Information Unlimited Magazin Vol. 41 - Smarter Factories

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SPOTLIGHT

DIE SMART FACTORY – KI IN DER INDUSTRIELLEN ANWENDUNG Wir schreiben das Jahr 2010. Barack Obama ist Präsident der USA. Smartphones erobern die Welt. Die Finanzkrise scheint überwunden. Es herrscht Aufbruchstimmung. Gleichzeitig geschieht, unbemerkt von der Öffentlichkeit, in den Entwicklungsabteilungen innovativer IT-Unternehmen etwas Faszinierendes. Eine jahrzehntealte Technologie beginnt ihren kometenhaften Aufstieg zu einem der bedeutendsten Themen unserer Zeit: künstliche Intelligenz.

Die Konzepte, auf die heutige KI zurückzuführen ist, stammen aus den 1950er-Jahren und faszinierten schon damals die Wissenschaft. Die zu dieser Zeit entstandene Idee des „allgemeinen Problemlösers“ auf Basis neuronaler Netze ließ sich jedoch noch nicht umsetzen. Daran änderte auch ein erneuter Hype in den 1990er-Jahren nichts, als mit Deep Blue erstmals ein Computer gegen den damaligen Schachweltmeister Garry Kasparov gewann. Erst 2010 gilt als das Jahr der kommerziellen Wende für die praktische Anwendung von künstlicher Intelligenz. Im Wesentlichen hatten sich drei Dinge geändert: 1. Mit „Web 2.0“ geschah ein soziotechnischer Wandel, der zur vermehrten Nutzung des Internets und zum aktiven Teilen und Erzeugen von Content durch jedermann führte. Erst dadurch war eine große Menge an wirtschaftlich interessanten Daten verfügbar. 2. Fortschritte bei den Algorithmen, allen voran das Deep Learning, machten KI-Anwendungen leistungsfähiger und robuster. 3. Multi-Core-CPU-Architekturen machten Rechenleistung günstiger. In den folgenden Jahren rückt KI in den Fokus der „Big Five“. Google, Facebook, Amazon, Apple und Microsoft adaptieren die nun hochprofitable Technologie schnell und bauen auf ihr vollkommen neue Dienste und Geschäftsmodelle auf. Ihr Einsatzgebiet reicht von praktischen Helferlein, wie der Navigation im Auto über die Wettervorhersage auf dem Smartphone oder den intelligenten Assistenten für zu Hause bis hin zu komplexen Algorithmen, deren Zweck die Vorhersage und Beeinflussung von menschlichem Verhalten ist. Gemeinsam mit diesen Diensten hat KI inzwischen fast jeden Bereich unseres täglichen Lebens erreicht, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Heute, im Jahr 2023, erholen wir uns gerade vom ersten großen Knall, den KI erzeugt hat. Vor einigen Monaten hat OpenAI seine KI ChatGPT der Öffentlichkeit vorgestellt. Das darunterliegende Sprachmodell GPT-3.5 wurde auf Unmengen an Textdaten trainiert und ver-

fügt scheinbar nicht nur über einen enormen Wissensschatz, sondern auch über echtes Sprachverständnis. Ist die ursprüngliche Idee des „allgemeinen Problemlösers“ aus den 1950er-Jahren also zum Greifen nah? Die Leistungsfähigkeit dieser Modelle scheint so hoch, dass die ersten Propheten bereits Listen mit Jobs veröffentlichen, die es in fünf Jahren nicht mehr geben wird. Auch wenn dies etwas übertrieben wirkt, so sind die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen, die diese neue Technologie mit sich bringen wird, sicherlich bedeutsam, jedoch heute schwer abzuschätzen. WELCHE ROLLE SPIELTE KI IN DEN ANFÄNGEN DER VIERTEN INDUSTRIELLEN REVOLUTION? Etwa zeitgleich zum kommerziellen Erwachen von KI nahm die „Industrie 4.0“ Fahrt auf. Der Begriff entstand im Jahr 2011 als Teil der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung und wird im europäischen Sprachraum synonym zur „Digitalisierung“ verwendet. Im ursprünglichen Leitfaden finden sich neben den maßgeblichen Gestaltungsprinzipien (Vernetzung, Informationstransparenz, technische Assistenz und Dezentralität) auch Verweise auf den Einsatz von KI. Darüber, wie Industrieunternehmen im Zuge der Digitalisierung mit dem Thema KI umgegangen sind, kann ich einen Bericht aus erster Hand liefern, denn ich war an vorderster Front dabei. Ich habe im Jahr 2010 als junger Ingenieur bei COPA-DATA meinen ersten Job angetreten. Ich kam frisch und „beseelt“ aus einem anspruchsvollen Studium und war mit unbrechbarem Selbstvertrauen und dem Willen, die Welt im Alleingang zu verbessern, ausgestattet. Bei COPA-DATA wurde ich schnell „der Innovative“ und betreute neben weiteren Themen ab etwa 2013 maßgeblich den Bereich KI. Mit einem engagierten Team aus Vertriebsspezialisten und Data-Scientists besuchte ich interessierte Unternehmen sowohl aus dem Maschinenbau als auch aus der Produktion, um über Projekte im Bereich KI zu sprechen. Insbesondere in den ersten Jahren liefen

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