Wo ist Martha? Momentaufnahmen - Ein Basler Stadtspaziergang

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Julian Salinas

Momentaufnahmen –  Ein Basler Stadtspaziergang

Christoph Merian Verlag


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Julian Salinas

Wo ist Martha? Momentaufnahmen –  Ein Basler Stadtspaziergang

Christoph Merian Verlag



Julian Salinas

Momentaufnahmen für das Demenzheim neues marthastift Basel Mit Beobachtungen von Karen N. Gerig und Dreizeilern von Sibylle Ciarloni

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Ruth Pleuser

Kunst ist ein sehr wichtiges Gestaltungselement, das im Rahmen ­der Milieugestaltung für Demenz­erkrankte einen Platz haben sollte Nachwort der Zentrumsleitung neues marthastift Basel

A nhang

Müller & Naegelin Architekten BSA

Das neu gebaute Wohn- und Pflegeheim speziell für demenzkranke Menschen Projektdokumentation Uta Feldges

Besser ist ein Pflegeheim wohl kaum vorstellbar Bautenprämierung 2017 des Heimatschutzes Basel


Julian Salinas

Momentaufnahmen für das Demenzheim neues marthastift Basel

Für demenzkranke Menschen eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich wohlfühlen – dies war es, was die Architekten Müller & Naegelin im Sinn hatten, als sie mit dem Bau des Demenzheims neues marthastift begannen. Dazu gehörte nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch die Gestaltung der Innenräume. Im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens erhielt ich die Möglichkeit, ein Fotokonzept für die Bebilderung der Gemeinschaftsräume und Gänge der zehn Wohneinheiten des Heimes zu entwickeln und umzusetzen. Das neue marthastift und seine Bewohner sind stark mit Basel verbunden. Deshalb sollten in meiner Bildwelt ebenso die Stadt wie auch Vergänglichkeit und Erinnerung zentrale Rollen spielen. Am geeignetsten erschienen mir Momentaufnahmen aus den Quartieren der Stadt. Zehn Räume galt es zu bebildern, und zehn Postleitzahlen gibt es in der Stadt Basel. Diese Struktur bildete die Grundlage für die einzelnen Wohneinheiten. Später erhielten diese Wohneinheiten die Namen von Stadtquartieren, die allerdings nicht immer den exakten Quartierbezeichnungen entsprachen: Beispielsweise wurde aus den Quartieren Kleinhüningen, Klybeck und Matthäus, die alle die Postleitzahl 4057 tragen, der Wohnraum ‹Matthäus›. Der zehnten Wohneinheit kommt eine besondere Rolle zu; sie ist die Pflegeoase für schwer demente Fälle im Endstadium. Weil die Patienten, die dort leben, oft nur noch Himmel und Wasser wahrnehmen können, habe ich die Wohneinheit mit Unterwasserfotos aus Basler Brunnen bebildert. Und damit das Raumkonzept der zehn Wohneinheiten mit den Stadtquartieren zahlenmässig aufging, habe ich die Postleitzahlen 4001 und 4051 zur ‹Altstadt› zusammengefasst. Diese zehn Quartiernamen sind dann auch für die Signaletik des Hauses verwendet worden.


Ich hätte nun Postkartenklischees auswählen können, die die Menschen zum Erinnern an ihre Stadt anregen würden. Stattdessen aber hielt ich es für weitaus reizvoller, sie mit alltäglichen, stillen Bildern zu konfrontieren, die sie zum Wiedererkennen der Quartiere animieren. Nicht die Pauluskirche zum Beispiel wollte ich zeigen, sondern die Magnolienbäume, die davor stehen. Gemeinsam mit der Zentrumsleistung habe ich die Bildsprache an die Bedürfnisse der Bewohner angepasst: Nicht allzu wild sollten die Fotografien sein, und auch nicht zu dunkel. In jedem Bild findet sich ein wenig Bewegung – sei es ein gestikulierender Mensch, ein vorbeistreunendes Tier oder ein Baum, dessen Blätter leise im Wind schaukeln. Ein Jahr lang sammelte ich auf meinen Velorundfahrten durch die Stadt meine Bilder. Dabei entstand ein grosser Fundus, aus dem etwas mehr als zehn Fotos pro Wohneinheit ausgesucht wurden. Seit Dezember 2016, als das neue marthastift an der Flughafenstrasse eröffnet wurde, zieren sie nun im Grossformat die Wände der Wohneinheiten. Weil das Pflegezentrum nicht öffentlich zugänglich ist, entschied ich mich, den vorliegenden Bildband zu produzieren, um die Fotografien auch einem grösseren Publikum vorzustellen. Entstanden ist dieses Buch, unterteilt in neun Kapitel – wie die Wohneinheiten, aber ohne die Unterwasserbilder der zehnten Wohneinheit. Auf den folgenden Seiten gesellen sich zu den fotografischen Momentaufnahmen Beobachtungen, die Karen N. Gerig zu jedem Quartier verfasst hat, ausserdem Dreizeiler von Sibylle Ciarloni, die sich der Vergänglichkeit und dem Erinnern widmen. All dies ergibt ein Porträt der Stadt Basel, das in dieser Form wohl einmalig ist.



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Altstadt Grossbasel Am Ring Vorstädte

Einzelne Altstadtstrassen tragen die Postleitzahl 4001

Im 8er am Barfi hält mir eine Japanerin ihre Gruppenfahrkarte unter die Nase und fragt in stockendem Englisch, wo sie diese entwerten kann. Draussen, an einem Automaten, sage ich es ihr, während ihre Mitreisenden ihre Selfiesticks an die Handys montieren. Danke danke, sie verbeugt sich kurz und ruft ihrer Gruppe etwas zu, worauf diese am Märtplatz stolpernd aus dem Tram und zum nächsten Automaten drängt. Danke, sagt die Japanerin noch mal und steckt ihre Fahrkarte in den Schlitz am Automaten, auf den zwei ihrer Mitreisenden zeigen – aufgeregt darüber, ihn vor ihr entdeckt zu haben. Eine Marktfrau zählt und sortiert ihre letzten badischen Spargeln. Ein Bündner will, dass ich unbedingt ein Stück Käse probiere. Ein Kind weint, weil es kein Schoggiweggli bekommt. Hier konzentriert sich alles. Hier in der Innenstadt. Hier kommt jeder Basler, jede Baslerin, jeder Tourist einmal hin. Weil hier alles durchführt – vom kleinen ins gros­ se Basel, von West nach Ost. Hier befindet sich mit dem Tinguely-Brunnen der wohl meistfotografierte Ort in Basel. Noch vor dem Münster, noch vor dem Blick von der Pfalz. Bei den blauen Telefonkabinen am Barfi trifft sich seit Jahrzehnten die Jugend. Einmal, da wollte die Swisscom diese abbauen lassen. Der Protest war gross, selbst die Medien protestierten. Die Kabinen blieben. Sauber sind sie nie.


In der Steinen daneben, vorbei am Museum, in dem Frau Oeri ihre Puppensammlung präsentiert, da kurvten früher die Autos. Am Freitag- und Samstagabend führte die Stadt- und Landjugend da ihre schönen und weniger schönen Karosserien vor. Wer stehen blieb, der sah dieselben Autos mehrmals an sich vorbeikurven. Heute fahren keine Autos mehr, stattdessen kauft man Turnschuhe. Und geht ins Kino. Früher stand in der Steinen auch das alte Schauspielhaus – die Komödie. Lang ist’s her, so lange wie mein Studentenabo fürs Theater. Studenten gibt es immer noch, ebenso die Universität, deren Institute quer über die Stadt verteilt sind. Vom Bahnhof zur Schifflände, vom Kirschgarten zum Petersplatz, die meisten in der Innenstadt. Der Petersplatz, das Zentrum der Universität, erbaut über einem alten Friedhof, ist vor allem am Samstag beliebt. Dann reiht sich hier Flohmarktstand an Flohmarktstand, und wer einmal da war, kommt immer wieder. Danach ein Glacé in der Glatscheria, am liebsten mit vielen Zuckersprenkeln drauf, und den Spalenberg hinabschlendern. Zurück zum Marktplatz mit seinem roten Rathaus. Daneben führt eine kleine Treppe hinauf, die kürzlich noch versehen war mit dem wohl merkwürdigsten Verkehrsschild Basels: Fahrverbot. War wirklich jemand auf die Idee gekommen, die schmale, steile Treppe hochzufahren? Oben, am Staatsarchiv, an den mächtigen weissen und blauen Häusern, am Naturhistorischen Museum vorbei. Am Münster. Am schönen Garten des Zivilstandsamtes; ein Hochzeitspaar lässt sich gerade feiern und fotografieren, die Braut in hellem Blau, der Bräutigam trägt Jeans. Einmal um die Ecke, zum momentan umstrittensten Bau Basels, dem Neubau vom Kunstmuseum. Eine schillernde Backsteinfassade, ein architektonisches Meisterwerk für die einen, ein grauer Klotz in den Augen der anderen. Davor eine Gruppe japanischer Touristen – jedoch nicht meine.


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