Zwingli und das Geld
ZWINGLI UND DAS GELD Quellenmaterial zur Geburt des modernen Geldes
Das vorliegende Kapitel «Im Sinne des Allmächtigen: Verweltlichung der Klöster» ist ein Ausschnitt aus dem E-Book, das 2019 im Conzett Verlag erscheint. Es ist reich bebildert, beinhaltet viele Quellenangaben und umfasst gut 200 Seiten. Das E-Book ist auf Amazon und anderen digitalen Plattformen erhältlich.
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INHALT
Einführung: Zwingli und das Geld Quellenmaterial zur Geburt des modernen Geldes
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Im Sinn des Allmächtigen: Verweltlichung der Klöster
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Anhang
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EINFÜHRUNG
ZWINGLI UND DAS GELD
Quellenmaterial zur Geburt des modernen Geldes Von Hans Peter Treichler
Anlass Seit Huldrych Zwingli zu Jahresbeginn 1519 das Leutpriesteramt am Grossmünster übernahm, gilt 1519 als Reformationsjahr. Zürich und die reformierte Schweiz feiern 2019 die 500. Wiederkehr mit zahlreichen Anlässen: Vortragsreihen, Festakte, ein Spielfilm über Zwinglis Leben etc. Hierzu trägt das MoneyMuseum mit einer Publikation über das Verhältnis der Reformatoren zum Geldwesen bei. Sie erscheint als E-Book und schildert in leicht lesbarer und kurzweiliger Form, wie die Reformation die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Stadtstaates zu verändern half. Das Buch zeigt, wie der neue Glauben zu Zürichs Stellung als führender Wirtschaftsmacht beitrug.
Themen Die Reformation schafft neue Voraussetzungen für das Finanzwesen des Staates. Das Verbot des Solddienstes stoppt die Einkünfte durch Soldgelder und Pensionen. Sie werden aber mehr als aufgewogen durch die Aufhebung der Klöster; diese bringt erheblichen Zuwachs an Liegenschaften und Kapitalien. Das Besitzdenken verändert sich von Grund auf; Zwingli formuliert Geld als «soziales Kapital», das sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Besitzlosen orientieren soll. Die Aufnahme protestan4
tischer Flüchtlinge aus dem Tessin schafft neue Impulse für die Textilproduktion und das Handelswesen. Das Währungs- und Münzwesen des Stadtstaates wird aus der Optik des Alltags aus geschildert. Die Herausgabe der Zürcher Bibel schärft das Ohr für die Bedeutung der Sprache im sozialen und religiösen Bereich. Die durch das Bibelwort gestützte Aufwertung der Arbeit prägt das protestantische Arbeitsethos, das nicht nur zum wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt beiträgt, sondern sich bis ins 20. Jahrhundert als globaler sozialer und ökonomischer Impuls auswirkt. Wie beeinflusst die Reformation die Stellung der Frau in der städtischen Gesellschaft? Einführung des Ehegerichts.
Auftakt Zürich um 1500, seine wirtschaftliche und politische Position in der Eidgenossenschaft. Wie lebt es sich in der spätmittelalterlichen Stadt (Zunftwesen, gesellschaftliche Schichtung)? Das Unbehagen an der kirchlichen Ordnung (Pfründenwesen, sittenlose Priester, Ablasswirtschaft), das zur Berufung eines fortschrittlichen jungen Leutpriesters aus Einsiedeln führt.
Der Kampf gegen das Soldwesen Zwingli hat als Feldprediger der Glarner Truppen in Norditalien die unheilvolle Entwicklung der Fremden Dienste aus nächster Nähe verfolgt. Auswärtige Machthaber und ihre Handlanger in der Eidgenossenschaft, die «Pensionsherren», werben Bauernund Handwerksburschen für ihre Territorialkämpfe ab. Sie bringen das schnelle Geld ins Land, aber auch eine allgemeine Verrohung der Sitten. Zwingli wird zum erbitterten Gegner des Soldwesens und findet die Unterstützung einflussreicher Zürcher Führungskräfte. 5
Ab 1521 zieht sich Zürich aus den Abkommen mit fremden Mächten – vor allem der französischen Krone und dem Vatikan – zurück.
Die Aufhebung der Klöster Rund zwei Dutzend Klöster in Stadt und Land werden um 1525 verstaatlicht; ihr Besitz geht an den Staatsschatz über. Das Kapitel verfolgt im Detail die – freiwillige oder erzwungene Aufhebung – der geistlichen Institutionen und das Schicksal der Mönche und Nonnen. Eine zentrale Rolle spielt die Übergabe des allmächtigen Fraumünsterstifts an die Stadt; möglich wird sie durch die Weitsicht von Katharina von Zimmern, der letzten Äbtissin. Im Prinzip soll der Besitzzuwachs den Bedürftigen der Stadt und dem Fürsorgewesen im allgemeinen zukommen; in der Realität dient er der allgemeinen Äufnung der Staatskasse.
Reformation und Besitzdenken Wo immer sich die Reformatoren der ersten Stunde mit Besitz und Reichtum auseinandersetzen, ist der Begriff Geld negativ besetzt. In seinen Predigten setzt sich Zwingli intensiv mit dem Erwerbsdenken und der Anhäufung von Gütern auseinander, wobei er besonders die altgläubige Kirche mit ihrem ostentativ zur Schau gestellten Reichtum anprangert. Sein Ideal christlicher Bedürfnislosigkeit prägt das städtische Leben auch nach seinem Tod – die führenden Politiker des Regimes geben sich nach aussen bewusst bescheiden. Aber schon die zweite Hälfte des Jahrhunderts bringt eine Spekulationswelle.
Die Locarneser Glaubensflüchtlinge Dank seiner Solidaritätspolitik erhält Zürich um 1555 Zuzug von 6
einer kleinen Gruppe von Glaubensflüchtlingen aus dem Tessin. Sie bringen unerwartete Impulse, die das starre und selbstgenügsame Gefüge des Zünftesystems aufbrechen. Ihre Vernetzung im transnationalen Handel und ihre Kenntnisse in der Textilproduktion inspirieren auch einheimische Unternehmer. Was als Solidaritätsaktion unter Glaubensgenossen beginnt, leitet eine zentrale Episode der städtischen Wirtschaftsgeschichte ein. Die Zusammenarbeit einheimischer Unternehmer und zugezogener Fachleute lässt die ersten international tätigen Textilunternehmen entstehen – und bringt mit der Heimarbeit einen Ersatz für die Einnahmen aus fremden Kriegsdiensten.
Geld im Alltag Welche Währungen und Münzsorten zirkulieren am Stand der Marktfrau, womit bezahlt der Bauer seinen Grundzins? Wieviel verdient eine Pfarrersfamilie wie jene von Huldrych Zwingli? Wer gilt als arm, wer als wohlhabend?
Sprache und Glauben Als bedeutende Leistung der Zürcher Reformatoren gilt die Übersetzung der Bibel. Die erste vollständige Ausgabe in deutscher Sprache mit Altem und Neuem Testament erscheint 1531: die «Zürcher Bibel». Über die theologische und religiöse Bedeutung hinaus fasziniert sie durch den Umgang mit der deutschen Sprache, die eindeutig von Zwinglis Persönlichkeit geprägt wird. Als Prediger wie als Briefschreiber begeistert Zwingli durch treffende Vergleiche, farbige Ausdrücke, die auch die Umgangssprache mit einbeziehen, witzige Polemik und – mitunter auch derbem – Humor. Das lässt sich am besten belegen durch Passagen aus seinen Predigten, während das Bibeldeutsch in zahlreichen Neuaufla7
gen der Zürcher Bibel immer mehr der Standardsprache gewichen ist. Wenig bekannt ist, dass Zwingli, so wie manche seiner Reformatorenfreunde, an Vorzeichen und Himmels-erscheinungen glaubte, was einen Exkurs zum Volks- und Aberglauben seiner Zeit nahelegt.
Wertschätzung der Arbeit An die Stelle des Besitzes tritt als oberster Wert die Arbeit, die den Menschen von allen Geschöpfen Gottes unterscheidet. Sie ist ein «gut und göttlich Ding», das den Menschen nicht nur ernährt, sondern seinem Dasein eine Struktur gibt. «Die Arbeit lässt die Seele gesunden und ist auch dann noch ethische Pflicht, wenn keine materielle Notwendigkeit mehr besteht.» Da in einer Geldwirtschaft alle zu genügend Geld kommen mussten, bekam die bezahlte Arbeit hohen Stellenwert. Sie wurde von den Reformatoren zu einem Ideal erhoben. Eng damit verbunden ist der Begriff der Zeit und ihre Messung: Exkurs über die öffentlichen Uhren, die nach 1525 zahlreicher werden. Neue Rolle der Kirchenglocken, die den Tag strukturieren helfen.
Die Stellung der Frau Mit der Schaffung des Ehegerichts erhält die Frau grössere Handlungsfreiheit in Ehesachen, kann zum Beispiel eine Scheidung anstreben und durchsetzen.
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Die stattliche Anlage des Dominikanerinnenklosters Töss bei Winterthur gehört zu den zehn Klöstern und Stiften der Zürcher Landschaft, die um 1525 in den Besitz der Stadt übergehen – mitsamt ihrem Grundbesitz.
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IM SINN DES ALLMÄCHTIGEN: VERWELTLICHUNG DER KLÖSTER Gerade mal zwei Jahre braucht der Zürcher Rat für das Umsetzen einer Massnahme, die dem Staatswesen einen unerhörten Finanz- und Machtzuwachs bringt. Er verstaatlicht sämtliche Klöster und geistlichen Stifte auf seinem Gebiet und schlägt ihre Rechte und Besitztümer zum öffentlichen Gut. Zwischen 1523 und 1525 werden sieben geistliche Institute innerhalb der Stadtmauern aufgelöst, dazu zehn Klöster und Stifte auf Untertanengebiet. Eine Folge der sogenannten Säkularisation: Die Stadt muss jetzt die Einkünfte aus Tausenden von Bauerngütern verwalten, ebenso die Erträge zahlreicher Handwerksbetriebe wie Mühlen, Sägen oder Schmieden. Ganz zu schweigen vom Kirchenschmuck, von silbernen und goldenen Kruzifixen, Monstranzen und Kelchen. Sie gelangen in die städtische Münzstätte, wo sie der Münzmeister einschmilzt und zu Gulden oder Talern verarbeitet.
Für all dies muss die Stadt zahlreiche «Ämter» oder Verwaltungsstellen einrichten. Schon bald zeigt sich, dass die hier anfallenden Überschüsse die Soldgelder und Pensionen von einst um ein Mehrfaches übertreffen. Wenige Jahre nach der verlorenen Schlacht von Kappel (siehe Info 1, S. 38) hat Zürich seine Kriegsschulden beglichen, die Reparationszahlungen an die Innerschweizer Orte geleistet. Und im Jahre 1550 erwirbt Zürich vom 11
Johanniterorden die Güter und Herrschaftsrechte der Komturei Wädenswil. Mit diesem gewaltigen Gebietszuwachs von 40 Quadratkilometern sind die heute noch gültigen Kantonsgrenzen mehr oder weniger abgesteckt. Der neue Kurs steht fest: Expansion statt Ausbau nach innen.
Experiment Mushafen Einige Jahre später ist das einstige Predigerkloster zu einem der belebtesten Quartiere der Stadt geworden. Was die Zürcher Ratsherren in den verwinkelten Gebäulichkeiten des Bettelordens verwirklicht haben, ist ein revolutionäres, für seine Zeit einmaliges Sozialkonzept. Das «Spittel» vereinigt Krankenhaus, Altersund Pflegeasyl und Waisenheim. Es dient als Anlaufstelle für Randständige und funktioniert die einstige Klosterküche zum Mushafen um – eine Ausgabestelle für Gratismahlzeiten. Täglich werden bis zu 4000 Portionen verabreicht. Die Bedürftigen werden aber auch mit Kleidern, Schuhen und medizinischer Hilfe versorgt. Delegationen aus umliegenden Städten informieren sich an Ort und Stelle über das in Europa einzigartige Sozialzentrum; auswärtige Besucher staunen über die hier praktizierte Mischung von Wohltätigkeit und Nüchternheit. So der schottische Geistliche Gilbert Burnet, der sich durch das «Armenspittel» mit seinen 650 Insassen führen lässt. Die Anlage sei ganz einfach gehalten – very plain, and one of the Government there said to me very sensibly, that they thought it enough to maintain their poor as poor and did not judge it proper to lodge them as Princes. Die Zahlen rund um den Mushafen nehmen sich auch heute noch eindrücklich aus. Jährlich verbackt der Spitalmeister über 1000 Mütt Getreide (55 000 kg) zu Brot. Das «Mus», das der Mushafen verabreicht, ist ein Gemüse- und Getreidebrei; die Zutaten 12
liefern die Naturalabgaben aus den einstigen Gütern des Klosters. Die Spittelküche bietet weiter Mahlzeiten für die Insassen des Altersheims an – des hier angegliederten Pfrundhauses. Denn gegen eine Einkaufssumme können sich auch Angehörige der Mittelschicht «verleibdingen»: Sie erhalten Kost und Logis in einer der vielen Liegenschaften des ehemaligen Klosters. Naturgemäss weckt das Angebot des Almosenamts Ängste in der Bevölkerung. Das Spittel, so hiess es, locke liederliche Elemente aus den umliegenden Gemeinden an. Es gebe haufenweise «falsche» Arme, die erst ihr ganzes Hab und Gut verprassten und sich dann vor der Suppenküche anstellten. Solche schädlichen schlufinen und faulbeltzen würden wegen einem Stück Brot und einem Teller Suppe halbe Tage versäumen, die sie lieber einer nützlichen Tätigkeit widmen sollten. Schliesslich sah sich das Almosenamt zum Handeln gezwungen; die Almosenberechtigten mussten sich fortan mit einem Blechschildchen als «würdige» Arme ausweisen.
Klösterliche Geldwäsche Trotz solcher Bedenken verkörpert das Spittel das Anliegen der Reformatoren auf eindrückliche Art. Nienen anders dann zu Fördernus des göttlichen Worts sollten die dank der Klosteraufhebung gewonnenen Einkünfte eingesetzt werden, in tätiger Nächstenliebe, durch Armenspeisung und öffentliche Spitäler. Seit Zwinglis Amtsantritt galt die Devise, die Armen ab der gassen zu bringen. Die Klöster hätten diese Aufgabe auf sträfliche Weise vernachlässigt und vor allem der Selbstbereicherung gefrönt. Deshalb sei es nur gerecht, wenn ihre Einkünfte nun an das Sozialnetz des Almosenamts gingen und dem Ausbau des Schulwesens dienten. 13
In der Stadt Zürich waren es ausgerechnet die drei Klöster der Bettelorden, die der Bevölkerung die klaffende Lücke zwischen Ideal und Praxis täglich vor Augen geführt hatten. Die Dominikaner zu Predigern und die Franziskaner des Barfüsserklosters propagierten zwar das Ideal der Besitzlosigkeit, aber ihre Klöster nahmen einen grossen Teil der rechtsufrigen Stadt in Anspruch. Mit ihren weitläufigen Anlagen, inklusive Kirchen und Friedhöfen, besetzten sie mehr als vier Hektaren – über ein Zehntel des durch Limmat und Mauerring begrenzten Gebiets! Etwas bescheidener gab sich das Areal der Augustiner in der linksufrigen Stadt (eine Hektare). Allen drei gemeinsam war aber der Zynismus, mit dem sie sich über das Leitprinzip der Bettelorden hinwegsetzten: die Nachfolge Christi durch ein Leben voller Armut und Busse. Im Gegenteil – jedes der drei Klöster war durch Vergabungen und Stiftungen zu zahlreichen Ländereien gekommen. Die Erträge aus Zehnten, Grundzinsen und diversen Rechten füllten die Klosterscheunen und Klosterkassen. In der Stadt selbst konkurrenzierten die Bettelmönche den städtischen Klerus, rissen beispielsweise die lukrative geistliche Betreuung der Nonnenklöster an sich. Selbst der Friedhof bildete eine zusätzliche Einkommensquelle: Gegen den erbitterten Protest der Grossmünster-Chorherren boten sowohl Prediger wie Barfüsser Grabstätten auf ihren weitläufigen Kirchhöfen an und zogen happige Gebühren für Begräbnisse und Totenmessen ein. Um den Anschein der Bedürfnislosigkeit zu wahren, praktizierten ihre Zahlmeister eine Art Geldwäsche. Überschüsse der Predigermönche wurden in den Kassen des Oetenbachklosters deponiert – «als Deckung für das Predigerkloster, um ihnen mehr Armut zu bescheinigen», wie eine Schwester vom Oetenbach tadelnd anmerkte. 14
Razzia bei den Predigern Es erstaunt also nicht, dass die Behörden zuerst die Bettelorden ins Visier nahmen, als sie im Dezember 1524 die längst beschlossene Enteignung in die Tat umsetzten. Am dritten Tag des Monats drangen städtische Beamte ohne Voranmeldung ins Predigerkloster ein, riefen Abt, Mönche und Laienbrüder zusammen und überführten die drei Dutzend protestierenden Geistlichen ins benachbarte Barfüsserkloster – unter der Aufsicht bewaffneter Wachen! Auch hier wurden Abt und Konvent versammelt. Die überraschten Geistlichen erfuhren, fortan diene das beim heutigen Obergericht gelegene Kloster als ihr vorläufiges Heim. Ob sie zum neuen Glauben übertreten wollten, bleibe ihnen überlassen. Jüngeren Männern wurde nahegelegt, ein Handwerk zu erlernen oder an der neu gegründeten Theologischen Hochschule zu studieren. Wer in ein Kloster ausserhalb des Herrschaftsgebiets eintrete, habe Anrecht auf die Güter, die er beim Eintritt als Bettelmönch eingebracht habe. Bleibewilligen wurde eine Rente auf Lebenszeit und ein Platz in einem noch zu bestimmenden Auffangszentrum zugesichert – nur müssten sie in diesem Fall auf die Ausübung altgläubiger Praktiken verzichten: keine Messe, keine Sakramente, keine geistliche Betreuung von Nonnen, deren Klöster ohnehin in Kürze aufgelöst würden … Es waren diese oder ähnliche Regelungen, die bei der Aufhebung sämtlicher Klöster und Stifte zur Anwendung kommen sollten. Dass die Razzia im Predigerkloster in die erste Dezemberwoche 1524 fiel, hatte seinen tieferen Grund. In eben diesen Tagen zeichnete sich ab, dass mit dem Fraumünsterstift das wichtigste und prestigereichste Kloster der Region in städtischen Besitz übergehen würde – samt seinen umfangreichen Ländereien, seinen Rechten und Privilegien, die bis in das frühe Mittelalter zu15
rückreichten. In gewissem Sinn konnte Katharina von Zimmern, die aktuelle Priorin, noch immer als «Stadtherrin» gelten. Denn seit 1234 führte die Vorsteherin des Klosters den Titel «Reichsfürstin» und verwaltete im Auftrag des jeweiligen Reichsherrschers die königlichen Besitztümer der Region. Zwar gingen im 15. Jahrhundert zahlreiche Rechte an die Zürcher Bürgerschaft über, aber im Verwaltungs- und Gerichtswesen hatte das Fraumünsterstift immer noch das Sagen. Dazu passte allerdings schlecht, dass sich seit Beginn von Zwinglis Amtszeit die letzten Konventsschwestern abgesetzt hatten; ab 1524 bewohnte Äbtissin Katharina die weitläufigen Gebäulichkeiten ganz allein.
Friendly takeover Die Verzichtsurkunde, mit der sie das Stift mitsamt seinen umfangreichen Besitzungen und Rechten der Stadt übergab, rührt auch heute noch durch den persönlichen Tonfall an. Sie habe, schreibt Katharina, Amt und Besitz ohne Zwang, aus freiem Willen und voller Zutrauen übergeben – uff sölichs frys, guotz willens onbetzwungen. Dabei habe sie nach dem Ratschlag «ehrbarer und frommer Leute und gemäss unserem eigenen besten Willen und Wissen» gehandelt – mit vorgehaptem rate erlicher, fromer lute und unsser selbs besten verstentnuss der wirde der apty. Eindrücklich liest sich auch die Liste der übergebenen Urkunden: das Inventar, das dem zukünftigen Besitzer überhaupt erst die Verwaltung der neu erworbenen Rechte und Güter ermöglicht: sampt den fryhaitsbriefen, zinssbriefen und allen andern briefen, urbarbuechern, rödeln und registern uber alle zinss, zechenden, renndt, nutz, gult, lut und guot, amptlut und ämpteren und uber alles das, so söllich brieff, urbar, rödel und register innhaltend. Die Zürcher Behörden, so heisst es ab16
schliessend, «sollen darüber nach ihrem Gutdünken verfügen, wie sie es vor Gott dem Allmächtigen verantworten können» (siehe Zitat 1, S. 40). So wie die bleibewilligen Prediger- und Barfüssermönche erhält auch Katharina von Zimmern gewisse Privilegien und eine Rente auf Lebenszeit zugesprochen, die in ihrem Fall besonders grosszügig ausfällt: Wohnrecht auf Lebenszeit im stattlichen Äbtissinnenhaus des Fraumünsters, jährlich 180 Gulden in bar, dazu 100 Mütt Kernen (5500 kg entspelztes Getreide) und 65 Eimer Wein (7000 Liter). Dass die Übergabe des 700-jährigen ehrwürdigen Stifts derart reibungslos vor sich geht, hat die Stadt zweifellos der Umsicht und Uneigennützigkeit einer 45-jährigen Geistlichen zu verdanken: Für Äbtissin Katharina zählt einzig das Wohlergehen einer christlichen Gemeinschaft, deren Schicksal so eng mit jenem ihres Klosters verbunden ist. Dass sie das Wirken der Reformatoren von Beginn weg mit Wohlwollen verfolgt, hat wiederum mit dem persönlichen Einsatz Zwinglis zu tun. Er ist es, der die mächtigste Frau der Stadt über die Erneuerungsbestrebungen auf dem Laufenden hält. Mehrere seiner Schriften überreicht er ihr mit persönlicher Widmung – kurz, er ist einer jener «ehrbaren, frommen Leute», mit denen sich Katharina über ihr Vorgehen berät. Für die weltlichen Behörden aber ist Zwingli der Mann, der mit dem friendly takeover des Fraumünsterstifts ein Meisterstück der Diplomatie abgeliefert hat. Ab dem Stichdatum 8. Dezember tritt die Enteignung der Klöster in eine neue Phase ein; nichts kann den Prozess mehr aufhalten.
Clevere Selnauerinnen Gemessen an Besitz und politischem Einfluss gehörte das Frau17
münster im Spätmittelalter zu den Big Players unter den geistlichen Institutionen des Landes, durchaus vergleichbar mit dem Kloster Einsiedeln, dem ebenfalls ein Fürstabt vorstand (und das heute noch zu den drei grössten Grundbesitzern des Landes gehört). Solche Dimensionen sind allerdings kaum typisch für die zwanzig Zürcher Stifte und Klöster, die vorwiegend um 1525 in den Besitz des Stadtstaates übergingen. Einen realistischen Eindruck vom Ablauf und Umfang der Übernahme gibt da eher ein «mittleres» Kloster wie das Zisterzienserinnenstift Selnau, das knapp ausserhalb der Stadtmauern am unteren Lauf der Sihl lag. Wie verlief hier die Annexion durch die Stadt, wie viele Schwestern waren von ihr betroffen? Und wie sah deren weiteres Schicksal aus? Ein Visitationsbericht des Jahres 1514 gewährt manchen Einblick in den klösterlichen Alltag. Als Inspektoren hatte der Bischof in Konstanz die Äbte zweier angesehener Klöster aufgeboten – St. Urban im Luzernischen und Kappel im Knonaueramt. Ihr Rapport war durchaus wohlwollend. Es handle sich um eine hüpsche apty, gut geführt und mit beachtlichem Immobilienbesitz, vor allem im mittleren Sihlabschnitt und im Zürcher Unterland. Die meisten Bauerngüter – fünf bis sechs Dutzend – waren als Erblehen vergeben; hier ging die Pacht von einer Generation auf die nächste über. Kleinere Grundstücke empfing der Pächter oder «Lehensmann» als Handlehen, das nach drei bis sechs Jahren erneuert werden musste. Hinzu kamen zwei Mühlen am Sihlkanal und mehrere Rebberge sowie ein klosternaher Landwirtschaftsbetrieb, der Milch, Eier und Hühner für die Klosterküche abwarf. Die Einkünfte aus sämtlichen Gütern überstiegen bei weitem den täglichen Bedarf von rund zwanzig Schwestern und die Unterhaltskosten für Kirche, Kapitelhaus und Dormitorium. Die reichlichen Überschüsse erlaubten den Klostervorsteherin18
nen, aktive Erwerbspolitik zu betreiben. So wurden in den Handel gelangende Grundstücke zwischen Stadtmauer und Sihl konsequent aufgekauft, und mit dem Erwerb der Burg Manegg am Albishang gelang den Schwestern sogar ein regelrechter Immobiliencoup. Die in Notlage geratene Familie Manesse musste die Höhenburg samt ausgedehnten Wäldern und mehreren Höfen versteigern lassen; als Sieger gingen die cleveren Schwestern von Selnau hervor.
Fasnachtskeilerei: Priorin tödlich verunglückt Ein Grossteil der annektierten Klöster, so heisst es in einer Chronik, sei ohnehin «in Verfall und Verderbnis» geraten; ihre Auflösung sei nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Auf die solide positionierte Abtei in der Selnau trifft das mit Sicherheit nicht zu. Zwar lässt der eine und andere Abschnitt des Visitationsberichts auf eine gewisse Lockerung der Sitten schliessen – so wenn die Inspektoren den Klosterfrauen «alle unpassenden Kleider und Farben, auch allen weltlichen Tand wie ausgeschnittene Umhänge, Röcke, Hemden, Hauben, Schuhe und andere Dinge» verbieten. Offenbar erregten manche Nonnen den Ärger der ehrwürdigen Äbte, indem sie modische Koketterien der Bürgersfrauen nachäfften. Kam hinzu, dass man zur Fasnachtszeit einem kleinen Tanzanlass im Kloster nicht abgeneigt war. Das sei ein zerstörlikeit geistlichen wesens, tadelten die Besucher und geboten by der heiligen gehorsam der äptissin, priorin, und amptfrowen daz sy keine täntz im gotzhus lassen haben (siehe Zitat 2, S. 41). Damit erinnerten sie an einen tragischen Zwischenfall während der Fasnacht von 1497: Vermummte Burschen aus der Stadt drangen damals ins Sanktuarium ein, um ein täntzly mit den Nonnen zu improvisieren. Als sich die Priorin Elisabeth Walder 19
den Eindringlingen in den Weg stellte, kam es zu einem Gerangel. Dabei stürzte die Gottesfrau so unglücklich, dass sie ihren Verletzungen noch am gleichen Tag erlag. Umgekehrt begnügten sich die Klosterfrauen, allen Vorurteilen zum Trotz, mit kargen Mahlzeiten. Jedenfalls regten die Visitatoren an, man möge doch eine geschickte Köchin einstellen, «damit den Frauen die ihnen verabreichten Mahlzeiten schmecken und ihnen ihre Arbeit leichter fällt». 1525, auf dem Höhepunkt der Säkularisation, traten acht der verbleibenden 23 Nonnen aus. Die meisten verheirateten sich, andere liessen sich in einem Kloster der Innerschweiz nieder. Dreizehn Frauen übersiedelten ins Oetenbachkloster. Hier hatten die Behörden eine Auffangstelle eingerichtet, die den Bleibewilligen Kost und Logis sowie eine Jahresrente garantierte – und dies auf Lebzeiten! Kloster und Kirche in der Selnau wurden abgebrochen; die Erträge aus den Gütern kamen fortan dem Prediger-Spittel zugute. Was die lebenslängliche Versorgung betrifft, so hielten die Behörden ihr Versprechen ein. 1566, vierzig Jahre nach der Übernahme, starb im Oetenbach die letzte Nonne aus dem Auffangprogramm.
Fliessende Übergänge Vor Gott sind sie alle gleich, aber in der Bürgerschaft geniessen die Dominikanerinnen des Oetenbachklosters ein ungleich grösseres Prestige als ihre Schwestern in der Selnau. Die vielfach verwinkelten Gebäulichkeiten am Fuss des Lindenhofhügels bieten Platz für mindestens hundert geistliche Frauen; viele stammen aus der «gehobenen» Bürgerschicht und stiften bereits beim Eintritt beträchtliche Summen an das Klostergut. Entsprechend fliessen bei der Übernahme im Jahre 1525 schon einmal 80 000 20
Gulden in die Stadtkasse. Die jährlichen Einkünfte aus den Klostergütern und anderen Abgaben belaufen sich auf 2400 Gulden. Ein grosser Teil davon finanziert das «Blatternspital», das die Stadt jetzt in einem Gebäudeflügel einrichtet. In diesem Pflegeheim für Pockenkranke kommen auch die Schwestern zum Einsatz, die aus anderen Klöstern hierhergezogen sind. Zur Arbeit gezwungen wird aber niemand; viele ältere Frauen setzen sich ganz einfach mit ihrer Pfrund zur Ruhe. Oetenbach geniesst so viel Respekt, dass der Rat die Übernahme viel sorgfältiger inszeniert als an anderen Orten. Er weist Zwingli an, einige seiner Predigten in die Klosterkirche im Oetenbach zu verlegen und so den Boden vorzubereiten. Die Taktik geht auf, wohl auch wegen der charismatischen Ausstrahlung des Reformators. Zwölf von vierzig Nonnen treten schon 1523 aus, weitere folgen im nächsten Jahr. Wer austritt, erhält eine Pauschale von 75 Gulden. Vielen Schwestern werden sogar die Auslagen vergütet, die sie für das Ausschmücken ihrer Zellen gemacht haben: Die Ratsherren geben sich grosszügig. Eine Sonderrolle spielt das Grossmünster – kein Kloster im engeren Sinn, sondern ein weltliches Chorherrenstift, dessen 24 Chorherren in eigenen Häusern rund um das Münster wohnen. Da sie sich alle schon früh dem neuen Glauben anschliessen, behalten sie die Kontrolle über die Verwaltung der Einkünfte. Diese kommen einer neu errichteten Theologischen Fachschule zugute und dienen der Besoldung zahlreicher Landpfarrer – eine Rechtsform, die bis zum Ende des Ancien Régime Bestand hat.
Widerspenstiger Abt Fraumünster, Selnau und Oetenbach geben schon einmal einen Begriff vom Zuwachs an Besitz und Macht, den die Aufhebung 21
der Klöster dem Stadtstaat bringt. Noch fehlen in dieser Übersicht die geistlichen Institutionen der «Landschaft», des Herrschaftsgebiets ausserhalb der Stadtmauern. Im heutigen Bewusstsein sind sie kaum mehr präsent – obwohl diese zehn Klöster und Stifte (siehe Info 2, S. 39) in manchen Regionen über 70 Prozent des Grundbesitzes verfügten. Für die von ihnen abhängigen Lehensleute, die Bauern und Handwerker, stellten sie während Jahrhunderten die eigentliche «Herrschaft» dar, viel eher als das oft weit abgelegene Regime der Gnädigen Herren in Zürich. Das gilt besonders für zwei Klöster im äussersten Norden und Süden des heutigen Kantons: das Benediktinerkloster St. Georgen in Stein am Rhein und das Zisterzienserkloster Kappel nahe der Grenze zum katholischen Zug. Der Fall Stein am Rhein erinnert daran, dass es sich bei der Verstaatlichung kirchlicher Güter um einen massiven Rechtsbruch handelte, für den das Regime in Zürich einzig die religiöse Legitimation durch das Bibelwort ins Feld führen konnte. Darauf pochte auch Abt David von Winckelsheim – allerdings nicht aus ideellen Gründen, sondern um seine Verhandlungsposition zu stärken. Der rührige Gottesmann stellte mehrere Bedingungen für eine gütliche Übergabe: Die Stadt solle ihm eine stattliche Leibrente ausstellen und ihm als Alterssitz das Schloss Girsberg im benachbarten Waltalingen kaufen. Stattdessen beorderte der Zürcher Rat einen Schaffner ins Kloster und stellte den Abt unter Hausarrest. Die Wache konnte allerdings nicht verhindern, dass Winckelsheim eines Nachts über den Rhein nach Radolfzell floh, im Gepäck wertvolle Kleinodien und ebenso wertvolle Urkunden. Diese gelangten an König Ferdinand, der seinerseits gegen Zürichs Ansprüche protestierte und die Stadt in Jahrzehnte dauernde Streitigkeiten um die Klos22
tereinkünfte verwickelte. Schliesslich musste Zürich vorliebnehmen mit dem südlich des Rheins gelegenen Klosterbesitz und dem Klostergebäude selbst, in dem wichtige Urkunden und Wertgegenstände fehlten. Und bleyb das laer näst der Statt Zürych, kommentierte eine zeitgenössische Chronik mit hämischem Unterton. Im Falle von Kappel konnte sich die Stadt bis ins Jahr 1527 Zeit lassen. Abt Wolfgang Joner war ein Reformator der ersten Stunde und bereitete die Konventsherren sorgfältig auf den Kurswechsel vor. Auch hier enthält die Übergabeurkunde einige Bedingungen, mit denen Joner allerdings offene Türen einrennt – dass die neuen Besitzer nämlich die Mönche, so wyber nemend, möge versehen, mit einer Rente ausstatten müssten. Weiter verlangt er, dass ir an statt der abgethanen missbrüchen wöllind ein Reformation und verbesserung anrichten, die dem wort Gottes glychmässig sye. Glychmässig heisst hier «dem Bibelwort entsprechend»: eine Forderung, die eigentlich bereits erfüllt scheint.
Monstranzen im Weinfass Klosterschätze heimlich beiseiteschaffen, Nacht-und-Nebel-Aktionen: Sie betreffen vor allem jene Klöster, die ohnehin Zerrüttungssymptome zeigen. Im Augustinerstift Mariazell auf dem Beerenberg bei Winterthur herrschen angeblich «Verfall und Verderbnis». Geblieben sind noch vier Chorherren; vor ihnen haben abtrünnige Mönche «Kirchenzierden, Kreuze, Messkleider in Fässer eingepackt, um selbige ausser Landes zu führen». Die standhaften vier werden mit einem Leibdingsvertrag belohnt, der recht grosszügig ausfällt. Sie erhalten bis an ihr Lebensende jährlich 17 Mütt Kernen und fünf Saum Wein – also fast eine Tonne entspelztes Getreide und 900 Liter Wein, dazu 17 Gulden in bar. 23
Als «weitgehend verkommen» wird auch das Dominikanerinnenkloster Töss geschildert. Im Hochmittelalter galt die Abtei als Hochburg der Mystik; jetzt aber zeigen sich die vierzig verbliebenen Nonnen von der weltlichen Seite. Noch vor der Aufhebung teilen sie «Silber und Perlen» untereinander auf, erhalten aber trotzdem eine Leibrente und das Angebot, im Oetenbach ihre Pfrund zu beziehen. Turbulent geht es in der Prämonstratenserabtei Rüti bei Rapperswil zu, deren Konvent auf drei Mönche geschrumpft ist. Abt Felix Klauser lädt Wertsachen und kirchliches Gerät auf einen Karren und versucht sich nach dem katholisch gebliebenen Rapperswil durchzuschlagen – ohne Erfolg. Unterwegs greifen erzürnte Bauern die Fuhre auf und übergeben die Ladung den Behörden, plündern gleich auch noch das Kloster und das Ritterhaus Bubikon. Dergleichen ist undenkbar in Embrach. Die zwölf Chorherren des dortigen Stifts wenden sich selber an den Zürcher Bürgermeister und die Räte: Sie hätten nun genug vom singen, lesen, messhan, vigilgen, jarzit und was des dings ist. Statt sich mit Messen, Vigilien und Jahrzeiten und allerlei dings abzugeben, wollen sie lieber aktive christliche Fürsorge üben und dabei in schirm und gnad der Stadt bleiben. Man möge den Bleibewilligen doch eine Pfrund verleihen «und sie im Frieden absterben lassen». So geschah es auch; als erste geistliche Stiftung der Landschaft ging Embrach mit seinem ansehnlichen Besitz an die Stadt über, und dies noch vor der bahnbrechenden Annexion des Fraumünsters.
Herrschaft Wädenswil: ein Schnäppchen! Eine Sonderrolle haben die Häuser des Deutschordens inne, die 24
seit dem frühen Mittelalter bestehenden Niederlassungen der Johanniter (siehe Info 3, S. 40). Hier kommt eine simple Übernahme nicht in Frage; zu eng und zu vielfältig sind die Beziehungen zwischen der Stadt und dem Orden. So steht die Komturei Küsnacht seit dem Beginn von Zwinglis Amtstätigkeit im Lager der Reformierten; Komtur Konrad Schmid gehört zum Freundeskreis des Reformators und fällt mit ihm zusammen in der Schlacht von Kappel. Nach dem Tod von Schmid – Conrad Ferdinand Meyer hat ihm mit Der Rappe des Komturs eine seiner eindrücklichsten Balladen gewidmet – geht der Küsnachter Besitz an die Stadt: Ist also dem Rath als der rechten natürlichen Oberhand heimgefallen. Die Johanniterherrschaft Wädenswil mit der mächtigen Burg im Reidholz als Zentrum hat sich während 250 Jahren als eigenständiges kleines Staatswesen behauptet. Zu ihr gehören die Seegemeinden Wädenswil und Richterswil, die eine Art Puffer gegen die feindlich gesinnte Innerschweiz bilden. 1550 gelangt diese ganze Südwestecke des heutigen Kantons durch Kauf an die Stadt. Es ist dies die letzte bedeutende Gebietserweiterung; bei einer Kaufsumme von 20 000 Gulden gilt sie auch für damalige Begriffe als Schnäppchen. Komplizierter liegen die Dinge beim Zürcher Hauptsitz der Johanniter, der Komturei Bubikon. Durch Vergabungen aller Art ist hier ein gewaltiger Grundbesitz von 1100 ha zusammengekommen – rund 11 Quadratkilometer oder die Fläche der heutigen Oberländer Gemeinde Rüti! Die meisten dieser Güter liegen denn auch im Zürcher Oberland; zudem zieht Bubikon von über fünfzig Oberländer Dörfern und Weilern den grossen und kleinen Zehnten ein. Ein Kauf wie im Falle von Wädenswil übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der Stadt bei weitem; erst 25
im 17. und 18. Jahrhundert bringt sie die Bubiker Rechte und Güter etappenweise an sich.
Säkularisationsmasse Das Bistum Konstanz, zu dem Zürich gehört, umfasst 1350 Pfarreien und 350 Frauen- und Männerklöster. Die rigorose Verstaatlichungspolitik Zürichs bringt hier einen merklichen Aderlass: Gut acht Prozent der geistlichen Institutionen gehen innert kürzester Zeit an die Neugläubigen verloren, ebenso rund 150 Pfarrsprengel mitsamt ihren Kirchen und deren Einkünften und Kirchgeräten. Lässt sich diese Einbusse – oder andersherum: Zürichs Besitzzuwachs – mit konkreten Zahlen festschreiben? Wie gross war die «Säkularisationsmasse», um einen Begriff der Historikerzunft zu verwenden? Weder die Zeitgenossen noch der aktuelle Forschungsstand liefern eine umfassende Bilanz. Manche Hinweise finden sich in den Jahresrechnungen der «Ämter», die Zürich zur Verwaltung der neu eintreffenden Einkünfte schafft. Für praktisch alle aufgehobenen Klöster und Stifte wird ein Schaffner abgeordnet, der wiederum dem entsprechenden Amt in der Hauptstadt Rechenschaft schuldig ist. Postenjägerei und Konkurrenzdenken führen aber zu einem Kompetenzchaos, in das auch die Schaffung einer übergeordneten Instanz keine klaren Linien bringt. Eigentlich soll der 1533 ernannte Oberamtmann verwalten, was jetz von Klöstern und pfruonden fürschiessen mag. Um diese Überschüsse streiten sich aber auch das Seckelamt – die städtische Finanzstelle – und das Almosenamt. Nach Zwinglis Vorstellungen sollte diese Sozialstelle dafür sorgen, dass die neu gewonnenen Einkünfte den Armen und Kran26
ken und dem Schulwesen zugutekämen. Aber nach dem Tod des Reformators und einem Teil der politischen Führungsschicht in der Schlacht von Kappel drehte der Wind zugunsten anderer öffentlicher Anliegen. Wie erwähnt schaffte es Zürich in erstaunlich kurzer Zeit, die Kriegsschulden gegenüber den fünf katholischen Orten abzutragen – immerhin 20 000 Gulden. Mehr als doppelt so viel gab das Regime bis 1550 für den Erwerb neuer Herrschaften aus, so für das Schloss Laufen samt umliegenden Gütern, vor allem aber für die Johanniterherrschaft Wädenswil, die es neu als Landvogtei verwaltete. 1547 wurde das Obmannamt als Verwalter der städtischen Geldreserven bestimmt. Die Zielvorgabe: Es seien vorab die «Diener der Kirche» und die Armen zu unterstützen, für den Rest sei ein Fonds zu errichten, mit dem die Folgen von Teuerung, Krieg und sonst wie gefarlichen Zyten bekämpft würden (siehe Zitat 3, S. 42). Vorderhand herrschte dafür kein Bedarf: So reichlich flossen die Überschüsse der verschiedenen Ämter, dass ein Vierteljahrhundert später die im Grossmünster gehorteten Rücklagen bereits 200 000 Gulden ausmachten.
Rechnungsprüfer am Spieltisch Aus heutiger Sicht lässt sich kaum nachvollziehen, wie im Seckelamt als zentraler städtischer Finanzstelle gearbeitet wurde. Eine Übersicht über den gesamten Haushalt, wie er in den oberitalienischen Städten bereits üblich war, existierte nicht. Es gab weder Voranschläge noch Schlussrechnungen, und die jährliche Revision beschränkte sich auf die Jahresrechnungen der einzelnen Ämter; neben jenen der Klosterämter stammten sie von den «regulären» Departementen wie Bauamt, Forstamt oder Salzamt. Zwar lieferten alle Stellen jährlich einen dicken Folioband ab, der die 27
Einnahmen und Ausgaben auflistete. Diese Rechnungsbücher wurden aber mit römischen Ziffern statt mit den durchaus schon gebräuchlichen arabischen Zahlen geführt. Hinzu kam das unhandliche Münzsystem der Zeit, das nicht auf dem Dezimalsystem beruhte, sondern mit Multiplikatoren wie 8, 12 oder 20 arbeitete. Zusammen führte dies oft zu haarsträubenden Rechenfehlern. Zu ihrer Zeit wurden sie weder entdeckt noch korrigiert, dafür rufen sie bei heutigen Historikern, welche die dicken Bände im Staatsarchiv konsultieren, Kopfschütteln und Stirnrunzeln hervor: Wo hatten diese Rechnungsprüfer bloss ihre Augen? Oder war die jährliche Revision, auch Rechenablage genannt, blosse Formsache? Tatsächlich bestimmte der Rat jedes Jahr einen Ausschuss, der die Rechnungsbücher der einzelnen Ämter in Auszügen zusammenfasste und zuhanden der Regierung eine Art Bilanz erstellte. Die «Rechenherren» oder «Rechenräte» hatten aber so viele Bände zu bearbeiten, dass auch weniger versierte Rechner beigezogen wurden. Entsprechend einigte man sich auf eine möglichst einfache Zählmethode, die mit sogenannten Rechenpfennigen operierte – eine Art Jetons mit unterschiedlichen Zählwerten, wie sie auch bei heutigen Gesellschaftsspielen zum Einsatz kommen. Weiter brauchte es eine spezielle Unterlage mit schachbrettartigem Muster oder eine eigens gefertigte Tischplatte mit eingekerbten Feldern. Hier hatte jedes Quadrat einen vorgegebenen arithmetischen Wert, stand also für die römische I, V, X, L oder C. Das Vorgehen: Während ein Schreiber die von den Ämtern eingereichten Posten für Einnahmen vorlas, legten die Rechenherren entsprechende Jetons in die passenden Felder. Beim Posten Ausgaben wurden wertentsprechende Zählkörper wieder entfernt: 28
Addition und Subtraktion als rein manueller Vorgang, ohne Kopfrechnen oder schriftliches Nachrechnen! Der Saldo ergab sich aus den übrig gebliebenen Jetontürmchen; geriet man in die roten Zahlen, standen auch hier spezielle Felder zur Verfügung. Ein für Pannen extrem anfälliges Verfahren, das bereits beim Multiplizieren an seine Grenzen stiess! Auch bei grösseren Summen, einstürzenden Jetontürmchen oder beim Übertragen der Resultate vom Rechentisch auf Papier ergaben sich Probleme: Noch hatte Zürich seine Rolle als Stadt der Banken und Versicherungen nicht gefunden …
Edelmetalle Zur Zeit der Altgläubigen, so behauptet Chronist Johannes Stumpf, hätten Zürichs Kirchen und Klöster mit «Gold und Silber» geprunkt. Aber als diese Schätze im Zug der Säkularisation in den öffentlichen Besitz gelangten, fiel die Bilanz ernüchternd aus. So ist an Gold erfunden 90 Marck gelüttret, heisst es in der Edlibacher Chronik, daruss sind Guldin geschlagen. Setzt man die Mark mit 230 Gramm ein, so waren das 20 Kilogramm, was für rund 8200 Goldgulden reichte. Es waren die ersten Gulden, welche die Stadt in Eigenregie prägte und mit dem Profil von Karl dem Grossen, dem Reichsadler und dem Zürcher Wappen versah. Aber diese klassischen Symbole sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Reichtum und Prestige im öffentlichen Bewusstsein eher den matten Glanz von Silber verbreiteten. Das Gesamtgewicht der 1527 eingezogenen Silberschätze übertraf jenes der goldenen Preziosen bei weitem. Gut sechs damalige Zentner oder 320 Kilogramm kamen zusammen, die man aus Kelchen, Vortragekreuzen, Messkännchen und Hostientellern einschmolz, aus Mustrancen und Crucificten, silbrinen Särchen, Brustbil29
dern, Rouchvessern und vielerlei Beschlägen. Messbücher von (heute) unschätzbarem Wert wurden ihrer Einfassungen beraubt und dann kurzerhand verbrannt. Überhaupt behandelte man das Kirchengerät nicht als Kunstobjekt; vielmehr schätzte man es nach seinem Gehalt an Edelmetallen ein und zerstörte alles Übrige. Für das uswendig böggenwerck hatte der neue Glauben keinen Platz.
Prägerechte Eine seltsame Szene spielte sich im Mittelalter bisweilen vor den Augen staunender Bürgerinnen und Bürger ab. Ein stattlich gekleideter Herr überquerte mit gemessenem Schritt die Rathausbrücke; mit ausgestrecktem Arm trug er, für alle gut sichtbar, ein kleines Häufchen Münzen in der Hand. Auf seinem Gang zum Rathaus wurde er begleitet von mehreren ebenso stattlich gewandeten Herren, die das silbern glänzende Häufchen nicht aus den Augen liessen. Die kleine Zeremonie hiess «Münzgriff», und beim so sorgsam bewachten Bargeld handelte es sich um Pfennigmünzen. Die demonstrative Armhaltung und das Aufgebot angesehener Beobachter sollten aller Welt beweisen, dass während des Transports nicht geschummelt würde: kein heimliches Austauschen! Was im Rathaus ankam, waren frisch geprägte Pfennige, die hier durch Schmelzprobe auf ihren Feingehalt geprüft wurden. Grundsätzlich gehörte die «Münzgerechtigkeit» – das Recht, Münzen zu schlagen – seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts dem Fraumünsterstift. Weil aber die eine oder andere Fürstäbtissin ein kostlich leben geführt / und den Sekel gelährt, trat sie das Prägerecht vorübergehend (und gegen Entgelt) an die Bürgerschaft ab. So oder so bestand der Rat bei jeder Neuausgabe auf der kleinen Zeremo-
nie: Ihr Vertreter griff sich aus dem Kasten mit frisch geprägten Pfennigen eine Handvoll heraus und führte sie zur öffentlichen Überprüfung von der Münzstätte ins Rathaus. Der Seitenhieb mit dem kostlich leben stammt aus Hans Heinrich Bluntschlis Memorabilia Tigurina, und ganz offensichtlich missbilligt der Chronist das geistliche Prägemonopol. Das Fraumünster liesse auf ihre Münzen prägen ein verhüllet angesicht / gleich der Aebtissin Haubt – was hatte ein Nonnenprofil auf den Münzen einer freien Reichsstadt zu suchen? Ganz ähnlich dachten die Ratsherren des Mittelalters, die sich keineswegs damit begnügen mochten, auf einen finanziellen Engpass im Stift zu warten, um dann während beschränkter Zeit selber Münzen zu schlagen. Um 1350 traf endlich das ersehnte kaiserliche Privileg ein; Zürich errichtete eine Münzstätte im Zunfthaus zum Rüden und prägte fortan «Dickmünzen» mit höheren Denominationen, während sich das Fraumünster auf das Prägen von Pfennigen beschränken musste. Mit der Übergabe des Stifts von 1524 ging auch der Prägestempel für Pfennige definitiv an die Stadt. Sie war ihr eigener Münzherr und blieb es bis zur grossen Währungsreform des Jahres 1850.
Währungswirrwarr Als habe sich durch das so lange vorenthaltene Prägerecht eine Art Stau gebildet, gab die Stadt in der Folge eine erstaunliche Vielfalt von Münzen heraus. Dass manche Einheiten unter verschiedenen Bezeichnungen kursierten, machte den Geldmarkt nicht übersichtlicher. Der Dicken, eine Leitmünze des 16. Jahrhunderts, entsprachen 16 Schilling, der um 1550 lancierte Vierteltaler deren 18. Der Halbe Gulden entsprach dem Vierbätzler im Wert von zehn Schilling, der erst Ortsgulden, dann Oertli oder Bock 31
hiess. Einen numismatischen Sonderfall stellte der Kelchbatzen dar, eine Schöpfung der Innerschweizer Orte: Voller Entrüstung darüber, dass Zürich kirchliche Geräte zu Münzsilber umschmolz, überprägten sie den gewöhnlichen Zürcher Batzen mit einem Kelch und brachten ihn so wieder in Umlauf. Ein besonders stattlicher Taler erschien 1649. Er zeigte das Zürcher Doppelwappen mit zwei Löwen und trug die stolze Umschrift MONETA NOVA REPUBLICAE TIGURINA: Seit dem im Vorjahr geschlossenen Westfälischen Frieden war Zürich zur völkerrechtlich anerkannten Republik geworden! Im Jahre 1596 verlegten die Behörden die Münzstätte in die siebzig Jahre zuvor geräumte Kirche der Augustiner. Dass der Zürcher Münzmeister im einstigen Sitz eines Bettelordens den Reichtum der Stadt in schimmernde, symbolträchtige Formen hämmerte, bis hin zur Zürcher Goldkrone oder zum Achtdukatenstück, gehört zu den Paradoxen der städtischen Geldgeschichte. Zu dieser Geschichte gehört auch das Spannungsfeld zwischen Reichtum und Armut, zwischen Besitzdenken und Bedürfnislosigkeit.
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Amtshaus und Zehntenscheune des Kollegiatstifts Embrach. Die zwรถlf Chorherren bewohnten je ein eigenes Haus im Dorfzentrum. Radierung von David Herrliberger, um 1750.
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Das Kloster Stein am Rhein bildet ein eigenes, von einer Mauer umfasstes Quartier in der östlichen Ecke des Städtchens. Ausschnitt aus der Stadtansicht in Matthäus Merians Topographia Helvetiae, 1642.
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Predigerkirche und –kloster mit Kreuzgang. Das gesamte Quartier mitsamt den Amtsgebäuden wird nach der Aufhebung zu einem Sozialzentrum mit Spital, Armenhaus und Armenküche umgestaltet, dem Spittel. Ausschnitt aus dem Stadtplan von Jos Murer, 1576
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Klösterchen St. Martin auf dem Zürichberg. Die Ansicht aus dem Jahre 1780 zeigt noch zwei Flügel des einstigen Kreuzgangs.
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Die mächtige Burg Wädenswil ist bis 1450 der Sitz der Johanniterkomturei. Rekonstruktionsskizze von Johann Rudolf Rahn.
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Nonnen verlassen das Kloster Oetenbach. Aus der illustrierten Reformationschronik von Heinrich Bullinger, um 1600
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ANHANG
Info 1
Das Debakel von Kappel
Die Sache der Reformierten erlitt einen herben Rückschlag, als am 11. Oktober 1531 ein schlecht organisiertes Zürcher Heer bei Kappel im zürcherisch-zugerischen Grenzgebiet auf eine Innerschweizer Streitmacht traf. Der Konflikt zwischen alt- und neugläubigen Orten hatte sich weiter zugespitzt, als im Jahre 1528 auch Bern den reformierten Glauben übernahm. Auf Drängen Zwinglis und der «Falken» in der Zürcher Regierung suchte Zürich nun die militärische Entscheidung. Seine Truppen erlitten indes eine vernichtende Niederlage. Unter den 500 Gefallenen fand sich auch Huldrych Zwingli, der einen Teil der Zürcher Streitmacht angeführt hatte, ebenso zahlreiche führende Geistliche und Politiker der Limmatstadt. Der wenig später vereinbarte Waffenstillstand führte zum sogenannten Zweiten Landfrieden. Die Innerschweizer verzichteten auf weitere Feindseligkeiten, da eine Eskalation das Auseinanderbrechen der Eidgenossenschaft bedeutet hätte. Stadt und Landschaft Zürich blieben beim neuen Glauben, aber die Reformierten mussten bei der Konfessionsfreiheit in den kollektiv verwalteten Gemeinen Herrschaften (Aargau, Thurgau, Tessin) bedeutende Zugeständnisse machen.
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Info 2
Die Stadt Zürich annektiert Klöster und Stifte (um 1525)
Name
gehört zum Orden der ...
Bemerkungen
Zürich Stadt Fraumünster
Zisterzienser
Grossmünster
Weltliches Chorherrenstift
Prediger
Dominikaner
Barfüsser
Franziskaner
Augustiner
Augustiner
St. Verena
Augustiner
Oetenbach
Dominikaner
Freiwillige Übergabe durch Äbtissin Katharina von Zimmern, 8. Dezember 1524 Zur theologischen Akademie umgewandelt («Carolinum») Wird Fürsorgezentrum mit Spital, Pfrundhaus, Mushafen Auffangstelle für bleibewillige Mönche, später Obmannamt Verwaltung der Klosterämter, später städtische Münzstätte Kleinkloster an Froschaugasse Grösstes Kloster mit 40 Schwestern; wird Auffangstelle für bleibewillige Nonnen, Pockenspital
Zürich Landschaft Selnau
Zisterzienser
St. Martin
Augustiner
St. Peter, Embrach
Weltliches Kollegialstift
Rüti
Prämonstratenser
Töss
Dominikaner
Mariazell
Augustiner
Heiligberg
Weltliches Chorherrenstift
St. Georgen, Benediktiner Stein am Rhein Gfenn
Lazariter
Kappel
Zisterzienser
20 Schwestern, Besitz am unteren Sihllauf und im Unterland, Gebäude 1528 abgebrochen Kleinkloster am Zürichberg (Nähe Zoo), grosser Waldbesitz im Adlisberg 12 Chorherren, freiwillige Übergabe 1524 In Auflösung begriffen (drei Mönche), aber grosser Grundbesitz von 75 Bauernhöfen 40 Schwestern; ein Teil erhält Bleiberecht bis 1540er-Jahre Stift auf Beerenberg bei Winterthur, in Auflösung begriffen (vier Chorherren) Bei Winterthur gelegen; nicht mehr aktiv, Gebäude 1530 abgebrochen Umstrittene Annexion; Güter nördlich des Rheins gehen an Radolfzell Kleinkloster bei Dübendorf mit zwei Schwestern Freiwillige Übergabe 1527
Johanniterkomtureien Bubikon Küsnacht Wädenswil
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Deutschorden Deutschorden Deutschorden
Kauf, v.a. im 17. und 18. Jahrhundert Geht 1530 an die Stadt Kauf 1550
Info 3
Ritterbrüder und Priesterbrüder
Der Ritterorden der Johanniter, auch als Malteser- oder Deutschorden bekannt, ist eine europaweit tätige Gemeinschaft mit geistlichen wie weltlichen Mitgliedern. Seine Hauptziele: Verteidigung des Heiligen Landes und Betreuung kranker Pilger und Kreuzfahrer. In der Eidgenossenschaft entstehen erste Niederlassungen im 13. Jahrhundert, so das Zürcher Mutterhaus in Bubikon, eine Mischung aus Burg und Kloster. 1287 erwirbt der Orden Burg und Herrschaft Wädenswil, was ihm die Landeshoheit über ein 40 Quadratkilometer grosses Territorium einträgt. Zu den kleineren Niederlassungen gehört die Komturei Küsnacht. In allen drei Filialen finden sich Sympathisanten der Reformation, so in Wädenswil, wo die Johanniter schon vor der Übernahme durch Zürich (1550) manche Verwaltungsrechte an die Stadt abtreten. Zitat 1
Verzichtsurkunde
Die Äbtissin begibt sich uff sölichs frys, guotz willens onbetzwungen, besonder mit vorgehaptem rate erlicher, fromer lute und unsser selbs besten verstentnuss der wirde der apty, och des vermelten unssers gotzhus fryhaiten (…) sampt den fryhaitsbriefen, zinssbriefen und allen andern briefen, urbarbuechern, rödeln und registern uber alle zinss, zechenden, renndt, nutz, gult, lut und guot, amptlut und ämpteren und uber alles das, so söllich brieff, urbar, rödel und register innhaltend. Die Räte sollen darüber verfügen nach irem willen und gefallen und als si gott dem allmechtigen darumb antwurt geben wellent. (Zürichs letzte ..., S. 195 f., 200 f.) Und darauf haben wir frei- und gutwillig und ohne Zwang, sondern nach vorhergehender Beratung durch ehrbare und fromme Leute und gemäss unserem eigenen besten Willen und 41
Wissen auf die Abteiwürde und auf die Rechte des obgenannten Gotteshauses verzichtet, ebenso auf die Privilegien, Pachturkunden und andere Urkunden, auf die Urbarbücher, Rodel und Register aller Zinsen, Zehnten, Renten, Nutzungsrechte, Einkünfte und Hörigen und Güter, auf die Rechte über die Leute im Freiamt und die dortigen Ämter und auf alle Ansprüche, die diese Urkunden, Urbare, Rodel und Register beinhalten. Zürichs Räte sollen darüber nach ihrem Gutdünken verfügen, wie sie es vor Gott dem Allmächtigen verantworten können. Zitat 2
Visitationsbericht
Item verbietend wir allen frowen alle unordentlich kleider, farwen ouch weltlich zierd als usgeschnitten schuben, röck, hembden, huben, schuo und anders so sich weltlich lüt glichent. Wir wellent und gebieten ouch daz die port zu allen zitten nacht und tag becshlossen sy. Item so dan die liechtfertig des tantzes ist ein zerstörlikeit geistlichen wesens (…) verbietend wir by der heiligen gehorsam der äptissin, priorin, und amptfrowen daz sy keine tantz im gotzhus lassen haben. (…) Item darmit murmeryen die niemer zu nutz ist vermitten werden gebietend wir der eptissin inen ir pfründen trüwlich gelangen lassen als vil es den im gotzhaus vermögen ist und ouch die kuchen mit einer erbern geschickten köchin versehen, dar durch die frowen der spis so man inen gibt mögen gefröidt und die arbeit dester ringer erliden. Item verbieten wir allen Frauen alle unpassenden Kleider und Farben, ebenso weltlichen Tand wie ausgeschnittene Umhänge, Röcke, Hemden, Hauben, Schuhe und andere Dinge, mit denen sie weltlichen Leuten gleichsehen. Wir wollen und verordnen auch, dass die Pforte zu allen Tages- und Nachtzeiten verschlos42
sen bleibt. Item, weil die Leichtfertigkeit des Tanzes dem geistlichen Wesen zuwiderläuft, verbieten wir im Namen der heiligen Gehorsamspflicht der Äbtissin, der Priorin und den Amtsfrauen, Tanzanlässe im Gotteshaus zu dulden. (…) Item, um Beschwerden zu vermeiden, die niemandem etwas nützen, gebieten wir der Äbtissin, ihnen (den Nonnen, HPT) ihre Pfründen getreulich zukommen zu lassen, so gut es dem Gotteshaus möglich ist, auch für die Küche eine ehrbare und erfahrene Köchin einzustellen, damit den Frauen die ihnen verabreichten Mahlzeiten schmecken und ihnen ihre Arbeit leichter fällt. Zitat 3
Zielsetzung Obmannamt
1547 wird bestimmt, das vorab die diener der kilchen, ouch die armen zuo erhalten, demnach uss dem überigen und ersparten in türungen, kriegen und gefarlichen Zyten hilf und trost zuo bewysen und mit zuo teilen sige und dann heiter am tag ligt, das alda ein treffenlicher ufgang und nutz vorhanden. Es sind in erster Linie die Diener der Kirche und die Armen zu unterstützen, weiter sollen aus dem Überschuss und den Ersparnissen im Falle grosser Teuerung, in kriegerischen und sonstwie gefährlichen Zeiten Unterstützung und Trost bereitgestellt und ausgerichtet werden. Daraus ergibt sich ganz klar, dass hier ein wichtiger und nützlicher Rückhalt bereitliegt.
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Die Welt hängt heute in einem geradezu unvorstellbaren Masse von Geld ab. Was bedeutet das? Die Sunflower Foundation stellt sich dieser Frage.
www.sunflower.ch