Architekten des Fin de Siècle

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CHRIST O P HMERIAN V ERLA G


Architekten des Fin de Siècle



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CHRI S T O P HMERI A N V ERL A G



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Die Modernisierung der Stadt Basel um 1900

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Curjel & Moser Gustav Doppler Leonhard und Rudolf Friedrich Gustav & Julius Kelterborn Emanuel La Roche Linder und Visscher van Gaasbeek Eduard Pfrunder Romang & Bernoulli Rudolf Sandreuter Robert Saur und Adolf Kiefer Stamm Vischer & Fueter

17 31 47 61 73 89 107 125 143 155 169 185

Werkkataloge Glossar Namensverzeichnis Bibliografie /Abk端rzungen Abbildungsnachweise Dank

203 216 218 224 226 227


« Kaiserkron und Päonien rot, Die müssen verzaubert sein … » Joseph von Eichendorff Gewidmet meinen Eltern und meinem Bruder, in Erinnerung an eine Kindheit in der Gartenstrasse


Die Modernisierung der Stadt Bas e l u m 1 9 0 0

Einleitung

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Basel, die grösste Industriestadt der Schweiz Bauten sind aufschlussreiche Zeugen der Geschichte. In gesellschaftlichen Umbruchprozessen – wie der Industrialisierung des 19. und frühen 20 . Jahrhunderts – werden sie zu Chiffren des Wandels, indem sie den Rahmen für neue soziale Beziehungen schaffen, die sie damit zugleich materialisieren und sichtbar machen. Oft werden Gebäude aus einer rein funktionalen Perspektive betrachtet. Ihren Protagonisten – den Architekten – wird als Herstellern von Gebrauchsgut wenig Beachtung geschenkt, sofern sie nicht internationale Anerkennung geniessen. Und doch sind sie es, denen ein Ort seine ganz spezielle Ausstrahlung verdankt, sie schaffen die Umwelt, in der wir unsere Eindrücke empfangen und die einen Teil unserer Identität ausmacht. Die Architekten des Fin de Siècle, jener grundlegenden Umwertungszeit um 1900, haben der Modernisierung Basels ein Gesicht verliehen und daran mitgewirkt, dass aus der ummauerten Kleinstadt von 1850 mit knapp 30 000 Menschen und 2200 Häusern um 1910 die grösste Stadt der Schweiz mit 130 000 Einwohnern und 10 000 Gebäuden wurde. Die Industrielle Revolution, die im 18 . Jahrhundert in England ihren Anfang genommen hatte, rief einen nie dagewesenen Bedarf an Arbeitskräften hervor. Durch den starken Zuzug der Not leidenden Landbevölkerung, die sich von der Arbeit in den Fabriken eine Verbesserung ihrer Überlebensmöglichkeiten versprach, entstanden auch in der Schweiz in rasanter Entwicklung Industriestädte. Im Jahr 1900 war Basel – entsprechend den Kantonsstatistiken – die grösste Fabrikstadt der Schweiz. 61 Prozent seiner arbeitenden Bevölkerung waren in der Industrie tätig, davon 16 Prozent im Bausektor. Zu dem Strom von Zuwanderern aus der Schweiz und dem Ausland zählten, neben den zahlreichen Arbeitern und Bediensteten, auch Angehörige der Mittel- und Oberschicht: Fabrikbetreiber, Direktoren, höhere Angestellte, Verwaltungsbeamte und Lehrer.


Neue Strukturen 1857 war zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben das Technische Bureau für die Stadterweiterung eingerichtet worden. Dieses beauftragte den deutschen Direktionsarchitekten der Schweizerischen Centralbahn, Rudolf Ludwig Maring, mit der Ausarbeitung eines Generalplanes zur Gestaltung der wachsenden Stadt. Unter anderem gehen die Ringstrassen sowie zwei neue Brücken über den Rhein auf dessen Konzept zurück, ebenso die Niederlegung der alten Befestigungsmauer. Damit stellte sich eine Fülle neuer Aufgaben für Tief- und Hochbau: Neben den Versorgungssystemen für Trinkwasser, Elektrizität, Gas, Telefon und Kanalisation wurde das Strassennetz an die neuen Verkehrsmittel wie das Tram und den allmählich einsetzenden Autoverkehr angepasst. Innerhalb kurzer Zeit baute man die Wettstein-, die Johanniter- und die Eisenbahnbrücke und erneuerte die Mittlere Brücke. Für den Anschluss an das Schienennetz der Eisenbahn benötigte man Bahnhöfe. Und zur Bewältigung weiterer öffentlicher Aufgaben entstanden Schulhäuser, Kollegien- und Institutsgebäude, Spitäler, öffentliche Bäder, Sportstätten, kulturelle Institutionen wie Theater, Konzertsaal, Museen, Zoologischer Garten, nicht zu vergessen die Post-, Regierungs-, Gerichts- und Gefängnisbauten sowie Grünanlagen. Nachdem 1798 der katholischen Gemeinde in Basel wieder die Feier der Heiligen Messe gestattet worden war, wurden zum ersten Mal seit der Reformation auch wieder Kirchen gebaut, und zwar für beide christlichen Konfessionen, und es wurde für die jüdische Gemeinde eine Synagoge errichtet.

Einleitung

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Neue Viertel und Baulinien Hand in Hand mit dem Ausbau der Infrastruktur wurden neue Quartiere erschlossen und die Innenstadt umgestaltet. Neben den eindrucksvollen Villenvierteln im Gellert und in Teilen des Sevogelquartiers, deren Seitenstrassen zumeist von grosszügigen Einfamilien-Reihenhäusern flankiert waren, wurde nach einer Korrektur des Eisenbahnverlaufs um 1900 auch das Paulusquartier als weiteres Viertel für wohlhabende Bewohner angelegt. Obschon die Schaffung von Unterkünften für die Arbeiter eine drängende Notwendigkeit war, begann man erst zwischen 1890 und 1900 systematisch mit dem Bau grösserer Mietshäuser, vor allem in den Vierteln Matthäus, Klybeck und Rosental im Kleinbasel sowie St. Johann und Gundeldingen im Grossbasel. Die Anlage der neuen Viertel basierte auf dem System der sogenannten ‹ Spekulationsstrassen ›. Bis zu


ihrer Zweidrittelbebauung mussten diese neuen Strassen, einschliesslich Wasserversorgung und Kanalisation, von den Hausbesitzern finanziert werden. Erst danach übernahm der Kanton die Finanzierung. Bei der Planung der neuen Viertel wurde mehrheitlich ein rechtwinkliges Raster zugrunde gelegt, das für den Verlauf der Abwasserkanäle und die Strassenreinigung am rationellsten war. Das Gundeldingerviertel ist ein Musterbeispiel für die Umsetzung dieses Konzeptes. Durch seine Lage in Bahnhofsnähe war es prädestiniert, vor allem bei der Bahn und Post Beschäftigte aufzunehmen. Ab 1871 wurde es von der Süddeutschen Immobiliengesellschaft in Mainz angelegt. Einheimische Baufirmen und Architekten übernahmen die Erstellung der Häuser oft gleich zeilenweise. Von Anfang an war es in seinen zentralen Teilen als Arbeiterviertel geplant, eine Ausnahme bildeten die Randlagen mit prächtigen Häusern, beispielsweise gegenüber dem Margarethenpark. In der Innenstadt bekamen der Marktplatz, die Freie Strasse und die Gerbergasse neue Baulinien. Mit der Überdeckung des Birsigs entstand 1899 –1900 die Falknerstrasse. Die Freie Strasse wurde als Prachtboulevard geplant auf Kosten fast aller alten Häuser, darunter mehrerer Zunfthäuser. So erhielten die Freie Strasse und der Markt mit den zahlreichen um 1900 errichteten Gebäuden ein grosszügigeres Gepräge, freilich unter Verlust des mittelalterlichen Stadtcharakters mit seinen kleinteiligen Strassenverläufen, gebrochenen Strassenlinien und Asymmetrien.

(1) Schümperli-Grether (1993), S. 75

Einleitung

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Neue Bauaufgaben Neben den Geschäfts- und Warenhäusern, Banken, Hotels, Fabrikgebäuden und Produktionsanlagen machten um 1900 Wohnbauten den grössten Teil der Neubauten aus. Dabei wurde die bisher gültige Norm des eigenen Hauses mehrheitlich durch die neue Wohnform der vier- bis fünfgeschossigen Mietshäuser abgelöst. Vor allem in Ecklagen boten diese oft zusätzlich Platz für gewerbliche Nutzungen wie Läden und Gaststätten, die sich zu Quartierstreffpunkten entwickelten und gleichsam zu den ‹ Wohnstuben › (1) der oft in beengten Verhältnissen lebenden Zuzügler wurden. In den meisten Hinterhöfen fanden sich neben Gemüsegärten und Nutztierhaltung auch Werkstätten unterschiedlicher Handwerksbetriebe. Der von einer Arbeiterfamilie benötigte Wohnraum wurde im Durchschnitt auf zweiundvierzig Quadratmeter angesetzt. Besonders häufig war die Einteilung der Mietshäuser in zwei Wohnungen mit zwei oder drei Zimmern pro Etage und einer


(2 ) Uta Feldges (1978), S. 36 f.

(3) Dieser Gedanke wurde u. a. von Hermann Muthesius propagiert, der sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit dem ‹ englischen Haus › befasste, vgl. Muthesius (1904/05).

Einleitung

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Toilette auf dem Treppenpodest. Nicht jedes Zimmer verfügte über Ofenheizung. Badezimmer wurden erst nach 1900 häufiger vorgesehen, sie waren aber noch lange nicht die Regel. Um Untermieter aufnehmen zu können, war oft ein Zimmer vom Treppenhaus direkt zugänglich. Es gab allerdings auch Mietwohnungsanlagen luxuriösen Zuschnitts mit Lift, wie am Sevogelplatz, deren Wohnungen bis zu zehn Zimmer aufweisen, oder im Komplex ‹ am Viadukt ›, in welchem sich die Wohnungen sogar über zwei Stockwerke erstrecken. Gleichwohl blieb das Eigenheim ein Ideal, das in unterschiedlicher Ausformung und Typenvarianz umgesetzt wurde. So entstanden beispielsweise an der Pfeffelstrasse die kleinen Doppelhäuser für Arbeiter von Rudolf Linder mit etwas Garten zur Selbstversorgung, die für vielköpfige Familien inklusive eventueller Untermieter im Erdgeschoss ein Zimmer und eine Küche und darüber zwei Dachzimmer vorsahen, dazu im Untergeschoss eine auch als Badezimmer genutzte Waschküche. Für mittelständische Familien sind häufig im ‹ Basler Grundriss › (2) angelegte zweigeschossige Reihenhäuser auf einem schmalen Gartengrundstück typisch. Sie sind in zwei ungleich breite Achsen unterteilt, wobei sich der Eingang mit dem Treppenhaus und der Küche dahinter auf der schmaleren und die Wohnräume auf der breiteren Seite befinden. Im Obergeschoss sind in der Regel neben dem Bad drei Schlafrespektive Kinderzimmer untergebracht, im Dachgeschoss zwei Zimmer und eine Mägdekammer. Eine Variante dieses Typus findet sich in der Villenkolonie, eine städtebaulich neue Sonderform des verdichteten Bauens. Diese Anlagen bestehen aus Reihen-Einfamilienhäusern mit grösseren Gärten vor und auch hinter dem Haus, die sich optisch zu einem Grüngürtel zusammenschliessen. (3) Die einzelnen Häuser sind unterschiedlich gestaltet und weisen bis zu acht Zimmer auf. Oft haben sie einen separaten, durch den Keller führenden Eingang. Zur repräsentativsten und luxuriösesten Form eines familialen Lebensraumes gehört die von einem Gartengrundstück umgebene Villa mit einer Grundfläche von etwa zwölf bis fünfzehn Metern (oder auch mehr) im Quadrat. Diese Bauten mit oft mehr als zehn Zimmern verfügen alle über einen separaten Dienstboteneingang, und die Küche befindet sich – neben grossen Kellerräumen für Heizung, Pflanzen, Gemüse und Wein – nicht selten im Untergeschoss. Um eine grosse Eingangshalle im Erdgeschoss sind vier bis fünf Repräsentationsräume wie Salon, Fumoir, Zimmer des Herrn, Boudoir


und Esszimmer, meist mit Veranda, gruppiert. Im Obergeschoss mit Bad befinden sich vier bis fünf Schlaf-, Kinderund Gästezimmer, im Dachgeschoss dann Kammern für das Dienstpersonal, Glättezimmer und Waschküche, offener Dachboden und Plunderkammer. Gelegentlich kommt als aristokratisches Relikt die Dienstbotentreppe vor. Neue Gestaltungsprinzipien Die Architektur im frühen 19. Jahrhundert basiert weitgehend auf den Prinzipien des Klassizismus, für den ein symmetrischer Aufbau, gerades Gebälk, Dreiecksgiebel, Säulen und Rundbogenarkaden charakteristisch sind. In der Gründerzeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ihrem schnellen wirtschaftlichen Aufschwung und neuen Reichtum erfüllte dieses eher schlichte Stilprinzip das Bedürfnis nach Eigenrepräsentation der wohlhabenden Schichten nicht mehr. Somit begannen die Architekten, unterschiedliche Stilepochen in einem bewussten Eklektizismus miteinander zu verschmelzen, wofür der Begriff ‹ Historismus › steht. Sie lösten sich von einem vor allem durch die aristokratische Herrschaftsarchitektur bestimmten Stilideal, sodass die Vorlieben und Kenntnisse der Auftraggeber an Bedeutung gewannen. Das führte oftmals allerdings auch zu überladen und uneinheitlich wirkenden Fassaden, die in der nächsten Generation auf entschiedene Ablehnung stiessen. In diesem Übergang verbanden sich neuer Glanz mit einem Selbstbewusstsein der auf Wissenschaft und Fortschritt gestützten Unternehmungen und einem Krisenbewusstsein, das zur Sehnsucht nach gegenkulturellen Erlösungsversprechen – politischen, religiösen und lebensreformerischen – wurde. All dies spiegelt sich auch in den Bauformen und der ästhetischen Revolution der heute ‹ klassischen › künstlerischen Moderne. Das Fin de Siècle war – wie die Architektenporträts in diesem Buch auf vielfältige Weise zeigen – keine Untergangsepoche, wie vor der Französischen Revolution das Ancien Régime, aber eine Zeit des Zerbrechens einer Einheitskultur zugunsten eines kulturellen Pluralismus, der sich (wie später erneut in der Postmoderne) gerade auch in der gebauten Umwelt zeigt.

Einleitung

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Ein neuer Stil Angesichts einer Modernisierung, die zahlreiche Traditionen zu zerstören schien, entwickelte sich in vielen europäischen Ländern das Bedürfnis, die aus historischen Versatzstücken kombinierten Architekturformen durch eine authentische Sprache zu überwinden, die sich nicht dem Vergangenen


(4) Genannt nach dem von dem Hamburger Samuel Bing 1895 in Paris gegründeten Salon

(5) Auch ‹nationale Romantik› genannt

(6) An den Weltausstellungen von London 1862 , Paris 1867 und Wien 1872 wurden im Westen erstmals in grossem Stil Beispiele japanischer Kunst und Kultur gezeigt. (7) Karl Blossfeldt erarbeitete beispielsweise seit 1890 mit Moritz Meurer Gestaltungsvorlagen für den Kunstunterricht in Form von Pflanzenfotografien. (8) Hector Guimard, Jules Lavirotte, Henri Sauvage, Lucien Weissenburger, Emile André (9) Victor Horta (10) Antoni Gaudí (11) Charles Rennie Macintosh, Charles Annesley Voysey, Otto Wagner, Josef Hoffmann, Joseph Maria O ­ lbrich, Peter Behrens, Richard Riemerschmid

unterwarf. Schon die Namen dieses internationalen Trends verweisen auf diese Suche nach einer neuen Richtung in der Architektur- und Kunstentwicklung. Eine diskursive Vorreiterin in Deutschland war die 1896 in München gegründete Zeitschrift mit dem programmatischen Titel ‹ Die Jugend ›. Parallel dazu entwickelte sich in Frankreich und Belgien der Stil des Art Nouveau. (4) In England, wo man auch vom Modern Style sprach, hatten sich schon früher aus der durch William Morris initiierten Arts-and-Crafts-Bewegung verwandte Tendenzen mit dem Schwerpunkt einer Aufwertung des Kunsthandwerks herauskristallisiert. Ein charakteristischer Vertreter dieser Richtung, der Kaufmann Arthur Lasenby Liberty (dessen Nachname in Italien sogar zum Begriff für Jugendstil wurde), eröffnete 1875 in London ein Geschäft für Inneneinrichtungsgegenstände, vorzugsweise aus dem fernen Osten. Die für die Schweiz spezifische Spielart dieses Neuanfangs brachte etwas später im Zusammenhang mit der Gründung des Schweizer Heimatschutzes in Bern 1905 den sogenannten ‹ Heimatstil › (5) hervor. So entstand in verschiedenen Ländern Europas eine verwandte Programmatik, die unter dem Begriff ‹ Jugendstil › zusammengefasst werden kann. Die üblicherweise so bezeichnete pflanzlich-organisch gestaltete Linienkunst ist nur ein Aspekt dieses Phänomens. Gleichwohl ist das Element der sich selbst feiernden Linie als eines der Hauptcharakteristika anzusehen, durch welches gestalterisches Neuland betreten wurde. Die Hauptvertreter dieser floral-linearen Formgebung finden sich – inspiriert auch von der japanischen Kunst (6) und einer durch die Fotografie unterstützten neuen Sicht auf die Natur (7) – in Paris und Nancy (8), in Belgien (9) und in Barcelona (10). Ihnen standen Vertreter des Jugendstils in Grossbritannien, Deutschland und Wien gegenüber, die den Ausgangspunkt ihrer Gestaltung in der geometrisierenden Schlichtheit und Funktionalität suchten – auch dies war damals ein Novum. (11) Sie wollten Funktions- und Materialgerechtheit mit kunsthandwerklichen Fertigkeiten verbinden, wie das schon durch Philip Webb und William Morris in der bereits genannten Arts-and-Crafts-Bewegung vorbereitet worden war. Auch diese Richtung bezog sich auf Naturformen – jedoch stärker auf deren strukturelle Komponenten. Hinter beiden Formen des Naturbezugs kann man eine Reaktion auf den Siegeszug von Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft sehen. Die Erkenntnis der existenziellen Bedeutung der Natur für den Menschen, die mit einem lebensreformerischen Wunsch nach neuen menschengerechten und zugleich naturgemässen Formen verbunden war,


wirkte sich gestalterisch aus. Das konnte sich, entsprechend der unterschiedlichen lokalen Bautraditionen, mit historistischen Elementen verbinden. Je nach Aufgabe und gewählten Materialien oszillieren die Werke mancher Architekten zwischen den verschiedenen Strömungen, die an ein und demselben Bau durchaus parallel auftreten konnten. Neue Bauteile Die vielleicht bedeutsamste prinzipielle Neuerung der Zeit lag darin, sich von der repräsentationshaltigen Symmetrie, die seit der Renaissance jahrhundertelang die Architekturen bestimmt hatte, zu lösen. Gewiss spielte dabei auch die Begegnung mit aussereuropäischen, vor allem japanischen, Gestaltungsprinzipien eine wesentliche Rolle, aber der Grund­impuls verdankte sich in erster Linie dem den Lebensreformideen entsprungenen Wunsch, von innen nach aussen zu bauen und damit bei den praktischen und funktionalen Bedürfnissen der Bewohner und nicht bei der Fassade anzusetzen. Damit verbunden kam es zu materialen Rückgriffen auf die eigene kulturelle Vergangenheit, sodass Bauteile wiederbelebt wurden, die jahrhundertelang aus der vor allem an der Antike orientierten Architektur fast vollständig verschwunden waren: Traufständige Häuser wichen giebelständigen Häusern mit hochgezogenen strassenparallelen Ziergiebeln, welche die Traufen durchstiessen, Erker, Balkone und Ecktürmchen belebten die Fassaden. Auch den Dachlandschaften schenkte man vermehrte Aufmerksamkeit, nicht zuletzt um dem gesteigerten Platzbedarf Rechnung zu tragen und baute sie zu äusserst komplexen Konstruktionen aus. Die Fenster eines Baus konnten unterschiedliche Formen erhalten und wurden abwechslungsreich unterteilt. Ornamentsysteme vegetabilen oder geometrischen Charakters bereicherten die Fassaden, teilweise erfassten sie selbst die letzten Ausstattungsdetails im Inneren der Häuser.

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Neue Bautechniken und -materialien Während Jahrhunderten war in Basel der verputzte Steinbau die vorherrschende Bauweise. Die seit den 1870 er-Jahren eingeführte Ziegelnormierung verdrängte jedoch schnell den kostspieligeren Haustein; damit begann die Verwendung von Sichtbackstein auch in Basel eine wichtige Rolle zu spielen. Einen umwälzenden Effekt hatte dabei zudem die dank der Eisenbahn vereinfachte Transportmöglichkeit für Stein. Erst seit diesem Moment wurde die von dem Rot des lokalen Sandsteins geprägte Farbigkeit der Stadt Basel durch die Verwendung ortsfremder Materialien wie Buntsandsteine


oder Granite erweitert. Daneben wurden frühere Gestaltungsformen wieder aufgegriffen. Man baute mit unregelmässig hervortretenden, den Verputz kontrastierenden Quadern, wie sie an mittelalterlichen Gebäuden zu finden sind, und es wurden Fachwerkelemente und -konstruktionen aus der ländlich lokalen Bautradition einbezogen. Zugleich verwendete man vorgefertigte Stuckelemente: Applikationen, Baluster, Konsolen bis hin zu gelegentlichen Figuren. Immer mehr setzte sich die Verwendung vorfabrizierter Bauteile aus Betonwerkstein durch, deren Produktion auch in Basel florierte, womit der Siegeszug des rationellen Bauens seinen Anfang nahm. Seit dem Bau des Londoner Kristallpalastes für die erste Weltausstellung 1851 hatte zudem die Eisen-Glaskonstruktion die Baukunst revolutioniert. Ihr Potenzial grosser Reichweiten machte sie allen anderen Methoden überlegen. Ganz besonders entsprach sie den Erfordernissen des Fernverkehrs und der Industrie, aber auch in vielen anderen Bereichen bediente man sich ihrer Möglichkeiten, die durch François Hennebiques Erfindung der Stahlbetonkonstruktion um 1900 noch erweitert wurden. Wichtigster Vertreter dieser Technik war in Basel der Architekt Rudolf Linder.

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Die Architekten Architekten stehen seit je zwischen der Erfüllung praktischer Bauaufgaben und einem mit ihrem Beruf seit der Antike verbundenen Gestaltungswillen, der sie in die Nähe der Künstler rückt. Gleichwohl gab es bis in das 20 . Jahrhundert hinein keine geregelte Ausbildung; man ging in die Lehre und arbeitete bei einem gestandenen Meister. Baufachschule, Polytechnikum oder Akademie konnten zur Ergänzung besucht werden. Wer die Möglichkeit dazu hatte, unternahm überdies ausgedehnte Bildungsreisen. Die in Basel wirkenden Architekten, um die es in diesem Buch geht, hatten vorwiegend deutsche Ausbildungsstätten besucht: die Baugewerkeschule Stuttgart, das Polytechnikum Karlsruhe, die Technische Hochschule Hannover oder auch die Bauakademien in Berlin und München. Eine wichtige Rolle spielte die Ecole des Beaux-Arts in Paris. Die schweizerischen Ausbildungsstätten, wie die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich, das Technikum Winterthur oder das Kantonale Technikum Burgdorf, kamen damals erst in dritter Linie zum Zug. Unabhängig von den Ausbildungsstätten und -traditionen begann sich das Ausdrucksspektrum – auch durch den aus Reisen, Zeitschriften oder Fotografien erweiterten Bildungs-


(12 ) Beispielhaft dafür sind die durch Emanuel La Roche von seiner Orientreise inspirierten exotischen Ausgestaltungen.

(13) INSA 2 (1986)

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kosmos – zu internationalisieren. (12) Für die Gestaltung der Bauten in Basel sind Querbezüge nach Süddeutschland bedeutungsvoll, insbesondere zu den in Darmstadt wirkenden Architekten, die ihrerseits enge Verbindungen zu Künstlern der Wiener Sezession hatten. Diese wiederum nahmen Impulse aus Grossbritannien auf. Aber auch die nach Frankreich orientierte Tradition des 18 . Jahrhunderts spielte in Basel immer noch eine massgebliche Rolle. Dazu gehörte das Aufgreifen eines neobarocken Repräsentationsstils aus Paris. Umbruch und eine neue Blüte alter handwerklicher Traditionen gingen Hand in Hand – auch dies kann wohl als ein Kennzeichen des so vielgesichtigen Fin de Siècle angesehen werden, das nicht nur das Ende eines Jahrhunderts meint, sondern genauso mit den mit neuem Selbstbewusstsein auftretenden Avantgarden in Verbindung zu bringen ist. In welcher spezifischen Weise die Verkoppelung von funktionalen Kriterien mit den Idealen einer aus einem gestalterischen Eigenrecht sich speisenden Baukunst zu zeitbedingten und doch eigenständigen Gestaltungen geführt hat, wird Gegenstand der nachfolgenden Sachkapitel sein. In der Zeitspanne zwischen 1890 bis 1914 waren weit über vierhundert Architekten in Basel tätig. Aus dieser vom INSA (‹Inventar der Neueren Schweizer Architektur 1850 –1920›) (13) bereits mit Basisdaten erfassten Fülle wurden für diese Publikation zwölf Büros und deren Architekten ausgewählt, die durch Qualität und Anzahl ihrer Bauwerke besonders deutlich hervortreten und den Charakter der Stadt massgeblich geprägt haben. Alphabetisch angeordnet werden die Architekten und Architekturbüros anhand ihrer signifikantesten Bauten vorgestellt und es werden ihre Entwicklungen und Biografien nachgezeichnet. Werkkataloge der zwölf Büros schliessen den Band ab. Durch Archivarbeiten konnte für viele der Architekturbüros umfassender als bisher belegt werden, für wen sie bauten und wer in ihren Häusern wohnte, woraus sich interessante Querbezüge zur damaligen Basler Gesellschaft erschliessen lassen. Aufschlussreich waren vor allem die Unterlagen im Staatsarchiv und im Zivilstandsamt. Die Qualität der weit über tausend erfassten Gebäude sowie der originellen und sich gleichwohl in die gewachsenen Strukturen einpassenden städtebaulichen Lösungen ist eindrücklich und wird den Stellenwert ihrer oft unterschätzten und zum Grossteil bisher namentlich wenig bekannten Urheber innerhalb der Baugeschichte Basels neu beleuchten.



Curjel & Moser

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Das 1888 von Karl Moser und Robert Curjel gegründete, renommierte Architekturbüro mit Hauptsitz in Karlsruhe erlangte in Basel mit dem Wettbewerbssieg unter 56 Bewerbern um die Pauluskirche 1897 grosse Anerkennung. Deren städtebaulich markante Positionierung und prägnante architektonische Form sollten ihrer Bedeutung als spirituelles Zentrum des durch die Verlegung der Eisenbahnlinie neu gewonnenen Paulusquartiers Ausdruck verleihen. Die Architekten hatten bereits mit dem Bau der evangelischreformierten Johanneskirche in Bern 1892 und der katholischen St. Sebastianskirche in Wettingen 1895 Erfahrungen im Kirchenbau erworben und waren in Karlsruhe noch mit der Errichtung der 1900 vollendeten evangelischen Christuskirche beschäftigt. Dieser in neugotischem Stil ausgeführte Bau ist im Hinblick auf seinen Grundriss und seine Disposition ein Vorläufer der Pauluskirche. Bei dieser wiederum sah nun Curjel & Mosers Konzept stilistisch einen starken Bezug zur Romanik vor, verbunden mit reicher Ornamentik und Skulpturenschmuck. In der Anlage des Innenraums folgten die Architekten dem Wiesbadener Programm von Pfarrer Emil Veesenmeyer aus dem Jahr 1890, das eine Einheit von Kanzel, Altar und Orgel sowie die Anbringung der Kanzel in der Mittelachse des Kirchenbaus forderte. Veesenmeyers Einheitsraum sollte gemäss dem Lutherschen Diktum vom ‹ Priestertum aller Gläubigen › auf die hierarchisch gliedernde Einteilung des Kirchenraums in Chor und Kirchenschiffe verzichten. Auch der moderne Gedanke, dass in der Erscheinung des Bauwerks das innere Wesen desselben zum Ausdruck kommen solle, stand dahinter. Damit war der evangelische Kirchenbau weitgehend von den Zwängen der histo­rischen Vorbilder entlastet. Die Architekten schufen einen Zentralbau mit überwölbter Mitte sowie drei Konchen mit Emporen, dem eine querverlaufende Halle vorgelagert ist. Der Turm über der Vierung verleiht dem Zentralbaugedanken auch in der äusseren Gestalt Ausdruck. Auffällig ist die reiche figürlich-skulpturale Ausstattung,


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Schaffha u s e r rheinweg 55

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Erdgeschoss 1

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5

5 m

Vogesenstrasse 14 1

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1. Obergeschoss

5 m

Curjel& Moser

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(1) Vgl. beispielsweise seine zwischen 1872 und 1877 in Boston erbaute T ­ rinity Church.

Schaffha u s e r rheinweg 55

Curjel& Moser

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die in dieser Form für eine evangelische Kirche ein Novum in Basel ist. Curjel & Moser engagierten zahlreiche junge Künstler wie die Bildhauer Oskar Kiefer aus Ettlingen, Hermann Binz aus Karlsruhe, Jean Hym und Carl Burckhardt aus Basel, den Allround-Künstler Max Laeuger aus Lörrach und den Basler Maler Heinrich Altherr, und sie schufen mit ihnen ein Gesamtkunstwerk im Sinne der Arts-and-Crafts-Bewegung. Neben Zeitbezügen inspirierten sich Curjel & Moser für diesen Bau an früheren Kunstepochen. Für die Grunddisposition scheint die romanische Kirche Gross St. Martin in Köln Pate gestanden zu haben. Beide Bauwerke sind als Dreikonchenanlagen mit einem Mittelturm konzipiert und in ihrer Silhouette deutlich verwandt. Der Bezug der Architekten zur Romanik erinnert an den Stil des ‹ Richardson Romanesque › des in Boston wirkenden Architekten Henry Hobson Richardson. (1) In der Ornamentik griffen Curjel & Moser Vorbilder der irischen Buchkunst und Hochkreuze auf. Zudem wird die grosse Bedeutung der Naturformen und die Verbundenheit der Lebenswelten von Mensch, Pflanze und Tier – ein Charakteristikum des Jugendstils – überall spürbar. Zeittypisch ist auch die Gestaltung des Türsturzes über dem Haupt­ eingang; hier wird ein Schriftzug in ihn geheimnisvoll umrankende Flechtbänder eingebettet. Ein besonderes Element, das in seiner stereometrischen Reduktion aus dem Rahmen fällt, bilden die beiden an der Haupttreppe stehenden Blöcke mit Handläufen: Jeweils eine auf einem Sockel befind­ liche Halbkugel wird von vier kleineren Quadern gefasst. Dieses Motiv zitiert das Ausstellungsgebäude der Wiener Secession (1898) von Joseph Maria Olbrich. Curjel & Moser haben hier eine eigenständige Synthese aus Vergangen­heit und Erbauungszeit – mit einem deutlichen Zug in die Mo­der­ ne – geschaffen. Gleichzeitig mit dem Baubeginn der Pauluskirche erhielten Curjel & Moser den Auftrag, für den Historiker Albert Burckhardt-Finsler am Schaffhauserrheinweg 55 im Kleinbasel die Villa ‹ zum Adlerberg › zu bauen. Die Bauführung übernahm Rudolf (II.) Aichner-Seitz, mit dem das Büro Curjel & Moser in Basel auch später noch zusammenarbeiten sollte. Die dreizehn Zimmer, zwei Kammern für Dienstboten und sieben Serviceräume umfassende Villa mit seitlichem Eingang liegt inmitten eines langgestreckten Gartengrundstücks, das zur Strasse hin durch eine Einfassung mit einer Pergola abgeschlossen ist. Sie hat einen in etwa quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von knapp fünfzehn Metern.


Die Fenstergewände und sämtliche Gebäudekanten werden mit rotem Sandstein eingefasst, der mit den hellen Putzflächen kontrastiert. Die sichtbaren Umrisse der Sandsteinquader verleihen dem Bau eine archaisierende Note. Das Schaustück der Fassade ist zweifellos der ornamental reich ausgeschmückte Ziergiebel, ein Element, das gerade in diesen Jahren in Basel – und auch weitherum in Deutschland – von grosser Aktualität ist. Er trägt die für diese Jahre bei Curjel & Moser typischen Flachreliefs aus spätgotischen Blattranken. Sie sind verbunden mit gotischen Lettern, die hier den Namen ‹ zum Adlerberg › und das Datum 1899 zeigen. Das Haus ist ein typisches Beispiel für einen Bau, der sich stärker nach den Bedürfnissen seiner Bewohner als nach formalen Repräsentationskriterien richtet, so finden sich hier etwa Asymmetrien und Achsenverschiebungen, vor allem auch auf der Eingangsseite. In diesem Bau verbinden sich wieder Mittelalterreminiszenzen und neue Tendenzen, möglicherweise schlagen sich hier auch Eindrücke von Mosers Berlinreise im Jahre 1898 nieder, beispielsweise der Villenbauten von Otto March. 1901 erhielten die Architekten den Auftrag, für Carl Habich-

Dietschy, Inhaber der Salmenbräu Rheinfelden, einen gros-

Vogesenstrasse sen Komplex mit einem Bierdepot an der Vogesenstrasse 141 14 1 im äusseren St. Johanns-Quartier zu bauen. « Neubauten für

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Bierdepot, Wohnungen, Geschäftsräume, Stallungen und Remisen » ist auf dem Bauantrag vermerkt. Der dreigeschossige und mit einem Mansarddach versehene Komplex ist auf einem Grundriss in der Form eines unregelmässigen V mit abgestumpfter Spitze und einem Innenhof entlang der Vogesen- und der Entenweidstrasse errichtet. Schauseite ist die Fassade an der Spitze mit einem mächtigen Giebel zwischen zwei flankierenden Zwiebeltürmchen und einem Erker. Im Erdgeschoss befand sich der Restaurationsbetrieb, dessen Räumlichkeiten sich über einen Grossteil der Fläche erstreckten, daneben blieb Platz für je einen Laden an der Entenweid- und Vogesenstrasse sowie für ein Büro. In den Obergeschossen befinden sich pro Etage sechs Zwei- oder Dreizimmerwohnungen mit Ofenheizung, deren Küchen zum Hof hin liegen. Die Anlage ist hell verputzt, mit Fenstergewänden und Eckquadern aus rotem Sandstein, deren Umrisse sichtbar gelassen wurden. Die an der Spitze befindliche Schauseite ist als einzige axialsymmetrisch angelegt, während an den anderen Fassadenpartien sowohl senkrechte wie waagrechte Achsen-


verschiebungen anzutreffen sind. Bei diesem Funktionsbau setzten Curjel & Moser deutlich bescheidenere Mittel ein als bisher. So gibt es beispielsweise keinen Steinmetzdekor, aber zumindest ein farbiges Wandbild mit einem Bier spendenden Salm über dem Restaurant ‹ zum Salmeck ›. Die Architekten versahen auch dieses Gebäude mit einem grossen Ziergiebel mit geschwungener Kontur, den sie wie bei der Villa am Rheinweg mit mittelalterlichen Reminiszenzen – wie Staffelfenster und unregelmässige Eckquader – kombinierten. 1905/06 errichteten Curjel & Moser für und mit Baumeister Rudolf ( II .) Aichner-Seitz eine Einheit von vier Reihenhäu-

Sch ü tz e n matt - sern, drei von ihnen befinden sich an der Schützenmatt­ s t r a s s e 4 9 – 5 5 strasse 49 –55, das anschliessende vierte liegt an der Ecke zur Austrasse. Die jeweils zehn Zimmer auf drei Geschossen (Erdgeschoss und zwei Obergeschosse) umfassenden Häuser an der Schützenmattstrasse 49 –53 weisen identische Grundrisse auf, einmal spiegelverkehrt, das Eckhaus ist etwas grösser. Die zweiachsigen Bauten sind mit hellem Rauputz versehen, akzentuierende Elemente wie Eingangspartien, Erker, Balkone sowie Tür- und Fensterumrahmungen sind in hellem Sandstein gehalten. In der unterschiedlichen Gestaltung der Fassaden spielt das Giebelmotiv weiterhin eine dominierende Rolle, besonders beim Eckbau, der zwei etwa gleich grosse, jeweils die ganze Breite überfangende Giebel mit schwingender Kontur erhielt. Ein baulich neues Element sind die Windfänge vor jedem Eingang, die jeweils mit einer zierlichen geometrisch bemalten Säule versehen sind. Der Komplex zeichnet sich durch vor allem an den Erkern angebrachte, rein geometrisch ausgebildete Flachornamente aus, die den früheren pflanzlich-organischen Duktus ablösen. Dies entspricht der Tendenz des Jugendstils, stärker abstrakte Grundformen zu entwickeln, wie es auch bereits bei den Handlaufblöcken vor der Pauluskirche zu sehen ist. Die Reihenhäuser weisen kaum historistische Reminiszenzen auf, allenfalls wären der Dreierrhythmus der hochrechteckigen Fenster und die Giebelkonturen zu nennen, die aber eher an Olbrich als an barocke Schöpfungen erinnern. Hinter den differenzierten Schmuckformen steht der gestalterische Leitgedanke einer durch Form- und Farbelemente belebten, abwechslungsreichen Oberfläche.

M a r ktp l atz 1 7 Zur Neugestaltung des Marktplatzes wurde vom Baudepar-

tement 1908 ein Wettbewerb für den Häuserblock zwischen Hutgasse, Sattelgasse und Glockengasse ausgeschrieben.


M a r ktp l atz 1 7

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Sch ü tz e n matt strasse 49–55

Schützenmattstrasse 49–53 Erdgeschoss 5 m

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Realpstrasse/ R e it e r s t r a s s e / Ob e r a l pst r as s e

Realpstrasse 74 Erdgeschoss

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Curjel& Moser

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(2 ) Die Verwandtschaft mit einem Projekt der Berliner Architekten Schulz und Schlichting von 1899 ist unübersehbar, vgl. Abb. 126 in: Berliner Architekturwelt 1 .1899, H. 3 , S. 97, abrufbar unter: http://opus.kobv.de/zlb/voll texte/2006/455/ (zuletzt aufgerufen am: 29 .11 .2011).

Den 1. Preis erhielten die Architekten Widmer & Erlacher. (2) Ihren Vorschlag setzten anschliessend die vier Architekturbüros Wilhelm Lodewig, Curjel & Moser, La Roche & Stähelin und Heinrich Flügel modifiziert um. Es entstand ein un­ gemein reizvoller fünfgeschossiger, vier Hausnummern umfassender Komplex mit reinen Hausteinfassaden aus gelblichem Sandstein. Das Haus Marktplatz 17 errichteten Curjel & Moser mit Emil Höllmüller für das Volksmagazin des Textilkaufmanns Victor Mettler-Salzmann aus St. Gallen. Glanzpunkt ist der in bester Wiener Tradition stehende mit Goldpunkten und Rankenwerk durchsetzte Dreiecksgiebel, der sich über dem bunt bemalten Traufgesims befindet. Die Architekten legten den Bau streng axialsymmetrisch an; Dreiecksgiebel und die Loggia im obersten Geschoss verweisen auf den damals wieder neu aufkommenden Trend zum Klassizismus. Als Weiterentwicklung des Privathauses lässt sich die Eigen-

R e a l p s t r a s s e / heimkolonie an Realp-, Reiter- und Oberalpstrasse betrachR e it e r s t r a s s e / ten. Rudolf ( II .) Aichner-Seitz und Hermann Schmitter liessen Ob e r a l pst r as s e sie als Bauherren zwischen 1909 und 1911 von Curjel & Moser

entwerfen und übernahmen deren Ausführung selber; vis-àvis an der Oberalpstrasse 5 –21 setzten sie sie dann fort. Es gelang ihnen eine gute Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Grundstücks, die relativ viel Platz für Grünflächen liess. Die axialsymmetrische Anlage der Hauptfassade der vier Einfamilienhäuser an der Realpstrasse entspricht den Grundrissen der Einzelbauten. Durch die Kombination verschiedener Bauteile wurde ein abwechslungsreicher Gesamteindruck erzeugt. Es gibt ausladende wintergartenar­ tige Erker, grosszügige Loggien und Balkone. Insgesamt herrscht hier der rechte Winkel vor, selten finden sich vereinzelte Rundbögen. Die Zeit der Bauornamentik ist vorüber, es wird mit vorgefertigten Kunststeinelementen gearbeitet. Neu ist auch der grobe Rauputzbewurf. Allein die drei- und fünfteiligen Staffelfenster wirken leicht retrospektiv. Deutlich stehen die Bequemlichkeit und der Komfort für die Bewohner im Vordergrund. Abschliessend ein Blick auf ein weiteres Basler Opus Mag-

B adi s ch e r num dieses Büros: der Badische Bahnhof. 1862 war am RieB ah n h o f henring der erste Bahnhof der Badischen Bahn eröffnet Curjel& Moser

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worden. Schon 1890 wurde aus Platzgründen ein anderer Standort für einen neuen Bahnhof an der Schwarzwaldallee bestimmt. Beim vom Basler Baudepartement 1907 veranstalteten Wettbewerb für die Fassadengestaltung wurde das


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