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DATA MODELLING IM OT-UMFELD

Die Digitalisierung der Industrie bringt vor allem eines mit sich: Daten. Die Herausforderungen bei der Nutzung dieser Daten besteht jedoch nicht in deren Menge, sondern in deren Heterogenität. Datenmodelle können uns helfen, heterogene Daten in eine einheitliche Form zu bringen und somit nutzbar zu machen.

Wir Automatisierer arbeiten seit Jahrzehnten mit den heterogenen Daten der OT-Welt. Es sind die Bits und Bytes, die wir beständig in den Datenbausteinen unserer SPSen verarbeiten. Prozesswerte, Sensormessungen, Soll- und Istwerte und so weiter … Wir erfassen diese Daten von unterschiedlichen Maschinen und Prozessen und nutzen sie auf den Ebenen der Automatisierungspyramide. Klingt ziemlich komplex, oder?

Ist es letztlich auch. Herausforderungen bei der Digitalisierung der Industrie sind die Vielfalt und die Heterogenität der Daten. Wie möchte ich zwei Maschinen von unterschiedlichen Herstellern vergleichen, wenn diese komplett unterschiedliche Daten liefern? Das Problem ist nicht neu, und seit Jahren suchen unterschiedliche Branchen mehr oder weniger erfolgreich nach Lösungen. Einheitlich definierte Kennzahlen wie OEE oder Standards wie PackML oder CIM sind das Ergebnis dieser Suche und haben sicherlich schon viel bewirkt.

Standardisierung Kann

AUCH DEUTLICH WEITER GEHEN…

Von einer Maschine, die dem PackML-Standard genügt, können wir Automatisierer einen fest definierten Satz an Informationen erwarten – unabhängig von ihrem Hersteller oder interner Funktionsweise. Das ist ein guter Anfang, der die vertikale Integration von Maschinen merklich erleichtert, aber man kann auch deutlich weiter gehen.

Ein Beispiel hierfür ist das Module Type Package aus dem Umfeld der Prozessindustrie. Vereinfacht ausgedrückt ist das MTP ein Beschreibungsformat für eine prozesstechnische Ein- heit, das nicht nur Informationen über die von der Maschine bereitgestellten Daten enthält, sondern auch über die angebotenen Services – also die grundsätzliche Funktion. Über dieses Beschreibungsformat kann eine Maschine mit nur wenigen Klicks in die Prozessautomatisierung integriert und ihre Funktionalität genutzt werden (www.copadata.com/de/branchen/ mtp-modulare-produktion/).

DATENMODELLE ERLEICHTERN

NICHT NUR DIE VERTIKALE INTEGRATION

Eines haben die bisher genannten Ansätze PackML, CIM und MTP allerdings gemein: Sie schaffen Standardisierung dadurch, dass die heterogenen und herstellerspezifischen Quelldaten in ein homogenes und beschreibbares Datenmodell überführt werden. Maschinen, Linien und ganze Prozesse erhalten so ein definiertes Interface, über das sie beobachtet, bedient und analysiert werden können. Das erleichtert die vertikale Integration von OT-Equipment natürlich enorm. Doch welchen weiteren Benefit haben diese Modelle?

AUFBRECHEN VON

DOMÄNENGRENZEN UND ÖFFNEN DES MARKTES

Die Software- und Datenlandschaft in einem Produktionsunternehmen lässt sich in eine vertikale Hierarchie von Abstraktionsebenen unterteilen. Ganz unten und wenig abstrakt, also sehr nah an den physikalischen Vorgängen, ist die SPS. Ganz oben ist das ERP-System mit seinen aggregierten Kennzahlen, Kostenstellen und Bilanzen. Und irgendwo dazwischen spielen sich Dinge wie HMI, SCADA, PLT und DCS ab.

Seit jeher ist es das Interesse von Lieferanten, ihre Kunden mit einem möglichst großen Teil dieser Vertikalen Hierarchie zu beliefern – „Vendor Lock-in“ ist das Zauberwort. Historisch hat in der OT-Branche daher fast jeder größere Hersteller von Automatisierungskomponenten auf proprietäre Lösungen für die vertikale Integration gesetzt. Wenn die grüne SPS nur mit dem grünen HMI und der grünen PLT kommunizieren kann, dann muss man als Kunde wohl oder übel alles am Stück und in Grün kaufen.

Da die Kompetenz auch der besten Komponentenlieferanten jedoch endlich ist, wird kein Hersteller auf allen Ebenen der vertikalen Integration die Best-in-Class-Lösung bereitstellen können. Für Sie als Kunden ergibt es daher Sinn, sich aus den Regalen verschiedener Hersteller zu bedienen.

Im unteren Teil der vertikalen Integration unterstützen seit einigen Jah ren Standards wie OPC UA dabei, dass dies möglich ist. Sie sorgen so für mehr Wettbewerb in der Branche und eine freiere Auswahl für die Anwender.

Genau die gleiche Funktion können nun standardisierte Datenmodelle in den oberen Schichten der vertikalen Integration erfüllen. Eine prozesstechnische Maschine, die den MTP-Standard nutzt, lässt sich in jede beliebige Software einbinden, die ebenfalls diesen Standard nutzt – Vendor Lock-in ade. Dadurch wird der Markt nicht nur zwischen den etablierten Herstellern kompetitiver, er öffnet sich auch gleichzeitig für neue Mitspieler. Für Sie als Anwender kann das nur gut sein.

Demokratisierung Von Information

Im OT-Umfeld begegnen uns komplexe Prozesse und Maschinen. Jahrzehntelang haben Ingenieure eine unzählbare Menge an Gehirnzellen investiert, um die Herausforderungen bei der Produktion unserer Güter auf möglichst elegante Weise zu lösen. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Daten aus diesen Prozessen ebenfalls recht komplex sein können. Um sie wirklich interpretieren zu können, ist daher einiges an Domänenwissen notwendig.

Dieser Umstand wird noch dadurch erschwert, dass die Struktur und die Benennung der Daten häufig eher funktionalen Anforderungen folgen, als sich an leichter Verständlichkeit zu orientieren. So ergibt der Variablenname „A1_MC_ P0_DB3_Conv_Rot_Act“ aus Sicht eines SPS-Programmierers eventuell Sinn. Für den Business-Analysten ist er leider vollkommen nutzlos. Wenn diese Information sich jedoch in einem Datenmodell unter dem Punkt Abfüllmaschine->BandGeschwindigkeit wiederfindet, wird sie auch für Menschen mit weniger Expertenwissen interpretierbar.

Datenmodelle haben einen großen Mehrwert: Sie transportieren implizit Domänenwissen und geben Daten vereinfacht und strukturiert weiter. Somit wird die Einstiegshürde für die Interpretation der Daten deutlich gesenkt und die Informationen für viele Parteien leichter zugänglich gemacht. Die Grenzen zwischen Wissensdomänen und Applikationen werden so abgebaut.

Insbesondere im Zuge der Digitalisierung bzw. IT/OT-Konvergenz ist dies ein nennenswerter Vorteil.

Das Problem

ZWEITER ORDNUNG: HETEROGENE DATENMODELLE

Aus der Sicht eines Softwareherstellers, wie COPA-DATA, der branchenübergreifende Digitalisierungslösungen anbietet, entwickelt sich derzeit ein Problem zweiter Ordnung: In verschiedenen Branchen entstehen standardisierte Datenmodelle, diese Modelle sind aber untereinander häufig nicht kompatibel.

Es drohen somit wieder Grenzen und Inkompatibilitäten zu entstehen, die die vertikale oder horizontale Integration erschweren. Bereits heute nehmen wir uns dieser Herausforderung an und entwickeln für die kommenden Versionen der zenon Software Platform hochgradig flexible Werkzeuge für die Modellierung von Daten – branchenübergreifend.

PHILIPP SCHMIDT

Freelancer Industrial Digitalization philipp.schmidt@ps-it-solutions.com

Seit über zehn Jahren bewegt sich Philipp Schmidt im Umfeld der Industriedigitalisierung und hat den innovativen Wandel von Beginn an mitgestaltet. Als Teil des COPA-DATA Product Managements hat er die zenon Softwareplattform zukunftsfähig weiterentwickelt. Heute begleitet er als Freelancer Unternehmen bei der Erstellung und Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategie.

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