MIND #1: Grundrecht Internetfreiheit

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Berlin, im Mai 2011

MIND MULTISTAKEHOLDER INTERNET DIALOG

CO : LLABORATORY DISCUSSION PAPER SERIES NO. 1

Grundrecht   Internetfreiheit E NT U N D R EG I E R M A UN L Justizministerin Sa

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Bernd Holznagel + Pascal Schumacher Wilhelms-Universität Münster

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# 1

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Eine Publikation des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory.

Herausgeber · Wolfgang Kleinwächter

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MULTISTAKEHOLDER INTERNET DIALOG

CO : LLABORATORY DISCUSSION PAPER SERIES NO. 1

# 1

Grundrecht   Internetfreiheit

BROADENING  YOUR MIND.

Eine Publikation des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory. Herausgeber · Wolfgang Kleinwächter 1. Auf lage ISBN 978-3-950313-91-8


Inhalt

Inhalt REPLIK

Prolog · Der Co:llaboratory Lenkungskreis

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Editorial · Wolfgang Kleinwächter

07

STAKEHOLDER REGIERUNG UND PARLAMENT

24

Angela Kolb · Internet, Recht, Internet-Recht und die Medien

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Thomas Jarzombek · Risiken neuer Monopole und mangelnde Transparenz bei Suchmaschinen und sozialen Netzwerken

STAKEHOLDER PRIVATWIRTSCHAFT

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Christian Stöcker Die Funktionsgrenzen nationaler Partikularlösungen

34

Michael Rotert · Netzpolitik muss global orientiert sein

PROPOSITION

14 Bernd Holznagel / Pascal Schumacher

DIE FREIHEIT DER INTERNETDIENSTE

STAKEHOLDER A KADEMISCHE UND TECHNISCHE COMMUNITY

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Hans Peter Dittler · Besonderheiten der Internetkommunikation

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Wolfgang Benedek Multistakeholder Governance als politisch-rechtliche Innovation

STAKEHOLDER ZIVILGESELLSCHAFT

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Alvar Freude Das Internet und die Demokratisierung der Öffentlichkeit

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Sandra Hoferichter · F ür Nutzererziehung und Kapazitätsbildung

53

Autoren

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Impressum


Der Co:llaboratory Lenkungskreis ·  prolog

Prolog 05

Der Co:llaboratory Lenkungskreis Dr. Max Senges, Martin G. Löhe, Dr. Philipp Müller, John H. Weitzmann, Henning Lesch Das Co:llaboratory bringt als offene Kollaborationsplattform Internet-Experten aus allen gesell­schaftlichen Bereichen zusammen. Mit den Co:llaboratory Discussion Papers möchten wir diesen Experten den Raum geben, Positionen vorzustellen, im Dialog mit anderen Experten weiterzuentwickeln und Denk­ anstöße zu geben, die über den Kreis der Experten hinaus wirken. Die Co:llaboratory Discussion Papers verstehen sich dabei als moderne Streitschriften, in ­denen die Autoren die entscheidenden Fragen und Herausforderungen fundiert und kon­ struktiv auf den Punkt bringen. Im Mittelpunkt einer Publikation steht dabei stets eine ­prägnante, professionelle, aber provozierende Position einer Autorin oder eines Autors. Diese Streitschriften laden ein, die Positionen durch alternative Argumentationen in Frage zu stellen und fordern so zu einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs auf. Das Internet & Gesellschafts-Co:llaboratory ist als Forum hierfür besonders geeignet, bringt es doch eine große Bandbreite unterschiedlicher Akteure und Interessen zusammen. Beteiligte aus Nicht­ regierungsorganisationen, Unternehmen, wissenschaftlichen Instituten, Verwaltung und ­Politik schätzen den Intensiven Austausch und die Zusammenarbeit bei den Initiativen des Co:llaboratory, weshalb dieser durch die Co:llaboratory Discussion Papers kontinuierlich ­fortgeführt wird. Wir sind zuversichtlich, mit den Co:llaboratory Discussion Papers einen Beitrag zu transparenten, innovativen und sachlichen Diskussionen über die Zukunft von Internet & Gesellschaft zu leisten.


Wolfgang Kleinwächter · Editorial

Editorial 07

Wolfgang Kleinwächter Habemas MIND. Auf der Suche nach einer neuen Dialogform zu den politischen, wirtschaft­ lichen, soziokulturellen und rechtlichen Problemen des Internets haben wir ein Format ­gefunden, das versucht, die dezentrale Netzwerkarchitektur des Internets zu spiegeln. Das Internet ist ein Netzwerk von Netzwerken. Alle folgen einem einheitlichen Protokoll, aber die eigentliche „Intelligenz“ des Netzes ist an seinen Enden angesiedelt. Und dort gibt es eine unendliche Vielfalt. Zwei Milliarden Menschen nutzen das Internet im Jahr 2011. Im Jahr 2015 soll nach dem Willen des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) die Hälfte der Menschheit online sein. Das scheint realistisch. Und es ist nicht utopisch davon auszugehen, dass im Jahr 2020 fünf bis sechs Milliarden Menschen jederzeit an jedem Ort mit jedermann in Text, Bild, Audio und Video über das Internet kommunizieren können. Die endlose Vielfalt des Internets produziert einen ebenso endlosen Katalog von Fragen aller Art, die in das Leben, die Arbeit, das Lernen, die Freizeit und die sozialen Beziehungen jedes einzelnen Internetnutzers eingreifen. Die Mehrzahl dieser Fragen ist nicht neu. Mit ihnen schlägt sich die Menschheit seit Jahrhunderten herum: Meinungsäußerungsfreiheit, Schutz der Privatsphäre, Wissensvermittlung, Sicherung von materiellem und geistigem Eigentum, freier Handel und fairer Wettbewerb, Repräsentation und Partizipation bei politischen ­Entscheidungen. Das Internet hat diese Fragen nicht neu erfunden, es hat sie aber in einen neuen, weitaus komplexeren und vor allem globalen Kontext gestellt. Als sich der UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft im Jahr 2002 auf den Weg machte, darüber zu diskutieren, was denn das beste „Governance Modell“ für das Internet sei, wurde zunächst ein schier unüberbrückbarer Konflikt sichtbar: Die US-Regierung, unterstützt von der Privatwirtschaft, der technischen Community und weiten Teilen der Zivilgesellschaft, plädierte dafür, das Internet freizuhalten von einem staatlichen Kontroll-, Überwachungsund Regulierungsmechanismus. Mit Hinweis auf die enorme Erfolgsgeschichte der historischen Entwicklung des Internets argumentierte man: „If it isn’t broken, don’t fix it.“ Auf der anderen Seite standen die Regierungen der Gruppe der 77 und der Volksrepublik China und


Wolfgang Kleinwächter · Editorial

mit ihnen viele Internet-­Spätstarter, die in dem Prinzip der „Private Sector Leadership“ eine unfaire Benachteiligung sahen und Mitspracherechte bei der Entwicklung globaler Internetpolitiken einforderten. Die führende Rolle des Privat­sektors sei gut gewesen für die Anfangsphase des Internets mit einer Million Nutzern. Ein Internet mit einer Milliarde Nutzern ­benötigte nun aber die führende Rolle der Regierung, also „Governmental Leadership“. Das Patt drohte den Weltgipfel lahmzulegen. Also bliebt nichts anderes übrig als das übliche Verfahren: Wenn man nicht mehr weiterweiß, dann gründet man ’nen Arbeitskreis. UN-General­ sekretär Kofi Annan wurde um Hilfe gerufen mit der Bitte, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Fast zwei Jahre debattierte die 40-köpfige UN Working Group on Internet Governance (WGIG), die aus 20 Regierungsvertretern und 20 Vertretern der Privatwirtschaft, der Zivilgesellschaft und der akademisch-technischen Community bestand. Am Schluss, im Sommer 2005, zog man sich auf das ­Chateau de ­Bossey, ein einsames Schlösschen am Genfer See, ­zurück und tagte so lange, bis weißer Rauch aufstieg. Der Konsens, den die Gruppe gefunden hatte, war ebenso simpel wie einleuchtend: Das ­Internet brauche keinen „Leader“. Niemand sollte einen alleinigen „Führungsanspruch“ haben. Alle mit dem Internet verbundenen Probleme sollten auf der Basis eines ­kollaborativen ­Zusammenwirkens aller beteiligten Stakeholder – ­Regierungen, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und akademisch-technische Community (und zwar in ­ihren jeweiligen spezifischen Rollen) – gelöst werden. Das war der „Deus ex machina“. Die Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedstaaten waren zufriedengestellt und segneten den neuen Multistakeholderismus als das politische Grundprinzip für „Internet Governance“ im November 2005 in der „Tunis Agenda for the ­Information Society“ (TAIS) ab. So weit, so gut. Wie immer aber liegt auch hier der Teufel im Detail. Was heißt das nun konkret ? Auf viele der neu aufgeworfenen Internetfragen geben die verschiedenen Stakeholder – Diensteanbieter, Internetnutzer oder staatliche Regulatoren – unterschiedliche Antworten. Wer hat Recht ? Wie soll die Kakophonie geordnet werden ? Die schlechte Nachricht ist: Es gibt keinen Königsweg. Die einzige Methode, die zu nach­ haltigen ­Lösungen führt, ist und bleibt der Dialog, der gleichberechtigte und von wechsel­ seitigem Respekt getragene und getriebene Dialog zwischen den Betroffenen und Beteiligten. Nur im Austausch von Argumenten entsteht das, was die technische Internet-Community bei

ihren offenen Protokollen, Standards und ­Normen als „Rough Consensus“ bezeichnet: die grundsätzliche Akzeptanz all derjenigen, die von dem ­jeweiligen Problem betroffen oder an seinem Zustandekommen und seiner Lösung beteiligt sind. Das ist langwierig und kom­ pliziert. Das ist aber auch spannend, stimuliert Innovation und Kreativität und führt zu ­nachhaltigen Lösungen.

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09

Von dieser Philosophie hat sich das von Google Deutschland unterstützte „Internet & Gesellschaft Co:llaboratory“ leiten lassen, als es sich auf die Suche machte nach einem neuen Instrument, um zur Optimierung politischer Entscheidungen beizutragen. MIND steht für „Multistake­holderInternet-­D ialog“. Ausgehend von der Einsicht, dass es keine „absolute Wahrheit“ gibt, will MIND die verschiedenen Perspek­tiven der verschiedenen involvierten Stakeholder sichtbar machen und somit erhellen, wo es die Felder von grober Übereinstimmung gibt. In der Folge­ zeit wollen die Herausgeber von MIND zentrale Konfliktthemen der nationalen und inter­ nationalen Internetdebatte aufgreifen und sie einem „Multistake­holder-Stresstest“ unterwerfen. Dass wir dabei mit dem Grundrecht auf Internet­freiheit beginnen, ist kein Zufall. Das Internet ist in erster Linie eine Technologie der Freiheit, ein befreiendes Medium. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit konnten sich Individuen freier bewegen als im Internet, wo die Grenzen von Zeit und Raum verschwunden sind. Wie aber sind diese Freiheiten garantiert ? Und wie verhält es sich mit der Ver­antwortung, die jeder Wahrnehmung von Freiheit inhärent ist ? Wenn Individuen und Unternehmen Rechte, ihre universellen Menschenrechte einfordern, wie steht es dann um die Pflichten ? Und wer muss wofür garantieren ? Auf diese Fragen gibt es, wie die Ihnen jetzt vor­liegende Publikation zeigt, unterschiedliche Antworten, je nachdem, aus welcher Perspektive man sich dem Thema nähert. MIND ist aber nicht nur ein ­neues Präsentationstool, es ist ein Beteiligungsinstrument. Beteiligen Sie sich also an MIND, an diesem „Multistakeholder-Internet-Dialog“. Kommentieren Sie den Holznagel / Schumacher-Artikel und die acht Kommentatoren auf unserer Website. Erweitern Sie Ihre Sichtweise oder, wie es im Untertitel unserer neuen Publikation heißt: „Broadening Your Mind“ und lassen Sie andere daran teilhaben.


PRO P OSI T I ON

R EPL IK

DIE FREIHEIT DER ­INTERNETDIENSTE

Angela Kolb  „Die unsagbare Verbreitungsgeschwindigkeit von Informationen im Internet und

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das Many-to-many Prinzip hat die Aufgabe und Funktion des Journalismus als filternde, prüfende und bewertende Instanz nicht überflüssig gemacht. Nur das Tempo hat sich wesentlich erhöht.“

Thomas Jarzombek  „Das Netz ist nicht zwangsläufig ein Ort der Freiheit, denn die Intrans­

10

» ‚Eine Webseite ist kein Rundfunk­

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parenz der Algorithmen kann die Meinungsfreiheit auch gefährden, eine Prüfung von Filtermechanismen ist schwer. Das Netz braucht neben allen Mechanismen drei Dinge: Seriosität, Sorgfalt und Gewissen.“

Christian Stöcker  „Das Internet ist ein grundlegend neues, globales Medien-Gebilde.

programm!‘ So simpel diese Erkenntnis klingt, so wenig hat sie sich bislang durchgesetzt. Es ist an der Zeit, dass die Verfassungsinterpretation anerkennt, dass das Internet eine Zäsur in der Geschichte der Medien markiert, die nicht durch Traditionen überspielt werden darf. Zu sehr unterscheiden sich die Funktionsbedingungen demokratischer Willensbildung im Internet von denen der analogen Welt. Mit der Anerkennung einer Freiheit der Internetdienste kann das ­Verfassungsrecht endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Auf ihrer Grundlage lassen sich spezifische Phänomene des Netzes passgenau erfassen und Lösungen zuführen. «

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Es braucht deshalb neue rechtliche Definitionen. Auch die Rollen privater und öffent­ lich-rechtlicher Medien im Netz müssen neu definiert werden – denn verlässliche Information ist wichtig wie nie zuvor.“

Michael Rotert  „Das globale Internet ist mit national geltenden Regeln nicht kompatibel.

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Durch Vergleiche mit auslaufenden Technologien haben wir zudem die Debatte ­verkompliziert. Die Internetdienstefreiheit ist meiner Meinung nach von Presseund Rundfunkfreiheit nicht abzugrenzen.“

Hans Peter Dittler  „Der Staat sollte so wenig wie möglich in das Internet eingreifen.

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Die technische Entwicklung des Internets schreitet viel rascher voran, als irgendein Gesetz­gebungsprozess dem folgen könnte. Lediglich beim der Schutz von persön­ lichen Daten besteht Handlungsbedarf durch den Staat.“

Wolfgang Benedek  „Die breite Verwendung, aber auch Gefahren der Einschrän­kung

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des ­Internet erfordern ein neues Verständnis der Medien und ihrer Freiheiten sowie ­a llgemein akzeptierte Regeln, wie etwa Prinzipien der Internet governance, wozu der Europarat und Multistakeholder-­Koalitionen wichtige Beiträge leisten.“

Alvar Freude  „Das Internet ist ein wichtiges Instrument zur Demokratisierung der Öffent­

46 Bernd Holznagel/Pascal Schumacher

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lichkeit, das bekommen nicht nur autoritäre Machthaber zu spüren. Der Wunsch nach ­Informationskontrolle durch Wirtschaft und Staat gefährdet die Kommunikations­ grundrechte auch in demokratischen Staaten.“

Sandra Hoferichter  „Wichtiger als die Überlegung nach welchen Gesetzen das Netz funktio­

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nieren soll, ist die Erziehung bewusster eBürger. Die Kompetenz des Individuums ist der Erfolgsfaktor des Internets. Die Qualitäts­entscheidung über Inhalte im Netz muss vom Nutzer getroffen werden.“


PROPOSITION

Bernd Holznagel + Pascal Schumacher Wilhelms-Universität Münster


Bernd Holznagel /  Pascal Schumacher · Die Freiheit der Internetdienste

Proposition

DIE FREIHEIT DER ­INTERNETDIENSTE Bernd Holznagel / Pascal Schumacher Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Das Internet treibt die Politik gegenwärtig um wie kaum ein anderes ­gesellschaftliches Phänomen. Die wirtschaftlichen und sozialen Potentiale des Netzes sind gewaltig – die mit ihm einhergehenden Veränderungen für grundrechtliche Gewährleistungen und unser Demokratieverständnis sind es ebenfalls. Wie dies für den staatlichen Umgang mit Systeminno­ vationen typisch ist, ringt die Politik um eine ausgewogene Balance ­z wischen Freiheit und Verantwortung für das Gemeinwohl. Mit zahlreichen Initiativen verschiedener Ministerien und der Einrich­ tung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ räumt die Politik dem Netz einen breiten Platz ein. Im Mittelpunkt steht dabei zunehmend die Eindämmung internetspezifischer Gefahren für den ­Daten-, Jugend- oder Urheberschutz. Zudem ist das Internet für die ­gesellschaftliche Kommunikation so bedeutsam geworden, dass die Teil­ habe aller eine gewichtige politische Aufgabe geworden ist. Die Forde­ rung „Breitband für alle“ wird insbesondere im ländlichen Raum erhoben. Schließlich kann eine Innovation wie das Internet den gesellschaftlichen Nutzen langfristig nur bewahren, wenn sie nachhaltig gestaltet ist. Dieses Ziel ist bedroht, wenn die Dienstequalität von den Netzbetreibern ver­ schlechtert wird. Hieraus resultieren die Forderungen nach verbessertem Verbraucherschutz und der Gewährleistung von Netzneutralität. Wenn die Netzpolitik auf die neuen Herausforderungen adäquat und voraus­schauend reagieren will, braucht sie dafür ein konzeptionell abge­ stimmtes Verständnis für die Einordnung der betroffenen Internetdienste. Nur wenn aus verfassungsrechtlicher und -politischer Sicht klar ist, worin die Besonderheiten und spezifischen Gefährdungen für Internetdienste

bestehen, kann der Staat problemadäquate Handlungsoptionen entwickeln. Grundrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Dienstelandschaft im Kommunikationsraum Internet sind dabei in erster Linie die Gewährleistungen des Art. 5 GG.

14

15

1.

A rt. 5 GG als zentraler Anknüpfungspunkt für

Internetdienste

Art. 5 Abs. 1 GG enthält ein System unterschied­ licher grundrechtlicher Gewährleistungen. In Satz 1 finden sich Vorgaben für die individuelle Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit soll sicherstellen, dass jeder frei das sagen kann, was er denkt, ohne dass er hierfür nachprüf bare Gründe anführen muss. Es umfasst neben der Wertung auch die mit ihr in Zusammenhang stehende Tatsachenbehauptung, denn sie ist eine Voraussetzung für die Meinungs­ bildung. Die mediale Form der Äußerung ist für die Schutzwirkungen des Grundrechts unerheblich. Es gilt für jeden Nutzer, der sich im Internet äußert. Die Informationsfreiheit schützt in engem Zusammenhang damit das Recht des Einzelnen, sich aus all­ gemein zugänglichen Informationen ungehindert zu informieren. Das gilt natürlich auch für die Kommunikation im Internet. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgt den Schutz der Massenkommunikation. Die Vorschrift ist dann einschlägig, wenn Dienste Kommunikationsinhalte enthalten, die an die Allgemeinheit, also einen nicht ­individualisierbaren Empfängerkreis gerichtet sind. Innerhalb der Massenkommunikationsgrundrechte wird nach Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit unter­schieden. Diese Unterteilung entstammt einer Zeit, in der Medien in ihrer Erscheinungsform und ihrer Art der Verbreitung deutlich voneinander abgrenz­ bar waren. Bei der Presse geht es um die Verbreitung von Druckerzeugnissen, beim Rundfunk um die elektro­nische Übertragung von Hörfunk und TV und beim Film um die Vorführung eines Bild-Tonträgers.

1 Papier, epd Nr. 60 vom 04. 08. 2010, 16 ff.

Mit der Konvergenzentwicklung – der durch die Digitalisierung getriebenen Loslösung der Inhalte ­ von spezifischen technischen Übermittlungsformen – wird diese Grenzziehung jedoch brüchig. Heute werden sowohl Verlage als auch Rundfunkveranstalter auch im Internet aktiv und verbreiten dort gleichermaßen Text-, Audio- und Videoangebote. Dies bereitet der herkömmlichen Abgrenzung anhand der Verbreitungsform Schwierigkeiten. Damit stellt sich die Frage, wie Kommunikationsinhalte, die im Internet an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sind, im Kontext der Massenkommunikationsgrundrechte einzuordnen sind.

2.

I nternetdienste als Presse oder Rundfunk ?

Die Auseinandersetzung um die verfassungsrechtliche Einordnung dieser Dienste hat in den letzten Monaten erheblich an Schärfe gewonnen. Dabei geht es nicht um akademische Streitigkeiten. Beide Lager wollen mit der Zuordnung der Onlineangebote zur Presse- bzw. zur Rundfunkfreiheit den Vorrang eines bestimmten Ordnungs- und Regulierungsrahmens erzwingen. Folge einer Zuordnung der Internetdienste zum Pressebegriff sei, so wird z. T. argumentiert, dass diese Angebote unabhängig von öffentlich-rechtlichen (Rundfunk-) Gebühren finanziert werden müssen. Denn für die Presse gelte im Gegensatz zum System des dualen Rundfunks ein Gebot der Privatwirtschaftlichkeit. Dementsprechend fehle es den Inter­ net­­auftritten der öffentlich-rechtlichen Rundfunk ­an­ stalten, jedenfalls soweit sie Textdienste verbreiten, an der notwendigen verfassungsrechtlichen Legitimation. Ansonsten würde eine öffentlich-rechtliche Presse entstehen, die mit der deutschen Verfassungstradition nicht in Einklang zu bringen sei. Dem ist kürzlich der ehemalige Präsident des Bundesver­ fassungsgerichts Hans-Jürgen Papier in einem Gut­ achten für die Konferenz der Gremienvorsitzenden der ARD entgegengetreten.1 Er ordnet auch die


Bernd Holznagel /  Pascal Schumacher · Die Freiheit der Internetdienste

­„ Internet-Presse“ dem grundgesetzlichen Rundfunkbegriff zu. Da der Internetauftritt der öffentlich-recht­­ lichen Rundfunkanstalten heute von ihrem Grund­ versorgungsauftrag umfasst sei (vgl. §§ 11 a, 11 d RStV), dürften sie sich auch der im Internet üblichen Mittel bedienen, also auch Text-Bild-Seiten verbreiten. Der Grundversorgungsauftrag der Anstalten könne insoweit „zu einem im Verfassungsrecht angelegten und durch dieses gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil bei Internetangeboten“ führen.2 Papier kann sich bei der von ihm vorgenommenen Zuordnung an die Allgemeinheit gerichteter Internetdienste zum Rundfunkbegriff auf die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und juristischem Schrifttum berufen. Sie grenzt den Presse- vom Rundfunkbegriff ausschließlich anhand der Verbreitungsform (verkörperte vs. unverkörperte, per elektro­ nische Schwingungen übertragene Kommunikations­ inhalte) ab. Eine Abweichung von diesem Kriterium – so wird argumentiert – würde zu einer Verwässerung der notwendigen Abgrenzung führen. Trennscharfe Abgrenzungskriterien sind u. a. deswegen so wichtig, weil die Zuordnung eines Dienstes zu Presse oder Rundfunk mit einem unterschiedlichen Ordnungsrahmen verknüpft ist, der erhebliche Auswirkungen auf seine Zulässigkeit und Ausgestaltung haben kann. Dies zeigt exemplarisch die bereits ­ ­erwähnte Diskussion um die Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Allenfalls bei einer bloßen elektronischen Wiedergabe der ­gedruckten Ausgabe (sog. elektronische Kopie) wird unter dem Gesichtspunkt einer entwicklungsoffenen Grundrechtsinterpretation eine Ausnahme vorge­ sehen. Diese Sichtweise ist nicht ohne Kritik geblieben. Da hiernach nahezu jede Onlineverbreitung von Kom­munikationsinhalten der Rundfunkfreiheit ­zugeordnet wird, entwickele sich diese zu einer Art „Supergrundrecht“.3 In der Tat entsteht damit die Gefahr, dass auch die Ordnungsprinzipien der Rundfunkfreiheit (Schaffung

einer positiven Rundfunkordnung, strenge Standards im Hinblick auf den Vielfalts- und Jugendschutz etc.) unbesehen auf das Internet übertragen werden. Zudem ist zu beachten, dass sich bei einer solchen Abgrenzung der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff immer mehr von seiner einfachgesetzlichen Fassung entfernt. Dieser ist infolge der euro­päischen Richt­linie über audiovisuelle Mediendienste im Wesent­lichen auf lineare Dienste, also solche, die der ­Zuschauer „passiv“ empfängt, begrenzt worden. Demgegenüber erfasst der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff bislang nahezu jede Verbreitung von Kommunika­ tionsinhalten im Internet, also auch solche mit einem hohen Maß an Interaktivität. Juristische Begriffs­ bildungen dienen auch der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Bei der jetzt vorgenommenen Einteilung können diese Ziele aber nur unzureichend ­erreicht werden.

3.

B esonderheiten der

­I nternetkommunikation

Schließlich trifft auch die Konstruktion von Rundfunk- und Pressefreiheit als Vorkehrungen gegen die Gefährdungen einer One-to-many-Kommunikation4 nicht die besonderen Gefährdungslagen bei Internetdiensten. One-to-many-Kommunikation der Massenmedien Die Begegnungs- und Versammlungsöffentlichkeit erreicht naturgemäß nur einen limitierten Personenkreis. Um viele Menschen zu erreichen, musste man herkömmlicherweise seine Nachricht durch Massenmedien, also Rundfunk und Presse, verbreiten. Der Zugang zur demokratischen Öffentlichkeit ist bei der massenmedialen One-to-many-Kommunikation aber stark limitiert und wird zudem durch Gatekeeper kontrolliert. Terrestrische Frequenzen und Kabel­ kanäle sind knapp und dürfen nur genutzt werden, wenn hierfür eine Genehmigung vorliegt. Die Kosten

für die Programmherstellung sind hoch. Die Gründung einer Tageszeitung ist schwierig. Jedenfalls hat es in der Bundesrepublik über lange Zeit hinweg ­keinen neuen Marktzutritt gegeben.

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Die Publikationsentscheidungen werden in einer solchen Kommunikationslandschaft insbesondere von Re­ daktionen und Medieneigentümern getroffen. Funk­tionseliten aus Staat und Wirtschaft haben hier weitaus größere Einflusspotenziale als das Publikum. Sie können sich über Werbeetats und Public Relations Aufmerksamkeit verschaffen. Zudem haben die Medien­ nutzer wenige Möglichkeiten für ein Feedback. Sie verbleiben in einer passiven, konsumierenden Rolle. Unter diesen Bedingungen der Herstellung politischer Öffentlichkeit ist das Bundesverfassungsgericht darum besorgt, dass die Möglichkeiten der Gate­ keeper zur Beeinflussung individueller und kollek­ tiver Willensbildung nicht zu groß werden. Dementsprechend hat es Vorkehrungen zur Begrenzung von Meinungsmacht und Angebotsvielfalt eingefordert. ­Zudem gilt es zu verhindern, dass staatliche Einflussnahme auf die Gatekeeper überhandnimmt.5 Rechtsdogmatisch findet diese Sichtweise Ausdruck in der Formel von der Rundfunkfreiheit als einer „dienenden Freiheit“. Die Presse soll, wie es in den Landespresse­ gesetzen heißt, eine „öffentliche Aufgabe“ wahrnehmen. Massenmedien werden so verpflichtet, für Meinungsvielfalt zu sorgen. Nur so können sich die Bürger umfassend informieren und an der demokratischen Willensbildung mitwirken.6 Zudem gilt der Grundsatz, dass die medialen Gatekeeper staats- und gruppenfern sein müssen. Die Medien dürfen weder dem Staat noch einzelnen gesellschaftlichen Gruppen oder Unternehmen ausgeliefert werden. Many-to-many-Kommunikation im Internet Diese Lage hat sich mit dem Internet grundlegend gewandelt – es löst die Gatekeeper-Rolle zugunsten des Publikums auf.7 Die Knappheit der Übertragungs­

kapazitäten wird überwunden. Jedermann kann ohne großen finanziellen Aufwand publizieren. Die Kommunikation wandelt sich von einer einseitigen und zentralen zu einer dezentralen und vernetzten Kommunikation. Wichtige Folge dieser neuen Many-to-many-Kommunikation ist, dass jetzt auf einer Plattform alle Formen von Öffentlichkeit vereint werden. Die Angebotsvielfalt erweitert sich. Informationen, die bisher nur auf Anstecktafeln oder Flugblättern zu finden waren, sind nun neben den Angeboten der herkömmlichen Massenmedien vereint im Internet. Die Angebotsvielfalt gewinnt auch in qualitativer Hinsicht. Jeder Bürger und jede Gruppe kann ihre Ansichten vertreten und erhält so eine Chance, am Meinungsstreit teilzunehmen. Damit wird es möglich, auch Angebote von Minderheiteninteressen abzubilden, die sich unter dem massenmedialen Öffentlichkeitsmodell nicht finanzieren ließen. Des Weiteren verliert der Journalismus sein Meinungsbildungsmonopol. Die Redaktionen als filternde und prüfende Instanz können umgangen werden. Damit kommt es zu einschneidenden Kontrollverlusten der bisherigen Profiteure der massenmedialen Kommunikation. In einem globalen Datennetz ist kaum nachvollziehbar, wie viele Mediennutzer die Information zur Kenntnis nehmen, wer dies tut und mit welchen Motiven. Das Phänomen, dass es immer weniger möglich wird, die öffentliche Diskussion durch eine überschaubare Zahl von Politikern, Juristen, Managern und Redakteuren zu steuern, dürfte erhebliche Auswirkung auf die Politik haben. Auch kleine Anbieter können sich im Internet Wort verschaffen. Sie streben nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, selbst wenn es nichts zu verdienen gibt. In einem solchen Umfeld steuert sich Öffentlich­ keit oft nur noch durch Öffentlichkeit. Im Internet können die Mediennutzer erstmals effektiv auf die Medienangebote reagieren. Es kommt zu einer

2 Kritisch zu dieser Schlussfolgerung Hachmeister / Festing, FK 13 / 2011, 3 (8 f.).

5 Hoffmann-Riem, in: AK-GG, 2001, Art. 5 Rn. 141.

3 Gersdorf, AfP 2010, 421.

6 Hierzu Holznagel, VVDStRl 2008, 383 ff.

4 Zur begrifflichen Differenzierung zwischen „One-to-one“-, „One-to-many“- und „Many-to-many“-Kommunikation vgl. bereits Kiousis, new media & society, 4. Jg., 2002, 355 (372).

7 Hierzu Neuberger, in: Diemand / Hochmuth / Lindner / Weibel (Hrsg.), Ich, Wir und Die Anderen. Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen II, 2009, S. 188 ff.


Bernd Holznagel /  Pascal Schumacher · Die Freiheit der Internetdienste

­ nschlusskommunikation auch zum Journalismus A der Massenmedien, die wechselseitig die Aufmerksamkeit für das jeweilige Angebot erhöhen kann. Dies erklärt, warum die Cyber-Community in den letzten Monaten so viel an politischem Gewicht gewonnen hat und in vielen Fällen aus dem Internet heraus Gegenmacht entwickelt werden konnte. Aus dem vorstehend Gesagten folgt, dass die Ordnungsprinzipien, die das Bundesverfassungsgericht für die Rundfunk- und Pressefreiheit entfaltet hat, nicht unbesehen auf das Internet übertragen werden können. Es besteht hier eben kaum die Gefahr, dass der Staat oder die Privaten sich der wichtigsten Kommunikatoren bemächtigen. Auch ist derzeit im Internet nicht zu befürchten, dass es nur wenige Anbieter gibt, die zudem noch mit marktmächtigen Inhalts­ anbietern verflochten sind. Hier haben die Gatekeeper des analogen Zeitalters8 deutlich an Macht verloren. Zudem bringt das Internet im Vergleich zu Rundfunk und Presse auch qualitativ neuartige Herausforderungen für die Herstellung demokratischer Öffentlichkeit mit sich. Über die Vermittlungsfunktion der klassischen Massenmedien hinaus ist das dezentrale Internet prädestiniert für öffentliche Diskussionen. Mittels Kommentarfunktionen, Blogs und Diskus­ sionsforen wird es erstmals möglich, in relevanter Breite über öffentlichkeitsrelevante Themen zu diskutieren. Diese Befunde, die gleichzeitig Schutzbegründung und Gefährdungslinien aufzeigen, können über die hergebrachte Dogmatik der Rundfunk- und Pressefreiheit, bei denen es maßgeblich darum geht, die Machtstellung des Kommunikators rechtlich einzuhegen, nicht mehr hinreichend abgebildet werden.

4.

„ Freiheit der Internetdienste“ als Alternative zur klassischen Einordnung

Dies bedeutet natürlich nicht, dass man sich nicht auch im Internetzeitalter um die Herstellung eines

freien und chancengerechten Meinungsbildungs­ bildungsprozesses sorgen muss. Der Prozess der Herstellung von demokratischer Öffentlichkeit unterliegt einem fundamentalen Wandel. Dies haben in den letzten Wochen nicht zuletzt die Ergebnisse um Wiki­Leaks und GuttenPlag Wiki verdeutlicht. Jeder kann nun zu geringen Kosten seine Kommunika­ tionsinhalte verbreiten. Hierdurch entsteht eine nur schwierig zu bewältigende Informationsflut. Die herkömmlichen Akteure in der One-to-many-Kommunikation, die Journalisten, fallen für die Qualitätsbewertung von Kommunikationsinhalten weitgehend aus. Orientierung geben vor allem Suchmaschinen und Bewertungsplattformen. Sie bestimmen maßgeblich, welche Informationen der Nutzer zur Kenntnis nimmt. Damit entstehen neue Möglichkeiten, den Prozess der Willensbildung zu manipulieren. Zudem gibt es ein Defizit bei der Bereitstellung journalistisch hochwertiger Inhalte. Bisher waren Geschäftsmodelle, die diese Güter bereitstellen wollten, wenig erfolgreich. Hinzu kommt, dass bei einer Many-to-many-Kommunikation auf der Kommunikator- und Rezi­pien­ten­ ­seite jeweils ein potentiell zahlenmäßig unbegrenzter Personenkreis steht. Aufmerksamkeit als Vorbedingung für eine erfolgreiche Kommunikation wird damit zu einem knappen Gut. Häufig ist es der Schnellste, der den Erfolg hat. Durch eine Beschleunigung oder ein Abbremsen des Transports von Kommunika­ tionsinhalten kann daher erheblich auf den Meinungskampf eingewirkt werden. Damit entstehen neue Gefährdungen für das Gebot der kommunika­ tiven Chancengleichheit.9 Als Alternative zur traditionellen Einordnung bietet es sich vor diesem Hintergrund an, von der starren Klassifizierung Abstand zu nehmen und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als allgemeine Medienfreiheit zu inter­ pretieren, die neben Rundfunk und Presse auch die „Freiheit der Internetdienste“ gewährleistet. Diese ist von der Internetzugangsfreiheit zu unterscheiden, die einen breitbandigen Internetzugang für alle sichern soll.10

8 Besitzer knapper Übertragungswege, Redaktionen und Medieneigentümer, die Berichtsinhalte auswählen und ­kommentieren, etc. 9 Zu diesem Gebot vgl. Schulz, Gewährleistung kommunikativer Chancengleichheit als Freiheitsverwirklichung, 1998. 10 Zur Anerkennung einer Internetzugangsfreiheit vgl. Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 2011, 90 (95 ff.).

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Die Freiheit der Internetdienste ist in den Kontext des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einzupassen. Der Schutz­ bereich dieser Freiheit kann sich daher nicht auf die Verbreitung irgendwelcher Daten beziehen. Vielmehr geht es um Kommunikationsinhalte, die an einen ­unbestimmten Personenkreis verbreitet werden. Von der Presse ist die Internetdienstefreiheit durch ihre elektronische Verbreitungsform abzugrenzen. Allein verkörperte Kommunikationsinhalte sind dem Presse­ begriff zuzuordnen; insoweit bleibt alles bei der bewähr­ten Tradition. Ähnlich wie die Rundfunkund Pressefreiheit sollte auch die Internetdienste­ freiheit nicht nur die Herstellung, sondern auch die Verbreitung der Kommunikationsinhalte umfassen. Als Abgrenzungskriterium zum Rundfunk bietet es sich an, auf die Unterscheidung von linearen und nicht-linearen Diensten abzustellen. Rundfunk ist danach ein linearer Dienst, der zum gleichzeitigen Empfang an einen unbestimmten Personenkreis ­adressiert ist. Die übrigen Dienste sind als Internetdienste einzustufen. Diese Unterteilung entspricht dem Vorgehen im europäischen und nationalen Rundfunkrecht. Durch eine solche Unterscheidung könnten der verfassungsrechtliche und der einfach­ gesetzliche Rundfunkbegriff wieder angenähert werden. Der gleichzeitige Empfang eines Rundfunk­ programms stellt dabei sicher, dass dem Angebot potentiell eine besondere Meinungsrelevanz zukommt. Unter die Internetdienstefreiheit würden damit Webseiten oder auch Blogs fallen, also all die Dienste, die unter dem Schlagwort der elektronischen Presse ­zusammengefasst werden. Videodienste wie YouTube oder Mediatheken und Mischdienste (Videos und Texte) würden ebenfalls erfasst. Der Vorteil einer solchen Einteilung bestünde darin, dass die in der Realität vollzogene Ausdifferen­zierung bei den Kommunikationsformen nun genauer als bisher im Verfassungsrecht abgebildet werden könnte. Der Rundfunkbegriff würde an Konturenschärfe ­gewinnen. Ganz wichtig ist auch, dass eine solche

Ausdifferenzierung der Medienfreiheiten es erlauben würde, die verfassungsrechtliche Auslegung auf die Besonderheiten einer Many-to-many-Kommunika­ tion im Internet einzustellen. Auf dieser Basis könnte nach neuen Lösungen gesucht werden, die sich an im Presse- oder Rundfunkrecht erprobten Modellen ­orientieren oder völlige neue Wege gehen.11 Gegen diesen Ansatz ließe sich nun vorbringen, dass die bestehende Klassifizierung abschließend sei. Wenn der Weg einer Verfassungsänderung nicht beschritten wird, kann aber an Ansätze im Schrifttum angeknüpft werden, die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine all­ gemeine Medienfreiheit verankert sehen, die sich in verschiedene Teilfreiheiten ausdifferenziert. Auftrieb erhält diese Sicht durch Art. 11 GRCh, der in Absatz 2 generell die Medien und ihre Pluralität gewährleistet.12 Da die Grundrechtecharta Teil des europäischen Primärrechts ist, erscheint eine europarechtskon­ forme Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG möglich. Auf der Basis der jetzigen Entwicklung bietet sich die Anerkennung einer Internetdienstefreiheit an. Weiterentwicklungen sind bei dieser Auslegung möglich. Dass solche rechtsdogmatischen ­ Innovationen im Grundrechtsbereich durchaus zulässig sind, zeigt die Entwicklung des Computergrundrechts oder des Rechts auf informationelle Selbst­bestimmung.

5.

S chlussfolgerungen für die Netzpolitik

Erkennt man eine Freiheit der Internetdienste an, hat dies Folgen für die Ausgestaltung und Begründung von Handlungsoptionen der Netzpolitik. Im Fol­ genden sollen beispielhaft einige wichtige Bereiche erörtert werden. Netzneutralität Durch neue Netzwerkmanagement-Techniken wird es möglich, gezielt Datenpakete zu blockieren oder zu

11 Auf die Notwendigkeit, ein Konzept der Massenkommunikationsgrundrechte „zu entwickeln, das (…) auf die Erhaltung der Vielfalt und Durchlässigkeit der fragmentierten Teilöffentlichkeiten der neuen Internet-Kultur eingestellt werden kann“ weisen auch Hachmeister / Festing, FK 13 / 2011, 3 (9) hin, gleichwohl ohne konkrete Vorschläge zu machen. 12 Jarass, Grundrechtecharta, 2010, Art. 11 Rn. 27; Pünder, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grund­freiheiten, 3. Aufl. 2009, § 16.2 Rn. 16.


Bernd Holznagel /  Pascal Schumacher · Die Freiheit der Internetdienste

priorisieren.13 Offenbar ist auch ihre inhaltliche Mani­ pulation und Inspektion nicht ausgeschlossen. Private können sich dann Vorteile im Meinungskampf ­sichern, wenn sie diese Techniken einsetzen.14 Soweit dadurch Vielfaltsicherung und kommunikative Grund­ versorgung im Internet gefährdet werden, ist der ­Gesetzgeber zur Gewährleistung der Internetdienstefreiheit aufgerufen, dem im Sinne einer freien und offenen Internetkommunikation entgegenzutreten. Denn im Mittelpunkt des Schutzes der Internetdienste­ freiheit steht der geistige Meinungsstreit. Beein­ flussungen, die auf wirtschaftlichem oder sonstigem Zwang beruhen, sind hiermit nicht zu vereinbaren.

Wechselkosten bestritten. Hier wäre ein Sonderkündigungsrecht, mit dem der Verbraucher unmittelbar auf eine solche Einschränkung reagieren könnte, hilfreich. Des Weiteren könnte die Beweislage im Falle der Qualitätsminderung aufseiten der Endkunden verbessert werden, etwa durch eine Beweislastumkehr. Die Instrumente führen indes nicht weiter, wenn es im Markt keine Auswahl unter verschiedenen Angeboten gibt. Dann bedarf es weitergehender Regelungen, wie z. B. der Festlegung einer Mindestqualität für das Netz oder Vorgaben für ein Diskriminierungsverbot, wie wir es aus der amerikanischen Debatte kennen. Innerhalb einer vom Endkunden ­gewählten Dienstequalität- und Preiskategorie sollten die Kommunikationsinhalte und Dienste mit gleicher Priorität transportiert werden. Hierdurch kann das Gebot der kommunikativen Chancengleichheit ge­ währ­­leistet werden. Zudem bietet es sich aus Gründen der kommunikativen Grundversorgung an, hinreichende Bandbreiten für einen Best-Effort-Basis­dienst zu reservieren.16

Insgesamt erlaubt es die Internetdienstefreiheit, spezifische Phänomene eines neutralen Datentransports deutlich besser zu erfassen als bisher. Bspw. erfasst das Prinzip der Transportfreiheit, das im Kontext der gegenwärtigen Medienfreiheiten keinen breiten Platz eingenommen hatte, im Rahmen der Internetdienstefreiheit nun nicht nur die Blockade, sondern auch eine gezielte Verzögerung und inhaltliche Manipulation eines Datenpakets. Damit wird ein hinreichender ­Integritäts- bzw. Authentizitätsschutz für an die Allgemeinheit gerichtete Kommunikationsdaten gewähr­ leistet. Auf Grundlage der Internetdienstefreiheit ist schließlich zu gewährleisten, dass der Staat sich nicht dieser neuen Techniken bemächtigt, um die Verbreitung ihm unliebsamer Meinungen zu behindern oder ihm genehme Meldungen bevorzugt zu verbreiten. Man stelle sich nur vor, dass der Blog der Kanzlerin zukünftig prioritär über das Netz verbreitet wird.

Orientierung in der Informationsflut des Internets geben vor allem Suchmaschinen. Sie bestimmen maß­ geblich, welche Informationen der Nutzer zur Kenntnis nimmt. Dementsprechend groß sind die Manipulationsmöglichkeiten. Da dies zu Vielfaltsverlusten führen kann, ist der Staat aufgerufen, zu beobachten, ob bei der Suche unangemessen diskriminiert wird und ob Gegenmaßnahmen erforderlich sind.

Der aktuelle Regierungsentwurf zur Novellierung des TKG vertraut hierzu im Wesentlichen auf Transparenzregeln. Der Verbraucher soll darüber informiert werden, ob der Netzbetreiber sich an die Grundsätze der Netzneutralität hält oder nicht.15 Da die TK-­ Regulierung Wettbewerb sichere, könne der Verbraucher den ihm genehmen Anbieter aussuchen. Diese Prämisse wird häufig mit dem Hinweis auf die hohen

Eine sektorspezifische Regulierung für die Naviga­tion gibt es im Internet nicht. Sie ist für ein globales Netz auch kaum vorstellbar. Eine gewisse steuernde Funktion übernimmt ein Verhaltenskodex, der von den Such­ maschinenbetreibern in Kraft gesetzt wurde. Zukünftig könnte ein Gütesiegel eingeführt werden, welches die Verlässlichkeit der Informationssuche ­bewertet. Das Verhalten der Suchmaschinenbetreiber

Orientierung

13 Hierzu Expertenkommission Forschung und Innovation, Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer ­Leitungsfähigkeit, 2011, S. 65. Schlauri, Network Neutrality, 2010, S. 163 f. 14 Auf Seiten der Unternehmen ist der Einsatz neuer Netzwerkmanagementtechniken ökonomisch motiviert. So die ­Aussagen der DTAG und von Ver.di in: https: // tk-it.verdi.de / archiv / 2011 / komm-03_2011 / data / KOMM03_2011.pdf

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sollte kontinuierlich beobachtet werden. Werden Manipulationen aufgedeckt, ergeben sich aus der Internetdienstefreiheit für die staatlichen Stellen ­zumindest Informationspflichten.

Siche­run­gen der Medienfreiheiten wie Drittsenderechte, Programmbeiräte oder auch Redaktionsstatute.

Qualität

Ferner sind Anstrengungen erforderlich, möglichst vielen Bürgern Zugang zur Internetöffentlichkeit zu ermöglichen. Es gehört zu den Voraussetzungen einer funktionierenden demokratischen Öffentlichkeit, dass die Vermittlungsleistung der Medien möglichst überall in Anspruch genommen werden kann. Dieses Anliegen spiegelt sich im verfassungsrechtlich abgesicherten Konzept einer flächendeckenden Grund­versorgung wider (Art. 87 f.  Abs. 1 GG). Der Bund hat mit seiner Breitbandstrategie ambitionierte Ziele formuliert und mit zahlreichen neuen Instrumenten wie dem Breitbandatlas, der Versteigerung neuer Funkfrequenzen und Förderprogrammen den Ausbau der Netze konsequent vorangetrieben. Inwiefern die Universaldienstleistungskonzeption des Tele­ kommunikationsrechts um das Ziel der flächendeckenden Versorgung mit Breitbandinternet erweitert werden soll, wird derzeit breit diskutiert. Beachtlich sind die Initiativen vieler Gemeinden, eigene Netze aufzubauen, um so die Versorgung ihrer Bürger zu verbessern.

Kritiker schreiben dem Internet den Verlust von Kulturtechniken wie dem Lesen von Büchern und einen Rückgang der Allgemeinbildung gerade im Bereich des Politischen zu.17 Derzeit ist aber noch nicht ­abschätzbar, inwiefern diese vor allem in den USA zu beobachtenden Phänomene auch in Deutschland ­ihren Niederschlag finden. Vieles wird davon abhängen, wie das Problem der inhaltlichen Qualität und der Glaubwürdigkeit im Netz gelöst wird. Vielfalt­ ver­luste bei der politischen Kommunikation lassen sich derzeit insbesondere im lokalen und regionalen Bereich feststellen. Hier könnte die finanzielle ­ ­För­de­r ung von Blogs, Online-Plattformen oder Diskussionsforen helfen, um diese Defizite abzubauen. Solche Zuwendungen sind im Rahmen der Internetdienstefreiheit zulässig, soweit sie meinungsneutral vergeben werden. Zusammenspiel von Journalismus und ­Netzgemeinde Journalisten nehmen auch im Internet eine wichtige Moderatorenrolle ein. Gerade das Beispiel um die Plagiatsaffäre zu Guttenberg hat gezeigt, wie effektiv ein Zusammenspiel von Journalisten und Netzgemeinde funktionieren kann. Vor diesem Hintergrund sollten zur Ausgestaltung der Internetdienstefreiheit Anreize für eine gute Ausbildung von im Online-Bereich tätigen Journalisten und Bloggern gesetzt werden. Auskunftsrechte nach den Landespresse­gesetzen könnten z. B. an einen Qualifikationsnachweis gebunden werden. Auch Maßnahmen zur Sicherung der Unab­ hängigkeit der Journalisten gegenüber wirtschaft­ lichen Vorgaben der Verleger sind wünschenswert. Die ­Öko­nomisierung der Medienmärkte erfordert eine neue, intensive Debatte über binnenpluralistische

Internet für alle

Gemeinsames Kooperationsgremium Bund  /  L änder Angesichts der Medienkonvergenz stellt sich schließlich für die Netzpolitik die Frage nach einer institu­ tionellen Neuordnung ihrer Aufsichtsstrukturen. Die Zersplitterung zwischen den verschiedenen Behörden des Bundes und der Länder im Informations- und Kommunikationsbereich wird bereits seit langem k ritisiert.18 Eine Single-Regulator-Lösung nach ­ ­britischem Vorbild ist in Deutschland nur im Wege einer Verfassungsänderung möglich. Als Alternative kommt folglich nur die Schaffung transparenter Koopera­tionsmechanismen zwischen Bund und den Ländern in Betracht. Es ist daher zu erwägen, für ­Bereiche der Netzpolitik, die (wie die Netzneutralität)

15 §§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 43 a, 45 n, 45 o TKG-E.

17 Bauerlein, The Dumbest Generation: How the Digital Age Stupefies Young Americans and Jeopardizes Our Future (Or, Don’t Trust Anyone Under 30), 2008.

16 Holznagel, K & R 2010, 95 ff.

18 Zuletzt Hachmeister / Festing, FK 13 / 2011, 3 (10).


gleichermaßen telekommunikations- und pluralitätsrechtliche Fragestellungen betreffen, ein Gremium zu gründen, in dem die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) und die Bundesnetzagentur zum regelmäßigen Austausch und zur Koordination verpflichtet werden.

6.

Fa zit

einer Internetdienstefreiheit schließlich auch, die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und anderer öffentlicher Anbieter im Internet auf eine neue Legitimationsgrundlage zu stellen. Bestrebungen, die Rundfunkanstalten durch eine Zuordnung ihrer Dienste zur (privatwirtschaftlich organisierten) Presse aus dem Internet zu verdrängen, kann so auch auf lange Sicht effektiv begegnet werden.

Mit der Anerkennung einer Freiheit der Internetdienste können Verfassungsrecht und -politik im 21. Jahrhundert ankommen. Die damit einhergehende Begriffsbildung dient der Schaffung von Rechts­ sicherheit, und sie begegnet einer am Realbereich der Verfassungsnorm vorbeigehenden Überdehnung des Rundfunkbegriffs. Die Verästelungen der herkömmlichen Dogmatik der Rundfunkfreiheit werden z. B. von der jetzigen Generation der Jurastudenten, soweit sie sich jedenfalls auf das Internet bezieht, als antiquiert betrachtet. Darüber hinaus lassen sich auf diese Weise auch Schutzlücken der gegenwärtigen Verfassungsdogmatik schließen. So hat die Analyse der Bedingungen und Gefährdungen von Internetkommunikation gezeigt, dass diese über die hergebrachte Dogmatik der Rundfunk- und Pressefreiheit nicht mehr hinreichend abgebildet werden können. Zu sehr unterscheiden sich die Funktionsbedingungen demokratischer Willensbildung im Many-to-many-Kommunikations­ raum Internet von denen der analogen Welt. Mit der Internetdienstefreiheit lassen sich demgegenüber spezifische Phänomene der Netzwelt passgenau erfassen. So hat z. B. die Sicherung eines neutralen Transports von Kommunikationsinhalten und diensten im Kontext der Rundfunkfreiheit nur eine untergeordnete Rolle gespielt.19 Auf dieser Grundlage können rechtspolitische Lösungskonzeptionen erarbeitet und ­besser auf die Besonderheiten des Netzes eingestellt werden. Da mit der Zuordnung von Diensten zum jeweiligen Kommunikationsgrundrecht auch immer ein Ordnungsmodell verknüpft wird, erlaubt die Anerkennung

19 Anders ist dies bei der Pressefreiheit. Vgl.  K loepfer, AfP 2010, 120.

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REPLIK

STAKEHOLDER REGIERUNG UND PARLAMENT


Prof. Dr. Angela Kolb · INTERNET, RECHT, INTERNET-RECHT UND DIE MEDIEN

Replik

INTERNET, RECHT, INTERNETRECHT UND DIE MEDIEN Prof. Dr. Angela Kolb Ministerin der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt Das Internet ist in seiner bestehenden Form das Ergebnis einer Entwicklung, die kaum rasanter hätte verlaufen können. Es ist aus dem Arbeitsleben und dem Alltag nicht mehr wegzudenken. In weniger als einem Jahrzehnt ist das Netz zum wichtigsten Massenmedium geworden, das die herkömmlichen Publikations- und Informationsmittel ergänzt, ersetzt oder sogar hinfällig hat werden lassen. Dies hat ganz besondere Herausforderungen an Recht und Politik herangetragen. Plötzlich hat sich herausgestellt, dass die traditionellen Kategorien der juristischen Dogmatik und die Einflussmöglichkeiten der politischen Entscheidungsträger nicht mehr allein ausreichen, um die sich stetig vergrößernde „Datenwolke“ in den Griff zu bekommen. Sie ist in mehrfacher Hinsicht nicht greif bar. In ihr vereinen sich zusehends die gesammelten Informationen der gesamten Menschheit. In jeder Sekunde treten zahllose Informations- und Kommunikationsdaten hinzu; nicht immer lässt sich die Quelle zuordnen, geschweige denn ihre Echtheit bzw. ihr Wahrheitsgehalt feststellen. Zudem verfolgt nicht jeder User ausschließlich edle Absichten oder geht mit dem Wunsch nach geistreicher Unterhaltung ins Internet. Oftmals geht es um wirtschaftliche Interessen, um die Erschließung neuer Märkte. Dies ruft nicht nur einfallsreiche Strategen auf den Plan, sondern auch so manch einen Vertreter, der unter dem Deckmantel vermeintlicher Anony­mi­ tät kriminelle Ziele verfolgt. Die Wirtschaftsdelinquenz hat dadurch ebenso ein neues Gesicht bekommen wie der internationale Terrorismus oder die

Mechanismen zur Anbahnung sexuell motivierter Kriminalität. Allerdings ist es in der Geschichte schon immer so gewesen, dass jeder Fortschritt mit einer negativen Kehrseite behaftet war; sinnbildlich sei hier nur die Erfindung des Dynamits genannt. Die Verbreitung von Daten hat freilich eine Sprengkraft, die teilweise eher subtil oder zunächst einmal gar nicht wahrnehmbar ist. Die Auswirkungen von Datenmissbrauch werden oft erst sehr spät erkannt oder zu einem Zeitpunkt, wenn die Verbindung zum ursprünglichen Problemherd lange gekappt ist. Dies stellt auch an die Rechtspraxis Fragen, deren Beantwortung aus dem bislang geschriebenen Recht vielfach nicht unmittelbar möglich ist. Die Medienwelt bleibt von diesem Phänomen nicht verschont. Jede Rechtsetzung geschieht vor dem Hintergrund der jeweils vorgefundenen Realitäten. Das Internet wurde nicht einmal als theoretische Variante gedacht, als das Grundgesetz geschrieben wurde. Folglich bauen die Gewährleistungen der Informationsgrundrechte auf den hergebrachten Medien Rundfunk und Presse auf. Für beide ist charakteristisch, dass Informationserteilung und -gewinnung von einem Vermittler abhängig sind, der gewissermaßen als Bindeglied und Filter zwischen Informationsquelle und Informationsempfänger fungiert. Somit war der Infor­ mationsfluss von den Auswahlentscheidungen der Redaktionen in Sendeanstalten und Zeitungen abhän­ gig; ihnen kam gerade im Hinblick auf diese besondere Rolle eine überragende Bedeutung für die Meinungsbildung in der Bevölkerung zu. Daraus folg­te

mit einer gewissen Zwangsläufigkeit eine Reihe von rechtlichen Rahmenbedingungen, deren Einhaltung für die Aufrechterhaltung einer bestimmten Plura­ lität und Ausgeglichenheit notwendig erschienen.

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Bereits mit der Einleitung des digitalen Zeitalters verschwammen die Kriterien. Die Ressourcenknappheit, welche maßgeblicher Grund für die Statuierung starrer Maßgaben war, wich einer Vielfalt an technischen Möglichkeiten, durch die das zentrale Anliegen um ein möglichst ausgewogenes Angebot aus unterhaltsamen und berichtenden Inhalten zunehmend in Frage gestellt wurde. Stattdessen scheint sich eine aufgeteilte Medienkultur durchzusetzen, die – überspitzt formuliert – jedem Sonderinteresse den eigenen Sender oder die eigene Zeitschrift widmet. Diese Entwicklung erreicht mit der Etablierung des Internet ihren vorläufigen Kulminationspunkt: Das Angebot ist so vielfältig wie die Charaktere der Menschen. Gleichwohl fällt der damit verbundene Umbruch geringfügiger aus, als man bei vordergründiger Betrachtung vermuten würde. Das One-to-manyPrinzip ist nicht flächendeckend durch das Many-tomany-Prinzip ersetzt worden. Ja, im Internet gibt es unzählige Portale, die um Informationsvermittlung und Meinungsbildung bemüht sind. Keine Frage. Nicht alle aber sind von der gleichen Relevanz. Vieles geht im Überfluss der Angebote einfach unter und bleibt weitgehend unbemerkt. Natürlich ist jeder in der Lage, vom heimischen Sofa aus den eigenen Blog zu starten. Viele machen von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch. Tatsache ist aber auch, dass die Online-Ausgaben der gängigen Tageszeitungen und Zeitschriften diejenigen sind, die von den Usern am meisten besucht ­werden. Die Redaktionen sind ihrer Einflussmöglichkeiten im Hinblick auf die Auswahl der für die Masse interessanten Themen also nicht verlustig gegangen. Es ist sicher so, dass Journalisten bestimmte Entwicklungen und Tendenzen im jeweiligen Meinungs­ spektrum mit Hilfe des Internets besser beobachten können; vielleicht sind sie angesichts der hohen Verbreitungsgeschwindigkeit von Informationen schneller zu einer Reaktion gezwungen, als dies früher der

Fall war. Dennoch ist der Journalismus als filternde, prüfende und bewertende Instanz auch weiterhin ­gefragt. Daran hat sich nichts geändert. Ob man dies vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen noch als Meinungsbildungsmonopol bezeichnen kann, mag dahinstehen. Eine wirkliche Neuerung besteht darin, dass journalistische Beiträge im Netz unmittelbar kommentiert und diskutiert werden können. Dadurch könnte ein gewisser Opportunismus befördert werden: Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Online-Redaktionen im Duktus ihrer Berichterstattung – gleichsam in vorauseilendem Gehorsam – an das voraussichtliche Meinungsbild der User anpassen. Da sich aber auch die klassischen Print-Ausgaben der Zeitungen am Markt behaupten mussten und müssen, bringt auch hier das Internet keine erdrutschartigen Veränderungen mit sich. Es ist schlicht ein neues Medium, durch das Papier, Fernsehgerät oder Radioempfänger durch den Computer ersetzt werden. Damit ist die Brücke zum Rundfunk geschlagen. Es gilt hier nichts anderes als in Bezug auf die ­Z eitungen. Die beliebtesten Streams im Netz sind dieselben wie diejenigen, die über terrestrische Frequenzen empfangbar sind. Natürlich gibt es unzählige Internet-Radiostationen. Sie führen nach wie vor ein Schattendasein. Der Kreis der jeweiligen Hörer ist kaum größer als der unmittelbare Freundeskreis des Betreibers. Eine Konkurrenz, die den sogenannten „Großen“ das Wasser reichen könnte, besteht nicht. Dies soll nicht in Abrede stellen, dass es einzelne Internet-Portale gibt, die es abseits der klassischen Märkte und Anbieter zu erheblichem Einfluss gebracht haben. Deren Anzahl ist allerdings nach wie vor überschaubar. Man könnte geneigt sein, auch WikiLeaks oder GuttenPlag in diese Kategorie einzuordnen. Jedoch bleibt abzuwarten, ob es sich dabei nicht doch nur um vorübergehende Erscheinungen handelt, die nach kurzfristig aufkochender Popularität schnell an Relevanz verlieren. Es ist überhaupt zweifelhaft, ob sich diese Beispiele in das Many-to-many-Prinzip einordnen lassen, denn es


handelt sich auch hierbei um Einzelportale, die lediglich die Kanalisierung einer bestimmten Haltung ­ermöglichen. Es gibt auch hier nicht viele Kommunikatoren, sondern einen einzelnen, der sich lediglich mit der Bündelung von Meinungen (wie bei GuttenPlag) oder Informationen (wie bei WikiLeaks) befasst. Der Unterschied zu dem, was in den Online-Aus­ gaben der Zeitungen lanciert oder umgesetzt werden könnte, ist eher gradueller Natur. Es bleibt dabei: Soziale Netzwerke wie Facebook oder studiVZ sorgen für eine unsagbare Verbreitungs­ geschwindigkeit von Informationen über Personen und Ereignisse. Das aber macht die hergebrachten Aufgaben und Funktionen des Journalismus nicht über­ flüssig. Nur das Tempo hat sich wesentlich erhöht. Dadurch wiederum ist das Druckpotenzial gestiegen; nicht nur für die Redaktionen, sondern gelegentlich auch für die Protagonisten in Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Die Welt ist einfach kleiner geworden. Das hat dazu geführt, dass Meinungen, Interessen und Ereignisse schneller bemerkt werden, als es früher der Fall war. Dieser Entwicklung wird sich auch das Recht anpassen müssen, wenn es mit dem modernen Leben Schritt halten will. Die Prämissen sind dieselben geblieben: Die Rechtsordnung des Grundgesetzes ­ basiert auf dem Prinzip der Freiheit. Aus Freiheit aber folgt Verantwortung. Dabei handelt es sich um Kehrseiten ein und derselben Medaille. Soll die Freiheit zugunsten aller bis zu einem kompossiblen Maximum aufrechterhalten bleiben, so legt dies Begrenzungen von vornherein nahe. Der Freiheitsbegriff würde eben in sein Gegenteil verkehrt, wenn er so weit ginge, dass die Auswahl- und Entscheidungsfreiheit der Adressaten durch ein eigenmächtiges Handeln einiger ­weniger Akteure ausgeschaltet werden könnte. Um derartige Szenarien zu vermeiden, bedarf es eines verlässlichen rechtlichen Rahmens. Und dieser hat sich an den Realitäten zu orientieren. Damit aber ist nicht mehr umschrieben als die seit jeher bestehende Aufgabe des Rechts.

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Thomas Jarzombek · Neue Monopole und Transparenz

Replik

RISIKEN NEUER MONOPOLE UND MANGELNDE TRANSPARENZ BEI SUCHMASCHINEN UND SOZIALEN NETZWERKEN Thomas Jarzombek Mitglied des Deutschen Bundestages

Einen sehr interessanten Diskussionsbeitrag haben Bernd Holznagel und Pascal Schumacher hier geleistet, der durchaus zur Kontroverse aufruft. Dem komme ich gerne nach. So steht die These im Raum, das Internet sei pluralistisch aufgestellt. Als Beleg führt Prof.  Holznagel niedrige Publizitäts- und Verbreitungsschwellen an, die Meinungsfreiheit mindestens befördern würden. Doch stellen wir alle das Phänomen fest, dass trotz der großen Vielfaltsmöglichkeiten eine starke Tendenz zur Monokultur im Internet besteht. Wie kann das sein ? Es liegt an der extremen Verbreitungsgeschwindigkeit neuer Dienste und der mangelnden Offenheit vieler Systeme. Wer heute sucht, der googelt. Wer an soziales Netzwerken denkt, meint Facebook. Wer microbloggt, der twittert. Und gibt es wirklich einen Beweis, dass man auch anders als mit eBay auktionieren kann ? Dies hat starke Auswirkungen auf die Meinungs­ freiheit im Netz: Welche Meldungen von meinen 2000 Facebook-Freunden werden für mich sichtbar gemacht  ? Welche Algorithmen bestimmen dies  ? Sind die Systeme pluralistisch ausgelegt oder präsentieren Sie mir immer den gleichartigen Meinungsbrei ? Ich weiß es nicht. Jedenfalls lese ich von Leuten, die nach geraumer Zeit nur noch Einträge mit ähnlicher politischer Ausrichtung wie der eigenen zu sehen bekommen. Was ist da los ? Wir wissen es nicht, die Algorithmen sind geheim.

Nahtlos lässt sich das auf Suchmaschinen übertragen: Gab es da nicht Vorwürfe, Google würde seine eigenen kommerziellen Angebote pushen ? Bekomme ich bei der Suche nach meinem Namen nur positive Fundstellen ? Oder negative ? Oder eine perfide getarnt gewichtete Auswahl ? Gerne hätte man das überprüft, doch – Sie ahnen es – die Algorithmen sind geheim. Gibt es nun einen Redaktionsbeirat bei Google  ? ­Heiner Geißler als Vermittler bei algorithmischen Konflikten ? Ich wüsste es nicht. Stelle sich einer vor, so würde das ZDF agieren. Oder ein Gremium des Deutschen Bundestages. Oje. Daher wundert sich der gemeine Politiker, dass alle Transparenzforderungen der Netzgemeinde stets auf staatliche Gremien gerichtet sind. Dabei ist dort doch ohnehin nur das wenigste geheim. Und bleibt es meistens ohnehin nicht. Auch vor WikiLeaks. Aber welche Apps schlägt mir der iTunes Store vor ? Und welche dürfen anhand welcher Kriterien nicht publiziert werden ? Ich weiß es nicht. Sicher ist nur: Unverdeckte Busen kommen nicht gut an bei Steve Jobs. Daher komme ich zu der Erkenntnis, dass das Netz nicht zwangsläufig ein Ort der Freiheit ist. Es könnte es sein, doch eine totale und vollständige Freiheit ist sehr anstrengend für die Nutzer. SEHR anstrengend. Und sie ist auch sehr anstrengend für die Internet­ aktivisten. Denn diese teilen die These von Prof. Holznagel: Netzneutralität muss die Freiheit Nummer 1 im Netz sein! Gibt es aber im Kontext des oben

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Geschriebenen nicht viel größere Gefahren als den perfiden Provider, der einfach das 1080i-hoch­ auf­lösende Videoportal des kritischen Bloggers mit Rucklern verunstalten möchte  ? Vielleicht bin ich ­naiv, aber ist es nicht eine latent abstruse Vorstellung, die Deutsche Telekom würde die Milliarden Beiträge im Netz auf kritische Stimmen durchackern und ­genau diese erst zeitverzögert durchleiten ? Ohne auf die Frage einzugehen, wie schlimm es für einen Blog wäre, erst nach drei Sekunden anstatt nach einer Sekunde dargestellt zu werden – welche Instrumente braucht es eigentlich für die totale und vollständige Kontrolle der Netzneutralität  ? Diese Frage wird mir auch hier zu wenig beleuchtet. Denn bei Netzneutralität geht es doch nicht um weniger Staat, sondern um mehr Staat. Irgendeine neue Superbehörde müsste alle Provider ständig kontrol­ lieren, um die Netzneutralität auch garantiert sicherzustellen. 24 Stunden am Tag. Will ich das ? Ich weiß es nicht. So manche gute Ideen ist als bürokratisches Monster geendet und diese Gefahr ist hier nicht nur rein akademisch. Denn Vorsicht: Gesetzliche Netzneutralität wird am Ende nicht durch Internet­akti­v isten organisiert, sondern von Beamten verwaltet. Sage dann b ­ itte keiner, er habe sich das ganz ­a nders ausgemalt. Zuletzt finde ich die Rolle der klassischen Journalisten im großen wilden Internet äußerst spannend. Denn die These von Prof. Holznagel, die Macht des Netzes und der Blogger ergebe sich durch das Netz selbst, wage ich jetzt einmal zu hinterfragen. Alle im Netz aufgedeckten Skandale bekamen erst dann ­einen Spin, als sie von den klassischen Medien auf­ genommen wurden. Wie viele Abrufe hatte denn das GuttenPlag Wiki  ? Oder der investigative NRWBlog, der Jürgen Rüttgers so zu schaffen machte ? Dies sind Quellen, aber keine Massenmedien. Daher gilt alles das weiter, was zur Stützung der Meinungsfreiheit bei den klassischen Medien bislang gilt. Denn die ultimative Meinungsmacht geht immer noch von Fernsehen, Radio und Print mitsamt ihren Onlineablegern aus. Oder hätte Guttenberg so lange durchgehalten, wenn Bild schon am ersten Tag die Freundschaft aufgekündigt hätte ?

Eine Gefahr für die Meinungsfreiheit ist aber heute eine ganz andere: der multitaskende Journalist. Ob Print, online, Video, Twitter, Blog ...... rrrr ! Nochmehr Speed. Speeeeed! Schneller! Mehr Zeichen, mehr Medien, los, Tempo! Alles gleichzeitig ! Schnell noch eine Kamera um den Hals gehängt ! Dazu noch eben eine Notiz des Managements: Kurzfristig mussten wir siebzehn Redaktionen an einem Newsdesk zusammenlegen. So, da freut sich der Abgeordnete, dass er mit dem multimedialen Terror nicht alleine ist. Doch wo bleibt die Muße zur Recherche ? Das Nachdenken über ­ Seriosität ? Oder etwas ganz Irrwitziges: die Reflek­tion, ob das Aufspringen auf eine Kampagne im Netz überhaupt moralisch richtig und verantwortbar ist ? Aber das braucht man ja heute gar nicht mehr: Die anderen haben es schon übernommen, da müssen wir das doch auch bringen! Ich entschuldige mich an der Stelle für den Einsatz von Ironie, der in der Politik ja brandgefährlich ist. Also, man kann dies alles in der Praxis beobachten: „Immer auf die Omme“ schrieb der glücklose Boris Berger aus Rüttgers Regierungszentrale in einer ­E-Mail an den Generalsekretär. Intern, im Eifer des Gefechts an einen engen Vertrauten. Und nicht auf Twitter. Dennoch: Aufgetaucht in einem Blog, übernommen von einer Zeitung, am Ende in sämtlichen Leitartikeln von Zeitungen, die sich selbst als seriös definieren. Wäre ein solch plumpes und inhaltsleeres Zitat ohne das Netz früher in diese Zeitungen ­gekommen ? Und was genau hat dies nun an Auf­ klärung in der politischen Debatte gebracht ? Ich weiß es nicht, aber eine Verrohung der Sitten und ­Trivialisierung der Zeitungsberichte ist nicht leichtfertig von der Hand zu weisen. Meinungsfreiheit. Sie ist ein hohes Gut. Vielleicht sogar das wichtigste in unserer Demokratie. Aber ist sie sicher ? Wir müssen dies immer wieder aufs Neue er­k ämpfen. Gerade das Internet erfordert neue Wege und Mittel. Aber neben allen Mechanismen braucht es drei Dinge: Seriosität, Sorgfalt und Gewissen. Das fordere ich ein. Und darum sorge ich mich. Aber mir schwant, dies wird nicht mit einem Gesetz zu lösen sein.


REPLIK

STAKEHOLDER PRIVATWIRTSCHAFT


Christian Stöcker · Die Funktionsgrenzen nationaler Partikularlösungen

Replik

DIE FUNKTIONSGRENZEN NATIONALER ­PARTIKULARLÖSUNGEN Christian Stöcker, Spiegel Online

Das Internet ist keine schlichte Erweiterung herkömmlicher medialer Kanäle, keine Kombination von Rundfunk und Presse – und auch keine Kombination von Rundfunk, Presse, Telefon und Briefpost, auch wenn viele Menschen es derzeit in erster Linie in dieser oder ähnlicher Weise nutzen. Insofern haben Bernd Holznagel und Pascal Schumacher völlig Recht, wenn sie eine umfassende rechtliche Neudefinition dieses Bereichs fordern, um Internetdienste sinnvoll und zukunftsfähig einzuordnen. Die derzeit herrschende Rechtslage, die beispielsweise die Anwendung des föderalen Medienrechts auf das Netz und die darüber vermittelten Inhalte erforderlich macht, führt zu absurden, Bürgern und Verbrauchern nicht mehr vermittelbaren Situationen. Dass Internetdienste über Rundfunk- und andere Staatsverträge reglementiert werden sollen, deren theoretische Grundlagen aus einer Zeit stammen, in der die von Holznagel und Schumacher beschriebene One-to-many-Kommunikation die Regel, in der die physikalisch bedingte, zwangsläufige Knappheit medi­a ler Vermittlungskanäle ein zentrales Merkmal massenmedialer Kommunikation war, ist ein quälender, für den Gesetzgeber ebenso wie für Anbieter und Publikum hinderlicher Status quo. Dabei ist zu bedenken, dass gerade diese KanalKnappheit einer der entscheidenden Anlässe für die Privilegien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war. Die Gefahr einer Informations-Monopolisierung durch

private Anbieter ist in Zeiten allgegenwärtiger digi­ taler Informationsquellen aber schlicht nicht mehr gegeben. Eine Grundsatzdebatte über den Auftrag, die Rolle und die Finanzierung der öffentlich-recht­ lichen Sendeanstalten in dieser neuen, vom Inter­net beherrschten Medienwelt ist deshalb dringend geboten. Die derzeitige Kompromisslösung krankt nicht zuletzt daran, dass allen beteiligten Parteien durch die überholten Begriffe, mit denen versucht wird, Journalismus und Unterhaltung im Netz zu beschreiben, sinnlose Verrenkungen abverlangt wurden. In vielen Fällen ist es zudem schlicht Zeitverschwendung, dass sich die deutsche Politik in gewundenen, praxisfernen, nationalen Partikularlösungen verzettelt, anstatt im Bezug auf die wirklich drängenden Fragen, die das Netz aufwirft, mit Hochdruck nach international konsensfähigen Antworten zu suchen, in Kooperation mit Partnern, mit denen ja auch andere globale Themen wie der Welthandel organisiert und reglementiert werden. Das Internet steht nicht in Deutschland. Zentrale, ausschließlich nationale Ansätze zur Kontrolle und Reglementierung von Internet-Inhalten müssen deshalb fast zwangsläufig scheitern. Ein verantwortungsvoller politischer Umgang mit dem Netz und seinen Auswirkungen würde zuallererst voraussetzen, dass sich die beteiligten Parteien über die Grundstruktur des weltumspannenden Gebildes klar werden, mit dem sie es da nun mal zu tun haben – und

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darüber, dass die besten Möglichkeiten, für Sicherheit, Jugendschutz und anderes zu sorgen, an dessen Endpunkten, auf den Rechnern der Nutzer ansetzen. Das Internet selbst ist „dumm“ und sollte es bleiben. Worum es geht, ist, intelligente Problemlösungen zu finden, da Innovation seit jeher dank der ständig wachsenden Internet-Leistungsfähigkeit auf den an das Netz angeschlossenen Endgeräten stattfindet. In einem Punkt muss man den Autoren aus journalistischer Sicht allerdings widersprechen: Dass nur noch Suchmaschinen und Bewertungsplattformen bestimmen, welche Informationen der Nutzer online zur Kenntnis nimmt, dass Journalisten „für die Qualitätsbewertung von Kommunikationsinhalten weitgehend ausfallen“, wie Holznagel und Schumacher schreiben, ist derzeit keineswegs zu beobachten. Das immense Wachstum der Nutzung gerade von journalistischen Onlineplattformen im Zusammenhang mit Ereignissen von globaler Relevanz wie dem Erdbeben und dem anschließenden Tsunami in ­Japan, der Reaktorkatastrophe von Fukushima oder den ­revolutionären Bewegungen in Tunesien, Ägypten, Libyen und anderswo zeigt eines sehr deutlich: Das Vertrauen in die verlässliche Orientierung, die ein­ geführte Medienmarken liefern, ist auch im Zeitalter des Echtzeit-Webs und der Many-to-many-Kommunikation ungebrochen. Die Verbreitungswege, auf denen Nachrichten und andere Informationen Internetnutzer erreichen, mögen vielfältiger geworden sein, doch das Bedürfnis nach glaubwürdiger, kompetenter, professioneller Berichterstattung ist dadurch nicht etwa kleiner, sondern eher größer geworden.


Prof. Michael Rotert · Netzpolitik muss global orientiert sein

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Netzpolitik muss ­global orientiert sein Prof. Michael Rotert eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V. Die Autoren bemerken in ihrer Einführung richtigerweise die Entwicklungen und die wirtschaftlichen und sozialen Potentiale des Internets. Die damit verbundenen Veränderungen in der Gesell­ schaft und vor allem bei der Politik sind jedoch nicht nur an den gegenwärtigen Diskussionen und Maß­ nahmen abzulesen. Daraus kann sicher noch keine Netzpolitik hergeleitet werden. Für mich ist der derzeitige Stand eher eine Suche nach Konzepten, wie und was man regulieren kann. Die Vorteile des Internets beim Einsatz in vielen Bereichen des täglichen ­Lebens finden dabei weniger Beachtung als ein mögliches Gefährdungs- oder gar Überwachungspotential. Wenn die Politik möchte, dass die gesamte Bevölkerung vom Internet profitieren soll und dafür „Breitband für alle“ propagiert, so reicht das nach meinem Dafürhalten nicht aus. Internetzugang über Funk ist aus verschiedenen Gründen nicht überall gewünscht. So bestehen einerseits Ängste vor Elektrosmog, und andererseits sind Investitionen in schnelle Glasfaseranschlüsse in ländlichen Gebieten aus Sicht der Wirtschaft nicht rentabel oder stehen dem Naturschutz entgegen. Hier steckt die Politik in dem Dilemma, die Wahl zu haben zwischen der Rückkehr zu einem Monopol oder der Subventionierung einiger weniger Großkonzerne. Aus diesem Grund argumentieren die Netzbetreiber in der Diskussion über Netzneutralität mit höheren Kosten, welche sie mit höheren Preisen für priorisierte Dienste abdecken wollen. Das Angebot und die Qualität der Dienste an sich verschlechtern sich dabei prinzipiell nicht, sieht man

einmal von der Übertragungsgeschwindigkeit ab, die einige Dienste wie Videoübertragung etc. komfortabler gestalten würden. Allerdings sollte man bei einer derartigen Aufteilung der Dienste in verschiedene Geschwindigkeitsklassen und damit in verschiedene Komfortklassen nicht übersehen, dass damit die Grundlage für ein Mehrklasseninternet gelegt wird, bei dem folglich ländliche Gebiete benachteiligt werden könnten. Netznutzer und Diensteanbieter lehnen eine derar­ tige Aufteilung ab, doch Netzbetreiber sehen darin die einzige Möglichkeit, die Investitionskosten in die Netze wieder einzuspielen. Der Vollständigkeit halber sollte aber auch erwähnt werden, dass der Grund dafür in offensichtlich falsch kalkulierten Pauschal­ tarifen für Internetanschlüsse liegt, die niedrigen Flatrates aber machen wiederum die Internetdienste für ein breites Publikum erst interessant. Die Lösung der Infrastrukturproblematik sollte daher durch die Politik gemeinsam mit Wirtschaft und Kommunen vorrangig bearbeitet werden. Glücklicherweise ist aber die Infrastruktur nur ein kleiner Teil dessen, was das Internet ausmacht. Die unglaubliche Fülle neuer Dienste, die immer schneller auf den Markt kommen, machen es der Politik auch nicht leicht, denn hier mit Gesetzgebung, Verbraucher- und Datenschutz mitzuhalten, scheint schier unmöglich. Aber auch diese Aspekte zeigen, dass man eigent­ lich nur verlieren kann, wenn man das globale Internet mit national geltenden Regeln angehen will.

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Es macht deshalb auch keinen Sinn, grundrecht­lich genau spezifizierte Kommunikationsarten festzu­ le­ gen. In einem globalen Internet können Infor­­­ma­tio­ nen mit gleichen Inhalten und gleichem Lay­ out über­tragen werden, die zuvor gedruckt verteilt oder als Radiosignal ausgestrahlt wurden. Nachrichten inklusive Filmbeiträge oder Fotos lassen sich in Farbe oder Schwarzweiß auch über das Internet übertragen. Die journalistische bzw. redaktionelle Auf bereitung kann dabei erst einmal so bleiben, wie sie ist, und damit könnte auch der Art. 5 GG so stehen bleiben. Bei der Übertragung via Internet haben wir es lediglich mit einer Änderung des Trägermediums zu tun. Mit genau diesem Ansatz könnte man auch die Diskussion bezüglich Internetauftritt der öffentlichrecht­lichen Fernseh- und Rundfunkanstalten beenden. Man kann hier argumentieren, dass alles, was bisher über den Sender ging, in genau diesem Umfang und Inhalt auch in das Netz eingespeist werden darf. Zusätzliche Dienste, die das Internet ja erst interessant machen, könnten dann nur über einem Bereich bei diesen Anstalten wahrgenommen werden, der eben gerade nicht öffentlich finanziert ist. Dies wäre sicher eine Möglichkeit der besonderen Situation in Deutschland, wo die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vom Bürger finanziert werden, gerecht zu werden. Damit müsste auch keine Diskussion geführt werden, ob Internetdienste näher bei Presse oder Rundfunk liegen. Vergleiche mit auslaufenden Technologien sind irreführend und erzeugen eine Art hausgemachter Problematik, die zudem vom extrem komplizierten deutschen Steuersystem und Föderalismus gestützt wird. Andere Länder haben dieses Problem nicht! Wesentlich diffiziler ist die Einschätzung der im Grundgesetz in gleichem Atemzug genannten Presse­ freiheit. So ist es bei Druckerzeugnissen relativ einfach, den Autor zu bestimmen, und auch die Qualität der Inhalte lässt sich hier einfach an die vorherrschenden gesellschaftlichen Wertevorstellungen anpassen. Im Internet, in dem es etwas ungeregelter zugeht und

jeder Leser auch Autor sein kann, ist dies nicht gegeben. Aber trotzdem passt nach meiner Meinung der 2. Satz von Art. 5 Abs. 1 GG noch. Möglicherweise wäre es hilfreich, hier transaktions­ orientiert zu denken. Das eigentliche Recht auf Pressefreiheit sehe ich aber nicht im Fokus der ­ Diskussion, denn ebenso schwierig gestalten sich ­ die Anforderungen z. B. an Verbraucherschutz und Datenschutz. War vorher die Rollenverteilung von Anbieter und Verbraucher klar, können diese nun im Netz dauernd wechseln. Möglicherweise hilft auch hier nur eine transaktionsorientierte Sichtweise. Auch wenn ich den Autoren in ihren Ausführungen über die Bedeutung der Many-to-many-Kommunikation im Internet zustimmen kann, sehe ich keinen Grund, warum man die Ordnungsprinzipien für Rund­funk- und Pressefreiheit nicht zumindest teilweise übernehmen kann. Wenn Presse, Rundfunk und Fernsehen ihre bisher über die traditionellen ­Medien ausgestrahlte Information zusätzlich über das Internet verbreiten, so müssen diese Ordnungsprinzipien auch dann noch gelten. Geregelt werden müsste die Anschlusskommunikation und die Kommunikation der Nutzer untereinander. Auch hier kann ich mir transaktionsbasierte Regelungen vorstellen. Die Einschätzung, dass die Gatekeeper des analogen Zeitalters deutlich an Macht verloren haben, ist zwar richtig, gleichzeitig wird aber versucht, hier für die digitale Welt des Internets neue Gatekeeper zu identi­ fizieren. Die Provider20 säßen doch an der Quelle und könnten kontrollieren, wenn Schund, Unrat und Rechtsverletzungen über das Netz transportiert würden, lautet das Argument, sei es nun bei strafrechtlich relevanten Inhalten wie Kinderpornographie, Urheberrechtsverletzungen oder auch nur verbotenem Glückspiel. Immer wieder werden die Zugangsanbieter hier als Gatekeeper bezeichnet. Blocken, Sperren und Filtern von Kommunikationsströmen sind eigentlich in Art. 5 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Umso befremdlicher wirkt es, wenn sowohl

20 Gemeint sind Firmen, die den Zugang zum Internet anbieten (Accessprovider oder Zugangsanbieter). Generell ist zu unterscheiden zwischen Zugangs-, Hosting- und Inhalteanbietern.


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Exekutive als auch Legislative hier Techniker als Gatekeeper einsetzen wollen, um Grundrechte außer Kraft zu setzen. Damit soll nicht gesagt sein, dass straf bare Inhalte und Handlungen zu tolerieren wären, wenn sie über das Internet verbreitet bzw. begangen werden. Es geht ausschließlich um Kontrollmechanismen, die bei Presse und Rundfunk einfach ausgeübt werden konnten, im globalen Internet aber sicher ­anders gehandhabt werden müssen. Eine sichere Methode ist das Ansetzen an den Endpunkten der Kommunikation, wenn es denn möglich ist. Sei es beim Nutzer oder beim Inhalteanbieter. Keinesfalls darf die Kontrolle beim Betreiber der Infra­ struktur bzw. beim Internetzugangsanbieter liegen. Selbstbestimmung der Nutzer durch entsprechende Mechanismen auf dem Endgerät (PC, Notebook etc.), auch als nutzerautonome Filter bezeichnet, erlau­ben es dem Endbenutzer, ungewollte Kommunikation zu verhindern, ohne dabei die Kommunika­ tionsmöglichkeiten einzuschränken. Ich bin nicht der Meinung, dass die Internetdienstefreiheit von Presse- und Rundfunkfreiheit abzugrenzen ist. Sieht man sich die derzeitige Entwicklung an, so kann in nicht allzu ferner Zukunft alles im Internet integriert transportiert werden. Ob man das dann noch Internet nennen wird, ist dabei ohne Bedeutung. Deswegen macht es auch keinen Sinn, für eine kurze Zeit von linearen und nicht-linearen Diensten zu reden, denn auch Rundfunk wird bzw. ist schon ein Internetdienst, auch wenn die Inhalte noch teilweise über terrestrische Sender in Form elektromagnetischer Wellen ausgestrahlt werden. Nur so macht die Fest­ legung der Rundfunkgebühren auch für PCs Sinn.

rungen einer Netzpolitik in Teilbereichen“ auszu­ gehen, welche sich wie folgt kommentieren lassen: Der Erörterung der Netzneutralität kann auch aus Sicht der Internetwirtschaft nicht widersprochen werden. Netzbetreiber werden dies anders sehen. Auch die Tatsache, dass die Orientierung im Internet über Suchmaschinen gewisse Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, ist richtig. Gegenmaßnahmen bei Diskriminierungen dürften bei ausländischen Suchmaschinen ins Leere laufen. Deshalb würde ich den Empfehlungen noch hinzufügen, dass über Forschungsförderung einheimische Technologien entwickelt und als Alternativen angeboten werden. So gibt es durchaus Suchmaschinen mit speziellen Datenschutzversprechen, welche stärker empfohlen werden sollten. Insgesamt sollten genau in diesem Bereich Empfehlungen und Verhaltensregeln verstärkt propagiert werden bzw. Förderungen für Entwicklungen angegangen werden. Bei der Qualitätsbetrachtung würde ich vielmehr auf eine Ausbildung schon in den Grundschulen setzen. Dies bedingt natürlich, dass entsprechend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen müssen. Damit kann für die Zukunft sichergestellt werden, dass der Nutzer Qualitätsunterschiede erkennen kann. Eine weitergehende Förderung wäre in meinen Augen zu wenig zielgerichtet.

Es ist deshalb sinnvoll, über eine neue Formulierung nachzudenken, welche den Entwicklungen Rechnung trägt, d. h. die vom Übertragungs- bzw. Kommunika­ tionsmedium ebenso zu abstrahieren ist wie von Presseund Rundfunkfreiheit. Nur dann sind wir sicher, dass wir in ein paar Jahren nicht schon wieder eine ähnliche Diskussion führen müssen.

Das Zusammenspiel von Journalismus und Netz­ gemeinde ist ausschließlich dem Qualitätskapitel ­z uzuordnen. Die derzeit diskutierten Mechanismen wie Leistungsschutzrecht etc. sind weder zielführend noch entsprechen sie dem Prinzip des Internets. ­Pauschale Abgaben oder Gebühren führen immer wieder zu Diskussionen, Ungleichgewicht, mangelhafter Gleich­­behandlung, Unzufriedenheit und können neue, angepasste Geschäftsmodelle auch nicht übergangsweise ersetzen. Der Feststellung „die Ökonomisierung der Medienmärkte erfordert eine neue, intensive Debatte über binnenpluralistische Sicherungen der Medienfreiheiten ...“ kann ich deshalb nur ­zustimmen.

Die Autoren sprechen in den Schlussfolgerungen von „der“ Netzpolitik was meiner Meinung nach unglücklich formuliert ist. Besser wäre von „Schlussfolge­

Internetzugang für alle ist sicher wünschenswert. Im Hinblick auf kommende Entwicklungen würde ich mich aber nicht auf eine Zugangstechnologie fest­legen

und schon das Wort Internet weglassen, denn wer weiß jetzt schon, ob ein zukünftiges Netz auch noch Internet heißt. In dem bloßen Wort Netzzugang ­wären auch Telefon, Fernsehen etc. mit erfasst, was damit die integrative, konvergente Entwicklung des Internets widerspiegeln würde.

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Darauf würde ich aufsetzen, und man sollte nicht versuchen, mit Parallelen zu auslaufenden Technologien moderne Entwicklungen in unpassende Schemata zu pressen. Eine Netzpolitik für das 21. Jahrhundert sollte flexibel auf rasche Entwicklungen reagieren können. Selbstregulierung der Industrie und Multistake­ holderansatz, verbunden mit Rechtsicherheit für die Erbringer von Internetdiensten, sind dabei unabdingbare Elemente.


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STAKEHOLDER AKADEMISCHE UND TECHNISCHE COMMUNITY


Hans Peter Dittler · Besonderheiten der Internetkommunikation

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Besonderheiten der Internetkommunikation 40

Hans Peter Dittler, ISOC Germany

Die von Herrn Holznagel und Herrn Schumacher in ihrem Artikel gemachten einführenden Bemerkungen zur Einordnung der Internetdienste in Bezug auf die in unserem Grundgesetz enthaltenen Regeln für Kommunikationsdienste erscheinen mir größtenteils zutreffend und vollständig. Aus meiner eher technisch geprägten Sicht passen das Internet und die ­darin in den letzten Jahren sich ständig weiter ent­ wickelnden Kommunikationsformen nicht unmittelbar in eine der beim Entwurf des Grundgesetzes vorgesehenen Kategorien. Damals war es sicher nicht vorstellbar, dass jeder mit jedem zu einigermaßen günstigen Konditionen kommunizieren kann und dass dabei weder geographische noch soziale Grenzen eine bestimmende Rolle spielen.

1.

I nternationale Ausrichtung des Internet

Ein entscheidender Aspekt bei allen Bemühungen, die Internetdienste in Gesetzen und Vorschriften zu regeln, ist aus meiner Sicht die internationale Aus­ legung der Dienste. Angebote und der Konsum der angebotenen Dienste können im Internet jederzeit und von beliebigen Standorten aus erfolgen. Eine nationalstaatliche Gesetzgebung zur Regelung scheint durch die technischen Gegebenheiten nur schwer oder gar nicht umsetzbar. Lösungen, die auf Kontrolle oder Filtern der Dateninhalte basieren, sind bei der in Deutschland derzeit vorhandenen, auf eine große Zahl von Anbietern verteilte und an vielen Orten mit dem Ausland verbundenen Struktur des Internets zum Scheitern verurteilt oder leicht zu umgehen und

erzeugen gleichzeitig einen immensen technischen Aufwand und hohe Kosten. Soweit es sich bei den ungewünschten Angeboten um allgemein geächtete Inhalte handelt, lässt sich oftmals sehr schnell erfolgreich auch über Grenzen hinweg die Einbringung ins Netz beim Verursacher oder Anbieter abschalten. Anders stellt sich die Situation bei nur in bestimmten Regionen oder in einzelnen sozialen oder politischen Umfeldern geächteten Inhalten dar. Auch hier lassen sich im Internet nur sehr schwer einzelne Gruppen vom Zugriff auf bestimmte Inhalte ausschließen. Da sich die individuelle Kommunikation im Internet nicht wirklich kontrollieren lässt, sahen einige Staaten in letzter Zeit eine vollständige oder zumindest teilweise Unterbrechung des Interzugangs als Ultima Ratio (Ägypten, Libyen). Dabei wurde sichtbar, dass auch in diesen extremen Situationen die Menschen durch Nutzung von schnell bereitgestellten Umwegen (Weiter­ leitung von SMS ins Internet) weiterhin versuchen, die Kommunikationsplattform Internet zu nutzen.

2.

I nformationsfreiheit im Internet

Im Gegensatz zu den herkömmlichen Medien bedeutet Informationsfreiheit im Internet immer auch, dass Informationen in beide Richtungen ungehindert fließen können. Die klare Unterscheidung in Quelle und Senke des in Gesetzen und Regulierungen definierten Informationsflusses werden bei den im Internet heute vielfach genutzten Plattformen aufgelöst. Jeder

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kann beitragen und jeder kann lesen und sehen. Eine Kontrolle der Informationen findet nicht mehr durch Redaktionen oder Autoren und Lektoren statt, sondern erfolgt völlig ungeprüft und oftmals auch unreflektiert. Ob eine Information wahr ist, ob es sich um ein Missverständnis oder gar um eine vollständige Erfindung handelt, kann der Konsument nur mit seiner eigenen Entscheidungskraft und seinem Urteilsvermögen auswählen. Er kann sich dabei durch Suchmaschinen, Beiträge anderer Netzteilnehmer und vielfach auch durch Kommentare oder Zusammenfassungen redaktionell betriebener Informationsplattformen unterstützen lassen. Inwieweit der Einzelne in der Lage ist, sich anhand vollständig ver­öffentlichter Hintergrundinformationen und umfassender Einzelheiten (wie etwa bei WikiLeaks oder ähnlichen Plattformen) ein ausreichendes Bild zu verschaffen, um eigenständig den Wahrheitsgehalt einer Nachricht oder Aussage beurteilen zu können, mag dahin­ gestellt bleiben.

3.

Das „Internet-Modell“ auf Basis offener Standards

Das Internet arbeitet so, wie wir es heute kennen, weil die offenen Standards, auf denen das Netz basiert, ­eine Zusammenschaltung aller Teilnetzwerke ohne Barrieren oder Hürden erlauben. Dieses sogenannte „Internet-Modell“ macht es möglich, dass jedermann Inhalte und Dienste anbieten oder Produkte verkaufen kann, ohne dass er dazu die Erlaubnis einer zen­ tralen Instanz wie etwa dem Netzbetreiber haben müsste. Das „Internet-Modell“ eröffnet einen für ­jeden gleichwertigen Zugang zur ganzen Welt. Es ist der auslösende Faktor für die reichhaltige Auswahl an Angeboten und Diensten, die wir heute im Internet antreffen und nutzen. Das Internet stellt in diesem Modell die direkte und freie Kommunikation zwischen den Endteilnehmern in den Vordergrund. Auch wenn bei den derzeit stark frequentierten Angeboten von Plattformen für bestimmte mehr oder weniger offene Gruppen (Social Networks) oftmals ein zentral angebotener Dienst in den Mittelpunkt rückt, basieren auch sie auf dem unge­hinderten Fluss der Informationen im Netz.

4.

Fa zit

Regelungen und Vorschriften durch den Staat sollten mit viel Feingefühl und nur sehr vorsichtig Zug um Zug erfolgen. Falls die Kräfte des Marktes nicht ausreichen, um eine allgemein ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Zugang zum Internet sicher­ zustellen, kann es durchaus Sinn machen, regulierend und lenkend einzugreifen. Ob eine Anpassung oder Erweiterung des Grundgesetzes mit Hinsicht auf neue Kommunikationsformen notwendig ist oder ob höchstrichterliche Entscheidun­ gen und Auslegungen ausreichen, um mit der modernen technischen Entwicklung standzuhalten, müssen Andere, mit juristischem Hintergrund entscheiden. Aus meiner Sicht ist das Grundgesetz ­darauf ausgelegt, langfristige Richtlinien zu geben, und sollte nicht auf kurzlebige Moden im Internet ausgerichtet werden. Selbst eine Anpassung von normalen Gesetzen und Verordnungen wird dem Tempo der Entwicklung im Internet nicht gerecht. Die technische Entwicklung und die Veränderung der Nutzung des Internets schreiten viel rascher voran, als irgendein Gesetzgebungsprozess dem folgen könnte. Es bleibt also vor allem der Bedarf, die Rechte und Pflichten der Konsumenten und Anbieter von Diensten und Inhalten, die sie im Internet anbieten, zu stärken und klarer zu definieren. Vor allem der Schutz von persönlichen Daten und der oft noch viel zu lockere Umgang damit aufseiten der Anbieter sollten im Mittelpunkt der ­Betrachtung stehen.


Prof. Wolfgang Benedek · Multistakeholder Governance als politisch-rechtliche Innovation

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Multistakeholder ­ Governance als ­politischrechtliche ­Innovation Prof. Wolfgang Benedek, Karl-Franzens-Universität Graz

Der Beitrag von Holznagel/Schumacher über die Freiheit der Internetdienste eröffnet neue Perspek­ tiven für die Rahmenbedingungen eines zeitgemäßen Verständnisses der Meinungsäußerungsfreiheit im Internet. Hier bestehen grundsätzlich zwei mögliche Ansätze: entweder die ausdehnende Interpretation bestehenden Rechts oder die Schaffung eines neuen Rechtsrahmens. So wird derzeit im Europarat und in einer globalen Koalition von Akteuren aus der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, den Staaten und internationalen Organisationen im Sinne eines Multistakeholder-Ansatzes an einem Katalog von Rechten und Prinzipien für die „Governance“, die Steuerung des Internets, gearbeitet. Grundlage bilden die Menschenrechte, wie insbesondere das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit, aber auch das Recht auf Privatleben und Datenschutz oder das Recht auf gleichen Zugang zu einem sicheren und offenen Internet. Während der Europarat, der in der Vergangenheit schon mit mehreren Richtlinien für das Internet hervorgetreten ist, das Schwergewicht auf die Prinzipien der „Internet Governance“ legt, hat die Koalition den ersten Entwurf einer Charta der Menschenrechte und Prinzipien für das Internet ausgearbeitet, auf deren Grundlage sie mit zehn Rechten und Prinzipien für das Internet an die internationale Öffentlichkeit ­getreten ist.21

Daraus ist zweierlei ersichtlich: Einerseits, dass mit der Bedeutungssteigerung des Internets ein Bedarf nach mehr Orientierung, nach Regulierung im Konsens, auf internationaler Ebene entstanden ist, dem die verschiedenen Ansätze Rechnung zu tragen versuchen, und andererseits, dass dabei auch neue Rechte und Prinzipien formuliert werden müssen, da eine Ausdehnung des bestehenden Rechts im Sinne „Was offline gilt, soll auch online gelten“ nicht ausreicht. Das zeigt sich insbesondere in der Diskussion um ein Recht auf gleichen Zugang zum Internet. Einige Länder haben ein solches bereits auf nationaler Ebene geschaffen, auch die Europäische Union hat derartige Pläne, letztlich aber geht es um ein weltweites Menschenrecht, das sich aus anderen Menschenrechten, wie etwa dem Recht auf Bildung, die für ihre volle Erfüllung auf die Nutzung des Internets zunehmend angewiesenen sind, ableiten lässt. Zurück zum Thema der Freiheit der Internetdienste: Die Argumentation von Holznagel und Schumacher, dass eine unbesehene Übertragung der Ordnungsprinzipien der Rundfunkfreiheit auf das Internet aufgrund dessen unterschiedlicher Natur nicht ­ zweckmäßig und daher eine eigene „Freiheit der ­Internetdienste“ wünschenswert wäre, ist durchaus nachvollziehbar. Damit könnte den Besonderheiten der Internetkommunikation Rechnung getragen werden, die von den Autoren eindrücklich beschrieben werden. Auch eine rezente Untersuchung über ein

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„Recht auf Internet“ kommt für Deutschland zum Ergebnis, dass das Grundgesetz hinsichtlich des ­ ­Internet als „Massenmedium“ nicht mehr auf der ­Höhe der Zeit ist.22

im Hinblick auf die neuen Medien und medienartigen Dienstleistungen der Massenkommunikation ­sowie der Dienstleistungsanbieter bedürfe, wozu ein Aktionsplan verabschiedet wurde.24

Das Internet hat neue Möglichkeiten demokratischer Meinungsbildung und äußerung mit sich gebracht, die erst jüngst in den Demokratiebewegungen im arabischen Raum ihren eindrucksvollen Einsatz fanden. Auch der Europarat hat mit seiner Empfehlung über Maßnahmen zur Förderung der Bedeutung des Internets als öffentliche Dienstleistung von 2007 das Potential der Nutzung des Internets für Demokratie und Bürgerbeteiligung hervorgehoben.23

Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Netzpolitik oder die Tätigkeit von Suchmaschinenbetreibern sind ebenfalls bereits internationale Richtlinien im Rahmen des Europarates entwickelt worden bzw. stehen solche in Entwicklung.25 Dies zeigt auch, dass diese Thematik staatlicherseits nur in enger Kooperation mit anderen Akteuren auf europäischer und inter­ nationaler Ebene geregelt werden kann und soll, ­wobei der Grad der Verbindlichkeit zur staatlichen Ebene hin zunimmt. Insgesamt würde eine Freiheit der ­ Internetdienste neue kreative Impulse für die Meinungsäußerungsfreiheit und die Informationsfreiheit bedeuten.

Das Internet kann damit einen wichtigen Beitrag zur auf staatlicher wie auch europäischer Ebene erwünschten stärkeren Beteiligung der BürgerInnen an den öffentlichen Angelegenheiten beitragen. Eine Besonderheit des Internets ist seine dezentrale Natur, die es auch gegen staatliche Beschränkungen und wirtschaftliche Interessen schützen kann, auch wenn hier zunehmend Gefahren drohen. Gerade deshalb stellt sich die Frage der Interpretation von Art. 5 Grundgesetz im Sinne einer allgemeinen Medienfreiheit, die auch die Internetdienste einschließen soll. Angesichts zunehmender Praktiken autoritärer Regierungen, Webseiten und Blogs großteils unter Verwendung westlicher Technologie zu filtern oder gar zu blockieren, wäre dies ein Beispiel guter Praxis. So heißt es auch in der Grundrechtecharta der EU in Art. 11 (2) ganz klar: „Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“ Der Europarat wiederum hat in seiner grundlegenden Ministererklärung von 2009 über „ein neues Konzept der Medien“ die Frage gestellt, ob unser Verständnis von Medien in der neuen Informationsgesellschaft noch gültig sei, und beschlossen, dass es einer Überprüfung

22 Siehe Kai v. Lewinski, Recht auf Internet, in: Rechtswissenschaft, Heft 1 (2011),  70 – 94. 23 Recommendation of the Committee of Ministers to member states on measures to promote the public service value of the Internet, CM / Rec (2007) 16. 24 A new notion of media ? Political Declaration and Action Plan, 1st Council of Europe Conference of Ministers ­ responsible for Media and New Communication Services, Reykjavik, 29 May 2009, MCM (2009) 011.

21 Siehe www.internetrightsandprinciples.org

25 Siehe Wolfgang Benedek and Matthias C. Kettemann, The Council of Europe and the Information Society, in: Renate Kicker (ed.), The Council of Europe, Pioneer and guarantor of human rights and democracy, Council of Europe, Strasbourg 2010, 109-116.


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STAKEHOLDER ZIVILGESELLSCHAFT


Alvar Freude · Das Internet und die Demokratisierung der Öffentlichkeit

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Das Internet und die Demokratisierung der Öffentlichkeit Alvar Freude, Sachverständiger der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages und Mitglied des AK Zensur Das Internet hat sich in den letzten Jahren verstärkt als besonderer Raum der Kommunikationsfreiheiten etabliert. Insbesondere die auch über das Netz koordinierten Revolutionen in Nordafrika haben gezeigt, welches Potenzial eine freiheitliche Kommunika­ tionsinfrastruktur mit sich bringt. Aber auch in Deutschland konnten wir sehen, wie das Internet für eine Demokratisierung der Öffentlichkeit sorgt. Beispielhaft seien die Katastrophe bei der ­Love­parade 2010 und die Proteste gegen Stuttgart 21 erwähnt: Behauptungen von im analogen Zeitalter stecken gebliebenen Akteuren konnten schnell ­w iderlegt werden. Durch die Allgegenwärtigkeit von (Handy-) Kameras und Online-Videoportalen war schnell klar, dass die Opfer von Duisburg nicht dadurch zu Tode kamen, dass sie auf Masten geklettert und heruntergefallen sind, sie also kurz gesagt selbst Schuld seien. Und als die Landesregierung in Stuttgart nach der gewaltsamen Parkräumung am 30. September 2010 noch behauptete, die Demonstranten hätten Pflastersteine auf Polizisten geworfen, konnte sich jeder im Internet bereits ansehen, wie Polizisten mit Pfefferspray gegen friedliche Demonstranten vorgingen. Bei den Protesten gegen Stuttgart 21 war das Internet ein wichtiges Informations-, Kommunikations- und Koordinierungs-Medium: Die beiden örtlichen Zeitungen hatten sich offiziell für das Projekt eingesetzt, auch beim lokalen Rundfunk SWR haben die Tiefbahnhof-Gegner kritische Stimmen vermisst. Durch

das Internet konnten kostengünstig und einfach Infor­mationen verbreitet und Aktionen koordiniert werden. Ohne Internet wäre der Widerstand sicherlich deutlich schwächer gewesen. Seit Jahren fragt sich die Politik, wie sie mit dem ­Internet umgehen soll. Die bisher geltende Regulierung versucht es in vielen Bereichen ähnlich dem Rundfunk zu behandeln – schließlich sieht so ein Computermonitor auch irgendwie einem Fernseher ähnlich. Das Internet ist aber kein zweites Fernsehen, keine Weiterentwicklung des Rundfunks. Es ist ein weltweites Kommunikationsmedium: Es erlaubt alle denkbaren Kommunikationsmöglichkeiten mit beliebiger Anzahl an Teilnehmern, die Empfänger, Sender oder beides zugleich sein können. Das Internet ist somit Telefon und Rundfunk, Zeitung und Flugblatt, Stammtisch und Eckkneipe, Uni-Vorlesung und Talkshow, Kaufhaus und Bibliothek, Zeitschrift und Videothek – vergleichbar all jenem und doch nicht analog dazu. Diese Vielfältigkeit und den globalen Charakter des Mediums muss jeder Regulierungsansatz beachten. Wie unpassend der derzeitige Regulierungsansatz ist, zeigt wiederum der Protest gegen Stuttgart 21: Bei fluegel.tv (http://fluegel.tv) konnten Interessierte LiveBerichte vom Nordflügel des Bahnhofes, aus dem Park und von diversen Geschehnissen via Internet ­anschauen. Der Bürgerjournalismus hat das geleistet, wozu die regionalen Fernsehsender nicht in der Lage

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waren. Wer aber regelmäßig in Bild und Ton berichtet und mehr als 500 Zuschauer hat, benötigt laut Rundfunkstaatsvertrag auch im Internet eine Sendelizenz – ein Überbleibsel aus analogen Zeiten und Folge der dortigen Frequenzknappheit. Streng genommen waren die Übertragungen also illegal. ­ Auch wenn das Problem in diesem Falle gelöst werden konnte: Man muss sich fragen, ob es zeitgemäß ist, Online-Medien wie den Rundfunk zu behandeln. Ähnliche Probleme ergeben sich auch in anderen ­Bereichen, beispielsweise beim Jugendschutz. Die netzpolitische Diskussion in den vergangenen Jahren ist geprägt von der Frage, wie mit Inhalten umgegangen werden soll, die im Ausland ins Internet gestellt werden und hierzulande illegal sind. Bei Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern (oft verharmlosend „Kinderpornografie“ genannt) sind sich in Deutschland in der Zwischenzeit alle im Bundestag vertretenen Parteien einig: Die Inhalte sollen an Ort und Stelle entfernt werden. Schließlich sind sie nicht nur weltweit verboten, sondern auch geächtet. Bei verschiedenen anderen Inhalten kommt die alte Sperr-Diskussion aber immer wieder auf: Illegale Inhalte sollten in Deutschland „gesperrt“ werden, ­ quasi mit dem digitalen Äquivalent zum Störsender. Es wird Zeit, dass die Politik akzeptiert, dass jede Art von Internet-Sperren eine Form der Zensur ist, sich gegen die Rezipientenfreiheit aus Art. 5 GG wendet und zu unterbleiben hat. Denn die Informations- oder Rezipientenfreiheit – also das Recht eines jeden, sich aus allen öffentlich zugänglichen Quellen frei zu ­unter­richten – ist ein wesentliches Element unserer wehrhaften Demokratie. „Feindsenderverbote“ hingegen sind Kennzeichen autoritärer Regime. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den 1960ern im Fall „Einfuhrverbot  /  L eipziger Volks­ zeitung“ (BVerfGE 27, 71) umfasst das Recht, sich frei zu unterrichten, sowohl die schlichte Informations­ aufnahme als auch die aktive und ungehinderte Informationsbeschaffung. Ungehindert bedeutet dabei frei von rechtlich angeordneter oder faktisch verhängter staatlicher Abschneidung, Behinderung, Lenkung, Registrierung und sogar „frei von unzumutbarer ­Verzögerung“. Für in der digitalen Gesellschaft angekommene Menschen ist dies selbstverständlich.

Es wird Zeit, dass dies auch bei den „Offlinern“ selbstverständlich wird. Aber nicht nur die absolute Blockade ausländischer Inhalte ist eine Gefahr für das demokratische ­Gemeinwesen. Viel schleichender ist die Informationsblockade und mangelnde Transparenz bei Suchmaschinen. Und dabei ist nicht das Verfahren ­gemeint, das einzelne Fundstellen nach vorne und ­andere nach hinten katapultiert, sondern das weniger bekannte komplette Ausfiltern und Unterdrücken von Ergebnissen. In Deutschland sind dabei Tausende Webseiten betroffen. Dazu gehören nicht nur solche, die auf den beiden geheimen Listen der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ stehen, sondern auch viele andere, die häufig aufgrund anwaltlicher Drohungen aus den Ergebnislisten gestrichen werden. So entledigen sich einige Unternehmen Kritik und versuchen die freie Meinungsäußerung einzuschränken, indem sie nicht gegen den Autor der ­betreffenden Inhalte vorgehen, sondern seine Auffindbarkeit zunichte­machen. Und der Autor kann sich nur schwer wehren. Da viele Journalisten heutzutage auch primär die gängigen Suchmaschinen nutzen, hat dies wiederum Auswirkung auf die öffent­liche Berichterstattung: Was Google nicht findet, das gibt es nicht. Das Internet bietet ganz neue Herausforderungen dabei, unsere verfassungsrechtlichen Kommunikationsgrundrechte zu sichern. Es wird Zeit, dass es auch auf breiter Basis als Chance wahrgenommen wird – und nicht als merkwürdiges, gefährliches Gebilde, das es zu regulieren gilt. Denn ein rechtsfreier Raum war das Internet noch nie.


Sandra Hoferichter · Für Nutzererziehung und Kapazitätsbildung

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Für Nutzererziehung und Kapazitätsbildung Sandra Hoferichter ICANNs At Large Advisory Committee (AL AC) Als Internet-Endnutzer ohne juristischen Hintergrund lese ich aus diesem Beitrag heraus, dass sich Internetdienste / -inhalte nicht in den vorhandenen Strukturen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) abbilden lassen. Dies sollte meines Erachtens auch nicht das Ziel sein, denn so wie das Internet die Kommunikation der Nutzer in den letzten 20 Jahren beeinflusst und verändert hat, sollten auch in der Gesetzgebung, soweit sie nötig ist, neue Wege gefunden werden. Dies kann nicht bedeuten, die positiven Errungenschaften, wie z.B. die freie Meinungsäußerung oder die stetig kreativen Prozesse, welche neue Internetdienste hervorbringen, einzuschränken oder gar zu verhindern. Regulierung kann hingegen sehr sinnvoll sein, wenn es z. B. um die Bekämpfung von Straftaten geht. Dieser Weg erweist sich jedoch als sehr schmaler Grat und kann nur bedingt über nationale Gesetzgebung gelöst werden. Vielmehr müssen neue interstaatliche Abkommen, Kooperationen geschlossen werden – eine große Herausforderung, wie die Diskussionen beim Internet Governance Forum (IGF) und bei ICANN, und hier insbesondere zwischen dem ICANN Direktorium und dem Governmental Advisory Committee (GAC) immer wieder zeigen. Der Erfolg des Internets besteht darin, dass jeder mitmachen kann und es sich hierbei um ein globales Medium handelt. So wie wir das Netz heute kennen, wurde es von Anwendern entwickelt, die sich keinen Regularien, außer den technischen Spezifikationen, unterordnen mussten und es hat seine globale Verbreitung erfahren, durch Nutzer die selbstbestimmt

entscheiden konnten, ob sie die angebotenen Dienste benötigen oder nicht. Die Kompetenz des Individuums ist der Erfolgsfaktor des dezentralen Netzwerks. Die Qualitätsentscheidung muss weiterhin vom Nutzer getroffen werden. Hätte es im frühen Stadium schon Gesetze und Richtlinien gegeben, wäre es sicher nie zu diesem Erfolg gekommen. Übergeordnete Instanzen hätten Facebook, Twitter & Co möglicherweise nicht als „qualitativ wertvoll“ eingestuft. Dennoch haben diese Dienste ihren Siegeszug angetreten, auch wenn dadurch viele neue Fragen, z. B. hinsichtlich des Datenschutzes, aufgeworfen werden. Selbst Wirtschaft, Städte und Verbände wissen diese Plattformen heute für sich zu nutzen und nicht nur einmal haben sie sich als zuverlässiges Mittel der Informationsübertragung erwiesen. Da das Internet auch ein wirtschaftlicher Faktor ist, sind Regeln bis zu einem bestimmten Maß durchaus sinnvoll, jedoch müssen wir sehr genau unterscheiden, an welcher Stelle Regeln helfen, Chancengleichheit zu gewährleisten und Wettbewerb zu befördern und wann wir damit Kreativität unterbinden bzw. die demokratische Plattform in ein Korsett pressen das Freiheitsrechte einschränkt.

zu nutzen, erkennt aber auch Gefahren und ist sich des Restrisikos bewusst, ein Restrisiko welches uns in allen Lebenslagen umgibt.

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Für einige Leser dieses Beitrages mag dies wie eine längst vorhandene Selbstverständlichkeit klingen. Leider zeigen die Erfahrungen an der Basis, dass dem noch lange nicht so ist, weder im globalen noch im nationalen Kontext. Hier sehe ich u. a. auch den nationa­len Gesetzgeber gefordert digitale Chancengleichheit zu schaffen. So lange „Internetbenutzung“ losgelöst im Informatikunterricht gelehrt wird, oder der Grundanspruch auf den Besitz eines Computers 26 nicht dem Grundanspruch auf ein Rundfunkgerät gleichgestellt ist wird es für den digitalen Laien zukünftig immer schwieriger, mit den Entwicklungen Schritt zu halten und sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Leider gibt es bei der Interneter­ziehung nicht die generationsübergreifenden Erfahrungen, auf die wir zum Beispiel bei der Erziehung im Straßen­verkehr zurückgreifen können. Aber eines ist deutlich, die Entwicklung im Telekommunikations­ bereich ist rasant und wir müssen die wichtigsten Schritte jetzt gehen. Der zunehmend beklagte Fachkräftemangel wird sich in Zukunft immer mehr an der Netzkompetenz festmachen lassen. Wenn wir vor zehn Jahren in der ersten Klasse noch Noten für das „Schönschreiben“ bekommen haben, sollten wir in Zukunft Schnelligkeit und Fehlerfreiheit im Tastaturtippen bewerten und das nicht erst im Volkshochschulkurs nach der Schule, sondern wir sollten damit in der Grundschule beginnen. Mit Sicherheit werden uns dabei andere Kompetenzen verloren gehen (meine Handschrift

war mal toll, heute kann ich sie mitunter selber kaum lesen), aber ihren Braten können sich heute die wenigsten selbst erlegen, darauf verzichten müssen wir deswegen nicht. Andere Kulturtechniken, wie z. B. das Bücher- oder Zeitunglesen haben schon die Einführung anderer Medien (Funk- und Fernsehen) überlebt. Gewiss wurden sie durch diese verändert, aber untergegangen sind sie nicht, solange sie sich auf die neuen Bedingungen eingestellt haben. Hätten die Ofenbauer einst erkannt, dass sie Wärme verkaufen und nicht Öfen, wäre dieser Beruf nicht ausgestorben. Abschließend möchte ich noch auf die Entwicklung des Internets im internationalen Kontext hinweisen. Es ist bekannt, dass alle Entscheidungen das DNSSystem betreffend von ICANN getroffen werden. ICANN arbeitet demokratisch unter Einbeziehung der verschieden Interessengruppen (Wirtschaft, Regierungen, Techniker, Endnutzer).27 Alle Entscheidungen werden unter Anhörung aller Interessengruppen getroffen. Der Endnutzer wird bei ICANN durch das At-Large-Advisory Committee (ALAC) vertreten, welches sich aus je drei Repräsentanten der weltweit fünf Regionen zusammensetzt.28 In jeder der fünf Regionen gibt es eine sogenannte „Regional At-Large Organisation“ (RALO), die de facto eine regionale Vertretung der individuellen Internetnutzer in allen Fragen ist, die mit Management der kritischen Internet-Ressourcen (Domain-Namen, IP-Adressen, RootServer, Internet-Protokolle) im Zusammenhang stehen. Die RALOs konstituieren sich aus sogenannten „ At-Large Structures“ (ALS), die als lokale oder natio­ nale nicht profitorientierte und nicht regierungsnahe Gruppen unmittelbar die Interessen der Endnutzer vertreten. Jede Gruppe, die den in den ICANN

26 Im Rahmen der Grundsicherung soll nach Ansicht des LSG Essen (Beschl. v. 23. 04. 2010 – L 6 AS 297 / 10 B) ein PC nicht als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts gehören. Ein solcher müsse auch nicht im Rahmen der Erstausstattung der Wohnung gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II durch eine Beihilfe (mit-)finanziert werden (ebenso LSG München,

Viel wichtiger als die Überlegung nach welchem TKGesetz das Netz funktionieren soll ist aus meiner Sicht die Erziehung des bewussten eBürgers. Ein eBürger kann selbstbewusst mit der zunehmenden Informa­ tionsflut umgehen, ist in der Lage die gewünschte Information im Netz zu finden und kann diese auf Ihre Wertigkeit hin beurteilen. Er ist weiterhin in der Lage die Möglichkeiten, die das Netz bietet, für sich

Beschl. v. 29. 01. 2010 – L 7 AS 41 / 10 B ER). Bereits damals war die Klägerin der Auffassung, ein PC nebst erforderlichem Zubehör gehöre mittlerweile zum soziokulturellen Bedarf eines Hilfebedürftigen, um den Anspruch auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erfüllen zu können. Das Gericht verneinte dies, weil nicht die Verbreitung, sondern die Erforderlichkeit für die Haushaltsführung entscheidend sei. Dazu meinten die Richter: „Dies sei bei einem PC nicht der Fall. Ein Haushalt lasse sich ohne Probleme ohne einen PC führen.“ Die Politik prüft inzwischen indes bereits, ob nicht künftig die Kosten eines Internetanschlusses zur Grundsicherung und somit zum Existenzminimum gerechnet werden müssen (http : // bit.ly /dmTM29). Die rechtlichen Entwicklungen würden damit den tatsächlichen Verhältnissen und den entstandenen Bedürfnissen Rechnung tragen. 27 Strukturschema ICANN auf www.icann.org/en/about 28 Strukturschema ALAC auf http://www.atlarge.icann.org/orgchart


­ tatuten festgeschriebenen Kriterien für eine ALS S entspricht, kann sich bei ICANNs ALAC um eine Anerkennung als ALS bewerben. In der Euro­päischen Regionalorganisation (EURALO) ist Deutschland mit neun ALSes vertreten.29 Bei den ICANN / A LAC-Diskussionen geht es oft um praktische Fragen der Internetnutzer, wie z. B. das Recht auf freie Meinungsäußerung, Daten- oder Konsumentenschutz bei der Registrierung von Domainnamen. Dabei wird sehr schnell deutlich, dass bei aller nationalen Spezifikation Fragen, die mit den kritischen Internetressourcen im Zusammenhang stehen, nur noch im globalen Rahmen lösbar sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Dringlichkeit nationaler Probleme in den verschiedenen Teilen der Welt sehr unterschiedlich gesehen wird. Dort wo der Zugang zum Internet (noch) nicht gewährleistet ist, spielt die Debatte über Menschenrechte, Zensur und Chancengleichheit im Internet eine wesentlich größere Rolle als der Datenschutz. Eine ähnliche Erfahrung gibt es beim Internet Governance Forum (IGF) und der entsprechenden europäischen Variante, dem „European Dialogue on Internet Governance“ (EuroDIG).

29 Committee for a Democratic United Nations (Komitee für eine Demokratische UNO), Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) e. V., FIfF (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung), FoeBuD e. V. & Big Brother Awards Deutschland, Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) e.V, Humanistische Union e. V. (The Humanist Union), Medienstadt Leipzig e. V., Netzwerk Neue Medien (NNM), Terre des Femmes-Germany e.V

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Autoren 53

Wolfgang Benedek ist Direktor des Instituts für Völkerrecht und inter­ nationale Beziehungen der Univer­ sität Graz sowie des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie der Universität Graz (UNI-ETC). Seit 2003 hat er eine Reihe von Forschungsprojekten auf dem Gebiet ­Internet Governance und Rolle der Menschenrechte in der Informationsgesellschaft koordiniert. Daraus sind zwei Bücher hervorgegangen: Benedek/Pekari (Hg.): Menschenrechte in der Informationsgesellschaft, 2007, und Benedek /Bauer/Kettemann (Hg.): Internet Governance and the Information Society, 2008, sowie eine Reihe weiterer Publikationen. Außerdem befasst sich Wolfgang Benedek mit der Entwicklung von Internetkompetenz für Lehrer sowie des I­ nternet-Trainings auf Universitäts­ebene.

Der Diplominformatiker Hans Peter Dittler studierte und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe bis 1979. Anschließend war er Mitgründer der Conware Computer Consulting und war dort bis 1994 als Entwickler und Technischer Geschäftsführer tätig. Er gründete 1995 in Karlsruhe die Beratungsfirma BRAINTEC Netzwerk-Consulting und ist seither geschäftsführender Eigentümer. Er ist seit 2006 Mitglied im Advisory Council von PIR/.ORG-Registry und seit 2007 im Beirat von .berlin. Daneben war er in den Jahren 1989 bis 1997 an der Ethernet-Normierung bei IEEE 802.3 beteiligt und nimmt seit 1992 an der Internetstandardi­ sierung im Rahmen der IETF teil. Er gehörte im Jahre 1991 zu den Gründungsmitgliedern der DIGI (Deutsche Interessengemeinschaft Internet) und gehört dem Vorstand an, seit diese 1995 in Internet Society German Chapter e. V. (ISOC) umbenannt wurde. Hans Peter Dittler ist Autor von Büchern und Veröffent­ lichungen über IPv6, VoIP, Protokolle und Sicherheit im Internet.

Alvar C. H. Freude ist seit Mai 2010 als Sachverständiger Mitglied der ­Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages. Der Stuttgarter engagiert sich seit Jahren für Bürgerrechte im digitalen Zeitalter, ist einer der Gründer des Arbeitskreises gegen ­Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) und arbeitet als freiberuf­ licher Software-Entwickler, Trainer und Berater. www.alvar.a-blast.org


Autoren

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Sandra Hoferichter ist Vorstandsmitglied und Projektmanager des Medienstadt Leipzig e. V. Sie orga­ nisiert seit 2007 jährlich die Euro­ päische Sommerschule für Internet­ regulierung (EuroSSIG) in Meissen und koordiniert in Zusammenarbeit mit dem Europarat „EuroDIG“, das Europäische IGF zum inter­d is­zi­ pli­nären Austausch zu Fragen der Internetregulierung zwischen Internetwirtschaft, Akademikern, Zivil­ gesellschaft und Regierungen. Als Mitglied der Europäischen Internetnutzervereinigung (EURALO) ist sie seit Dezember 2010 Repräsentantin im At-Large-Advisoy Committee (ALAC) bei ICANN. Sie hat an der HTWK Leipzig (FH) und an der University of North London Architektur stu­d iert und ist seit 1999 freiberuflich als Architektin in Leipzig tätig. ­Ehrenamtlich engagiert sie sich bei den Wirtschaftsjunioren Leipzig e. V.

Prof. Dr. Bernd Holznagel ist Direktor des Instituts für Infor­ mations-, Telekommunikationsund Medienrecht (ITM), WWU Münster. Geb. 1957, Studium der Rechtswissenschaften und Sozio­logie an der FU Berlin und der McGill University in Montreal. Promotion und Habilitation in Hamburg. Seit 1997 Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der West­ fälischen Wilhelms-Universität Münster und Leiter des dortigen ­Instituts für Informations-, Tele­ kommunikations- und Medienrecht.

Thomas Jarzombek ist Bundestags­ abgeordneter der CDU, Mitglied in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ sowie ­M itglied im Unterausschuss „Neue Medien“ des Deutschen Bundestages. Er hat sich 1996 selbstständig gemacht mit einer Firma für IT-Service, deren geschäfts­f ührender Gesellschafter er bis heute ist. Politisch war er von 1999 bis 2005 Mitglied des Düsseldorfer Stadtrates, von 2005 bis 2009 Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen und dort zuletzt medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Am 27. 9. 2009 wurde er im Wahlkreis 107 (DüsseldorfNord) direkt in den Deutschen Bundes­ tag gewählt.

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Wolfgang Kleinwächter ist seit 1998 Professor für Internet Politik und Regulierung am Department for Media and Information Studies der Universität ­A arhus. Vorherige Stationen seiner akademischen Lauf bahn waren das Institut für internationale Studien der Universität Leipzig, das Department for Mass Communication der Universität Tampere und die School of International Services der American University in Washington, D. C. Seit mehr als 20 Jahre beschäftigt er sich mit Internet Governance und war in verschiedenen Funk­ tionen bei der ICANN aktiv, u. a. als NomCom Chair. Beim UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) war er Mitglied der zivilgesellschaftlichen Büros und der Working Group on Internet Governance (WGIG). Von 2006 bis 2011 war er persönlicher Berater des Vorsitzenden des Internet Governance Forums (IGF). Er war an mehreren EU-Forschungsprojekten beteiligt, u. a. zum Internet der Dinge und zum Safer Internet Action Plan (SIAP), und wurde 2009 zum Vor­sitzenden der Cross Border Internet Expert Group des Europa­ rates berufen. Kleinwächter ist Gründer und Chair des ICANN-Studienkreises und der S ­ ummer School on Internet Governance (SSIG) und hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zu den Themen Internet Governance und Informations­ gesell­schaft publiziert.

Professor Dr. Angela Kolb wurde am 22. Oktober 1963 in Halle an der Saale geboren. Sie ist geschieden und hat eine Tochter. Nach ihrem Abitur in Halle an der Saale 1982 nahm sie das Studium der Rechtswissenschaften, Fachrichtung Wirtschaftsrecht an der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg auf, das sie mit dem Staatsexamen als Diplomjuristin 1986 abschloss. Im gleichen Jahr folgte das Forschungsstudium am Institut für Internationale Rechtsbeziehungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das sie 1989 mit der P ­ romotion zur Dr. jur. beendete. Von 1990 bis 1991 war sie als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Internationale Studien der Universität Leipzig tätig. Von 1991 bis 1999 ­übernahm sie verschiedene Leitungsfunktionen im Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle. 1999 wurde sie zur Professorin für Verwaltungsrecht am Fachbereich Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Harz (FH) in Halberstadt berufen. Von 2004 bis 2006 war sie Dekanin dieses Fachbereichs. Die Ernennung zur Ministerin der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt ­erfolgte am 24. April 2006.


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Michael Rotert ist Vorstands­vor­sit­ zen­­der von eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V. und Ehrensprecher der European Internet Service Provider Association (EuroISPA) in Brüssel. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechno­ logie und war als Gutachter für die EU, UN und das U. S. Department of Commerce tätig. Neben seinen ­beruflichen Erfahrungen, die er unter anderem als Gründer und Geschäftsführer bei Xlink, einem der ersten Provider in Deutschland, und als Geschäftsführer verschiedener Internet Service Provider sammelte, verfügt er über ein umfassendes akademisches Know-how. Vor seinem Start bei Xlink war Michael Rotert an der Universität Karlsruhe tätig. 1984 konnte er dort den ersten Internet­ anschluss einer deutschen Hochschule realisieren. Er hält seit 1981 Vor­ lesungen im Bereich Informatik und wurde 1999 zum Honorarprofessor an der Hochschule Karlsruhe berufen.

Dr. Pascal Schumacher, Akademischer Rat am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM), WWU Münster. Geb. 1980, Studium der Rechts­w is­ sen­schaf­ten in Münster, erstes juristisches Staatsexamen (2005), Promo­t ion (2009), zweites juristisches Staats­­examen (2010). Seit 2010 ­Habilitand an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU Münster und Akademischer Rat am ITM. Forschungsschwerpunkte: Regulierungsrecht, Medien- und Datenschutzrecht sowie rechtswissenschaftliche Innovationsforschung.

Dr. Christian Stöcker, Jahrg. 1973, arbeitet bei SPIEGEL ONLINE als Leiter des Ressorts Netzwelt. Stöcker ist in Würzburg geboren und aufgewachsen, studierte Psychologie in Würzburg und Bristol und promovierte 2003 in kognitiver Psychologie. Während des Studiums arbeitete er frei für diverse Medien, darunter die „Main Post“ und das Bayerische Fernsehen. In München studierte er anschließend an der bayerischen Theaterakademie Kulturkritik und schrieb parallel unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“, „Die Zeit“ und SPIEGEL ONLINE. Seit Februar 2005 ist er Mitglied der Redaktion von SPIEGEL ONLINE. Er schrieb zunächst primär für die Ressorts Wissenschaft und Netzwelt. Von Januar 2009 bis Januar 2011 war er stellvertretender Ressortleiter Netzwelt. Im Sommer 2011 erscheint sein neues Buch über die Geschichte der digitalen Revolution. Er lehrt, moderiert und hält gelegentlich Vorträge. Stöcker ist Mitglied der Jurys des Deutschen Computerspielpreises und des Deutschen Entwicklerpreises. Im September 2010 wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie mit deren Preis für Wissen­ schaftspublizistik ausgezeichnet.


Impressum 59

Herausgeber: Wolfgang Kleinwächter Co:llaboratory Discussion Papers sind eine Publikationsreihe des Internet & Gesellschaft Co: l laboratory.

Konzept & Erstellung: Wolfgang Kleinwächter · Philipp Müller · Max Senges Oliver Klug · Sebastian Haselbeck Gestaltungskonzept & Covergestaltung: Jessica Louis · www.jessicalouis.com Druck: Eurocaribe Druck Hamburg · www.eurodruck.org · Siegfried Landmann Ansprechpartner des Co:llaboratory-Lenkungskreis: Dr. Max Senges · Martin G. Löhe · Philipp Müller John H. Weitzmann · Henning Lesch Unter den Linden 21 · 10117 Berlin max @ collaboratory.de · Tel.: + 49  30  303  98  63  62 Besuchen Sie das Internet & Gesellschaft Co:llaboratory auf www.collaboratory.de · www.youtube.com / Collaboratory Dieser Berichtsband wurde maßgeblich verfasst von Wolfgang Benedek, Hans Peter Dittler, Alvar C. H. Freude, Sandra Hoferichter, Bernd Holznagel, Thomas Jarzombek, Wolfgang Kleinwächter, Angela Kolb, Philipp Müller, Michael Rotert, Pascal Schumacher, Christian Stöcker

Soweit nicht anders angegeben, veröffentlichen dieVerfasser diesen Band unter der Creative-Commons-Lizenz BY 3.0 de, siehe http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/

Diese Lizenz erlaubt jegliche Art der Nachnutzung, Bearbeitung und Umgestaltung unter der Bedingung, dass als Quelle die von den Verfassern festgelegte Zuschreibung wie folgt angegeben wird: MIND Multistakeholder Internet Dialog, Co:llaboratory Discussion Paper Series No. 1, eine Publikation des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory · www.collaboratory.de · 2011


Besuchen Sie das Internet & Gesellschaft Co:llaboratory auf www.collaboratory.de · www.youtube.com / Collaboratory


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