Boris Groys Museen werden oft als Institutionen zur Erhaltung von in der Vergangenheit erschaffenen Kunstwerken und als zeitgenössische Ausstellungsplattformen verstanden. Als solche wurden Museen bewundert – aber auch verachtet und gehasst. So riefen die Künstler der historischen Avantgarde zur Zerstörung der Museen auf, um das Entstehen von neuer, auf die Gegenwart und die Zukunft gerichteter, Kunst zu ermöglichen. Die Museen sind jedoch genau die richtigen Maschinen, um die Gegenwart in die Zukunft zu transportieren. Denn Künstler machen ihre Arbeit stets nicht nur für ihre eigene, sondern auch für kommende Zeiten. Und das bedeutet, dass sie von den Kunstinstitutionen abhängen, deren Ziel es ist, die Kunstwerke unversehrt für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen – damit die Arbeit der Künstler in der Zukunft gegenwärtig bleibt. Dies ist in erster Linie die Funktion der Museen für moderne und zeitgenössische Kunst: den zeitgenössischen Künstlern zu ermöglichen, nicht nur ihre Zeitgenossen, sondern auch zukünftige Generationen anzusprechen. Man kann natürlich einwenden, dass museale Konservierung die Aktualität des Kunstwerkes verrät. So schrieb Heidegger in seinem Werk ‹Der Ursprung des Kunstwerkes›, dass die Öffnung der Welt durch das Kunstwerk zwangsläufig nur vorübergehend ist: Im nächsten Moment schon ist die durch das Kunstwerk geöffnete Welt wieder verschlossen – und das Kunstwerk wird zu einem gewöhnlichen Gegenstand, der von unseren Kunstinstitutionen als solcher behandelt wird. Auch Walter Benjamin erklärte, dass der Museumsgegenstand stets nur eine Kopie des ursprünglichen Kunstwerks ist – eine Kopie ohne Aura. Dieses Verständnis von Kunst im Museum vernachlässigt jedoch den grundlegenden Unterschied zwischen den üblichen, oder sagen wir den politischen und künstlerischen Herstellungsformen von Gegenwart. Künstler und Politiker teilen sich das gemeinsame Hier und Jetzt des öffentlichen Raums und beide wollen die Zukunft aktiv gestalten – dies ist, was Kunst und Politik vereint. Aber Politik und Kunst gestalten die Zukunft auf zwei unterschiedliche Weisen. Die Politik versteht die Zukunft als Ergebnis ihrer Handlungen, die im Hier und Jetzt stattfinden. Die politische Handlung muss zu einem Ereignis führen, effizient sein, Ergebnisse liefern, das soziale Leben verändern. Anders gesagt, die politische Praxis formt die Zukunft – aber sie verschwindet in und durch diese Zukunft, wird von ihren eigenen Ergebnissen und Konsequenzen vollständig absorbiert. Die Bestimmung der Politik ist es, überholt zu werden – und Platz zu machen für die Politik der Zukunft.

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Die Kunst hingegen, so wie sie in der Moderne funktionierte und in unserer Zeit immer noch funktioniert, verschwindet nicht, nachdem die künstlerische Arbeit getan ist. Das Kunstwerk bleibt vielmehr gegenwärtig in der Zukunft. Die Politik gestaltet die Zukunft durch ihr eigenes Verschwinden. Die Kunst gestaltet die Zukunft durch ihre eigene verlängerte Gegenwart. Der englische Philosoph Jeremy Bentham schlug einmal vor, die Körper der wichtigen Denker nach ihrem Tod zu mumifizieren mit der Absicht, diese Mumien zu wissenschaftlichen Symposien und Konferenzen zu bringen. Er glaubte, dass die Teilnehmer in Gegenwart dieser Mumien von den üblichen akademischen Dummheiten absehen würden. Jedes Mal, wenn ich in einem Kunstmuseum bin, kommt mir dieses Projekt von Bentham in den Sinn. Museen halten die Künstler nicht davon ab, neue und polemische Kunst zu machen. Aber sie können der Erzeugung von einfältiger Kunst und einfältigen Besucherreaktionen entgegenwirken. Es wird oft gesagt, dass das Internet heutzutage zum wichtigsten Präsentationsort der Kunst geworden ist. Das ist zweifellos richtig. Doch der Internetnutzer handelt genau wie ein Kunstnutzer – und nicht wie ein Kunstbetrachter. Wenn wir im Internet surfen, haben wir ein Gefühl der Macht über Texte und Bilder. Ein Klick reicht, um diese zum Erscheinen oder Verschwinden zu bringen. Ein Kunstmuseum hingegen versetzt uns in die Position des Betrachters, der keine Macht über die ausgestellten Kunstwerke hat – kein Recht und keine Kraft, sie nach Belieben erscheinen oder verschwinden zu lassen. In diesem Moment verstehen wir: Kunst ist etwas Ernsthaftes. Die Situation verlangt von uns, dass wir denken und nicht nur handeln. Der Kunst ihre Ernsthaftigkeit zu belassen, das ist es, was Museen tun – alle Museen, einschliesslich der Museen für moderne und zeitgenössische Kunst, die diese Seriosität vielleicht noch mehr benötigen als die Kunst der früheren Epochen.

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BORIS GROYS


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