Porträts auf Münzen Von Karin Althaus, © MoneyMuseum Die Renaissance liebte das Porträt – und veränderte es entscheidend. Denn ob Tafelbild oder Münze: Nicht mehr symbolische, typisierte Gesichter waren nun gefragt, sondern Individualporträts. Und zwar solche im Profil. Beeinflusst wird diese Entwicklung von der antiken Numismatik. Und sie hat Konsequenzen: Denn im Gegensatz zum ansprechenden, gar bannenden Frontalbildnis wirkt das reine Profil streng. Es schafft Distanz, weil der Blick des Dargestellten sich gar nicht mit dem des Betrachters, der Betrachterin treffen kann. Wer Beispiele dafür sucht, findet sie hier: Münzporträts von ausgesuchter Schönheit – numismatische Kleinkunstwerke eben.
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Ercole I. d'Este, Herzog von Ferrara (1431-‐1505), auf dem Testone von ca. 1492
Angesichts des Porträts Ercole I. d'Estes käme man kaum auf die Idee, dass sich gleichzeitig die italienische Porträtmalerei auf einem Höhepunkt befand. Der Stempelschneider scheint nur widerwillig der Aufforderung nachgekommen zu sein, den Kopf des Herzogs auf dem kleinen Rund unterzubringen. Viel Platz hat er für die Schrift gebraucht, die den Kopf richtiggehend umzingelt und ihm nur wenig Raum übrig lässt. Doch obwohl die Gestaltung eckig und etwas grob wirkt, sind die Gesichtszüge individuell ausdifferenziert, vor allem die dunklen Augenbrauen mit ihrem ausgeprägten Höcker und die fast bis zu den Lippen reichende Hakennase. Die typische schlichte Quattrocento-‐Frisur wirkt im Vergleich zu zeitgenössischen Bildern etwas ungepflegt. Es gibt keine Andeutung einer Bewegung, keine Kleidungsstücke oder Attribute. Es wird nur gerade gezeigt, was für ein individualisierendes Münzbild notwendig ist, doch weder der Bildraum noch der Profilkopf sind wirklich gestaltet.
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Karl V., römisch-‐deutscher Kaiser (1519-‐1556), auf dem halbem Dukaton von ca. 1552
Das herrscherliche Porträt zeigt den Kaiser in zeitgenössischer Tracht, als heroischen Sieger in Rüstung und mit Lorbeerkranz. Sein Körper lagert auf dem Münzrand, dadurch bekommt er Gewichtigkeit. Die Dreiviertelwendung der Büste durchbricht das in der Numismatik übliche strenge Profil, bringt Bewegung ins Bild und verschafft der Figur einen mächtigen Auftritt. Das Inschriftband mit Perlen bildet einen Strahlenkranz um den Kopf, seine Überschneidung durch den Körper vertieft den Raum. Die lockige Frisur und der wehende Bart zeigen eine kleinteilig-‐ dekorative Auffassung, deren ornamentaler Charakter zur Virtuosität des Manierismus der Zeit passt. Selbst auf der kleinen Münze kommen die berühmten physiognomischen Merkmale des habsburgischen Herrscherhauses voll zur Geltung: die Hakennase und die vorstehende Unterlippe, die durch den wilden Bart noch betont wird.
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Adolf Friedrich I., Herzog von Mecklenburg-‐Schwerin (1592-‐1658), auf dem Doppeltaler von 1613
Auf nur fünf Zentimetern – welch ein Porträt! Richtiggehend gerahmt durch die Inschrift erscheint das Bildnis als Bild. Wie auf barocken Porträts üblich, wird das Brustbild des Herzogs Adolf Friedrich I. von Vorhängen eingefasst. Die Anordnung der Draperie unterstützt die Pose: Höfisch elegant, mit leichter Rücklage präsentiert sich der Herzog in einem eher edlen als kriegerischen Kettenpanzer, der verfeinert wird durch den steifen Spitzenkragen. Dieser stützt den Kopf und gibt ihm damit etwas Majestätisches. Die Feldbinde betont die Diagonale und lässt den Herzog bewegt, wie in einer tänzerischen Pose erscheinen. Das Spitzbärtchen, Schnäuzchen und die aus dem Gesicht gekämmte Frisur vervollständigen den Eindruck des Verwegenen und Geckenhaften. Die Jeunesse dorée der damaligen Hofgesellschaft wusste sich ganz offensichtlich zu präsentieren. Und in der Münzstätte Gadebusch scheint man die Inszenierung des Adels beherrscht zu haben. Bald darauf wurde sie von Anthonis van Dyck in England perfektioniert.
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Ludwig XIII., König von Frankreich (1610-‐1643), auf dem halben Louis d'or von 1641
Alles an diesem Münzbildnis Ludwigs XIII. spiegelt die verfeinerte Kultur des französischen Hofes im Zeitalter des Barock. Der Lorbeerkranz sitzt eher als Schmuckstück denn als Zeichen des kriegerischen Siegers auf der lockig frisierten Kopfzierde. Das Porträt ist in der klassischen Büstenform gehalten, bei der auf die Wiedergabe von Kleidung leicht verzichtet werden kann. Was Stoffe normalerweise zur Darstellung von Eleganz beitragen, wird hier geleistet durch die über die Schulter fallenden Locken und den gepflegten, geschwungen Schnauzbart. Die Inszenierung von Kultiviertheit wird konterkariert durch den Realismus der Darstellung, der nicht versucht, die Tränensäcke des Königs zu verbergen. Kopf wie Schrift schwimmen im Bildgrund, sie berühren und überschneiden sich nicht. Die Figur hat damit genügend Umraum, der die kultivierte Leichtigkeit unterstützt und sie zugleich frei und souverän wirken lässt.
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Papst Innozenz XII. (1691-‐1700) auf dem Scudo von 1692
Als hätte der Porträtist massenweise Platz zu verschwenden gehabt und nicht nur 4,4 Zentimeter Durchmesser, zeigt er uns die gesamte Büste des Papstes Innozenz XII. mitsamt Kleidung und detailliert ausgearbeiteter Physiognomie. Ein altes Gesicht in reichem Gewand, das sich dank der Feinheit der Prägung bis ins Detail identifizieren lässt. Man vermag sogar im kühlen Silber den warmen Samt und Brokat der päpstlichen Mütze und des bestickten Umhangs zu spüren. Durch die feine Ausarbeitung der Stoffe und der Haut erhält die Münzoberfläche die Bewegtheit eines tiefgeschnittenen Reliefs und die haptische Qualität einer Skulptur. Rundplastisch wirkt die Figur auch durch ihr Vordringen zum Bildrand: Als Dreiecksform wird sie an drei Punkten des Münzrandes verankert und unterbricht damit die umlaufende Schriftleiste. Die Schulter des Papstes hat einen geraden Abschluss gefunden, um im Segment darunter Platz für die Signatur des stolzen Stempelschneiders zu schaffen: für Giovanni Hamerani von Rom.
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Stanislaus II. August Poniatowski, König von Polen (1764-‐1795), auf dem Probetaler von 1765
Hocherhobenen Hauptes, mit gerecktem Kinn, Allongeperücke, Brustpanzer und Ordenskette zeigt der polnische König, was ihn seines Amtes ermächtigt. Das Bildnis hat viel Raum erhalten: Das glatte Metall ist wie ein heller Himmel, vor dem das Haupt im Gegenlicht erscheint. Nach unten wird der Körper so breit, als schneide der Bildrand nur ab, was von der gesamten Anlage her weitergeführt werden müsste. Man kann sich eine Fortsetzung als Reiterstandbild denken. Der König sitzt auf einem hohen Ross, hoch über dem gemeinen Volk schwebend, das ihn von unten, in Untersicht, vor einem gleissenden Himmel reiten sieht. Erstaunlich, wie hier ausgerechnet ein Schweizer Medailleur, Johann Kaspar Mörikofer, die Formeln des barocken Herrscherbildnisses souverän umsetzt.
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Maria Theresia, Königin von Ungarn und Böhmen (1740-‐1780) und «römische Kaiserin», auf dem Taler von 1780
Die alternde Kaiserin erscheint prächtig im spätbarocken Gewand. Ihre hochgebundene Büste wird gerahmt vom drapierten Hermelinmantel, der Kopf bekrönt von einem Diadem, das den Witwenschleier hält, einige Löckchen blitzen hervor. Die Nase sticht prägnant aus dem Gesicht, überhaupt profilieren ausgeprägte Konturlinien den in den Raum ausgreifenden Charakter des Kopfes und des Körpers. Die mächtige Erscheinung tritt in ein typisch barockes Spannungsverhältnis zum engen, runden Bildraum. Zur barocken Kunst gehören aber nicht nur prächtige Inszenierungen, sondern auch das Zeigen des Verfalls: Das Gesicht ist alles andere als jung, das Fleisch und die Haut beginnen zu hängen und sammeln sich um das Doppelkinn. Ein Memento mori. Im Jahr der Herstellung dieser Münze verstarb Maria Theresia. Begraben wurde sie im schönsten barocken Sarkophag in der Wiener Kapuzinergruft. Im Gegensatz zur Münze wurde er zu Beginn ihrer Regierungszeit hergestellt und zeigt sie und ihren Gemahl Franz I. paradoxerweise im besten Alter.
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Georg III., König von England (1760-‐1820), auf dem Sovereign von 1817
Der Kopf des Königs ist antikisierend dargestellt, nicht aber nach dem Vorbild der klassischen griechischen Kunst, die um 1800 das Schönheitsideal lieferte, sondern entsprechend dem Realismus der römischen Porträtskulptur. Wie bei antiken Büsten ist der Kopf kein Teil eines Körpers, sondern führt ein porträthaftes Eigenleben. Das kurze Haar mit seinem Lorbeerkranz erinnert an die einfachen Frisuren der römischen Republikaner oder Kaiser. Römisch ist das Gesicht auch wegen seinem Realismus, der sich nicht scheut, hässliche Züge zu zeigen. Der englische König besitzt zwar eine wunderbar gerade, für ein griechisches Profil aber zu kleine Nase. Geprägt wird das Gesicht durch feiste Wangen, ein Doppelkinn, grossen Ohren und Glubschaugen mit Tränensäcken. Wie in der römischen Kunst entlarvt aber diese Zusammenstellung charakteristischer Gesichtszüge den Dargestellten nicht. Der Realismus im Detail steigert geradezu die Wirkung der feinen und kleinen Gesichtszüge im mächtigen, als Ganzem wundervoll und würdevoll modellierten Kopf.
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Viktoria, Königin von Grossbritannien (1837-‐1901), auf der Crown von 1844
Wo sonst mächtige Herrscherköpfe abgebildet sind, sehen wir ein junges Mädchen. Doch es handelt sich nicht um eine Allegorie oder Personifikation, sondern um die damalige Herrscherin über das britische Empire. Obwohl Viktoria bei ihrem Regierungsantritt noch blutjung ist, wird das Reich unter ihr die grösste politische Macht entfalten und seine weiteste imperialistische Ausdehnung erreichen. Der Stempelschneider hat überhaupt nicht versucht, die junge Frau mit Hilfe von Attributen oder Herrschaftsformeln zu überhöhen. Im Gegenteil betont die Darstellungsweise ihre Jugend: Sie trägt einen Pferdeschwanz, à la grecque zwar, doch wird dadurch der Kopf nicht streng antikisiert. Der unregelmässige, schwingende Kopfumriss wirkt eher keck. Das Gesicht ist hübsch, charakteristische Porträtzüge wie die leicht gebogene Nase werden deutlich gezeigt und nicht irgendeinem Ideal entsprechend geschönt.
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Helvetia als Personifikation der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf der 20-‐Franken-‐Münze von 1883
Die republikanische Schweiz konnte keinen Herrscherkopf auf ihre Münzen setzen. Seit der Gründung des Bundesstaates 1848 entschied sie sich für eine Personifikation des Staates als Münzbild, ein Idealkopf also, kein Porträt. Für die Darstellung der Helvetia wurde die Antike vorbildhaft, in der Göttinnen häufig Vertreterinnen von Staaten oder Städten waren. Antikisch streng und heroisch erscheint Helvetia, der Gegenwart und dem Alltag enthoben. Das am Kopf anliegende Haar wird gebändigt durch einen Lorbeerkranz mit Alpenrosen und bekrönt durch ein Diadem mit der Aufschrift «LIBERTAS». Das Gesicht mit seiner geraden Nase und der hohen Stirn wirkt etwas hart, der Kopfumriss fast rechteckig. Der herrscherliche Kopf orientiert sich eher an einer kriegerischen Athene als an der Schönlinigkeit einer Aphrodite. Ähnlich mächtige Frauengestalten haben die im Historismus als «Deutschrömer» bekannten Künstler wie Böcklin oder Feuerbach in Italien gefunden und in vielen Bildern verherrlicht.
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Vreneli, das neue Ideal für die Schweizerische Eidgenossenschaft, auf der 20-‐Franken-‐Münze von 1897
Um 1900 wurde statt der heroischen Helvetia gerne ein Trachtenmädchen als Verkörperung der Schweiz gewählt. Für das von Fritz Landry gestaltete Münzbild stand eine reale Person Modell: Françoise Egli. Sie hatte aber ein Ideal zu verkörpern, sollte stellvertretend für die junge, in der Schweiz verwurzelte Frau stehen. Dass dies gelungen ist, zeigt der Name «Vreneli», den die Münze im Volksmund erhielt. Die jugendlichen weichen Züge, das lange, in Zöpfen geflochtene Haar und das mit Edelweissen bestickte Kleid zeigen ein Naturkind aus Schweizer Boden. Vor dem Bergpanorama im Hintergrund steht die junge Frau mit himmelwärts gewandtem Blick und im Wind wehendem Haar. Seit dem 18. Jahrhundert, seit Albrecht von Hallers Lehrgedicht über die Alpen, lebt der Ruf der Schweiz und ihr Tourismus von dieser Verherrlichung der Freiheit und Natürlichkeit der Bergbevölkerung, die auch das «Vreneli» auszeichnet.
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