Information Unlimited Vol. 36: KRISENKLIMA?

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Welche Zukunft wollen wir hinterlassen? U TO P IA VO N D I G ITA LI S I ER U N G U N D LÖS U N G D ER K LI M A K R I S E I M KO NTE X T VO N COVI D -1 9

Kennen Sie den Begriff „Rebound-Effekt“? In der Energieökonomie beschreibt dieser Begriff die Effekte, die dazu führen, dass das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen nicht oder nur teilweise erzielt wird.(1)

Der Rebound-Effekt ist ein ziemlich kurioses Phänomen: Wir tun möglichst viel, um Energie, Wasser und andere Rohstoffe zu sparen. Doch am Ende ändert sich an unserem Fußabdruck, an unserer CO2-Bilanz nicht viel. Schuld ist meist unser Nutzungsverhalten, aber auch oft die Produktionsweise. Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass Autofahrer, die sich nach eigener Wahrnehmung ein „ökologisches“ Auto zugelegt haben, ein Jahr nach dessen Kauf gut 1,6-mal mehr Kilometer als mit ihrem herkömmlichen Auto gefahren sind und damit den positiven Effekt des ökologischen Autos relativiert haben.(2) Ein Beispiel für eine fehlgeleitete Produktionsweise ist, wenn die Produktion des Elektroautos und die Herstellung oder Entsorgung der Batterien die Ökobilanz ebenso wieder zunichtemachen, wie wenn der Großteil des Ladestroms aus Kohlekraftwerken stammt. Ähnliches wird vorhergesehen als Resultat der derzeitigen #covid19-Krise: Der weltweite CO2-Ausstoß wurde für einige Monate zurückgefahren, um dann – wenn die Wirtschaft wieder in die Vollen geht – über dem Durchschnitt der Jahre vor der Pandemie zu liegen. REBOUND-EFFEKTE IM KONTEXT DER DIGITALISIERUNG Schaut man auf den Kontext der Digitalisierung, dann gibt es derzeit ganz unterschiedliche Meinungen, inwieweit die Rebound-Effekte in der Industrie 4.0 – einer stärkeren Verschmelzung von physischer und virtueller Welt in der Leistungserstellung – zutreffen und vor allem in welcher Art. Fangen wir mit den positiven Wirkungen an: Digitalisierung erhöht die Effizienz und senkt die Kosten entlang der Wertschöpfungskette vor allem durch Realtime Monitoring über Sensorik, Software und Kommunikationskanäle.

Es werden Modellbildungen durch Bewertung der Daten in Echtzeit über künstliche Intelligenz und Cloud ermöglicht, die man dann wieder über Edge Computing dezentral anwenden kann. Außerdem können Handlungsimpulse zielgenau an Menschen und Maschinen in Echtzeit über digitale Medien (vor allem Social Media) kommuniziert werden. Insgesamt werden diesen Wirkungen ein hohes Energie- und Rohstoffeffizienzpotenzial attestiert. Trotzdem gibt es im Bereich der Digitalisierung Rebound-Effekte: Erst seit Kurzem wird auf den enormen Energieverbrauch von Rechenzentren, Servern und Endgeräten zur Bereitstellung von digitalen Dienstleistungen hingewiesen. Bis 2030 werden schätzungsweise 9.000 Terawattstunden – das sind 9.000 Milliarden Kilowattstunden – in Digitalisierung fließen. Das ist so viel Strom, wie heute die Europäische Union und China zusammen verbrauchen(3) – und torpediert klar die Zielsetzung der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden. TECHNISCHE INNOVATIONEN HABEN UNS DEN WOHLSTAND GEBRACHT – WAS MACHT DIE DIGITALISIERUNG MIT UNS? Eine Vielzahl an technischen Innovationen haben das Leben der Menschen in den letzten hundert Jahren dramatisch verändert und beschleunigt: Wir leben heute in vorwiegend demokratischen, sozialen und rechtsstaatlichen Verhältnissen und weiten Teilen der Menschheit geht es heute besser als je zuvor. Die nächsten Dekaden werden geprägt sein von einem Wandel, der durch die Digitalisierung befeuert wird. Welche Rebound-Effekte diese digitalen Innovationen haben werden, können wir heute nur erahnen. Das muss sich ändern, wenn wir nicht wollen, dass wir kontinuierlich unsere planetaren Grenzen überschreiten.

(1) Bin s wanger, M. ( 20 01): Technologic al progre s s and s u s tainable de velopment: what ab out the reb ound e f fec t? E c ologic al E c onomic s 36 (1), S. 119 -132. ( 2) Santar iu s , T. ( 2012): D er Reb ound-E f fek t: Ü b er die uner w ün s chten Folgen der er w ün s chten E nergiee f f i z ien z , Wupp er tal In s t it ut f ür K lima, Umwelt, E nergie, epub.w upp er in s t.org/f rontdoor/deliver/inde x/doc Id/4 219/f ile/ ImpW5.p df, Zugang am 24.8 .2020. ( 3) Richard, P., Limb acher, E .-L ., E ngelhardt, T. ( 2017): Analys e der mit erhöhtem I T-E in s at z verbundenen E nergie verbräuche infolge der z unehmenden D igitali s ier ung, w w w.dena.de/f ileadmin/dena/ D ok umente/ Pdf/9232 _ dena-Me ta s t udie _ Analys e _ I T-E in s at z _ E nergie verbrae uche _ D igitali s ier ung.p df, Zugang am 24.8 .2020.


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