Fokus Buch
FOKUS BUCH FÜR SIE AUFGESCHLAGEN: ZWÖLF LESETIPPS
Von Ursula Kohler Conzett und Oesch Verlag
© 2017 Herausgegeben von: Sunflower Foundation www.sunflower.ch info@sunflower.ch Auf der Website der Sunflower Foundation finden sich alle Beiträge dieses Booklets als Videos. Die Angaben dazu sind auf Seite 55.
INHALT
«Das Geld in der Geschichte» von Karl Walker
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«Menschengesichter» von Ursula Kampmann
10
«Im Schatten der Adler Roms» von Ursula Kampmann
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«Die Arbeiterin in Zürich um 1900» von Hans Peter Treichler
18
«Erstrebtes und Erlebtes» von Verena Conzett
24
«Die Tyrannei des Geldes» von Hans Peter Treichler
28
«Der reichste Mann von Babylon» von George S. Clason
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«Was historische Karten uns erzählen» von Gerhard Frick
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«Lebe begeistert und gewinne» von Frank Bettger
40
«Die Kraft positiven Denkens» von Norman Vincent Peale
44
«Der Papalagi» von Erich Scheurmann
48
«Sagen Sie doch, was Sie wollen!» von Saskia Schottelius
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DAS GELD IN DER GESCHICHTE Das Geld in der Geschichte – ein schlichter Titel. Was stellen Sie sich darunter vor? Eine langfädige wissenschaftliche Abhandlung über 400 Seiten? Ein einfach geschriebenes Schulbuch? Oder ein illustriertes Werk mit Münzen und Noten? Nichts von alledem. Kurioserweise löst das Buch genau das ein, was der Titel verspricht. Kaum je wird den Leserinnen und Lesern so einleuchtend und umfassend erzählt, was Geld im Laufe der Zeit alles angestellt hat. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Positiven, auf den kulturellen Errungenschaften. Aufgezeigt wird aber auch, warum es in der Geschichte immer wieder zu einem kulturellen Niedergang kam. Wer dieses Buch liest, gewinnt das eine oder andere Aha-Erlebnis.
Griechen, Römer, Goten Walker beginnt ganz klassisch bei den Griechen und gelangt über die Römer und Barbaren zur wiedererwachten Geldwirtschaft im Mittelalter. Das Mittelalter bildet denn auch einen Schwerpunkt des Werks. Aus der Perspektive der Baukunst ist es vor allem die Blütezeit der Gotik, die hier interessiert. Der Autor zeigt auf, dass kulturelle und wirtschaftliche Blütezeiten immer mit Arbeitsteilung und Geldzirkulation einhergingen. Eine wichtige Rolle spielten dabei die mittelalterlichen Brakteaten – Münzen, die nur einseitig geprägt waren und vor allem in regelmässigen Abständen mit einem Verlust gegen neue Münzen ausgetauscht werden mussten. Das erhöhte die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und machte das Sparen und Horten unattraktiv. Investiert wurde in Sachwerte. Handwerk und Kunst erlebten einen Aufschwung. 7
Die deutsche Hanse Ein zweiter Schwerpunkt bildet die deutsche Hanse, das heisst die Entstehung der Handelsstädte und des Fernhandels. Hier liefert der Autor eine kurze und interessante Analyse, wie der Markt funktionierte: «Eine jede Ware kann nur verkauft werden, wenn die Nachfrage auf den Markt kommt, die ‹Nachfrage› in Gestalt jener Münzen, die man für die Ware zu bezahlen gedenkt. Um den ‹Bedarf› braucht sich der Kaufmann keine Sorgen zu machen. Bedarf ist immer da, denn der Bedarf wird von Hunger und Liebe erzeugt … Auf die ‹Nachfrage› also kommt es an, und die Nachfrage ist identisch mit dem Geldangebot … Mit dem ‹Da-sein› des Geldes ist es aber noch nicht ganz getan. Das Geld ist immer wieder da, gleichgültig in wessen Händen es sich befindet, und es wäre auch immer noch da, wenn es in der Truhe läge. Seine volkswirtschaftliche Bedeutung entfaltet es aber nur, wenn es nicht in der Truhe liegt. Es kommt also darauf an, dass das Geld immer wieder als Nachfrage auftritt.»
Frühes Mittelalter: Geld wird gehortet Doch genau dies passiert in Krisen und Niedergangszeiten nicht mehr. Die Wirtschaftskraft versiegt, Kriege und Zwietracht herrschen vor, grossartige Bauten bleiben unvollendet – das Geld wird gehortet oder verschatzt. Walker schildert dazu ein eindrückliches Beispiel der Verschatzung aus dem frühen Mittelalter. Silberne und goldene Schalen an den fürstlichen Höfen waren zuweilen so riesig, dass man sie mit Hilfsgeräten auf den Tisch hieven musste, weil die menschliche Kraft nicht ausreichte. 8
Über den Autor Karl Walker Wer steckt hinter diesem Werk zum Geld in der Geschichte? 1904 wird Karl Walker in Strassburg geboren. 71 Jahre später, 1975, stirbt er in Berlin. Dazwischen liegt ein äusserst aktives Leben. Ursprünglich Buchbinder, Buchdrucker und Lektor, hat er zahlreiche Bücher geschrieben, von 1931 bis an sein Lebensende. Eine Gedenkschrift zu seinem Tod trägt den bezeichnenden Titel: Einsam geblieben bei der Wahrhaftigkeit.
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MENSCHENGESICHTER Kopf oder Zahl? Wer hat in seinem Leben nicht schon mal eine Münze entscheiden lassen – weil eine schwierige Entscheidung anstand oder man die Antwort dem Zufall übergeben wollte. Denn wir wissen ja: Die Wahrscheinlichkeit beträgt genau 50 Prozent, dass der Kopf fallen wird. Aber stimmt das wirklich? Nicht jede Münze trägt auf ihrer vorderen Seite einen Kopf. Ist uns zum Beispiel bewusst, was auf der Vorderseite des Schweizer Franken glänzt? Es ist die Helvetia. Komplizierter wird es mit den Euromünzen. Jedes Land vergibt das Bild auf der Vorderseite selbst. Das geht von niederländischen oder spanischen Königshäuptern über den Papst bis zu Dante Alighieri auf den italienischen Münzen. Um nur ein paar Köpfe zu nennen. Es kann aber ebenso gut ein Gebäude, eine Statue oder Skulptur sein.
Gesichter auf Münzen – nicht selbstverständlich Wer das Buch «Menschengesichter» von Ursula Kampmann liest und betrachtet, wird einen neuen Zugang zu den Vorderseiten der Münzen finden. Versprochen. Die Autorin zeigt anhand wunderbarer Abbildungen die Geschichte der Menschengesichter auf Münzen auf. Es ist eine wandelbare Geschichte – und wir erfahren, es ist gar nicht selbstverständlich, dass menschliche Gesichter auf Münzen abgebildet werden. Doch der Reihe nach: Drehen wir das Rad der Zeit zurück: Wie hat alles begonnen? Bei den alten Griechen – wie könnte es anders sein? – werden Götter abgebildet, Götter mit menschlichem Antlitz. Einer der bekanntesten Vertreter ist Göttervater Zeus. Sein Heiligtum stand in Olympia. Zu seinen Ehren fand alle vier Jahre ein Fest statt, bei 11
dem die besten Sportler an Wettkämpfen gegeneinander antraten. Auf dieses antike Fest gehen die Olympischen Spiele zurück. Doch wie kam der Mensch ins Münzbild? Durch eine Umkehr: So wie die Abbilder der Götter menschliche Züge trugen, verkleidete sich die erste Generation von porträtierten Menschen als Götter. Die Machtträger legten aber die göttlichen Attribute bald ab und begnügten sich mit einem Diadem. So wie Caesar, der einen goldenen Kopfschmuck trägt – ein Symbol für Sieg, Leistung und Verantwortung. Und in der Tat – Caesar ging entschlossen daran, das römische Staatswesen zu reformieren. Aber nicht nur Caesar, alle antiken Grössen nach Alexander dem Grossen wie Augustus, Nero, Hadrian, Constantin oder Galla Placidia liessen sich auf den Münzen abbilden. Was geschieht nun aber in der Folgezeit? Die Völkerwanderung mischt die alte Weltordnung gehörig auf. Kleingeld gibt es für die nächsten 1000 Jahre im Westen nicht mehr und auf den neuen Münzen steht nicht der Mensch als Individuum im Vordergrund, sondern seine Funktion oder Rolle. Das heisst: Ein König ist mächtig, ein König ist stark, ein König trägt seine Krone mit Anmut. Welcher König dargestellt wird, ist dabei eigentlich egal. Heinrich VI., König von England, wird mit einem Jahr zum König gekrönt! Wenn hier nicht die Funktion über dem Menschlein steht! In der Renaissance wird das individuelle Porträt wiederentdeckt. Jeder König, jeder Fürst und jeder Graf liess sein eigenes Bild auf Münzen und Medaillen setzen. Schauen wir uns die Münze von Heinrich VIII., dem berühmt-berüchtigten König von England, etwas genauer an. Glücklich sieht er nicht gerade aus, eher kann man ihm einen mürrischen Gesichtsausdruck zu12
schreiben. Nun, Grund dazu hatte er. Aus seiner zweiten Ehe – von insgesamt sechs – überlebte ein einziges Kind, ein Mädchen. Heinrich VIII. wollte die Ehe mit Katharina deswegen vom Papst scheiden lassen – erfolglos! Inzwischen war aber eine hübsche Hofdame namens Anna Boleyn vom König schwanger. Das was DIE Chance auf einen Thronfolger! Was blieb Heinrich VIII. anderes übrig, als die englische Kirche von der katholischen Kirche zu trennen, um die neue Ehe und den Thronfolger zu legitimieren. Welches Pech, dass Anna Boleyn eine Tochter zur Welt brachte. Nun, das kleine Mädchen wurde später immerhin zur grossen Elisabeth I.
Weibliche Personifikationen Mit dem Untergang der Monarchien entsteht Platz auf den Münzen, der neu gestaltet werden will. Nun entstehen weilbliche Personifikationen, die zwar auf antike Vorbilder zurückgehen, aber dennoch Ausdruck einer neuen Zeit werden. Frauen stellen Attribute wie Freiheit, Frieden oder Fortschritt eines Landes dar, so etwa die Britannia oder die Helvetia. Vielleicht drehen Sie die nächste Münze, die Sie aus der Geldbörse nehmen, einmal mehr um. Den Blick für Menschengesichter auf Münzen geschärft hat uns die erfahrene Numismatikerin und Publizistin Ursula Kampmann. Was ist das Besondere an diesem Buch? Man kann darin blättern und sich von einer Münze und ihrer Geschichte inspirieren lassen. Wie kleine Gutenachtgeschichten können 1 bis 2 Seiten herausgepickt werden. «Menschengesichter» ist direkt im MoneyMuseum oder als E-Book im Handel erhältlich und zeigt auf, wie schön es sich gerade auch in einem digitalen Buch blättern lässt. 13
Money Museum
Ursula Kampmann
Im Schatten der Adler Roms Münzen der Republik aus der Sammlung Kurt Wyprächtiger
IM SCHAT TEN DER ADLER ROMS Das Buch, das ich Ihnen vorstelle, liegt mit sehr am Herzen, weil ich als Lektorin weiss, wie viel Sorgfalt und Wissen darin steckt. «Im Schatten der Adler Roms – die Geschichte der Römischen Republik» – geschrieben hat es die profilierte Numismatikerin Ursula Kampmann, ausgehend von Kurt Wyprächtigers Münzsammlung der Römischen Republik. Worum geht es? Geschichtsfreaks und Lateinschüler aufgepasst: Mit diesem Buch halten Sie ein Kompendium der Römischen Republik in Händen. Und zwar eines der besonderen Art: Anhand von wunderbar präsentierten Münzen wird die römische Geschichte von 500 bis 27 vor Christus erzählt. Die Römische Republik – als Staat mit einem ausgeklügelten politischen System – nimmt in der Geschichte eine Sonderstellung ein. Vieles kann auf heute übertragen werden. Das MoneyMuseum als Herausgeberin des Werks widmet dieser Periode besondere Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt des Buches stehen 185 Münzen aus der Römischen Republik. Sie bilden eine bildliche Brücke in eine weit entfernte Zeit. Diese Münzen zirkulierten vor über 2000 Jahren, die Römer hielten sie in Händen, die Abbilder auf den Geldstücken hatte für sie eine unmittelbare Bedeutung. Auf kleinstem Raum werden ganze Geschichten erzählt und Ursula Kampmann macht sie für uns verständlich. Der römische Denar, der um 211 vor Christus neu geschaffen wird, kursierte fast 500 Jahre lang in Rom, seinen Provinzen und benachbarten Ländern. Unzähligen Münzmeistern hat er auf einer kleinen runden Fläche Platz geboten, um historische Episoden, Machtkämpfe, Heiligtümer und mehr zu spiegeln. Die Münzen stellen uns heute vor drei grundlegende Fragen: 15
Was ist Geschichte? Was haben die Römer für Geschichte gehalten? Wie haben sie ihre Geschichte benutzt? Um diese Fragen zu beantworten, verfolgen wir gemeinsam mit der Autorin drei Erzählstränge: Wir lassen die Münzmotive sprechen. Wir erzählen unsere Version der Geschichte. Wir hinterfragen die Absichten der Münzmeister. Ein Denar aus dem Jahre 82 vor Christus zeigt Odysseus mit seinem Hund Argus, der als Einziger den Mann in armseliger Kleidung als seinen Herrn erkennt. Wie kommt der Held der griechischen Mythologie auf eine Münze der Römischen Republik? Rom expandierte im 3. Jahrhundert v. Chr. nach Süden und kam dadurch in Berührung mit der griechischen Kultur. Nichts einfacher, als die Mythologien der Griechen zu übernehmen, insbesondere da Rom nichts Vergleichbares kannte. Telegonus, Sohn des Odysseus, soll die Stadt Tusculum gegründet haben. Das Geschlecht der Mamilier, zu dem der Münzmeister gehört und auf das er sich voller Stolz bezieht, stammte von Tusculum ab, schon bevor die Sage des Odysseus von den Römern übernommen wurde. Doch wie praktisch, wenn man sich auf den grossen Helden der griechischen Antike berufen kann!
Strenge Riten der römischen Religion Einen Blick in die überaus strengen Riten der römischen Religion erlaubt ein Denar aus dem Jahr 63 v. Chr., auf dem ein römischer Bürger in der Toga ein Stimmtäfelchen in die Urne wirft. Die Münze weist auf die Leistungen des Ahnen Lucius Cassius Longinus Ravilla hin. Drei Vestalinnen – jungfräuliche Priesterinnen – waren wegen Unzucht angeklagt worden. In den Augen der Rö16
mer waren sie schuld am Verlust eines ganzen Heeres sowie an der Niederlage gegen Thrakien. Ein erstes Gericht urteilte in den Augen des Volkes zu milde über die Verbrecherinnen. Deshalb wählte es im Jahr 113 v. Chr. den strengen Cassius Longinus Ravilla, der die drei Vestalinnen zum Tode verurteilte. Die drei Frauen wurden lebendig begraben. Offenbar wurde das Urteil 50 Jahre später immer noch als vorbildlich befunden. Wieso sonst hätten die Nachfahren damit auf der Münze geworben? Eine symbolträchtige Münze bildet ein Denar, den der wohl bekannteste Römer, Julius Caesar, prägen liess. Um seine Macht im Reich zu festigen, zettelt Caesar 48. v. Chr. einen Bürgerkrieg an. Auf dieser Münze macht der Konsul klar, was von ihm zu erwarten ist und greift dazu auf eine Fabel zurück, die jedem Römer vertraut war. Der edle Elefant und die heimtückische Schlange sind natürliche Todfeinde. Geduldig wartet die Schlange auf dem Baum, um sich auf den Elefanten zu stürzen und ihn mit ihren Bissen zu blenden. Auf diesem Geldstück zeigt Caesar die einzige Möglichkeit auf, die dem Elefanten bleibt, um sein Leben zu retten. Er zertritt die Schlange. Was für ein Gleichnis auf Caesars eigenes Vorgehen gegen seine Feinde im römischen Senat! Ob römische Geldgeschichte, Religion, Bauwerke oder Wissen zu Preisen und Löhnen – die Münzen führen uns mitten hinein in die Römische Republik. Ursula Kampmann versteht es, das römische Leben äusserst anschaulich vor unseren Augen entstehen zu lassen. Wer sich für römische Geschichte interessiert, trifft hier auf einen Fundus an Wissen. Münzbegeisterte finden zudem den vollständigen Katalog der Sammlung Wyprächtiger. «Im Schatten der Adler Roms» ist ein schön gestaltetes Geschichtsbuch mit dem besonderen Etwas, das zwischen zwei Buchdeckeln ein ganzes Universum erstehen lässt. 17
Hans Peter Treichler
Die Arbeiterin in Zßrich um 1900 Sozialgeschichtliches auf den Spuren Verena Conzetts (1861–1947)
Conzett Verlag
DIE ARBEITERIN IN ZÜRICH UM 1900 Zürich um 1900: Tausende von Frauen arbeiten Tag für Tag in Fabriken, die bis ins Stadtzentrum vorgedrungen sind. Mit grosser Mühe betreuen sie neben einem enormen Fabrikpensum ihre Familie. Es sind Arbeits- und Wohnverhältnisse, wie sie heute nur schwer vorstellbar sind. Die Arbeiterschaft verbündet sich. 1888 wird die Sozialdemokratische Partei und zwei Jahre später der Schweizerische Arbeiterinnenverband gegründet. Anschaulich verknüpft Hans Peter Treichler das spannungsreiche Leben von Verena Conzett (1861–1947) mit der politisch bewegenden Zeit um 1900 in Zürich. Die vorliegende Publikation ist im Zusammenhang mit der gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum entstanden, die Jürg Conzett im Andenken an seine Urgrossmutter lanciert hat. Zürich Affoltern, morgens um halb fünf: Ein langer Zug von Menschen formiert sich in der Mitte des Dorfes. An der Spitze die Arbeiter der Maschinenfabrik Neumühle, dann die Frauen und zum Schluss die Kinder. Rufe hallen durch die Dunkelheit. Das Ziel der Gruppe ist das Fabrikareal im Zentrum Zürichs. Hier treffen sie um 6 Uhr ein, um lange, lange Stunden zu arbeiten, bevor sie den Heimweg antreten. Im Sommer wie im Winter, sechs Tage die Woche. Am Arm tragen die Frauen einen Henkelkorb. Meist befindet sich darin ein Stück Brot und eine Handarbeit für die kurze Mittagspause. Die junge Verena Conzett hat diesen Marsch 1874 miterlebt. Wir können uns die Lebensbedingungen kaum vorstellen, unter denen die Menschen ihr Auskommen gesucht haben. Und doch liegen nur wenige Generationen dazwischen. In der einen oder 19
anderen Familie gibt es noch Zeugen, denen ihre Grosseltern oder Urgrosseltern erzählt haben, unter welch harten Bedingungen sie möglicherweise aufgewachsen sind.
Ausstellung im MoneyMuseum zu Ehren von Verena Conzett 2011 hat Jürg Conzett, Urenkel des ehemaligen Arbeitermädchens Verena, im MoneyMuseum Zürich eine Ausstellung zu Ehren seiner Urgrossmutter lanciert. Anhand ihrer Lebensgeschichte wird die Arbeiterin in Zürich um 1900 in den Mittelpunkt gestellt. Im Begleitbuch zur Ausstellung können wir die Spuren Verena Conzetts durch die Welt der Fabrikarbeiterinnen und innerhalb der Arbeiterinnenbewegung verfolgen. Wohnungen, die 24 Stunden lang kein einziger Sonnenstrahl erhellt, Schimmel an den Wänden, Wanzen und Mäuse als Mitbewohner, eine Schlafkammer für die vielköpfige Familie. Wir befinden uns mitten in der Altstadt Zürichs. Wo sich heute eine privilegierte Wohnlage befindet, herrschten vor über 100 Jahren slumartige Zustände. Und zum Essen gibt›s Kartoffeln, Kartoffeln und nochmals Kartoffeln. Wie sollen da Kinder, die sich zuhauf aneinanderreihen, gross werden? Mehr schlecht als recht betreut, beide Eltern ganztags in der Fabrik, einseitig ernährt. Kein Wunder, überlebt ein Viertel der Kinder die ersten Jahre nicht. Und was erwartet die Überlebenden? Die Ausweglosigkeit seines Schicksals lässt manchen Arbeiter zum Kartoffelschnaps greifen. Ein Teufelskreis. Die Arbeiterinnen, insbesondere die Mütter, trifft es doppelt schwer. Ihre Arbeit wird weniger entlöhnt, Feierabend ist ein Fremdwort, zuhause wartet die ganze Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung auf die Frauen. Probleme genug, um dagegen anzukämpfen. Die 20
Frauen schliessen sich zu Arbeiterinnenvereinen zusammen. Bald schon leitet Verena Conzett den Schweizerischen Arbeiterinnenverband. Um die immense Leistung dieser Arbeiterinnen, der Frauen, zu würdigen, lohnt sich der Blick zurück. Oder auch umgekehrt. Lassen wir in Gedanken eine Arbeiterin in unserem Alltag auftauchen. Wie sie vor der Auswahl im Laden steht, im Tram fährt, in einer geheizten Wohnung lebt, Kinder erzieht, die nicht arbeiten, sondern zur Schule gehen. Nur zwei Generationen liegen zwischen damals und heute. Wie ist der Wandel, der die Schweiz zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht hat, möglich geworden?
Verena Conzett: eine Vertreterin des Wandels Verena Conzett selbst ist eine Vertreterin dieses Wandels. Als ehemaliges Arbeitermädchen, als Witwe und Mutter hat sie es geschafft, ein gut florierendes Verlagshaus aufzubauen. Sie hatte die Kraft, die Energie und den Willen. Zugute gekommen ist ihr ein Land, das von beiden Weltkriegen verschont wurde. Sie war sich harte Arbeit und Bescheidenheit gewohnt. Vergleicht man ihr Schicksal mit demjenigen anderer Arbeiterinnen, dann wurde Verena Conzett mitnichten von harten Schicksalsschlägen verschont. Ihr Mann nahm sich das Leben, ihre beiden Söhne starben an der Spanischen Grippe. Verena Conzett selbst gerät zwischen zwei Welten, in die der Arbeiterschaft, von der sie herkommt, und die der bürgerlichen Existenz, in die sie hineinwächst. Sie wird deswegen auch angegriffen und sieht sich zeitweise einem feindlichen Umfeld gegenüber. Was sagt diese starke Frau selbst zu ihrem Lebensweg? 21
«Das Geheimnis meines Erfolgs besteht darin, dass es mir glückte, stets im richtigen Augenblick zuzugreifen, mutig mir selbst zu vertrauen und trotz Schicksalsschlägen und Hindernissen unentwegt auf das selbstgesteckte Ziel hinzusteuern.» In einem Satz fasst Verena Conzett ihre ganze Lebensweisheit zusammen. Es sind ihre drei grundlegenden Erkenntnisse, die uns als Abschluss zum Denken anregen: Auf das eigene Selbstvertrauen bauen Eine Vision entwickeln und verfolgen Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und das Glück des Zufalls walten lassen
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Verena Conzett
Erstrebtes und Erlebtes Ein StĂźck Zeitgeschichte
Conzett Verlag
ERSTREBTES UND ERLEBTES Verena Conzett hat als 13-jähriges Arbeitermädchen die harten Bedingungen in der Fabrik hautnah erlebt. 1883 heiratet sie Conrad Conzett, einen führenden Kopf der Arbeiterbewegung, und wird selbst zu einer wegweisenden Stimme unter den Arbeiterinnen. Schicksalsschläge wie der Tod ihres Gatten und ihrer Kinder bestimmen ihr Leben. Als junge Witwe nimmt sie die Herausforderung an, die familieneigene Druckerei alleine fortzuführen und im Laufe der Jahre zum angesehenen Druckerei- und Verlagshaus Conzett & Huber auszubauen. In den nächsten Zeilen stelle ich Ihnen eine Frau vor, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts Entscheidendes für die Verlagswelt geleistet hat: Verena Conzett. Wenn ich jemandem vom Conzett Verlag erzähle, werde ich vom Gegenüber oft gefragt: Conzett & Huber? Vielen Menschen ist der Name vertraut, sie wissen aber nicht genau, wo sie das Unternehmen einordnen können. Was vielen nicht bekannt ist: Das Magazin DU wurde ursprünglich von Conzett & Huber herausgegeben, erstmals im Kriegsjahr 1941. Noch früher, bereits im Jahr 1908, wurde die Zeitschrift «In freien Stunden» gegründet, auch das «blaue Heftli» genannt. Und auch der Manesse Verlag gehörte einst dazu. Heute ist er Teil der Verlagsgruppe Random House. Den Verlag Conzett & Huber gibt es heute nicht mehr, seinen Höhepunkt hat er in den 60er-Jahren erlebt, als er eine der modernsten Druckereien Europas besass. Die Geschichte, die hinter dem Verlagsunternehmen steht, führt uns zu Verena Conzett. 1931 feiert sie ihren 70. Geburtstag in der Tonhalle. Zu dieser Zeit hat das Druckerei- und Verlagshaus 430 Mitarbeiter. Kaum mehr vorstellbar, welche Lebensstationen und Schicksalsschläge Vere25
na Conzett bis zu diesem Zeitpunkt erlebt hat. Sie selbst hat ihre Geschichte 1929 im hauseigenen Morgarten-Verlag herausgegeben, unter dem Titel «Erstrebtes und Erlebtes». Die Biografie ist neu als E-Book erhältlich. Verena Conzett wird 1861 als Verena Knecht geboren. In den engen Gassen der Altstadt Zürichs wächst sie arm, aber behütet auf. Als 13-jähriges Arbeitermädchen lernt sie die harten Bedingungen in der Fabrik hautnah kennen. Schicksalshaft ist ihre Begegnung mit Conrad Conzett, dem Redaktor der Arbeiterstimme aus Chur. Die Anziehung ist gegenseitig. Kaum hat Verena den 13 Jahre älteren Mann kennen gelernt, fragt Conrad die junge Verena bei einem Spaziergang: Wollen Sie meine Frau werden? Verena wollte und übernahm mit 22 Jahren Mutterpflichten gegenüber den beiden Söhnen des geschiedenen Sozialistenführers. Verena Conzett wird später selbst zu einer wegweisenden Stimme unter den Arbeiterinnen. Sie wird Mutter einer Tochter, die im ersten Lebensjahr stirbt, und bringt danach zwei Buben, Hans und Simon, auf die Welt. Ihr Leben ist durch Schicksalsschläge bestimmt. 1897 nimmt Conrad sich das Leben. Schwermütig veranlagt, sieht er aufgrund von erdrückenden Schuldlasten keinen Ausweg mehr. Was soll die junge Witwe tun? Ohne Geld steht sie da und trägt die Verantwortung für vier Buben. Verena hat Mut und lässt sich nicht einschüchtern. Alleine führt sie die familieneigene Druckerei fort. Oft weiss sie nicht, wie sie das Geschäft weiterführen kann. Zusammen mit einem jungen Partner, Emil Huber, baut sie es zum angesehenen Druckereiund Verlagshaus Conzett & Huber aus. Sie hat Ideen und arbeitet ihr Leben lang hart. Grausam ist der Schicksalsschlag, der ihr die beiden Söhne durch die Spanische Grippe im Jahr 1918 innert ei26
ner Woche nimmt. Aber sogar jetzt gibt sie nicht auf, will den Betrieb für ihre Enkel fortführen. Nach ihrem Tod hat der jüngere Partner den Verlag weitergeführt und später sind die Enkel in den Familienbetrieb eingestiegen. Und heute? Jürg Conzett, ein Urenkel Verenas, hat die Tradition aus Liebe zu Büchern aufleben lassen und den Conzett Verlag gegründet. Dieser befindet sich an der Verena-Conzett-Strasse in Zürich, die zu ihrem Andenken so benannt wurde. Der Verlag bietet ein kleines, feines Programm, das hauptsächlich dem Thema Geld im weitesten Sinn gewidmet ist. Philosophische, historische und sozialpolitische Reflexionen sind ein zentraler Teil des Inhalts. Gut darin aufgehoben ist die Biografie Verena Conzetts: Erstrebtes und Erlebtes. Ein Stück Zeitgeschichte.
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Conzett Verlag
Hans Peter Treichler
Die Tyrannei des Geldes Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum
DIE TYRANNEI DES GELDES Tausend Dinge bewegen sich vorwärts; neunhundertneunundneunzig machen einen Schritt zurück. Das nennt man Fortschritt. Der Mann, von dem dieses Zitat stammt, heisst Henri-Frédéric Amiel, Professor aus Genf. Ein Optimist war er nicht – aber einer, der eine Botschaft hatte. Vermutlich haben Sie in Ihrem Leben auch schon mal die tyrannische Seite von Geld kennen gelernt, die Abhängigkeit oder Macht erlebt, die mit Geld zusammenhängt, Träume gehabt, die am Geld zerplatzt sind. Amiel, der tiefsinnige Denker aus Genf, hat sich bereits im 19. Jahrhundert Fragen zur Tyrannei des Geldes gestellt. Er hat hinterfragt, was die Industrialisierung und Materialisierung der Welt mit uns Menschen anstellt. Seine visionären Gedanken sind auch heute noch von Interesse. 1821 wird Henri-Frédéric Amiel in Genf geboren. Als junger Gelehrter kehrt er nach Studienjahren im Ausland 1848 in seine Heimatstadt zurück. Fortan lehrt er an der Genfer Académie Ästhetik und Literatur. Über drei Jahrzehnte lang führt Amiel ein Tagebuch, das so genannte Journal intime. Bis an sein Lebensende 1881 wächst es auf unglaubliche 16 900 Seiten an. Zwei Jahre nach seinem Tod werden Auszüge daraus publiziert. Sie machen den Gelehrten posthum berühmt. Den grössten Bekanntheitsgrad erreichen jedoch einzelne Aphorismen aus seinem Werk. Sie machen sich selbständig, erscheinen auf Kalenderblättern und schmücken Jahrbücher. Die Kernsprüche finden grosse Verbreitung: «Man ist so alt, wie man sich fühlt» oder «Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg». Doch über ihren Urheber weiss man kaum etwas. 29
Heute liegt das Journal intime vollständig vor. Der Kulturhistoriker Hans Peter Treichler hat sich intensiv mit Leben und Werk Amiels befasst. In seinem Buch «Die Tyrannei des Geldes» geht er dem Verhältnis des Literaten zum Geld nach. Doch mehr noch. Der Zweifler Amiel war ein scharfer Beobachter seiner Epoche. Er hat die umwälzenden Jahre in Genf um 1850 hautnah miterlebt und festgehalten. Seine Notizen geben uns einen lebendigen Einblick ins 19. Jahrhundert. Lassen wir uns von Amiels Beobachtungen zu einem kleinen Stadtspaziergang verführen – und tauchen wir in die Zeit ein, in der er gelebt hat. Vom Genfer Bahnhof aus gelangen wir über die Pont du Mont Blanc zu Amiels Geburtsort, der Rue du Rhône. Heute stehen wir hier auf der angesagtesten Einkaufsstrasse Genfs. Auf unserem Weg haben wir das Wahrzeichen der Stadt, den Jet d’eau, entdeckt. Er ist Denkmal des immensen Wandels, den Genf Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt hat. Damals wurde der Befestigungsgürtel rund um die Stadt abgerissen. 1957 werden die Wasserfontänen eröffnet, da ist Amiel 36 Jahre alt. Er, der sein ganzes Leben in Genf verbringen wird, erlebt die Gründung der ersten Schweizer Börse in Genf ebenso wie den Konkurs der Banque Générale Suisse. Er kritisiert die Verehrung des Geldes und kümmert sich selbst nur mit grösstem Widerwillen um die eigenen Finanzen. Hart kritisiert er, wie das Bürgertum an Besitz und Reichtum festhält. Anderseits befürchtet er bei der Entwicklung einer Gesellschaft mit gleichberechtigten Einzelwesen, dass der gesellschaftliche Unterschied allein vom Geld ausgehen wird. Seine Überlegungen zur Gründung eines bürgerlichen Ehestands drehen sich vorwiegend um die nötige Mitgift. Hin und her gerissen ist der Junggeselle zwischen Kalkül und Sentiment, 30
zwischen Geld und Liebe. Ob es nur am Geld gelegen hat, dass der Zauderer Amiel letztlich den Schritt in die Ehe nie gewagt hat, bleibt zu bezweifeln. Gehen wir durch die Altstadt hoch und weiter bis zur Cathédrale Saint-Pierre: An diesem Platz bewohnt Amiel zwei Mansardenzimmer, die dem Hausstand seiner Schwester angegliedert sind. Erst 1869, mit 48 Jahren, wird Amiel sich zum ersten Mal in seinem Leben selbständig niederlassen. 1879 erlebt der 58-Jährige die elektrische Beleuchtung des Place Neuve. Seine Welt ist es nicht mehr. Wer in einer hell erleuchteten Welt die Nacht erfände, gälte als Wohltäter, sinniert er. Die letzten Jahre verbringt Amiel in der Pension einer Freundin. Für seine letzte Ruhestätte hat Amiel vorgesorgt. Im Friedhof von Clarens bei Montreux, seiner bevorzugten Urlaubsgegend, hat er sich für 250 Francs einen Grabplatz gekauft. Hier gelten für den Reichen wie den Armen die gleichen Masse: sieben mal drei Fuss, meint er einmal lakonisch. Seine Ruhestätte hat Amiel für 40 Jahre reserviert und bezahlt. Wie konnte er ahnen, dass wir heute noch, fast 150 Jahre später, seine Grabstätte besuchen! Unzählige Stunden seines Lebens hat Amiel im Verborgenen an seinem Schreibpult gesessen. Sein Traum, mit einer Blütenlese aus Tausenden von Gedanken und Beobachtungen an die Öffentlichkeit zu gelangen, hat sich erfüllt. Man hätte es diesem feinfühligen Menschen, der sich tief in die Seele blicken lässt, früher gegönnt. Was bleibt uns von Henri-Frédéric Amiel in Erinnerung? Amiel hat schon zu Beginn der Industrialisierung erkannt, dass wir uns der Tyrannei des Geldes unterordnen. Heute ist der Zwang des Geldes omnipräsent, der Wechsel von Altem zu Neuem noch rasanter. Was würde Amiel heute wohl in sein Tagebuch schreiben? 31
DER REICHSTE MANN VON BABYLON Kennen Sie den reichsten Mann von Babylon? Als Sohn eines einfachen Kaufmanns geboren, wollte er die Geheimnisse des Reichtums ergründen. Das hat er geschafft und sein Wissen grosszügig weitergegeben. Der reichste Mann von Babylon ist der Feder von George S. Clason entstanden und übermittelt uns wertvolles Wissen aus der Antike, das wir heute mehr denn je gebrauchen können. Der reichste Mann von Babylon, Arkad, war einst ein junger, mittelloser Mann. Als kleiner Schreiber sass er die meisten Stunden des Tages über seine Tontafeln gebeugt. Bis er einst eine ganze Nacht durcharbeiten musste, um von einem reichen Kunden zu erfahren, wie er selbst reich werden könnte. Es ist der Rat eines Weisen an einen Jüngeren. Bevor er ihm aber den entscheidenden Tipp in Gelddingen gibt, erinnert er ihn an folgende Weisheit: Die Sonne, die heute scheint, ist die gleiche, die an dem Tag schien, als dein Vater geboren wurde, und sie wird immer noch scheinen, wenn dein letzter Enkel in die Dunkelheit eingeht. Wer könnte mit schöneren Worten den Bogen von unserem 21. Jahrhundert ins alte Babylon spannen? Hören wir zu, welche Weisheit uns aus dieser Stadt zukommt. In ihrem Kern ist sie einfach: Haben Sie schon mal daran gedacht, sich selbst zu bezahlen? Genau dies wurde dem jungen Arkad empfohlen. Dieser Rat ist es auch, der aus dem armen Schreiber den reichsten Mann Baby33
lons gemacht hat: Wer reich werden will, muss zuerst sich selbst bezahlen. Ein Zehntel seines Verdienstes soll jeder für sich auf die Seite legen. Arkad hat diesen wichtigen Rat befolgt und wurde so – auf Umwegen zwar – der reichste Mann Babylons. Nun wird er vom König gebeten, sein Wissen weiterzugeben. Denn reich kann die Stadt Babylon nur dann sein, wenn viele ihrer Bewohner am Reichtum teilnehmen können. Sieben Tage lang erklärt der reichste Mann aus Babylon einer Gruppe von klugen Leuten die Methoden, Reichtum zu erlangen:
Die erste Methode lautet: Fangt an, eure Geldbörse zu füllen. Von den zehn Münzen, die ihr in eure Geldbörse steckt, nehmt ihr nur neun zum Verbrauch heraus.
An zweiter Stelle empfiehlt Arkad: Kontrolliert eure Ausgaben Alle Menschen leiden darunter, dass sie mehr Wünsche hegen, als sie sich erfüllen können. Verwechselt daher nicht die notwendigen Ausgaben mit euren Wünschen.
Drittens schlägt er vor: Sorgt dafür, dass sich euer Gold vermehrt. Lasst die Münzen arbeiten, damit sie sich, genau wie die Herden, vermehren und euch Einkommen schaffen. 34
Viertens aber warnt er: Bewahrt eure Schätze vor Verlust. Lasst euch beraten und investiert euer Kapital nicht in unsichere Projekte.
Die fünfte Methode lautet: Macht euer Heim zu einer einträglichen Investition. Schafft euch dazu ein eigenes Heim an.
Sechstens empfiehlt Arkad: Sichert euch ein Einkommen für die Zukunft. Trefft Vorbereitungen für ein angemessenes Einkommen im Alter, sorgt für die Bedürfnisse und den Schutz eurer Familie.
An siebter und letzter Stelle steht Folgendes: Verbessert eure Verdienstmöglichkeiten. Schafft Wissen, steht nicht still, entwickelt eure eigenen Fähigkeiten. Der Autor George S. Clason hat mit seinem reichsten Mann von Babylon, 1926 erstmals erschienen, ein zeitloses Werk geschaffen. Spare den zehnten Teil deines Verdienstes. Wer diesen einen Rat des reichsten Mannes von Babylon befolgt, wird seine finanzielle Situation zum Besseren verändern. Das galt im antiken Babylon ebenso wie in London, Paris oder Zürich heute. 35
WAS HISTORISCHE KARTEN UNS ERZÄHLEN Viel ist zur Weltgeschichte geschrieben worden. Doch auch für historisch Interessierte ist es nicht einfach, den Überblick über die grossen geschichtlichen Zusammenhänge zu gewinnen. Kehren wir das Vorgehen für einmal um und lassen wir uns vom Bild, besser gesagt von der geografischen Karte, zu mehr Wissen verführen. Dazu möchte ich Ihnen zwei Publikationen aus dem Conzett Verlag vorstellen. Der Atlas des Geldes präsentiert Karten und Münzen vom Altertum bis zur Neuzeit und stellt dem Leser und der Leserin einige spannende Fragen. Im MoneyMuseum Zürich erhalten Sie das Buch als Geschenk. Sein kleiner Bruder fasst unter dem Titel «Was historische Karten uns erzählen» die ganz grossen Linien der Geschichte zusammen. Dieses Werk können Sie im Buchhandel kaufen oder für 2 Euro als E-Book herunterladen. Alte Karten haben Wertvolles zu erzählen: Sie zeugen von Aufstieg und Niedergang der Länder und Weltreiche, sie dokumentieren politische und gesellschaftliche Gegebenheiten ihrer Zeit – und was besonders spannend ist: Im Vergleich zueinander offenbaren sie manchen Wandel auf einen Blick. Drehen wir das Rad über 2000 Jahre zurück. Auf einer Karte sehen wir das Römische Reich um 133 v. Chr. In den folgenden Jahrzehnten kommen Landerwerbungen hinzu, da ist viel Bewegung im Grenzverlauf zu sehen. Schon jetzt ein beträchtliches Reich, nicht? Und doch geht die Reichsexpansion noch weiter. 220 n. Chr., Jahrhunderte von Eroberungen und Grenzverschiebungen später, hat das Weltreich Rom eine unvorstellbare Aus37
dehnung erreicht und bewahrt. Aber nicht mehr lange. Ende des 3. Jahrhunderts wird das Reich in 4 Teile gegliedert. In den Wirren der folgenden Jahre versucht Konstantin der Grosse, das Reich zusammenzuhalten. Er verhilft dem Christentum zum Durchbruch. Doch erst 380 wird das Christentum unter Theodosius zur Staatsreligion erklärt. Nach seinem Tod. Ende des 4. Jahrhunderts, wird das Reich definitiv in ein Weströmisches und Oströmisches Reich aufgeteilt. Wir befinden uns in der Zeit der so genannten germanischen Völkerwanderung. Das Wirrwarr an Verschiebungen bringt den Untergang des Weströmischen Reiches, während das Oströmische Reich bis 1453 weiter besteht. Wie ein Zeitraffer wirken diese Karten. Sie lassen kaum erahnen, wie viel Leid die Umwälzungen den Menschen gebracht haben. Die Weltreiche mit ihren Kaisern und Gefolgschaften stehen auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite sind viele Soldaten in Eroberungskriegen gefallen, viele Frauen und Kinder mussten sich den veränderten Besitzverhältnissen unterordnen. Allein in der Schlacht bei Cannae, 216 v. Chr., sollen an einem Tag 70›000 Römer umgekommen sein. Unvorstellbar. Doch wenden wir uns einem anderen Thema zu und lassen wir die Kontinente zusammenrücken, indem wir die Kolonialisierung Amerikas von Spanien aus verfolgen. Die Spanier trafen im 16. Jahrhundert auf hochentwickelte Kulturen der Azteken oder Inkas. Mit Waffen, Kanonen und Reitern gelang es den Europäern, die Kulturen zu zerstören und ihre eigenen Kolonien zu gründen. Doch im Laufe der Jahrhunderte verlieren die Spanier ihren Vorsprung in der Besiedelung des Kontinents. Die Engländer bilden im 17. und 18. Jahrhundert die 13 Kolonien Neuenglands an der nordamerikanischen Ostküste. Kein grosses, aber ein dicht 38
besiedeltes Gebiet. Im Krieg von 1755 bis 1763 behaupten sie sich gegen das immense, aber dünn besiedelte Kolonialgebiet Frankreichs. Derart erstarkt auf amerikanischem Gebiet bedürfen die 13 Kolonien den Schutz Englands nicht mehr. Sie erheben sich gegen das Mutterland und gründen während des Unabhängigkeitskriegs 1776 die United States of America. Anhand der Karten können wir auch nachvollziehen, warum Englisch sich zur Weltsprache entwickelt hat. Wäre ein Schritt anders gelaufen, eine Auseinandersetzung anders entschieden worden, hätte es auch Spanisch oder Französisch sein können, nicht? Zwei Sprachen, die sich ebenso wie Englisch durch die weltweite Kolonialisierung von Europa aus verbreitet haben. Was Karten uns erzählen: Oder wie sie es uns erzählen. Sie erzählen viel und sie erzählen schnell. Auf einen Blick erfassen wir auf einer Karte so viel, wie wir es in einem Satz nie ausdrücken könnten. Möchten Sie mehr erfahren, besuchen Sie uns im MoneyMuseum in Zürich, schmöckern Sie im Buch, entdecken Sie Münzen und aktuelle Ausstellungen.
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LEBE BEGEISTERT UND GEWINNE Frank Bettger hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der erfolgreichsten Verkäufer Amerikas hochgearbeitet. 1947 veröffentlicht er seine Erfahrungen im Buch «How I Raised Myself from Failure to Success in Selling» – das Buch wird ein durchschlagender Erfolg und hat sich bis heute als Longseller erhalten. Seine Tipps sind persönlich, einfach und ehrlich. Mit elf Jahren steht Frank Bettger Tag für Tag um halb fünf Uhr auf, um Zeitungen zu verkaufen. Wir schreiben das Jahr 1899 und der Junge trägt damit zum Überleben der vaterlosen Familie bei. 48 Jahre später ist Bettger einer der erfolgreichsten Verkäufer Amerikas und veröffentlicht seine Erfahrungen in einem Buch, das weltweit Anklang findet. Auf Deutsch erscheint es im Oesch Verlag unter dem Titel «Lebe begeistert und gewinne». Im Folgenden werde Ihnen – ganz frei nach Bettger – erzählen, was einen guten Verkäufer ausmacht. Vergessen wir alle denkbaren Verkaufstricks und beginnen wir mit drei grundlegenden Regeln der Kommunikation: Erstens: Höre dem Gegenüber zu und finde heraus, was es will. Zweitens: Frage deinen Partner nach Interessen, nach Gründen, nach dem Warum. Drittens: Gewinne Vertrauen, das du auch verdienst.
Seit über 50 Jahren das Standardwerk des Verkaufs Worum geht es hier eigentlich? Wenn wir etwas verkaufen möchten, dann spricht nichts dagegen, das so gut wie möglich zu tun. Und doch steht an erster Stelle hinter einem guten Verkäufer stets 41
ein integrer Mensch. Doch was ist ein integrer Mensch? Ich erzähle Ihnen dazu eine Geschichte aus Bettgers Buch: Als junger Verkäufer hat Frank Bettger für einen Versicherungsabschluss eine saftige Provision in Aussicht. Doch eine ärztliche Untersuchung seines Kunden ergibt für den Schadensfall keine vollständige Deckung des Mannes. Bettger fragt einen erfahrenen Kollegen, ob er es dem Kunden unbedingt sagen müsse, schliesslich wisse dieser es ja nicht. «Aber du weisst es», meint der Kollege. Für Bettger ein Schlüsselerlebnis. Er klärt den Kunden auf und schliesst die Versicherung trotzdem ab. Das ist integres Verhalten: ehrlich und aufrichtig. Bettgers Buch gilt auch heute noch als Standardwerk des Verkaufs. Erstaunlich ist dies schon nach über 50 Jahren. Ich habe mir überlegt, woran das liegt. Die Antwort ist einfach. Einerseits basieren die Tipps und Erzählungen auf einem fundierten Wissen, das in grossen Zügen zeitlos ist. Anderseits erzählt der Autor seine ganz eigene Geschichte. Diese beinhaltet nicht nur Erfolge und Anekdoten. Wir erleben Misserfolge und Lerneffekte mit, hören von Gesprächen und Begegnungen. Bettger beschreibt dabei Eigenschaften, die nicht nur einem Verkäufer dienen, sondern jedem Menschen, der auf seinem Gebiet Erfolg haben möchte. Dazu gehört natürlich der Schlüsselsatz aus dem Titel: Lebe begeistert. Tue das, was du tust, mit Begeisterung und Hingabe. Etwas fehlt noch. Etwas Zentrales. Der Autor formuliert es so: Kenne deinen Beruf in- und auswendig! Ich würde sagen: Es braucht vertiefte Sachkenntnis. Wer möchte schon eine Dienstleistung von jemandem beziehen, der von der Sache zu wenig versteht! Und so schliesst sich der Kreis. 42
Wer seinen Beruf mit Begeisterung und Freude ausführt, erwirbt Kenntnisse und weiss, wovon er spricht. Dadurch gewinnt er das berechtigte Vertrauen seiner Kunden. Handelt es sich dabei um eine glaubwürdige Persönlichkeit, die gut kommuniziert, ist der erfolgreiche Verkäufer geboren. Dies lässt sich sicher auf zahlreiche andere Berufe übertragen. Picken wir zum Abschluss drei Punkte heraus. Sie machen die Quintessenz dieses Longsellers aus. Wenn wir sie genau betrachten, haben sie kaum etwas mit dem Cliché eines Verkäufers zu tun. Vielleicht liegt der Erfolg dieses Mannes genau darin. Am Anfang steht der schlichte Rat: Sei ehrlich und gewinne Vertrauen! Die zweite, eher unerwartete Empfehlung heisst: Schweig und höre zu! Die Kernaussage schliesslich lautet: Tue das, was du tust, mit Begeisterung und Hingabe.
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DIE KRAFT POSITIVEN DENKENS
PEALE
DIE KRAFT POSITIVEN DENKENS
NORMAN VINCENT PEALE
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OESCH VERLAG
DIE KRAFT POSITIVEN DENKENS Die Kraft positiven Denkens. Wenn Sie diese vier Worte hören, wissen Sie vermutlich sofort, was damit gemeint ist. Vielleicht haben Sie ein Buch gelesen, das Ihnen die Methode des positiven Denkens näherbringen wollte. Doch wissen Sie, wer ganz am Anfang dieser Bewegung stand? Sein Name ist Norman Vincent Peale. Positives Denken oder positive Thinking geht davon aus, dass der Mensch durch positive Vorstellungen und Gedanken sein eigenes Leben zum Guten wenden kann. Ziel ist es, ein glücklicher und zufriedener Mensch zu sein – wer möchte das nicht? Beginnen wir bei uns selbst. Wie oft lassen wir uns vom Alltag gefangen nehmen, von Sorgen, die uns im Augenblick niederdrücken, aber mit etwas Distanz betrachtet so gross doch nicht sind. Nun kommt einer und sagt uns: Stopp, du musst nur deine Haltung dem Leben gegenüber ändern. Ich zeige dir, wie das geht. Dabei wirkt er nicht überheblich, im Gegenteil, bescheiden und überlegt. Vor allem ist er selbst von jedem Wort, das er sagt, überzeugt und lebt es selbst. Ein Bild von ihm genügt und wir wissen, ja, dieser Mann scheint ein Rezept für das Leben gefunden zu haben. Wir sprechen von Norman Vincent Peale, der 1898 in Ohio, USA, auf die Welt gekommen ist. In dieser weiten Landschaft Amerikas wächst Peale in einer Pastorenfamilie auf und studiert später Theologie. Etwa gleichzeitig mit seiner Heirat mit Ruth Stafford wird Peale Pfarrer an der reformierten Marble Collegiate Church in New York. Bekannt wird der Vater dreier Kinder durch eine wöchentliche eigene Radiosendung. Mit Vorträgen reist er um die halbe Welt. Sein erstes Buch, «The Power of Positive Thin45
king», wird anfangs mehrfach abgelehnt und erst 1952 veröffentlicht. Doch nun erobert es die Bestsellerliste der New York Times und hält sich über 186 Wochen lang – ein einsamer Rekord zu jener Zeit. Bereits 1953 erscheint die deutschsprachige Ausgabe unter dem Titel «Die Kraft positiven Denkens». Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. 30 weitere Bücher folgen. Peale wird zu einem der meistgelesenen Autoren weltweit. Was sind seine Ratschläge an die zahlreichen Leserinnen und Leser? Erstens: Vertraue in deine Fähigkeiten! Zweitens: Erwarte das Beste – und erreiche es! Drittens: Befreie dich von Sorgen! Viertens: Schaffe Momente der Ruhe im Alltag! Fünftens: Vertraue in die Kraft einer höheren Macht! Mit diesen einfachen Aussagen hat Peale die Menschen erreicht. Doch worin liegt sein Erfolg? Einerseits trifft er mit seiner Lebenshilfe einen Nerv der Zeit. Die Menschen suchen einen Ausweg aus einem Leben, dessen Tempo immer schneller wird. Anderseits speist Peale seine eigene Überzeugung aus dem Glauben. Seine Kernbotschaften erreichen die Leute aber unabhängig von ihrem Glaubenshintergrund. 1984 wird Norman Vincent Peale für sein Gesamtschaffen die amerikanische Freiheitsmedaille durch Präsident Reagan verliehen, die höchste Auszeichnung, die ein Amerikaner erwerben kann. Bis ins hohe Alter lebt Peale mit seiner Frau in New York, predigt, reist und schreibt. An Heiligabend 1993 stirbt Norman Vincent Peale 95-jährig. 46
Zum Abschluss gebe ich Ihnen drei Empfehlungen von Peale mit auf den Weg: Sag dir täglich: Dieser Tag ist der beste des Jahres. Bleibe ruhig und entspannt. Glaube an dich selbst!
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DER PAPALAGI Haben Sie sich schon mal überlegt, warum Sie Schuhe tragen? Oder warum Sie immer eine Geldbörse bei sich haben? Nein? Dann geht es Ihnen wie den meisten Europäern. Wir hinterfragen die Dinge unseres Alltags kaum. Aber einer hat es getan: der Südseehäuptling Tuiavii von Samoa. Seine Reden sind im reizenden Büchlein über den Papalagi erhalten, das der Oesch Verlag herausgibt. Papalagi bedeutet so viel wie der Weisse oder der Fremde. Vielleicht waren Sie wie ich in den 70er-Jahren jung. Dann kennen Sie den Papalagi mit grosser Wahrscheinlichkeit. Das kleine Bändchen erlebte zu jener Zeit gerade ein Revival. Doch weshalb wurde das 1920 erstmals erschienene Büchlein plötzlich wieder gelesen und ist bis heute aktuell geblieben? Ganz einfach: Häuptling Tuiavii aus Samoa hält den Weissen, uns Europäern, einen Spiegel vor. Wir sehen darin einen Menschen, der sich sehr weit von einer natürlichen Lebensweise entfernt hat. Der kritische Blick auf unser Leben, das von Industrialisierung und Kapitalismus geprägt ist, wird in einer bildlichen und naiven Sprache ausgedrückt. Leben Sie in einer Stadt? Dann sind Sie – nach unserem Häuptling – ein Spaltenmensch, der in steinernen Truhen lebt und sich mit Lendentüchern bedeckt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit leiden Sie an gewissen Tagen unter Stress. Doch Tuiavii schüttelt nur den Kopf darüber, dass der Papalagi nie Zeit hat, obwohl doch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang viel mehr Zeit da ist, als ein Mensch je gebrauchen kann. 49
Je schillernder der Südseehäuptling die Unsitten der Weissen beschreibt, desto mehr taucht im Gegenzug die Idylle der Südseeinsel Samoa auf. Es ist ein entspanntes, ein befreites Leben in der Natur, das wie ein Traum vor unserem inneren Auge aufsteigt. Doch zurück nach Europa: Kritisch beleuchtet der Südseehäuptling das runde Metall und das schwere Papier, das der Papalagi Geld nennt. Zwischen ihren Lendentüchern und zusammengefalteten harten Häuten schleppen es die Weissen herum, bei seinem Anblick leuchten die Augen und Speichel tritt sogar auf ihre Lippen. Erstaunt ist Tuiavii, dass man auch mit einem demütigen Lächeln und dem freundlichsten Blick nichts bezahlen kann, nein, im Gegenteil, sogar für die Geburt muss man bezahlen und nach dem Tod noch dafür, dass der Leib in die Erde gegeben und ein grosser Stein auf das Grab gerollt wird. Aber nicht alle, die Geld haben, arbeiten auch viel. Denn zahlreiche Weisse häufen das Geld an, das andere für sie gemacht haben, bringen es an einen gut behüteten Ort, bringen immer mehr dahin, bis sie eines Tages keine Arbeiter mehr brauchen, denn nun arbeitet das Geld selbst für sie. Wie dies ohne wilde Zauberei möglich ist, ist dem Häuptling nicht klar. Doch was willst du mit deinem vielen Gelde machen, fragt er, wenn du dich auf der Erde doch nicht viel mehr als einkleiden, deinen Hunger und Durst stillen kannst. Ja, er weiss sich in klugen Worten auszudrücken, unser Südseehäuptling. Doch wer ist er? Das werden wir wohl nie erfahren. Sicher ist, dass der Autor Erich Scheurmann 1914 auf Samoa lebt, wo er vom Ausbruch des 1. Weltkrieges überrascht wird. Zu diesem Zeitpunkt ist der 1878 in Hamburg geborene Schriftsteller an einer Weggabelung seines Lebens angelangt. Zusammen mit sei50
ner Frau musste er den frühen Tod ihrer drei Kinder verkraften. Die Reise nach Samoa, mit einem Vorschuss seines Verlegers finanziert, soll Distanz zu dem Geschehen schaffen. Über die USA verlässt Erich Scheurmann während der Kriegsjahre die Insel und kann erst 1918 nach Deutschland zurückkehren. 1920 erscheint der Papalagi und wird innert Kürze zum Kultbuch der Jugend. Nach der silbernen Hochzeit mit seiner Frau kommt es zur Trennung und Scheurmann lernt Anfang 30er-Jahre ein 17-jähriges Mädchen kennen, das seine zweite Frau wird. Zusammen hat das Paar sechs Kinder. 1957 stirbt Erich Scheurmann. Die Neuausgabe seines Werks erscheint erst 20 Jahre später, im Jahr 1977. Der Papalagi wurde weltweit von über 1,5 Millionen Leserinnen und Lesern gelesen. Er ist in zahlreiche europäische Sprachen sowie Chinesisch und Japanisch übersetzt worden. 2013 ist eine hebräische Ausgabe erschienen. Was könnte die Zeitlosigkeit dieses Werks besser belegen? Das ist in der Tat das erstaunlichste, dass der Text – obwohl bald 100-jährig – nie veraltet wirkt. Was bleibt uns kurz zusammengefasst vom Papalagi? Erstens: Er hält uns Europäern einen Spiegel unseres Lebens vor. Zweitens: Die Botschaft ist in den 20er- und 70er-Jahren genauso schlicht und kraftvoll wie heute. Drittens: Achte auf das Einfache.
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SAGEN SIE DOCH, WAS SIE WOLLEN! «Na, Frau Bach, mit dieser Arbeit können Sie aber keinen Blumentopf gewinnen!» Das hört sich nach Kritik an. Ist es auch. Kommt Ihnen das bekannt vor? Wie würden Sie denn darauf reagieren? Fragen Sie etwa: «Sagen Sie, was genau meinen Sie eigentlich mit Blumentopf?» Kaum, oder? Doch genau dies ist eine der Schlagfertigkeitsstrategien, die Saskia Schottelius vorschlägt. Sie ist Autorin des Buches «Sagen Sie doch, was Sie wollen!», das ich Ihnen kurz vorstellen werde. Aus den Kampfkünsten entlehnt die Autorin Tierformen, um die verschiedenen Stile von Schlagfertigkeit zu illustrieren. Wählen Sie zum Beispiel die Schnelligkeit und den Kampfgeist eines Leoparden. Stellen Sie sich mal vor, Sie werden angegriffen: «Na, wieder mal im Dunkeln in den Kleiderschrank gegriffen?» «Sie hätten mich mal gestern sehen sollen!» Eine souveräne Antwort. Für viele unliebsame Situationen gibt es ein klares Konzept, das aus drei Sätzen besteht. Erstens: Wie ist die Situation? Zweitens: Wie fühle ich mich? Drittens: Was will ich, das die Person tun soll? Ein Beispiel: Sie möchten sich in einer Sauna entspannen, aber leider spricht eine Gruppe sehr laut untereinander. Sie hören so 53
lange zu, bis Sie genervt zischen, sie sollen endlich aufhören zu sprechen. Aber es geht auch anders. «Sie unterhalten sich gerade sehr angeregt und wir sind hier in einer Sauna.» (Das ist die Situation) «Das stört mich.» (So fühle ich mich) «Bitte führen Sie doch Ihre Gespräche draussen weiter. Danke.» (Ich will, dass Sie das tun) Wenden Sie diese Methode auf unangenehme Treppenhausgespräche, Diskussionen mit Teenagern oder Mitreisenden im öffentlichen Verkehr an. Themenwechsel: Bitte denken Sie jetzt nicht an eine graue Maus! Hat es geklappt? Natürlich nicht. Sie konnten gar nicht anders, als an eine graue Maus zu denken. Das Beispiel ist bekannt, zeigt aber in einfacher Weise auf, was bei negativen Sätzen in unserem Denken geschieht. Wir können gar nicht anders, als das Negative mitzudenken. Deshalb ist es so wichtig, positiv zu formulieren, wo etwas positiv gemeint ist. Für uns und für die anderen. Vermutlich nützt es wenig, Ihrer Nachbarin zu sagen: «Machen Sie sich keine Sorgen!» «Es wird alles in Ordnung sein» tönt doch besser. Oder ein anderes Beispiel: «Gar nicht so übel» klingt zwar salopp, verfehlt aber seine Wirkung. Wieso darf es nicht einfach gut sein? Das Besondere an Saskia Schottelius’ Rhetorik-Ratgeber ist die Verknüpfung verschiedener Elemente. Sprachliche Kommunikation und Körpersprache sind ebenso ein Thema wie Tai-ChiÜbungen. Dies ist auch der Grund, weshalb Saskia Schottelius sich nicht nur fürs Sprechen, sondern auch fürs Schweigen einsetzt. Zum 54
richtigen Zeitpunkt. Kurz zusammengefasst gründet die Autorin ihren Ansatz auf folgenden Punkten: Auf die eigene Haltung kommt es an! Sprache und Körper bilden eine Einheit! Schlagfertigkeit ist lernbar! Die in diesem Booklet zusammengestellten Texte über Werke aus dem Conzett und Oesch Verlag sind als Videos auf der Website www.sunflower.ch zu sehen.
ALLE BEITRÄGE ALS VIDEOS
Fokus Buch: https://vimeopro.com/sunflowerfoundation/fokusbuch
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