CI–Magazin # 41

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: EXTRTARIP

N DESIG ELES G LO S A N

DIE GEBURT DES NEUEN WOHNENS

MIT DEN LEGENDÄREN CASE STUDY HOUSES BEGANN DIE MODERNE

DIE ARBEIT TEILEN

MYTHOS LOS ANGELES LÄSSIGES LEBEN UND WOHNEN AN DER WESTKÜSTE WOHNEN + EINRICHTEN UND LEBEN + ARBEITEN

SOMMER 2017 13. JAHRGANG DEUTSCHLAND: 4,50 € SCHWEIZ: 8,– SFR EU-LÄNDER: 5,50 €

CO-WORKING IST DER SCHLÜSSEL ZU MEHR KREATIVITÄT UND PRODUKTIVITÄT



STANDPUNKT

Kalifornien bedeutet Freiheit von Konventionen KALIFORNIEN IST MIT WEITEM ABSTAND unsere Hauptinspirationsquelle. Vor allem natürlich, weil wir hier leben, aber auch, weil es für Freiheit von Konventionen und für grenzenlose Möglichkeiten steht. Außerdem haben wir immer sehr genau auf die geschaut, die nach dem Ersten Weltkrieg nach Amerika kamen und die Sehnsucht nach Freiheit und einem modernen Leben mitbrachten wie Josef und Anni Albers oder Mies van der Rohe, und ganz besonders auf die, die es nach Westen zog wie Rudolph Schindler und Richard Neutra. Für uns war die Verbindung zwischen CaliforniaDesign und der Wiener Sezession (und auch dem Bauhaus) immer besonders motivierend.

Commune Design ist eine 2004 in Los Angeles gegründete Gemeinschaft von gleichgesinnten, gesamtheitlich denkenden Architekten, Inneneinrichtern, Grafikdesignern, Künstlern, Kunsthandwerkern, Handwerkern und Baumeistern, die von den Leitern Roman Alonso und Steven Johanknecht geführt wird.

Wir blicken nach Osten, aber unsere Herzen sind fest im Westen verankert.

ROMAN ALONSO, KOGRÜNDER COMMUNE DESIGN STEVEN JOHANKNECHT, KOGRÜNDER COMMUNE DESIGN

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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INHALT

03 STANDPUNKT „FREI VON KONVENTIONEN“ Die Gründer von Commune Design über die Wurzeln des California-Designs

34 KLASSIKER

ISAMU NOGUCHIS COFFEE TABLE

06 TRENDSCOUT Lesenswert & wissenswert

Zwischen Möbelstück und Skulptur

PORTRÄT

ZU GAST IN DER KOMMUNE

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35 TRENDSCOUT News rund ums Einrichten

36 DESIGNTRIP LOS ANGELES

Bei Commune Design versammeln sich Gestalter, Architekten und Handwerker, die gleiche Werte schätzen 24

DIE KREATIV-HAUPTSTADT

L. A. kann nicht nur Film: Spektakuläre Projekte machen die Stadt zur blühenden Metropole in Sachen Kunst und Design 44 ARCHITEKTUR

WEGBEREITER DES MODERNEN WOHNENS

Für die Case Study Houses ent­warfen Architekten wie Eero Saarinen 23 innovative Prototyp-Häuser

52 DESIGNHISTORIE

TRAUMPAAR: CHARLES UND RAY EAMES

Ihre Entwürfe haben das amerikanische Design revolutioniert 44

54 TRENDSCOUT MEHR ALS NUR EIN BÜRO Die neue Art zu arbeiten erfordert auch eine ganz neue Gestaltung der Arbeitsplätze 62 TRENDSCOUT

NEUE LEBENSART

Co-Living ist die WG der Zukunft

64 TRENDSCOUT

ES WERDE LICHT

10 PANORAMA Architektur zum Staunen

USM Haller Möbel mit neuer Beleuchtung

66 SERIE: FAMOUS CHAIR Die „Mad Men“ und die Sofas von Florence Knoll

16 HOMESTORY

NEUER HIPPIESTIL

Wie Commune Design aus einer alten Villa das perfekte Familiendomizil machte – das zugleich „soooo L. A.“ ist

32 DESIGN

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3 TO WATCH

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Aufsteigerinnen, die man im Blick behalten soll MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Cover: Das Stahl House in den Hollywood Hills, eines der legendären Case Study Houses, wurde vom spanischen Hersteller Stua mit neuen Möbeln ausgestattet.


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Soft Modular Sofa Developed by Vitra in Switzerland Design: Jasper Morrison Ihren Vitra-Fachhändler finden Sie unter www.vitra.com/handel

www.vitra.com/softmodularsofa


TRENDSCOUT NEWS

VITRA

BEQUEMER SITZEN

KOMFORTABEL SOLL ES SEIN.

Das gilt auch für immer mehr Esstischstühle. Die Bouroullec-Brüder zum Beispiel präsentierten ihren Softshell Side Chair für Vitra auf dem Salone del Mobile in Mailand. Und selbst den Stuhlklassiker Standard von Jean Prouvé hat Vitra jetzt in der Version SR gepolstert im Programm. Das Grand Sofà von Antonio Citterio für Vitra eröffnet eine Vielzahl von Varianten. Citterios Sitzinsel soll ganz klar im Zentrum des Raumes stehen – verschmilzt die Sofalehne doch mit einer rückseitigen Ablage. VITRA.COM Als Raumteiler verwendbar Citterios Grand Sofà; vorn: der gepolsterte Stuhl Standard SR von Jean Prouvé

FOSCARINI

EINE LEUCHTE WIE EINE BUNTE HALSKETTE MIT WITZ UND FEINEN DETAILS

FRANCIS KÉRÉ

ARCHITEKT ZWISCHEN DEN WELTEN DER ARCHITEKT DIÉBÉDO FRANCIS KÉRÉ machte sich nicht nur mit seinen Entwürfen für Christoph Schlingensiefs Operndorf und – ganz aktuell – einem Entwurf für einen mobilen Bau der Berliner Volksbühne einen Namen. 2017 gestaltet Kéré auch den Serpentine Pavilion in London. Und für eine Schule in seinem Heimatdorf in Burkina Faso bekam er den renommier­ ten Aga-Khan-Preis. Kérés Häuser sind praktisch und elegant zugleich, sie zitieren die lokalen Formen und Farben und wir­ ken dennoch modern. Die erste Monografie zu seinem umfang­ reichen Werk bietet einen einzigartigen Einblick in seine Arbeit: „Francis Kéré – Radically Simple“ (Hatje Cantz, 208 Seiten).

punktet die neue Filo-Leuchte von Andrea Anastasio für Foscarini. Spielerisch verbinden sich Kugeln und Kolben aus Glas mit einem kegelförmigen Porzellankörper, der das Licht auf das Kabel und die Glaselemente lenkt. Die vielfarbigen Varianten reichen von Aquarelltönen und transparentem Murano-Glas über bunten Ethno­ style bis hin zu Neonfarben – so passt sich die Leuchte unter­ schiedlichsten Umgebungen an. Filo gibt es als Tisch-, Steh-, Decken- und Hängeleuchte.

HATJECANTZ.DE 6

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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TRENDSCOUT NEWS

CARL HANSEN & SON

IKONEN DES DÄNISCHEN DESIGNS RELOADED KAARE KLINT, MOGENS KOCH UND MOGENS LASSEN gehörten zu den ersten dänischen Möbeldesignern, die den Weg für den Funktionalismus ebneten. Alle drei spielten eine entscheidende Rolle für den dänischen Modernismus, der das Land in den 1950er-Jahren weltweit bekannt machte. Mit ihren visionären Ideen und ihrem Materialverständnis beeinflussten sie Ge­ nerationen dänischer und internationaler Möbeldesigner und schufen zahlreiche Möbelikonen. Carl Hansen & Son nimmt jetzt einige ihrer Modelle in seine Kollektion auf und erweitert so sein Angebot an modernen Möbelklassikern, die für ihre außergewöhnliche Handwerkskunst bekannt sind. Dazu gehören das Addition Sofa von Kaare Klint, der Folding Chair von Mogens Koch oder der historisch anmutende Egyptian Table von Mogens Lassen.

01 Kaare Klint hat das Sofa Addition bereits 1933 entworfen 02 Mogens Lassen stellte den Egyptian Table 1940 vor 03 Mogens Koch schuf 1932 den Folding Chair

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Designkatalog für Bürointerieur

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03 MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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TRENDSCOUT OUTDOOR NEWS

01 Mogambo heißt dieser Sonnenschirm von Paola Lenti 02 Sebastian Herkner hat für Dedon die Kollektion MBRACE entworfen 03 Stapelbarer Sessel Natal von Studio Segers für Tribù 04 Feuerkorb Norm von der dänschen Firma Menu A/S aus Kopenhagen

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06 Sofa Erica von Antonio Citterio für B&B Italia

NEUE GARTENMÖBEL

DRAUSSEN SCHÖNER WOHNEN

DIE TERRASSE wird zur Dining Lounge: Wir laden Freunde ein, verbringen mit der Familie ganze Tage unter freiem Himmel. Der kleine Rundgrill ist längst durch die Outdoor-Küche ersetzt – da reichen auch die guten alten Bierbänke und Klappstühle nicht mehr aus. Auf der Terrasse richten wir uns ein wie im Wohn- und Esszimmer. Gut, dass die Hersteller inzwischen Gartenmöbel im Programm haben, die den Indoor-Varianten in nichts nach­stehen. Große, modulartige Lounge­sofas waren auf den Messen im Frühling dieses Jahres weiterhin allgegenwärtig. Gleichzeitig gibt es filigranere Varianten wie das Modell Erica von B&B Italia, das auch auf

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05 Allaperto von Matteo Thun und Antonio Rodriguez für Ethimo

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einer kleineren Terrasse oder einem großen Balkon untergebracht werden kann. Ein Sessel wie Alla­ perto von Ethimo in tollem Retrolook findet ebenfalls überall Platz. Und Natal von Tribù ist sogar stapelbar. Zu den hochwertigen Möbeln gesellen sich Outdoor-Accessoires wie Kissen und Feuerkörbe. Und über allem schwebt ein Sonnenschirm, der nicht nur Schatten spendet, sondern ein visuelles Statement setzt: Paola Lenti zeigt mit Mogambo, wie das aussehen kann.

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WAS ZÄHLT SIND

ELEGANZ,

HARMONIE

UND SIE.

Know your classics USM pflegt die wohlüberlegte Reduktion: klassisches Design, klare Formen, unaufdringliche Eleganz.

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PANORAMA

TRAUMFABRIK EIN SIMPLER SCHRIFTZUG wurde zum Inbegriff der Kinoträume: Seit 1923 locken die Lettern in den Hollywood Hills – früher Bauherren, dann die großen Namen der Filmindustrie. Einst warb der Schriftzug „Hollywoodland“ für Grundstücke in den Hollywood Hills. Später wurde „land“ gestrichen, die Schrift mehrfach renoviert und unter Denkmalschutz gestellt. Die 14 Meter hohen Buchstaben sind heute Monument, Orientierungspunkt und Traumfänger zugleich. Nicht nur für alle, die nach L. A. kamen und geblieben sind.

WWW.HOLLYWOODSIGN.ORG


KULTURPALAST DAS 2015 ERÖFFNETE Museum The Broad beherbergt rund 2000 Meisterwerke moderner und zeitgenössischer Kunst auf mehr als 11 000 Quadratmetern auf zwei Etagen. Gestiftet von den Kunstsammlern Eli und Edythe Broad, zählt es zu den meistbesuchten Museen der Metropole – wohl auch, weil der Eintritt kostenlos ist. Gestaltet wurde der gleißend leuchtende 140-MillionenDollar-Bau vom New Yorker Architektenbüro Diller Scofidio + Renfro.

WWW.THEBROAD.ORG


PANORAMA


LOOK AT THIS! ABENDSTIMMUNG im Venice Skatepark. Wenn die Sonne über den Malibu Hills versinkt, wird es langsam ruhiger am legendären Venice Beach. Dort zeigt man sich gern – und noch lieber das, was man sich mühsam antrainiert hat. Hier sind es die waghalsigen Kunststücke der Skater, ein paar Schritte weiter am Muscle Beach die Sixpacks der Bodybuilder: Im milden Abendlicht findet hier jeder Freizeitsportler sein Publikum.

WWW.VENICESKATEPARK.COM


PANORAMA


WOHNEN IM HIPPIE-STIL

FREI, LÄSSIG UND OFFEN LEBEN Eine lichtdurchflutete alte Villa mit klaren, geraden Linien wie bei Frank Lloyd Wright, angesiedelt zwischen Bauhaus und asiatischem Minimalismus, zwischen drinnen und draußen – die Designer von Commune Design haben daraus das perfekte Heim für eine Familie gemacht, die so typisch L. A. ist wie ihr Zuhause TEXT: Michaela Haas


HOMESTORY COMMUNE DESIGN

Den großen Esstisch für die sechsköpfige Familie ließ Commune Design extra aus Walnussholz fertigen. Darum herum: Wegner-Stühle

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Nur ein paar Schritte nach draußen – und man findet schönste Natur mit alten Obstbäumen

ls der Filmproduzent Tom Kuntz das ver­ nachlässigte alte Haus im kalifornischen Silver Lake bei Los Angeles entdeckte, verliebte er sich sofort in die französischen Sprossentüren, die alten Obstbäume im Garten und das lichtdurchflutete Foyer. Dass das Haus Po­tenzial hatte, war ganz offen­ sichtlich: Ein Ingenieur, der auch für Frank Lloyd Wright arbeitete, hatte es 1931 im Internationalen Stil ge­ baut. Die Villa hat die geraden, klaren Linien, die Wright so liebte, eine vom Bauhaus inspirierte Struk­tur mit asia­ ­tischen Akzenten. Glaswände geben den Blick nach draußen frei. Aber der steile, hügelige Garten war so herun­ tergekommen, dass „es praktisch Niemandsland war“, sagt Kuntz, „so überwachsen, dass es alles andere als romantisch aussah“. Auch das Haus selbst brauchte TLC, tender love and care, wie sie in Kalifornien sagen. Kuntz und seine Partnerin, die Künstlerin Jenny Rask, heuerten die Designer von Commune Design an, denn die hatten sich bereits einen Na­ men damit gemacht, dass sie archi­ tektonische Juwelen in der Sub­stanz im Original belassen, sie aber sanft und elegant modernisieren. Das Paar hat vier Kinder, also musste das Haus auch praktisch, kindgerecht und ge­

MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

mütlich sein, mit viel Platz für Kuntz’ Plattensammlung, Rasks Kunstwerke und das Spielzeug der Kinder. Ein kühles Designparadies in Reinweiß wäre sofort ruiniert worden. Mit diesem Anliegen rannten sie bei Commune Design offene Türen ein, denn der hippe Hippiestil ist das Markenzeichen von Commune. Das Haus in der Carnation Street von Sil­ ver Lake sei „soooo L. A.“, schwärmt der Commune-Design-Partner Ro­ man Alonso. „Mehr L. A. geht nicht.“ Was aber heißt das genau? Gibt es „den“ L. A.-Stil überhaupt? „In Kali­ fornien liegt die Betonung auf Kom­ fort, Connection und Offenheit“, sagt Commune-Mitgründer Steven Johan­ knecht. „Das Leben hier ist offen, nicht abgeriegelt. Das hat einen enor­ men Einfluss auf das Design und die Haltung.“ Der lässige Lifestyle hier, das Licht, der Zugang zur Natur seien einzigartig, pflichtet ihm Alonso bei. „Egal wie urban L. A. ist, man muss nur ein paar Schritte vor die Tür ge­ hen und findet Natur.“ DAS KLIMA ERLAUBT ES, DRINNEN UND DRAUSSEN ZU VERBINDEN

Deshalb spielt ihr Design in der Carnation Street mit dem Bezug von Indoor und Outdoor. „Das geht hier nur wegen des Wetters. Das Klima erlaubt es uns, Außen- und Innen­ 17


HOMESTORY COMMUNE DESIGN

„EGAL WIE URBAN L. A. IST, MAN MUSS NUR EIN PAAR SCHRITTE VOR DIE TÜR GEHEN UND FINDET NATUR.“ ROMAN ALONSO MITGRÜNDER COMMUNE DESIGN

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räume zu verschmelzen, ohne dass alles vor dem Wetter geschützt werden muss.“ Zu den Herausforderungen zählte, dass das Paar vier Kinder hat, das 240 Quadratmeter große Haus aber nur drei Schlafzimmer. Dazu kommt, dass Jen­ny Rask ein ganz besonderes Anliegen mitbrachte: Sie ist gegen zahlreiche Chemikalien allergisch. Das Haus musste zwar von Grund auf saniert werden, aber das sollte möglichst mit natürlichen Stoffen geschehen, ohne künstliche Farben, che­­mische Holzversiegelung oder stinkende Plastikmöbel. Auch deshalb fiel ihre Wahl auf Commune Design, denn die Designfirma hat sich auf natürliche Materialien spezialisiert. Alonso und Johanknecht ließen alles in Handarbeit anfertigen. Sie veränderten nichts am Grundriss und ließen das ganze Haus innen und außen mit hellem Lehm verputzen, statt es zu streichen. Die Zementfliesen wurden in Mexiko gefertigt, die Kissen und Teppiche aus alten Kilims genäht. Ganz besonders stolz ist

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01 Fast wie ein Amphitheater Eine L-förmige Treppe um­­ rahmt den Innenhof 02 Lichtdurch­ flutetes Foyer Indoor und Outdoor verschmelzen – Offenheit als Gestaltungsprinzip

Alonso auf die Küche: „Die Küche und die Schränke wurden von John Williams komplett in Handarbeit aus Walnuss geschreinert und mit Öl behandelt, ohne Versiegelung. Wir haben überhaupt keine Chemikalien benötigt.“ John Williams ist eigentlich ein gefragter Maler, „die wenigsten wissen, dass er außerdem ein versierter Schreiner ist“. Williams baute auch die Stockbetten für die Kinder, das Ehebett und das Bad. „Das Haus haben wir 2008 renoviert, aber es ist heute genauso relevant wie vor fast zehn Jahren“, sagt Alonso. „Es trägt 18

unsere DNA, und die Besitzer haben bis heute nicht das Geringste verändert. Gerade habe ich wieder Kunden aus San Francisco diese unglaubliche Küche gezeigt, und sie sagten: Genau die wollen wir auch haben.“ Die Außenleuchten schmiedete Robert Lewis – auch er ein renommierter Maler, mit dem Alonso das erste Mal für das Ace Hotel in Palm Springs zusammengearbeitet hat. Alma Allen fertigte den großen Familieness­tisch aus Walnussholz mit Messinginlays. Allen wurde ebenfalls von Alonso entdeckt: Der Mann verkaufte seine kleinen Kunstwerke

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Runde Formen dominieren im Wohnzimmer. Hocker und Beistelltisch lieĂ&#x; Commune Design von Hand schreinern. Hinter den Holzpaneelen findet die Familie reichlich Schrankplatz


HOMESTORY COMMUNE DESIGN

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


HOMESTORY COMMUNE DESIGN

„DAS LEBEN HIER IST OFFEN, NICHT ABGERIEGELT. DAS HAT EINEN ENORMEN EINFLUSS AUF DAS DESIGN UND DIE HALTUNG.“ STEVEN JOHANKNECHT MITGRÜNDER COMMUNE DESIGN

01 Das Bett ist von John Williams, einem gefragten Maler. Die Kissen wurden aus alten Kilims genäht

02 Licht spielt eine zentrale Rolle, die Son­ ne von L. A. soll ins Haus kommen

03 Gemütlich mit viel Platz für Kunst – das war eine der Anforde­ rungen an die Designer

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01 MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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HOMESTORY COMMUNE DESIGN

auf der Straße, bevor Alonso die krea­ tiven Miniaturskulpturen in einem winzigen Laden in Venice auf ­fi elen. Inzwischen zählt er zu den gefragtesten Holz- und Marmorkünst­lern der Gegenwart. Bis auf einige Vintagelampen, Sessel und den patinabesetzten Ofen im Wohnzimmer ließ Commune Design alles von Hand schreinern, nähen und gießen. „Die offenen Räume sind flexibel“, sagt Roman Alonso. „Das Esszimmer ist zugleich die Küche, das Wohnzimmer ist auch das Büro, und auf dem Sofa kann man auch schlafen.“

Wer genau hinsieht, erkennt, wie dick die Wände im Wohnzimmer sind: Hinter den Holzpaneelen unter den Fenstern verbergen sich tiefe Schränke, in denen Kuntz seine DJ-Sammlung unterbringt und aus denen Rask den Schreibtisch mit ihrem Computer ausklappen kann. Tom Kuntz kommt sein Haus nun „doppelt so groß“ vor. Obwohl die Designer keine einzige Wand eingerissen haben, nutzen sie den Platz so geschickt, dass jedes der sechs Familienmitglieder seine eigene Spielwiese hat. Um die Gärten mit dem Haus zu verbinden, entwarf Commune-Mit­

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grün­­derin Pamela Shamshiri zwei L-förmige Treppen, die in den Garten und den Innenhof führen und sie fast wie ein Amphitheater umrahmen. Gartendesigner Matthew Brown legte einen Lilien- und Lotus­teich an, um die japanischen Referenzen aufzugreifen. „Wir sahen uns viele ja­ panische Gärten an, weil wir den Stil des Hauses erhalten wollten“, meint Brown. Das ehemals steile Hügel­ gelände schütteten die Designer mit zehn Tonnen Erde auf. Aus dem gleichen Stucco wie dem der Außenwand bauten sie einen vier Meter großen offenen Kamin und setzten ihn wie ein Ausrufezeichen vor das Haus. 01 Holz dominiert sogar im Badezimmer. Commune Design ist auf natürliche Materialien spezialisiert 02 Stauraum kann es für die sechsköpfige Familie nicht genug geben 03 Innen und Außen verschmelzen im 2008 renovierten Haus

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„KALIFORNIEN IST DER WILDE WESTEN! HIER SIEHT MAN JEDEN TAG DEN WEITEN HORIZONT.“ STEVEN JOHANKNECHT MITGRÜNDER COMMUNE DESIGN 22

SO ETWAS FUNKTIONIERT NUR IN LOS ANGELES

Die Schaukelstühle aus Metall und Seil, die der Blackman Cruz Workshop beigesteuert hat, und die Keramiken von Stan Bitters machen die Feuer­stelle nun automatisch zum Familientreffpunkt. Jenny Rask pflanzt in den Redwood-Kübeln ihr biologisch-dynamisches Gemüse an, das Holzdeck ist so ausladend, dass darauf auch ein halbes Dutzend Gäste Platz findet, und die Kinder haben auf dem Rasen noch Raum zum Toben. „Diese flexible Mischung von außen und innen, das wäre in New York nie gegangen, das geht nur in L. A.“, meint Johanknecht. „Kalifornien ist der Wilde Westen! Hier sieht man jeden Tag den weiten Horizont.“


HOMESTORY COMMUNE DESIGN

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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DESIGNER-PORTRÄT COMMUNE DESIGN

DESIGNER OHNE STARALLÜREN

Commune Design aus Los Angeles macht alles ein bisschen anders: Statt internationaler Coolness schafft es „Neo-Bohe­mian“Ästhetik, „hand­made in America“. Statt auf Egotrips setzt das Studio auf einen „Tribe“ von Leuten, die ähnliche Werte schätzen. Und stets werden die Umgebung, die Kultur und die Nach­ barschaft in die Projekte einbezogen. Stars wie Katy Perry und Jim Parsons sind begeistert

DER STAMM EHRLICHEN

TEXT: Michaela Haas

01 01 Ein großer Tisch zum Dis­ kutieren steht im Büro von Com­mune De­ sign – und wird rege genutzt

02 Ego draußen lassen gilt für die Mitarbeiter. Was zählt, ist die funktio­ nierende Gemeinschaft

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MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


DESIGNER-PORTRÄT COMMUNE DESIGN

DER PROBLEMLÖSER

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DESIGNER-PORTRÄT COMMUNE DESIGN

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ie „zehn goldenen Re­ geln für die Zusammen­ arbeit mit einem Künst­ ler“ hängen bei Roman Alonso auf Gold ge­ druckt in seinem bis an die Decke mit Büchern vollgestopften Büro. Die wichtigsten: Lass Raum zum Träumen, Unfälle sind nicht unbe­ dingt was Schlechtes und, am aller­ wichtigsten: Lass dein Ego draußen vor der Tür! „Damit sind wir bisher gut ge­ fahren“, sagt Alonso lachend, denn das „Commune“ im Firmennamen nimmt er wörtlich: „Commune kommt von Community. Wir wollten eine Gemeinschaft schaffen, in der Künst­ ler, Handwerker, Architekten, De­ signer und Grafiker alle gleichberech­ tigt an einem Strang ziehen. Das ging nur in L. A., denn hier gibt es keine Regeln.“ Commune Design hat dafür sogar die üblichen Berufsbezeichnungen abgeschafft: „Jeder trägt hier den Titel Designer, nicht Architekt oder Gra­fik ­ er“, erklärt Alonso, während er durch das helle, loftige Büro läuft, in dem ein Dutzend Mitarbeiter zeich­ 26

01 Die Tartine Manufactory in San Fran­ cisco ist Diner, Bäckerei, Bar, Café und Eis­ laden in einem

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net, schnitzt und diskutiert. „Wenn Architekten zu uns kommen, die bisher für ein traditionelles Architek­ turbüro gearbeitet haben, sind sie oft überrascht, dass sie plötzlich auch eine Gabel gestalten dürfen oder eine Museumsausstellung.“ Sein großes Vor­bild ist die Bauhaus-Bewegung: „Der Stuhl ist so wichtig wie das Gebäude wie die Schrift über dem Eingang.“ Seit zwölf Jahren entwerfen Alon­ so und sein Geschäftspartner Steven Johanknecht nach diesem Konzept Designs für Wohnhäuser, Hotels, MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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02 Keramik in Pastellfarben sowie Tische und Stühle aus Holz bestim­ men den Look von Commune Design

03 Die großen Lagerfenster mit weißen Sprossen lassen viel Licht herein


Büros und Shops, aber auch für Maga­ zine und das „Identity Branding“ von Marken wie Gap und Coach. Commune Design residiert in ei­ nem verwunschenen, von Bougain­ ville überwachsenen Hinterhof in Hol­ lywoods angesagtem Design District. Schon die Location schwingt zwischen hypermodern und retro, Edel­luxus und bodenständig, denn man muss über das alte Kopfsteinpflaster direkt vorbei an der sündteuren Loubou­ tin-Boutique samt den High Heels mit den feuerroten Teufelssohlen zur Massiv­holztür aus den Zwanzigerjah­ ren, auf der noch die Initialen des Ar­ chitekten prangen. Gleichzeitig haben Alonso und Johanknecht vom Balkon aus einen Blick auf das extrem coole Pacific Design Center. Alonso und Johanknecht sind seit mehr als 30 Jahren berufliche Part­ ner. Sie begannen als Jungspunde beim Edelkaufhaus Barneys in New York und „durften gleich in der ersten Woche mit Cindy Sherman und Jenny Holzer beraten“, wie Alonso stolz er­

„WIR WOLLTEN EINE GEMEINSCHAFT SCHAFFEN, IN DER KÜNSTLER, HANDWERKER, ARCHITEKTEN, DESIGNER UND GRAFIKER ALLE AN EINEM STRANG ZIEHEN.“ ROMAN ALONSO MITGRÜNDER COMMUNE DESIGN

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zählt. „Alle packten bei allem mit an. Diese Erfahrung prägt uns bis heute.“ Ihre Wände sind gepflastert mit Fotos der aktuellen Projekte: ein Strandhaus für ein Millionärspaar bei San Francisco, ein Skiklub in Jack­ son Hole, Wyoming, das historische Hotel Roosevelt in L. A., ein italieni­ sches Restaurant in Miami, ein Bou­ tique-Hotel in Japan. Jeder arbeitet gleichzeitig an drei bis fünf Projekten.

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01 Das Ace Hotel in L. A. eröffnete 2014 im umgebauten UnitedArtists-Ge­ bäude aus dem Jahr 1927 02 Eine lebendige Einrichtung erdachten die Designer für die Zimmer – so lebendig wie L. A. selbst

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03 Warme Farben bestimmen den Stil. Commune Design beschäftigte viele lokale Handwerker 04 Das United Artists Theatre mit 1600 Plätzen ist das Herzstück des Hotels. Es wurde komplett renoviert

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DESIGNER-PORTRÄT COMMUNE DESIGN

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„Während wir entwerfen, leben die Projekte an den Wänden. Jeder kann kommentieren, Ideen beisteuern, Details verfeinern“, erklärt Johanknecht das Prinzip der Koopera­tive. Craftsman, Tudor, spanischer Kolonialstil, Mid-Century – „bei uns sieht jedes Projekt anders aus, weil wir unheimlich viel Zeit damit verbringen, dem Kunden zuzuhören. Wir wollen, dass es dem Kunden entspricht, wir drücken niemandem unseren Stil auf“. Sie restaurierten eine original spanische Villa für „Big Bang Theory“-Star Jim Parsons, ein Rückzugsnest für Katy Perry und sogar die Umkleideräume der Stars für die Oscarverleihung. Als Berufsbezeichnung geben Johanknecht und Alonso „Problem­ löser“ an: „Wir sind den ganzen Tag damit beschäftigt, Probleme zu lösen. Die meisten Kunden wissen nicht genau, was sie wollen, wenn sie bei uns durch die Tür kommen, also helfen wir ihnen, zur Essenz vorzudringen: Worum geht es wirklich? Wie ist die Umgebung? Wie soll das Ding in zehn Jahren aussehen?“ Ihr Breakout-Projekt was das Ace Hotel in Palm Springs, ein heruntergekommenes Motel, dem sie neues Leben einhauchten. „Wir hatten nie zuvor ein Hotel gestaltet und brachen alle Regeln.“ Statt des glatten, polierten Stils, der gerade in war, ging Commune Design in Richtung „Hippie-Camping“ und schuf einen ek­lek­ tischen Vintage-Spielplatz für Hips­ter. „Wir guckten ,M.A.S.H‘ und ,Mad Men‘.“ Sie verkleideten die Wände

01 Ein Zeitungsstand mit Nischenpublikationen ist ein nostalgisches Element im neuen The Durham Hotel in North Carolina 02 Cocktails schlürfen in petrolfarbener Umgebung 03 Retrodesign mit frischem Blick – wer hier Platz nimmt, darf sich ein bisschen fühlen wie in der Serie „Mad Men“

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04 Aus einem Bankgebäude der 60erJahre machte Commune Design ein modernes Hotel mit 53 Zimmern und Pent­houseSuiten

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mit weißem Canvas, bedeckten die Sofas mit farbenfrohen Kissen aus alten Kilims und überredeten Holzkünstler Alma Allen, jeden Tisch, jeden Stuhl und jede Türklinke in Handarbeit herzustellen. Den Ace-Besitzern gefiel es so gut, dass sie Commune auch mit dem Design des historischen Ace Hotel in Downtown L. A. beauftragten: „Dieses Hotel hat ganz Downtown verändert, denn wir haben die Nachbarschaft miteingebunden. Es wurde der Anker, an dem sich die Wiederbelebung des ganzen Viertels festmachte.“ Gerade gestalten sie Ace-Hotels in Panama und Chicago, und jedes sieht anders aus. „Man muss die Umgebung miteinbeziehen, die Kultur, die Nachbarschaft, denn auch das ist Community“, sagt Alonso, „mehr noch: Man braucht einen Tribe von Leuten, die ähnliche Werte schätzen.“ 29


DESIGNER-PORTRÄT COMMUNE DESIGN

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Ein wenig merkt man bei ihm die lateinamerikanischen Einflüsse. Alon­so wurde in Caracas, Venezuela, geboren, bevor er als Kind nach Miami auswanderte. Nach dem Start bei Barneys wurde er Vizepräsident bei Modedesigner Isaac Mizrahi. Johanknecht wuchs in New York auf und leitete unter anderem die Innendesignabteilung bei Donna Karan und Banana Republic. Aber beide wollten raus aus New York, auch raus aus der Modewelt. Alonso startete in L. A. einen Kunstbuchverlag, der ihm enorm viel Spaß machte, aber „mit dem ich leider die Miete nicht bezahlen konnte. Bücher kosten Geld, sie bringen keines“. Johanknecht ging seiner Passion für abstrakte Malerei nach. Bei einem privaten Abendessen in einem Sushi-Restaurant mit zwei Freunden, den Geschwistern Pamela und Ramin Shamshiri, die als Produktdesigner ebenfalls einen Neustart wagen wollten, kamen sie 2003 auf die Idee, gemeinsam Commune Design zu gründen. „Das war für uns alle eine Überraschung, denn das hatten wir gar nicht geplant.“ Aber es funktionierte, und seitdem die Shamshiris vor einigen Jahren ihre eigene Firma gegründet haben, „sind Johan und ich wieder zu un­seren Wurzeln zu30

01 Die Pariser Wohnung, die Commune Design 2015 gestaltete, präsentiert schwarzweiße Böden 02 Dezent und wohnlich sind die Möbel – und über­ wiegend aus natürlichen Materialien

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rückgekehrt“, sagt Alonso. 2015 gewannen sie unter anderem den „Coo­ per Hewitt National Design Award“. Ihr Markenzeichen sind die handgemachten Kissen, Möbel und Lampen in Neo-Bohemian-Ästhetik, fast alles „handmade in America“, vieles aus natürlichen Materialien wie Seide, Holz und Wolle – alles von Commune selbst oder aus Kooperationen mit Alma Allen, E. R. Butler & Co., Heath Ceramics oder Robert Lewis. Außerdem Keramik von April Napier MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

„JEDER VON UNS KANN KOMMENTIEREN, IDEEN BEISTEUERN, DETAILS VERFEINERN.“ STEVEN JOHANKNECHT MITGRÜNDER COMMUNE DESIGN


DESIGNER-PORTRÄT COMMUNE DESIGN

03 The Elder Statesman in L. A.: weiße Deckenbalken und viel Holz

04 Ein Galeriegefühl vermitteln die Räume – und präsentieren Luxuspullover, Decken und Accessoires des Labels

05 Böden, Türen und Fenster sind aus Erlenholz, das Dach ist aus Kupfer

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und der Atwater Pottery, LaptopTaschen von Clare Vivier, Glasobjekte von Steve Halterman, erdfarbene Textilien von Christopher Farr. Alonso streicht über eine Teppichkollektion: weiche blaue Seide, kombiniert mit schroffen Juterauten. „Statt auf glatt und poliert legen wir Wert auf handgemacht und ehrlich.“ Ihm ist besonders wichtig, dass die Designs natürlich altern. „Wir feiern, wenn Metall eine Patina anlegt, und schmirgeln das nicht sofort wieder ab. Denn man kann stilvoll alt werden oder so tun, als bliebe man ewig jung. Das Ergebnis sehen wir auf den Straßen von L. A. jeden Tag“, sagt er als Anspielung auf die vielen unnatürlichen, botoxgestählten Gesichter auf den Straßen. Er entscheidet sich lieber eindeutig für eine Richtung, denn auch dieses Motto hängt bei ihm an der Wand, schwarz auf weiß, noch größer als die goldenen Regeln der Zusammenarbeit: „Fuck Maybe“.  WWW.COMMUNEDESIGN.COM

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DESIGN 3 TO WATCH

L. A. AT ITS BEST Diese drei Designstudios stehen für alles, was Los Angeles ausmacht, von Westküsten-Lässigkeit über Melting-Pot-Eleganz bis zu Esoterik und amerikanischer Effizienz MYSTISCH UND PRÄZISE

EXOTISCH UND LÄSSIG

NATASHA BARADARAN

LONDUBH STUDIO

Sie ist in Los Angeles geboren, aufgewachsen, hat hier studiert und lebt mit ihrer Familie in Beverly Hills. Mehr L. A. geht eigent­ lich nicht. Inzwischen ist Natasha Baradaran eine echte Größe im Interiordesign in dieser nach Schönheit lechzenden Stadt geworden. Der „Hollywood Reporter“ setzte sie schon 2013 auf die Liste der „25 Most Influential Inte­rior Designers in L. A.“ Ihr Stil lässt deutlich die italienischen und persischen Wurzeln ihrer

LOCKER UND BUNT

DESIGN, BITCHES

Familie erkennen und mixt klassisches euro­päisches Design mit exotischen Anklängen an den Nahen Osten und dem läs­­­sigen Luxus ihrer kalifornischen Hei­­mat. Seit 2014 hat sie eine eigene Kollektion, die Natasha Baradarans Faible für die Formensprache edlen Schmucks aufgreift und in Möbelstücke übersetzt. 2016 stellte sie ihre zweite Möbelkollektion Curva vor.

Die jungen Interiordesignerinnen Rebecca Rudolph und Catherine Johnson gestalten am liebsten Restaurants wie die Superba Snack Bar oder Superba Food + Bread in Venice, die Coolhaus-Eisdielen, die Restaurants Oinkster in der Vine Street und Springs in Downtown L. A. und prägen so das Bild von Los Angeles mit. Ihr Stil ist ein Mix aus unbeschwertem Strandfeeling, gemütlichem Vorortcharme, Streetfood-Kultur und Hipster-Street-Credibility. Ihre Ästhetik reicht von Fifties- und Surfer-Reminiszenzen bis zum urbanen Industrial Chic – auch wenn sie diesen Begriff nicht gern hören. www.designbitches.com

www.natashabaradaran.com

Lisa Donohoe und Brynn Gelbard kreieren einzigartige Möbel, Wän­de und Böden, die Räume komplett verändern können. Alles, was sie anpacken, ist einzig und allein für einen Kunden, einen Raum entworfen. Sie „malen“ Teppiche auf Böden, gestalten Decken oder fertigen Wandgemälde, Murals – immer inspiriert von Natur, Mythologie und diesem ganz besonderen „California Spirit“. Ihre Marken­ zeichen sind der innovative Einsatz klassischer Materialien und Tech­ niken sowie die Vorliebe für de­korative Ornamente und geo­ metrische Muster. www.londubhstudio.com

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b i O r b: eine u n t e r w a s s e r welt fĂźr s i c h.

Unsere biOrb-Kollektion bringt eine faszinierende Unterwasser welt in Ihr Zuhause. Jedes Designobjekt bietet individuelle GestaltungsmĂśglichkeiten. Die Vielfalt unserer neuen Wohnaccessoires finden Sie auf: www.biorb.com


DESIGN DER KLASSIKER FOLGE # 10 ISAMU NOGUCHI Der Sohn eines japanischamerikanischen Literatenpaars wurde 1904 geboren und studierte in New York. Aufenthalte in Japan und als Stipendiat der Guggenheim-Stiftung in Paris prägten Noguchis vielseitiges Werk von der Bildhauerei über Landschafts­archi­-­tek­tur bis hin zu Bühnenbildern. Inspiration erhielt Noguchi von der westlichen Avant­garde, von asia­tischer Malerei und Töpferei und nicht zuletzt aus der Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Martha Graham. Noguchi starb 1988 in New York.

ISAMU NOGUCHI: COFFEE TABLE

AUF GRATWANDERUNG ZWISCHEN KUNST UND DESIGN

SEIN COFFEE TABLE aus dem Jahr 1944 ist nach Isamu Noguchis eigener Einschätzung sein gelungenstes Möbelstück. Die Weiterentwicklung eines Vorgängers aus den Dreißigerjahren – ursprünglich gestaltet für das Haus des Präsidenten des Museum of Modern Art, A. Conger Goodyear – verbindet die organische Form­gebung mit einem relativ robusten Erscheinungsbild. Basis der Konstruktion sind zwei symmetrische, jedoch entgegengesetzt im rechten Winkel angeordnete Holzteile. Sie tragen eine rund zwei Zentimeter dicke, tropfenförmige Glasplatte. Die skulptural-bio­morphe, aber funktionale Kombination der Elemente ist kein Zufall: Noguchi arbeitete überwiegend als Bild­hauer und schuf Plastiken aus Bronze und Marmor. Als Vertreter der „Mid-Century Modern“ konzentrierte sich Noguchi auf starke organische, einprägsame und künstlerisch frei anmutende Formen. Ab 1947 wurde der Coffee Table von der Herman Miller Furniture Company für die USA produziert. Seit 2002 stellt ihn das Vitra Design Museum für Europa her.

Starkes Glas Die tropfen­för­­mige Platte ist 19 Millimeter dick

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Auflage Die Glasplatte ruht ohne Gummistopfen direkt auf dem Holz

Symmetrie Der Sockel besteht aus identisch geformten, entgegengesetzt angeordneten Holzteilen

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Signatur Je nach Herstellungsland ist unter der Glasplatte oder in ihren Rand die Unterschrift Isamu Noguchis fein eingraviert


TRENDSCOUT NEWS

KNOLL INTERNATIONAL

„MODERN ALWAYS“ HANS UND FLORENCE KNOLL haben einst ein Unternehmen gegründet, das sich dem guten Design verpflichtet hat – ohne dabei kurzlebigen Trends zu folgen. Nach wie vor führt Knoll International („Modern Always“) einige Entwürfe von Florence Knoll, die am 24. Mai ihren 100. Geburtstag feierte, im Programm. Die aktuelle Kollektion prägt vor allem Piero Lissoni, dessen neue Elemente für das Avio Sofa System beim Salone del Mobile ebenso Premiere hatten wie seine Grasshopper-Tische.

Avio Sofa System Piero Lissoni folgt einer linearen Grundstruktur, hinter der sich die kom­plexe Technologie des Sofas geschickt verbirgt

KNOLLEUROPE.COM

Impressum HERAUSGEBER CI – creative inneneinrichter GmbH & Co. KG, Spreestraße 3, 64295 Darmstadt VERANTWORTLICH Steffen Schmidt (V.i.S.d.P.) OBJEKTLEITUNG

Sandra Gotha VERLAG UND ANSCHRIFT DER REDAKTION HOFFMANN UND CAMPE X, eine Marke der HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH, ein Unternehmen der GANSKE Verlagsgruppe, Harvestehuder Weg 42, 20149 Hamburg, Tel. +49 40 44188-247. Amtsgericht Hamburg, HRB 81308 Sitz: Hamburg GESCHÄFTSFÜHRUNG Christian Backen OBJEKTLEITUNG Kaja Eilers CHEFREDAKTION Peter Würth CREATIVE DIRECTION Tobias Zabell ART DIRECTION Nora Luther CHEF VOM DIENST Stefan M. Glowa BILD­REDAKTION Thomas Balke, Alexandra Romero, Simone Wippern REDAKTIONELLE MITARBEIT Sarena Brose, Wolf-Christian Fink, Michaela Haas, Maike Seifert, Peter Würth SCHLUSSREDAKTION Ursula Junger HERSTELLUNG Claude Hellweg LITHO PX2@ Medien GmbH & Co. KG DRUCK Ernst Kaufmann GmbH & Co. KG, Druckhaus, Lahr ABONNEMENTS, VERTRIEB UND ANZEIGENVERANTWORTUNG Sandra Gotha (info@creative-inneneinrichter.de) ANZEIGEN Werner Fischer – Tellus Corporate Media GmbH, Hammerbrookstr. 93, 20097 Hamburg, Tel.: +49 40 280868-87 Fax: +49 40 280868-20, e-Mail: w.fischer@tellus-corporate-media.com. Es gilt die Anzeigenpreis­ liste gemäß den Media­daten 2017 REDAKTIONSBEIRAT Frank Anger-Lindemann, Wilfried Lembert, Klaus Seydlitz.

Dieses Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge, Entwürfe, Abbildungen, des Weiteren die Darstellung der Ideen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung einschließlich Nachdruck ohne schriftliche Einwilligung des Verlages strafbar. Es wird nur presserechtliche Verantwortung übernommen.

Bildnachweis Das „CI Magazin“ erscheint dreimal jährlich und ist über die angeschlossenen Handelsunternehmen, im Bahnhofsbuchhandel sowie im Abonnement erhältlich. Die App zum Magazin können Sie in Kürze im iTunes Store herunterladen. Das geht am schnellsten, wenn Sie den QR-Code mit Ihrem iPad scannen.

Titel: © STUA; Standpunkt: Commune Design © Spencer Lowell; Inhalt: Commune Design © Spencer Lowell, Charles & Ray Eames © Eames Office LLC, Stuhl Eames © Marc Eggimann, Case Study Houses © Taschen Verlag; Seite 6 – 8: Vitra © Studio AKFB/Peter Böhm, Stuhl blau © Marc Eggimann; Buch Francis Kéré © PR, Foscarini Leuchte ©PR; Carl Hansen ©PR, Sonnenschirm © Paola Lenti srl./Sergio Chimenti, Liege © Dedon/PR, Stuhl Sprossen © Tribu/PR, Feuerkorb © MENU A/S (PR), Sessel Karo © Ethimo/PR, Sofa © B& B Italia/PR; Seite 10 – 15: Traumfabrik © George Caleb/Unsplash.com, The Broad © Benny Chan, Look at this! © Matteo Paganell/Unsplash.com; Seite 16 – 23: Commune Design Garten © Gemma Ingalls Photography, Commune Design © alle: Amy Neunsinger; Seite 24 – 31: Commune Design, Mariko Reed; Ace Hotel, United Artists Theatre, The Durham, Bank-Gebäude, Avenue du Viliers sowie The Elder Statesman – alle © Spencer Lowell; Seite 32: Natasha Baradaran PR, Design Bitches Bubbles © Laure Joliet, Londubh Studio © Londubhstudio.com; Seite 34: Noguchi Tisch © Bridgeman Images – VG Bild-Kunst© 2017, Illustration: Uli Knörzer; Seite 35 Knoll © PR ; Seite 36 – 43: MOCA Grand Avenue (2) © The Museum of Contemporary Art, L.A., photo by Elon Schoenholz, The Braod (2) PR; Hauser & Wirth © Joshua Targownik, Luca Museum of Narrative Art © PR, A+R (2) © Ramona Rosales / PR, Espasso /PR, Moby © Shutterstock, Helms Backery /PR, Vromage /PR, Ilan Dei Venice© Abbot Kinney /ryanbenoit, Urbanic /PR; LocoL © Audrey Ma; Seite 44 – 51: „Case Study Houses“ und „Case Study Houses – der Bildband“ beide © Taschen Verlag – Julius Shulman/Getty Research Institute (2); Seite 52 – 53: © Antonia Mulas, © Eames Office LLC, Lounge Chair © Marc Eggimann, Plywood © Hans Hansen; Seite 54 – 61: Lounge/Bar © Lauren Kallen/WeWork (4), The Park DTLA © PR, Airbnb Inc. © Mark Mahaney (1), Benny Chan / Richlite (1) Meeting drinnen © We Work Corp. (5); Seite 62 – 63 DT © Common (2), Cultura/Image Source/Gallerystock (1), Henrik Sorensen/Getty Images (1), Open Door (1); Seite 64 – 65: USM/PR; Seite 66: Illustration: Uli Knörzer, Knoll Sofa /Mad Men © AMC Networks (New York), Quelle: www.ambito.co

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DESIGNTRIP LOS ANGELES

KREATIVMETROPOLE

TINSELTOWN MEETS PINSELTOWN Geld spielt in Hollywood keine Rolle – oder eine besonders große. Tatsache ist, dass das Geld hier entgegen der landläufigen Meinung nicht nur für Stars und Filme, sondern auch für Kunst und Design ausgegeben wird oder für großzügige private Museen. Ein Überblick TEXT: Michaela Haas

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eder kennt Los Angeles als Mekka der Filmindustrie, aber die Stadt ist mit ihren 105 Mu­ seen längst auch eine blühen­de Metropole der bil­denden Kunst und des Designs. Da gibt es nicht nur die bekannten Highlights wie das MOCA, das Museum of Contemporary Art mit seinen drei Stätten, das Los An­ geles County Museum of Art (LACMA) oder das Getty, sondern auch immer mehr junge und unabhängige Sammler und Künstler. „Wir sind die Kreativ­ hauptstadt der Welt“, schwärmt Bürger­

meister Eric Garcetti, der tatsächlich viel Einsatz zeigt, um spektakuläre Großprojekte wie das neue GeorgeLucas-Museum und andere Juwelen in die Stadt zu locken. Gerade die lange vernachlässigte Downtown mit dem Arts District mausert sich zu einer Attraktion für Designliebhaber. Auch das etablierte Santa Monica Museum of Art (SMMoA) zieht vom Berga­­mot Station Arts Center nach Downtown um und nennt sich nun Institute of Contemporary Art, Los Angeles (ICALA).

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Kunstvolle Zeitgenossen Hauser & Wirth haben eine alte Getreidemühle zur Galerie samt Bar und Restaurant umbauen lassen

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01 Dramatische Formen The Broad gilt aktuell als das spannendste Museum der Stadt 02 Kunsttempel The Geffen Contemporary at MOCA ist eine von drei „Spielstätten“ des Museums 03 Neue Kunst am neuen Ort The Institute of Contem­po­ rary Art in Downtown L. A.

KUNST UND KULTUR: HIGH-END-TRASH? THE BROAD

Eines der großartigsten Museen für Kunst der Moderne ist The Broad in der Grand Avenue in Downtown, ge­ genüber vom Museum of Contempo­ rary Art und neben der ikonischen Walt Disney Concert Hall. Die Philan­ thropen Eli und Edythe Broad finan­ zierten das 140 Millionen Dollar teu­ re Museum, das nun auf fast 12 000 Quadratmetern eine der bekanntes­ ten Sammlungen zeitgenössischer Kunst der Welt beherbergt. Allein das Gebäude ist sehenswert: Diller Scofi­ dio + Renfro entwarfen das Museum aus Fiberglas und Stahl mit seinem 38

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perforierten, grauweiß schim­mern­ den Metallschleier, der das Haus wie Honigwaben ummantelt. Drinnen fin­den sich Werke von Jeff Koons, Ed Ruscha, Andy Warhol, Roy Lichten­ stein und die weltgrößte Sammlung von Cindy Shermans Werken. Die „Washington Post“ fand, das Mu­ seum enthalte „zu viel High-EndTrash, aber durchweg auch groß­ artige Werke“. Eine besondere Attrak­ tion ist Yayoi Kusamas „Infinity Mirrored Room“, ein verspiegelter Raum mit einem scheinbar endlosen Spiel von LED-Lichtern. Die Be­ sucherschlangen zie­hen sich regel­ mäßig um den Block, deshalb am besten online reservieren. OHNE GRENZEN: LUCAS MUSEUM OF NARRATIVE ART

Es steht zwar noch nicht, aber das eine Milliarde Dollar teure Museum of Narrative Art von „Star Wars“-Guru George Lucas muss hier trotzdem erwähnt werden. Lucas’ persönliche


DESIGNTRIP LOS ANGELES 04 „The King of Pop“ von Jeff Koons in The Broad 05 Hohe und populäre Kunst verbindet das Lucas Museum, das wie ein Ufo aussieht

des gerne aus, weil wir damit zeigen, wie sich die zeitgenössische Kunst ständig kreativ weiterent­wickelt“, sagt Maurice Marciano. Fotografien, ein Skulpturengarten, In­­stal­lationen, Performancekunst und Multimedia­ shows ergänzen die Sam­m­lung in dem renovierten schotti­schen Frei­ maurertempel am Wil­shire Boule­ vard. Dazu kommen so verrückte Stücke wie die alten Perücken, die Architekt Kulapat Yantrasast (von wHY Architecture and Design) im Speicher des alten Tempels fand. KUNSTMÜHLE: HAUSER & WIRTH

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Kunstsammlungen inklusive seiner „Star Wars“-Kreationen werden auf 24 000 Quadratmetern ein neues Museum im Exposition Park füllen. Das geschwungene, glänzende Me­ talldesign des chinesischen Archi­ tekten Ma Yansong ähnelt tatsächlich einer fliegenden Untertasse, die aus der Zukunft in unserer Gegenwart ge­ landet ist. Innen wird man einen Blick in die Entstehungsgeschichte der „Star Wars“-Filme werfen, Ori­ ginale aus deren Universum wie die Darth-Vader-Maske besichtigen, aber auch gut 10 000 Gemälde und Illustra­ tionen von Künstlern wie Norman Rockwell, N. C. Wyeth und Maxfield

Parrish. Es soll „ein Museum ohne Grenzen“ werden, sagt Lucas, „ein Museum, wie es noch nie eines ge­ geben hat, ohne die artifizielle Unter­ scheidung in Hochkunst und Popu­ lärkunst“. Hier wird der Besucher also Jessie, Woody und Buzz aus der „Toy Story“ ebenso begegnen wie Edgar Degas, Winslow Homer und Pierre-Auguste Renoir. Ein Krieg der Stars ganz anderer Art. CRAZY: MARCIANO ART FOUNDATION

Der neueste Coup ist die Marciano Art Foundation, das Museum zeitge­ nössischer Kunst der Guess-Gründer Paul und Maurice Marciano in Ko­ reatown, das genauso groß ist wie das Museum of Contemporary Art. Die Marciano-Brüder zeigen mit ihrer eklektischen Sammlung sowohl etab­ lierte Künstler wie Mark Grotjahn, Sterling Ruby, Takashi Murakami und Mike Kelley als auch junge Auf­ steiger wie Analia Saban, Oscar Tuazon und Danh Vō. „Ich stelle bei­ MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Hauser & Wirth, die Galeristen aus Zürich, haben im Arts District eine alte Getreidemühle aus den Zwanzi­ gerjahren umgebaut. Die Inhaber nennen das Ergebnis zwar eine Ga­ lerie, die Mühle hat mit fast 11 000 Quadratmetern aber Museumsgrö­ ße, umfasst eine enorme Buch­ sammlung (schließlich sind Hau­ ser & Wirth auch Kunstbuchverle­ ger) und ein elegantes Restaurant mit Innenhof. Das Besondere am Konzept von Hauser & Wirth ist, dass jede Ausstellung mit Vorträgen, interaktiven Workshops und Events prä­sentiert wird. Im Res­ taurant Manuela, benannt nach Ma­ nuela Wirth, kann man sich nach den Workshops mit Seebarsch und geräucherter Entenbrust wieder auf­ päppeln. Das Res­t aurant hat einen eigenen Küchengarten und ein Hüh­ nerhaus mit zwölf seltenen Rassen, die die frischen Eier liefern. Allein die lange Messing- und Marmorbar (und ihre Artisan-Drinks) ist einen Besuch wert.

„WIR ZEIGEN, WIE SICH DIE ZEITGENÖSSISCHE KUNST STÄNDIG KREATIV WEITERENTWICKELT“ MAURICE MARCIANO KUNSTSAMMLER UND GRÜNDER VON GUESS

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„ES SOLL EIN MUSEUM OHNE GREN­ZEN WERDEN, EIN MUSEUM, WIE ES NOCH NIE EINES GEGEBEN HAT“ GEORGE LUCAS SAMMLER UND REGISSEUR

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BILDER STATT FILM: LA LOUVER

Nein, nicht der Louvre, aber ebenfalls sehenswert ist die LA Louver Gallery, die sich auf zeitgenössische ameri­ kanische und europäische Kunst konzentriert. Sie liegt etwas abseits vom Schuss, im Strandviertel Venice, dafür sind es nur zehn Minuten zum Meer. Der Brite Peter Gould kam in den Siebzigerjahren nach LA, um die Filmszene aufzumischen, revo­ lutio­nierte stattdessen aber den Kunsthan­del. Derzeit läuft eine umfassende Frederick-HammersleyAusstellung. DESIGN-SHOPPING: ESPASSO – BRASILIEN LOCKT

Espasso mit Filialen in L. A., New York, Miami und London hat sich auf modernes lateinamerikanisches, vor allem brasilianisches, Design spezia­ lisiert. Brasilien war in der Nach­ kriegszeit einer der Hauptschau­ plätze bei der Weiterentwicklung moderner Denk- und Ausdrucks­ formen in Architektur und Design. Brasilia­nische Designer wie Claudia Moreira Salles kombinieren tradi­ tionelle indigene Materialien wie Niobium, ein glänzendes graues Metall, mit neuen Techniken, um satte Farben und unerwartete Effekte zu erzielen. Eine großartige Anlauf­ stelle für Innenarchitekten, Künstler und Sammler. 40

01 Gilt als bester Designshop der Stadt Bei A+R be­ kommt man nur Lieblings­ stücke der In­ haber – ver­ kauft wird von zu Hause aus 02 Die Macher hinter A+R Andy Griffith und Rose Apodaca sind absolute Designexper­ ten

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OPTIMISTISCH: ILAN DEI VENICE

Hingucker in Venice: die poppigen Outdoormöbel von Ilan Dei Venice in umdekorierten Schiffscontainern. Giftgrüne Love-Seats, zitronengelbe Stühle, pinkfarbene Ottomanen. Das Ziel: „Optimismus durch Kreativität“. Ziel erreicht! VERSPIELT: BOUNTIFUL HOME

Genau das Gegenteil zu Ilan Deis modernen, klaren Linien sind die ver­ spielt-romantischen De­signarrange­ ments von Sue Balmforth in Venice. Ihre anti­ken Chandeliers, stilvoll ge­ schwungenen Eisenflechtereien und bestickten Leinentischdecken schei­ nen eher aus einem üppig dekorierten franzö­si­schen Château oder einem viktoria­nischen Landhaus zu stam­ men denn aus L. A. MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN


03 Electro-Guru Moby hat sich mit dem Restau­rant Little Pine einen VeganerTraum erfüllt 04 Brasilianisches Design aus den Fünfzigern ist die Spezialität von Espasso 05 Shops und Events Die Helms Bakery wurde von der Bäcke­rei zum De­signCenter 03

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LIEBLINGSSTÜCKE: A+R

A+R steht für Andy und Rose: Der Brite Andy Griffith, ein ehemaliger Filmeditor und Designjunkie, und Rose Apodaca, eine Style-Journalistin, verkaufen ihre Lieblingsdesignstücke aus einem Zuhause, das sie gemeinsam mit Barbara Bestor gestalteten. Viele Angelinos halten A+R für den besten Designshop der Stadt. Gerade sind A+R nach Downtown L. A. in einen größeren Showroom umgezogen. DESIGN-LOCATION: HELMS BAKERY

L. A. eignet sich schlecht zum Fla­ nieren. Die Ausnahme ist der Helms Bakery District, das Ergebnis der gelungenen Renovierung einer his­ torischen Bäckerei am Venice Boule­ vard mit Design-Center, originellen Shops und Events, beispielsweise dem Archi­tektur-Symposium. PAPIER-HANDWERK: URBANIC

Weil man von all diesen Eindrücken unbedingt nach Hause schreiben muss, empfiehlt sich ein Abstecher zu Urbanic. Es begann mit einem Liebesbrief: Als sich Audrey und Joshua Woollen verliebten, lebte sie noch an der Ost-, er an der Westküste. Damit nun alle ihre liebevollen Worte auf persönliches, handgeschöpftes Pa­pier schnörkeln können, gründeten die beiden ihre Papier-Boutique am Abbot Kinney Boulevard. ESSEN UND TRINKEN: LITTLE PINE, MOBYS LEIDENSCHAFT

Eine vegane Oase in einem Art-déco-­ Gebäude in Silver Lake. Inhaber Richard Melville Hall aka „Moby“, Komponist und Musiker, der seinen Spitznamen dem Romankassiker „Moby Dick“ von Herman Melville, einem seiner Vorfahren, verdankt, ist seit 28 Jahren Veganer. „Ich habe zu

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KUNST UND KULTUR moca.org lacma.org getty.edu/museum smmoa.org theicala.org thebroad.org lucasmuseum.org marcianoartfoundation.org hauserwirthlosangeles.com lalouver.com DESIGNSHOPPING espasso.com ilandeivenice.com bountifulhome.com aplusrstore.com helmsbakerydistrict.com urbanicpaper.com ESSEN UND TRINKEN littlepinerestaurant.com thespringsla.com vromage.com welocol.com

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Hause keine nicht veganen Zutaten. Warum also sollte ich das in meinem Restau­rant anders halten?“ Auf der Speisekarte stehen kalifornische und medi­terrane Gerichte, sogar die ausführliche Weinkarte ist vegan. Brokkoli-Arancini und Trüffelpasta mit einem Glas Pinot noir – unbedingt probieren! ONE STOP, ZUCKERLOS: THE SPRINGS

01 Duftende Köstlichkeiten Vromage offe­ riert milch­freie Camem­ berts und Bries aus der „weltbesten veganen Käserei“

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02 Edles Papier Urbanic heißt die Boutique, die sich auf handgeschöpf­ tes Papier spezialisiert hat

03 Optimismus in kräftigen Farben wird bei Ilan Dei Venice verbreitet

The Springs ist ein Restaurant im Arts District, das Wellnessoase, Juice-Bar, Yogastudio und Konferenzzentrum zugleich ist. Mit den Worten der Gründer: ein „Öko-Vegan-MindBody-One-Stop-Shop“ unter unendlich hohen Decken. Hier kann man an einer indianischen Teezeremonie teilnehmen, sich mit essen­ziellen Ölen massieren lassen, an der Betonziegel-Bar sich mit Grünkohlsaft und Turmeric-Shots entgiften oder die Kimchi-Schüssel pro­bieren. Was es

nicht gibt: Zucker. Wer keine Tattoos, als Mann keinen Bart und als Besucher kein MacBook Pro hat, wird sich vielleicht nicht zugehörig füh­ len, aber: Die Medita­tionsstunde montags bis freitags je­weils um 13 Uhr ist kostenlos. VEGANER KÄSE: VROMAGE

Danach noch für einen Snack zu Vro­ mage, der „weltbesten veganen Kä­ serei“. Milchfreie Camem­­­berts, Moz­ zarellas oder Bries – es gibt nichts, was es hier nicht gibt.

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­­ NEUES ESSEN

DIE REVOLUTION DES FAST FOOD Gesund geht auch lecker und günstig. Das wollen die beiden Starköche Daniel Patterson und Roy Choi mit ihren LocoL-Restaurants beweisen. Zu Preisen wie die der großen Burgerketten bieten sie Burger, Wraps und Tofuschüsseln mit Quinoa, Seetang und Kräutern an

FAST-FOOD-REVOLUTION: LOCOL

Wenn Lena Dunham, Jon Favreau und Eric Garcetti gemeinsam in einem Burger Joint in einer der ärmsten Gegenden von L. A. gesichtet werden, dann muss etwas Besonderes los sein: LocoL in Watts ist eben kein normaler Burgerladen. Das beginnt beim De­ sign: Statt der poppigen McDonald’sFarben leuchtet LocoL in Schwarz und Weiß. Statt auf Plastiksesseln sitzt und isst man auf massiven Holzblöcken. Statt Fenstern hat das LocoL Fliegen­ gitter, durch die frische Luft strömt und durch die das Restaurant eher wie ein Patio wirkt. Die Chefs sind der tätowierte Streetfood-Guru Roy Choi, der sich mit Kogi BBQ Taco Trucks einen Namen gemacht hat, und der renommierte Koch Daniel Patterson, der in seinem Restaurant Coi in San Francisco zwei Michelin-Sterne er­ kochte. Was also machen die beiden in der „Food-Wüste“ dieses Vororts von L. A.? „Nichts weniger als eine Fast-Food-Revolution starten!“, ruft Choi opti­mistisch. Ihr Projekt ist nicht etwa ein neuer Edelburger-Laden – von den hochpreisigen Kobe-Oasen gibt es längst zu viele –, ihr Anliegen ist es, ganz im Gegenteil, gesundes Fast Food in die unterprivilegierten Viertel zu bringen. „Wir wollen McDonald’s und Burger King Kon­ kurrenz ma­chen.“ Vier Läden haben sie bislang in Oakland und Los An­ geles, bis nächstes Jahr „sollen es eine Million Filialen sein“, scherzt Choi halb im Ernst. „Nein wirklich, wir werden Fast Food für alle revo­lu­ tionieren!“

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In vielen Orten und Stadtvierteln ist Fast Food inzwischen das Einzige, was Restaurants anbieten. Tatsächlich nähren sich die Speckröllchen der Amerikaner (mehr als zwei Drittel sind übergewichtig) in erster Linie aus Donuts, Keksen und Frittier­waren, die mit Cola und Soda hinun­tergespült werden. Darüber kann man sich lustig machen, aber in Wahrheit kennen viele Amerikaner schlicht nichts anderes und haben oft auch keine andere Wahl. „Viele Leute glauben, Amerikaner mögen dieses schreck­ liche Fast-Food-Zeugs“, meint Pat­ terson, „aber die Wahrheit ist: Wenn du jemandem gesundes, köst­liches Essen gibst, das er sich leisten kann, entscheidet sich jeder für das köst­ liche Gericht. Gesundes Essen ist ein Grundrecht.“ Patterson und Choi mixen also gesunde Zutaten in ihre Burger, Wraps und Tofuschüsseln: Im Burger ist nicht nur Fleisch, sondern

01 Edelköche mit StreetfoodAmbitionen Daniel Patter­ son (links) und Roy Choi haben mit dem LocoL eine Fast-FoodRevolu­tion ge­ startet 02 Aus San Francisco kommen die Brötchenhäl­f­ ten für die LocoL-Burger

auch Quinoa, Seetang und Kräuter sind drin. Die Burgerbrötchen stam­ men von der Edelbäckerei Tartine aus San Fran­cisco und enthalten nähr­ stoffreichen Spezialreis – und das alles zu Preisen knapp über den McDo­ nald’s-Tarifen. Schon für einen Dollar gibt es die kleine Yotchay-Schüssel mit scharfem Mais, Chips, Reis, Gemüse und Brot. Und die Zuckergetränke, die in je­dem Fast-Food-Restaurant zur Grund­­­aus­stattung gehören, sucht man hier vergebens. „Ein zentrales Konzept der FastFood-Industrie ist, kleine Kinder in die Falle zu locken.“ Statt mit Kinder­ gimmicks lockt LocoL damit, dass Kinder überall auf die Holzblöcke klettern dürfen, und der SkateboardPark ist gleich vor der Tür. Die Küche ist offen, jeder kann den Köchen beim Füllen der Wraps zusehen. Chois Vor­ bild sind „die Piazzas und Hofgärten in Europa, wo Leute zusammen­ kommen. In Amerika dage­­gen haben wir Parkplätze. Sieht es hier etwa wie in einem Restaurant aus?“, will er im LocoL wissen und ist glücklich, als seine Kunden den Kopf schütteln: „Es fühlt sich eher wie ein Kochfest an!“

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RADIKALE MODERNE

DIE GEBURT DES NEUEN BAUENS

Das Stahl House (#22) von Pierre Koenig stammt aus den Jahren 1959/60 und ist einer der minima­ listischsten Entwürfe des Case Study House Program. Der L-förmige Bau aus handelsüblichen Stahlteilen und Glas ruht auf einem Felsvorsprung in den Hollywood Hills

Als das amerikanische Magazin „Arts & Architecture“ kurz nach dem Krieg einen Wettbewerb für kostengünstige, radikal innovative Häuser ausschrieb und namhafte Architekten zur Teilnahme gewinnen konnte, ahnte wohl niemand, dass damit eine neue Ära der Architektur begann. 23 Häuser zeugen von der Innovationskraft jener Zeit TEXT: Wolf-Christian Fink

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lles begann 1945 in den verrauchten Redaktions­ räumen des Magazins „Arts & Architecture“. John En­tenza, ambitio­ nierter Chef­redakteur des in Los An­ geles verlegten Architekturjournals, sammelte einige der renommiertesten jungen Gestalter und Architekten in seiner Redaktion, um ein spekta­ku­ läres Pro­jekt zu realisieren. Es ging um nicht weniger als die Zukunft der US-amerikanischen Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg. Beeinflusst einerseits von den Maximen des Bauhaus-Stils und andererseits von den gesellschaftlichen Bedürfnissen der Nachkriegsgesellschaft, verschrieb sich Entenza mit seinen Kreativen einer radikalen Moderne. Die in den Vierziger- bis Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts rea­lisierten Case Study Houses („Fallstudien-Häuser“) gelten bis heute als stilprägende archi­ tektonische Meis­terwerke. Noch in der Gegenwart sind die zwei Dutzend teils extravaganten Häuser Pilgerorte der Architekturszene und für L.-A.Besucher jeden Abstecher wert – auch wenn nur zwei davon, das Eamessowie das Stahl-Haus, gelegentlich von innen zu besichtigen sind. „Keines der Häuser darf ein Unikat sein. Nur das beste Material muss in

bester Verarbeitung zum Einsatz kommen und jedem Durchschnitts­ amerikaner auf der Suche nach einem Heim eine erschwingliche Alter­na­­tive bieten“, heißt es im offiziellen „Announcement“ der Case Study Houses. Es ist in Wirklichkeit ein flammendes Pamphlet des Moder­ nismus. Dabei war der Hintergrund ein hoch politischer: Millionen Kriegsheimkehrer verur­sachten in den USA nach 1945 eine nicht vor­ hergesehene Wohnungsknappheit. In der wuchernden kalifornischen Metro­­pole hatten zuvor Kunst und Unterhaltungsindustrie für Wohl­ stand gesorgt und das Bewusstsein

02 Die Küche des Stahl House (#22) ist wie eine zum Wohnzimmer hin offene Kabi­ ne in den Raum integriert 03 Das Bass House (#20/B) von 1958 wurde mit Möbeln von Eero Saarinen ausgestattet

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01 Das letzte realisierte Haus mit der Nummer 28 hatte die luxuriöse Fläche von 464,5 Qua­ dratmetern. Es entstand von 1965 bis 1966 in Thousand Oaks bei Los Angeles und ist geprägt durch den typischen Blendziegel-Look des Ortes


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„NUR DAS BESTE MATERIAL MUSS IN BESTER VERARBEITUNG ZUM EINSATZ KOMMEN“ AUS DER ANKÜNDIGUNG DES PROJEKTS IN „ARTS & ARCHITECTURE“

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ARCHITEKTUR CASE STUDY HOUSES

Die Architektur des Stahl House orientiert sich vollständig an der Ausrichtung auf das Panorama. Der Blick reicht im 240-GradWinkel von den Bergen bis zum Pa­ zifischen Ozean. Der spanische Hersteller Stua hat das Haus gerade innen und außen mit neuen Möbeln ausgestattet

für „erschwingliches Bauen“ nicht gerade gefördert. Mit seinen Case Study Houses wollte Chefredakteur Entenza an die architektonische Avantgarde der Zwan­­zigerjahre anknüpfen und Extra­ vaganz praktisch „von der Stange“ zum günstigen Preis anbieten. Frank Lloyd Wrights Ennis House aus dem Jahr 1924, berühmt geworden als Filmset im Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“, zählte ebenso zu den ästhetischen Vorbildern wie Rudolph Schindlers Low-Budget-Ent­ wurf des Chase House von 1922. „Das Lebensgefühl der Nach­ kriegsepoche prägt die meisten Amerikaner und ihre Ansprüche an ein Zuhause. Deshalb sollten da­für moderne Technologien und Materia­ lien angewendet werden, die perfekt zu den Menschen in ihrer modernen

Case Study Houses Reichhaltig ausgestattete Übersicht über das Projekt mit Bau­plänen, Fotos, architektonischen Details und vielen weiteren Dokumenten, zweisprachig bei Taschen erschienen (440 Seiten)

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Case Study Houses – der Bildband Grundlegende Einführung in das Case Study House Program mit 15 Fotografien und Grundrissen. Neu bei Taschen (96 Seiten)

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ARCHITEKTUR CASE STUDY HOUSES

„OB DIE ANTWORT EIN ‚WUNDERHAUS‘ WERDEN WIRD, MUSS SICH NOCH ERWEISEN“

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AUS DER ANKÜNDIGUNG DES PROJEKTS IN „ARTS & ARCHITECTURE“

Welt passen“, postulierte das Pro­ gramm der Case Study Houses wei­ ter. Für die beteiligten Architek­ten, darunter Richard Neutra, Craig Ell­ wood, Raphael Soriano und Eero Saarinen, waren das radikale Richt­ linien. Erwartet wurde – plakativ for­ muliert – ein günstiges Sortiment aus Designerfertighäusern, jedes davon beliebig oft reproduzierbar, preisgünstig und so komfortabel wie möglich. Was dann in den Hügeln der No­ belviertel Bel Air und Brentwood in prominenten Lagen tatsächlich ge­ baut wurde, war schon damals nicht voll kompatibel mit schmalen Geld­ beuteln und wird heute zu Millionen­ preisen gehandelt. Dem Anspruch und Erfolg des Projekts tat dies jedoch keinen Abbruch. Schon 1948 wurden die ersten sechs Häuser voll­ endet und sorgten für eine kleine Sensation. Nachdem die Eigentümer im Gegenzug für die relativ günstigen Baukosten verpflichtet worden waren, ihre Häuser öffentlich zugänglich zu machen, sahen sie sich mit einer Be­ sucherlawine konfrontiert. Mehr als 350 000 Menschen besichtigten die

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Wunderwerke aus Stahl, Glas und Beton, von denen die meisten im Großraum Los Angeles, einige bei San Francisco und eines in Phoenix, Arizona, fertiggestellt wurden. Zumindest ein großes Ziel hatte John Entenza erreicht, als er sein Magazin 1962 verkaufte: Die Case Study Houses setzten Maßstäbe der Moderne in einer ansonsten mit architektonischer Schönheit nicht gerade gesegneten Stadt. „Auch wenn das allein stehende Einfamilienhaus als Modell für nachhaltige Stadt­ planung nicht mehr gültig ist“, schreibt die Berliner Architektur­ professorin Uta Pottgiesser, „sind die Case Study Houses exzellente Aus­ gangspunkte für die Geschichte des modernen Lebens und Bauens, der Raumaufteilung und -ausstattung. Sie weckten das Bewusstsein für Effizienz mit Qualität.“

01 Das Entenza House (#9) wurde in den Jahren 1949 bis 1959 von Charles Eames und Eero Saarinen in Pacific Palisades realisiert. Der einfache rechteckige Grundriss kam dem Bedürfnis des Projektinitiators John Entenza nach Raum für Gastlichkeit und Gesellschaften entgegen

02 Ein junges Ehepaar war Bauherr des Bailey House (#20/A) aus den Jahren 1947/48 in Pacific Palisades. Der schon damals prominente Richard Neutra entwarf ein relativ kleines, rechteckiges Haus, jedoch mit der Option auf Erweiterung. Die Anbauten wurden später in drei Schritten realisiert


ARCHITEKTUR CASE STUDY HOUSES

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DESIGNHISTORIE CHARLES UND RAY EAMES

MID-CENTURY-DESIGN

ENTWÜRFE FÜR DIE EWIGKEIT Das Ehepaar Charles und Ray Eames revolutionierte das amerikanische Design. Es begründete eine Ära, die bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren hat. Seine Möbel sind Ikonen, die unser Stilempfinden prägen Text: Wolf-Christian Fink

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ine der produktivsten und für das Design des 20. Jahr­­ hunderts prägend­sten Le­ bensgeschichten be­­gann mit einem Liebesbrief: „Ich bin (fast) 34 Jahre alt, (wieder) Single und pleite – ich liebe Dich sehr und möchte Dich so bald wie möglich hei­ raten.“ Verständlich, dass die 29-jäh­ rige Malerin Bernice Ale­xandra „Ray“ Kaiser dem Charme dieses Antrags nicht widerstehen konnte. Er war 01

nicht nur der Auftakt der glücklichen Ehe von Charles und Ray Eames, son­ dern auch der Beginn einer neuen und nachhaltigen Ära amerikani­ scher Designhistorie. Nach der Hochzeit 1941 zog das Paar an die Westküste und gründete ein Designbüro in Los Angeles. Der Anspruch lautete, neue Materialien und Fertigungsprozesse zu nutzen, um praktische, hochwertige Objekte für den täglichen Gebrauch zu günstigen Preisen herzustellen. Dieser Herausforderung wurden Charles und Ray Eames auch gleich gerecht – mit Produkten, deren Bedarf dem Krieg geschuldet war: Ein neu entwickeltes Verfahren erlaubte die Serienherstel­ lung stabiler höl­zerner Beinschienen für Kriegsinvalide. 1946 starteten die Eheleute ihre erste Möbelmarke. Charles Eames profitierte dabei von seiner Erfahrung mit gebogenem Schichtholz, was ihm und seinem Freund Eero Saarinen schon 1941 zwei Preise eingebracht hatte. Das New Yorker Museum of 02

01 Blick ins Wohnzimmer des Eames House in Pa­ cific Pali­sades; es entstand im Jahr 1949

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02 Der DKR Wire Chair aus dem Jahr 1951 besteht aus verschweißten Stahldrähten

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„AM WICHTIGSTEN IST DIE LIEBE ZU DEM, WAS DU TUST“ CHARLES UND RAY EAMES DESIGNER

Modern Art hatte damals die Aus­ stellung „Organic Design in Home Furnishings“ mit einem Wettbewerb verknüpft, den Eames und Saarinen mit ihrem legendären Organic Chair gewannen. Beste Voraussetzungen also für die Eroberung einer sich eröffnenden Marktlücke. Denn der Geschmack des urbanen amerikanischen Publikums befand sich im Wandel. Nicht mehr die starre Ästhetik repräsentativer Einrichtung war gefragt, sondern Komfort, organische Formen und heimische Behaglichkeit. Das Ehepaar ergänzte sich perfekt: „Sie hat einen sehr guten Begriff davon, was einer Idee, einer Form, einer Skulptur ihren eigenen Cha­


03 Charles und Ray Eames ließen sich in ausgelassener Pose porträ­ tieren – das Bild ging um die Welt

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04 Der luxuriöse Lounge Chair stammt aus dem Jahr 1956 und ist heute in zwei Größen erhältlich 05 Der LCM wur­ de 1940 ent­ worfen und wird derzeit in einer Son­ deredition in Nussbaum mit schwar­zem Gestell ange­ boten

rakter gibt, wie Beziehungen zu­ stande kommen. Sie merkt, wenn Ideen oder Materialien nicht zu­ sammenpassen und wo die Trennung zwischen zwei Ideen nicht deutlich ist“, sagte Charles Eames über Ray. Ein Archetyp des eleganten, aber lässigen „California Modern“-Stils war der Lounge Chair von 1956. Charles Eames selbst bezeichnete ihn als „zeitgemäße Version des alten englischen Klubsessels“ – es wurde ein Klassiker der Möbelgeschichte. Wie konsequent Charles und Ray Eames aus ihren Visionen Wirklichkeit machen konnten, hatten sie schon 1949 mit ihrem eigenen Haus bewiesen, Nummer 8 des „Case Study House“-Projekts (siehe Seite 44). „Am wichtigsten ist die Liebe zu dem, was du tust. Und am zweitwichtigsten ist, dass du keine Angst vor der nächsten Etappe deiner Ideen hast“ – mit diesem Gedanken schlug das Ehepaar Eames in den 50er-Jahren ein neues Kapitel seiner Arbeit auf. Nachdem die Möbelproduktion erfolg-

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reich in den USA (Herman Miller Inc.) und ab 1957 auch nach Europa (Vitra) ausgelagert war, widmete es sich abstrakteren Aufgaben. Unterschied­liche Disziplinen wie Design, Päda­gogik, Informatik, Fotografie und Naturwissenschaften wurden mitei­nan­der in Verbindung gebracht, Ausstellungskonzepte entwickelt und experimentelle Filme gedreht. Inzwischen haben Entwürfe aus dem Eames-Büro die Welt erobert. Der legendär erfolgreiche Side Chair steht im hippen Agenturloft ebenso wie in McDonald’s-Filialen. Die klassischen Aluminium Chairs sind aus der Premiumklasse der Büromöbel nicht mehr wegzudenken. Und wer weiß schon, dass auch ein weitverbreitetes, seit 1974 produziertes Memory-Spiel aus der Ideenfabrik der Eames stammt? Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes 1978 widmete sich Ray dem Nachlass des aufge­lösten Büros. Ray Eames starb am 21. August 1988 in Los Angeles, auf den Tag genau zehn Jahre nach ihrem Mann.  53


OFFICE CO-WORKING

REVOLUTION IM BÜRO

DIE ARBEIT MIT ANDEREN TEILEN Gemeinsam an Projekten arbeiten, Kreative einladen und ihnen Entfaltungsmöglichkeiten geben, intensive Kommunikation mit der Welt da draußen – Neues entsteht heute nicht mehr in Einzelbüros zwischen 9 und 17 Uhr. Das hat weitreichende Folgen auch für die Gestaltung des Arbeitsumfelds. In und um Los Angeles lässt sich das gut beobachten. Auch auf diesem Gebiet werden hier Trends gesetzt TEXT: Michaela Haas

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Mit „Hustle“ ist hier bei WeWork wohl positiv „Be­ trieb­samkeit“ ge­ meint. Schließlich geht es beim CoWorking vor allem auch um den Aus­ tausch mit anderen


OFFICE CO-WORKING

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01 The Park in Downtown L. A. zeigt, wie „WorkLife-Blending“ funktioniert 02 Ist die schöne neue Arbeitswelt mit Laptop, Cap und Sneakers (hier bei The Park) nur Fassade? 03 OutdoorWorking Zwischendurch raus in die Sonne Kaliforniens

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st das noch ein Büro oder schon ein Wellnesspark? In The Park in Downtown L. A. beginnt der Tag auf dem Rasen mit Yoga im Team. Die Hunde, die selbstverständlich mit ins Büro gebracht werden dürfen, proben derweil Dehnübungen im hauseigenen Hundepark. Mittags und abends warten gesunde Mahl­zeiten – nicht in der Kantine, sondern in der Lobby. „Wie Foodtrucks, die direkt vor dem Büro geparkt werden“, erklären die Inhaber. „Man muss nicht vorbestellen oder warten, die QuinoaWraps, Salate und Obstbecher werden für jeden frisch zubereitet.“ In diesen loftähnlichen Spielplätzen für Erwachsene lässt es sich le56

ben – und arbeiten: Deckenhohe Fensterwände geben den Blick frei über die Stadt, türkisfarbene Designersessel und Hängematten laden zum Verwei­len ein oder, wie man in L. A. sagt, zum „Work-Life-Blending“. Bei den Tischtennisturnieren, Golfwettbewerben und Filmnächten lernen sich die Büronachbarn kennen, die inhaltlich eigetnlich nicht viel gemeinsam haben: Jungunternehmer, Künstler, Makler. „Daraus sind schon die irrsten Kooperationen entstanden“, sagt Corinne Keach, eine Rechtsanwältin. „Ich habe hier in der Lobby meinen Webdesigner gefunden und schon mehr als einen Kunden gewonnen.“ MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

Den Horizont erweitern, über den Tellerrand hinausschauen, die Kreativität völlig anderer Bereiche nutzen und miteinander verbinden, kurz: die Welt da draußen einbeziehen und miteinander und zum gegenseitigen Nutzen Neues entstehen lassen. So sieht die moderne Arbeitswelt aus, die in Kalifornien in den vergangenen Jahren entstanden ist. Angetrieben von Start-ups und Unternehmensraketen wie Google. Corinne Keach, die Anwältin, hätte sich auch ein „konventionelles“ Büro mieten können, aber die neuen, kreativeren Plattformen wie The Park, WeWork oder Genslers C3 in Culver City bieten eben mehr als vier Wände mit Internetanschluss: „Austausch, Kommunikation, Kreativität“, sagt Keach. „Die meisten Büros mit ihren grauen Wänden machen mich depressiv, aber hierher komme ich gerne.“ JETZT GEHT ES UM KREATIVE BÜROS

In Kalifornien wurde die Arbeit neu erfunden. Statt am Band wird heute am Rechner gearbeitet, individuell, unabhängig, kaum ortsgebunden, international. Das erfordert auch neue Arbeitsplätze. Nur logisch, dass Kalifornien Vorreiter für neue Work­placeModelle ist. „Früher haben wir Executive Suites für Jung­unternehmer vermietet“, sagt Brokerin Gayle Landes, Inhaberin von Pacific Equity Partners, die sich auf Entertainment und


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Kreative spezialisiert hat. „Jetzt geht es um kreative Büros. Firmen haben erkannt, dass die Kreativität ihrer Mitarbeiter ihre wichtigste Ressource ist.“ Sie nennt es die „Google-Kultur: Es begann mit Google, nun machen es alle“. DAS NEUE TEAMWORK HAT DIE BÜROARCHITEKTUR VERÄNDERT

Facebook hat sogar eine eigene Schrei­nerei: Wer gelangweilt ist, kann sich einen neuen Stuhl tischlern und dann wieder an den Laptop zurückkehren. Die neue Lust am Teamwork und das Campusmodell von Vorreitern wie Google, Apple und Facebook haben die Büroarchitektur verändert, auch für kleinere Firmen wie Riot Games, die das populärste Spiel der Welt entworfen haben:

04 Kreatives Arbeitsumfeld bei Airbnb – so soll der Job zum Spaß­­­ erlebnis werden

„FIRMEN HABEN ERKANNT, DASS DIE KREATIVITÄT IHRER MITARBEITER IHRE WICHTIGSTE RESSOURCE IST“ GAYLE LANDES INHABERIN PACIFIC EQUITY PARTNERS

„Parkähnliche Grünflächen, flexible, offene Arbeitsräume, coole Extras und eine Bar, die jedem In-Laden Ehre machen würde“, sagt Landes. „Früher wurde die Küche in eine fensterlose Abstellkammer montiert, jetzt ist sie der architektonische Fokus, wo alle zusammenkommen und sich austauschen.“ Im Pacific Design Center zum Beispiel, in dem viele Fernsehproduktionen und andere Kreative Büros mieten, läuft das Gebäude spitz auf eine spektakuläre Glaswand mit Blick über die City zu. Früher wäre das die Edelsuite des CEO geworden, aber genau dahin bauten die Architekten das Café. „Sämtliche Firmen bieten

kosten­loses Catering an, also treffen sich da im Lauf des Tages alle.“ Saßen früher die Jungspunde in ihren Großraumquadraten, zerfließen nun die Grenzen. Der CEO isst seinen QuinoaWrap neben dem Coder, die Büros mit ihren Glaswänden lassen ohnehin keine Privatsphäre zu. Wer morgens ins Büro kommt, sucht sich flexibel den Arbeitsplatz aus, der heute am besten passt: Die Schreibtische lassen sich in der Höhe verstellen, beim Arbeiten sitzen, stehen oder am Laufbandtisch joggen – so funktioniert das sowohl innerhalb großer Firmen als auch firmenübergreifend. Google lässt zum Beispiel gerade die gigantische Flugzeughalle in

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Playa Vista umbauen, in der einst Howard Hughes sein erstes Seeflugzeug bastelte, und zieht dafür aus Frank Gehrys „Fernglas-Gebäude“ in Venice um. Der Google Spruce Goose Hangar passt perfekt zu Silicon Beach, dem südkalifornischen Ableger der Techgiganten aus dem Silicon Valley. Downtown und Playa Vista haben die traditionellen Büroviertel in L. A. abgelöst. „Alle wollen große, offene Flächen“, sagt Landes. „Die alten Lagerhallen umzurüsten oder ikonische Gebäude wie die 100 Jahre alte Co­caCola-Fabrik in Downtown in coole Office-Lofts zu verwandeln ist der heiße Trend.“ Genau wie die Plattform Airbnb das Hotelgeschäft auf den Kopf stellte und Firmen wie Uber oder Lyft das Taxigeschäft aufmischten, haben die neuen technischen Möglichkeiten auch die Office-Designs revolutioniert. Früher mussten gerade Entertainment-Firmen in der Nähe der großen Studios wie Fox oder Warner Bros. angesiedelt sein. „Heute hat jede Kreativfirma einen Green Room, in dem sie ihren Content filmt“, sagt Gayle Landes. „Wir sehen eine Kooperation zwischen Universitäten, kreativen Talenten, Technik und Entertainment. Weil die Firmen um die besten Kreativen buhlen, müssen sie mehr bieten als die üblichen Boni. Silicon Beach ist nahe am Strand, nahe an mehreren Unis wie Loyola und USC und immer noch nah genug an den Studios.“

EHER EIN KLUB ALS EIN BÜRO

Jungunternehmer, die noch nicht wissen, wie viel Platz sie in einem halben Jahr brauchen werden, können sich in Office-Hosting-Projekte wie WeWork einmieten, mit Locations in 43 Städten. WeWork funktioniert eher wie ein Klub als wie ein Büro: Ob in Miami, New York oder Los Angeles, man kann flexibel einchecken. Mindestens zehn bis 15 Prozent dieser Büros sind Co-Working-Räume. Die größten Probleme des kon­ ventionellen Großraumbüros lassen sich mit Technik lösen: Um dem Großraumstress zu entfliehen, bieten viele Firmen „Cocoons“ an, schallgeschützte Ruhestätten, in denen sich Menschen zum Entspannen oder fürs „deep work“ zurückziehen können, wenn sie sich konzentrieren wollen. Ein Signal zeigt an, wenn man gerade nicht gestört werden will. Die Möbel lassen sich aufheizen – damit ist eines der größten Konfliktpoten­ziale entschärft: die Temperatur im gemeinsamen Arbeitsraum. „Es geht nicht mehr um den Arbeitsplatz, es geht um den Arbeitsraum und damit nicht um das Ich, sondern um das Wir“, sagt Büro-Trend­scout Raphael

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01 Im US-Head­ quarter von Red Bull erinnerte jahrelang eine Skater-Tube an den Ac­tionKult des Unternehmens

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02 … draußen trifft man sich auf der Dach­ter­rasse von We­Work vor urbaner Kulisse

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Gielgen von Vitra. „Die Gestaltung der Büros spielt hier eine wesentliche Rolle. Welche Arbeitswelt ist für unser Geschäftsmodell der Benchmark? Der Erfolg steht und fällt damit, zur richtigen Zeit die richtigen Menschen zusammenzubringen, die interagieren und kooperieren, damit am Ende etwas entsteht, was man nicht vermutet hätte. Viele amerikanische Unternehmen haben verstanden, dass das Bürogebäude beziehungsweise vielmehr das Arbeitsumfeld einen wesentlichen Beitrag leistet und so eine wesentliche Ressource des Geschäftsmodells ist – nicht nur fancy.“ Community statt Hierarchie, Innovation statt Befehle von oben, Eigen­ initiative statt Abarbeiten, diese Herausforderungen verlangen nach neuen Räumen. Das Ziel: das Potenzial jedes Kreativen optimal umzusetzen. Nirgends sieht man das besser als im Red Bull High Performance Center, einem 270 Quadratmeter großen Zentrum im Headquarter von Red Bull in Santa Monica. Hier trainieren Weltklasseathleten für Höchstleistungen. Natürlich ist technisch alles auf dem neuesten Stand: Auf dem gigantischen Trampolin perfektionieren Skateboarder ihre akrobatischen


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„ES GEHT NICHT MEHR UM DEN ARBEITSPLATZ, ES GEHT UM DEN ARBEITSRAUM UND DAMIT NICHT UM DAS ICH, SONDERN UM DAS WIR“ RAPHAEL GIELGEN TRENDSCOUT VITRA

013 Bei WeWork checkt man flexibel wie in einem Hotel ein und sucht sich einen Platz, der passt

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04 Pouf statt Stuhl Notebooks machen den Schreibtisch überflüssig. WeWork lässt die Leute auf Poufs von Patricia Urquiola für Gan sitzen

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OFFICE CO-WORKING

Konzentration im Kasten Wer bei WeWork Ruhe braucht, findet verschiedene Rückzugsmöglichkeiten – selbst in der Wand

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OFFICE CO-WORKING

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„DER ERFOLG STEHT UND FÄLLT DAMIT, ZUR RICHTIGEN ZEIT DIE RICHTIGEN MENSCHEN ZUSAMMENZUBRINGEN“ RAPHAEL GIELGEN TRENDSCOUT VITRA

Fähigkeiten neben dem Formel-1Simulator. Ein neurologisches Trainingssystem misst Gehirnwellen, eine Cryosauna kühlt die überhitzten Muskeln wieder runter, und im Labor mit dem Laufband und den Atemmasken werden Lungenkapazität und die Milchsäure in den Muskeln gemessen. Der Clou ist, dass hier nicht nur die besten Sportler der Welt zusammenkommen, sondern auch Datenanalysten, Wissenschaftler, Musiker, Künstler, Ingenieure, Designer, Unternehmer, Social-Venture-Kapitalisten, Gamer und Elitesoldaten. „Viele, die zu uns kommen, gehören schon zu den Besten der Welt. Deshalb denken sie, die Verbesserungen, die sie noch erreichen können, seien minimal. Das ist aber ein Trugschluss“, sagt Direktor Andy Walshe.

01 Barbetrieb Wo Kreativität auf Kaffee trifft … und draußen warten Foodtrucks mit dem Lunch

AUS JEDEM DAS BESTE HERAUSHOLEN

02 Konferenzraum Manchmal braucht man eben doch auch bei WeWork einen Tisch fürs Treffen

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Walshe lässt Surfer mit den Akrobaten des Cirque du Soleil trainieren, Clowns mit Breakdancern und schickt Skateboarder mit Navy Seals in die Berge Patagoniens. „Normalerweise stu­dieren Golfer andere Weltklassegolfer, Architekten studieren andere preisgekrönte Architekten. Wir nehmen aber die Besten jeder Disziplin und bringen sie zusammen mit den Besten in anderen Disziplinen, also zum Beispiel einen der weltbesten Golfer mit einem Experten in Achtsamkeitsmeditation. Meistens verhelfen uns die Menschen, die außerhalb unseres Expertenwissens agieren, zu mehr neuen Erkenntnissen als die­ jenigen, die das Gleiche studiert haben wie wir. So holen wir aus jedem das Beste heraus.“  MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

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TRENDSCOUT CO-LIVING

ALTERNATIVES WOHNEN

KOMMUNEN DE LUXE Wo der Platz knapp und teuer ist, treten zwangsläufig völlig neue Arten des Wohnens auf den Plan. Es geht dabei auch um innovative Lebens­formen und ein Gemeinschafts­gefühl jenseits von Familie oder Single-Tristesse. Kalifornien ist hier Testgelände und Abenteuerspielplatz zugleich TEXT: Peter Würth

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01 Auf der Dachterrasse des Minna Home in San Fran­ cisco chillen die Mieter von Common 02 Für ein sehr gehobenes Lebensgefühl unter Gleich­ gesinnten stehen die Projekte von Roam wie hier in Miami 03 Gemeinschaftsraum im Minna Home

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ndividuelles Wohnen in Mikro-­ Apartments, Gemeinschaftsle­ben in großen Lounges, Wohnküchen und Sharing-Spas – das Co-Working hat sein Pendant auch beim Wohnen gefunden. Wohnraum ist knapp und teuer in den Metropolen, das gilt nicht nur fürs Silicon Valley und andere Teil der US-Westküste, wo der digitale Nachwuchs bisweilen schon in Schlafsälen haust, weil Schlafen eh überbewertet werde und sich die ganz Jungen auch schlicht keine Wohnung leisten können. Daher der Trend zur Neo-WG, CoLiving genannt. Die in Kalifornien ohnehin populäre Community-Philosophie wird damit aufs indi­viduelle Wohnen übertragen. Die Behausun­ gen sind allerdings nicht wie hierzulande weitläufige Altbauwoh­nungen samt Putz- und Abspülplan, die man gemeinsam anmietet, son­dern von Investoren oder Start-ups gesteuerte Businessprojekte auf den verschie­ dens­ten Levels. Ganz oben stehen Anbieter wie Krash, WeLive (eine Tochterfirma von WeWork), Common, Roam, Pure House oder Collective. In London, New York, Miami, Tokio, in Madrid, auf Bali oder eben in San Francisco betreiben sie Edelherbergen mit klei­nen, individuellen, zeitgenössisch eingerichteten Apartments samt eige­ nem Bad und großen Gemeinschaftsräumen mit allen Annehmlichkeiten. Zu Preisen von bis zu 2500 Dollar im Monat gibt es nicht nur einen Putzund Waschservice, Lebensmittel- und Klopapier-Einkaufsdienst und ultraschnelles WLAN, sondern auch das

04 Die Pop-upBar im Haus lädt zum abendlichen Drink in Miami ein

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„WIR NEHMEN IHNEN DIE LAST DES ALLTAGS AB, DAMIT SIE SICH AUF IHRE PROJEKTE KONZENTRIEREN KÖNNEN“ RYAN FIX GRÜNDER PURE HOUSE

Versprechen, sich hier mit Gleichgesinnten bei Dinnerpartys, an der hauseigenen Bar, im Gym oder Yoga-Center connecten zu können und sich von den Mitbewohnern inspi­rieren zu lassen. Die Bewohner haben keine Lust auf ödes Singledasein ohne Ansprache. Es sind neue No­maden, die nach ein paar Monaten wieder weiterziehen (wahrscheinlich in den nächsten CoLiving Space), oder Expats, die weder Zeit noch Interesse haben, sich näher mit ihrer temporären Umgebung zu beschäf­tigen, und lieber unter ihresgleichen sind. Eine globale Edelkommune mit mobilen Mitgliedern und

05 Homeoffice auf die neue Art. Die CoLiving Spaces sind bestens mit WLANNetzen und anderen technischen Essentials ausgestattet

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eine neue Form des Wohnens, die sich rasant verbreitet und Architekten sowie Innen­einrichter vor völlig neue Aufgaben stellt. Pure House setze auf „Creators“, so Gründer Ryan Fix, „Regisseure, Künst­ler, Start-up-Gründer. Wir neh­ men ihnen die Last des Alltags ab, damit sie sich auf ihre Projekte konzentrieren und ihre Leidenschaft ausleben können“. In Kalifornien bekommen Young Professionals auch schon für rund 1000 Dollar gehobenes Wohngemeinschaftsfeeling, mit Behausungen, die deutlich besser ausgestattet sind als ein Studentenwohnheim oder gar eine Jugendherberge und doch mit dem Anspruch, hip, jung und fancy zu sein. Anbieter wie Coliving Club, Embassy Network oder Open­door – sie alle offerieren neue Formen zu wohnen und ein bisschen das Gefühl, eine neue Art von verantwortungsbewusstem, sozialem Miteinander zu erproben. 63


TRENDSCOUT USM

INNOVATION

KLASSIKER MIT LICHTEFFEKT USM präsentiert das Modular­system Haller mit zukunfts­weisender Beleuchtungstechnik

Kreativität in Goldgelb Die Arbeits- und Ladestation mit USB-Chargern hat kaum sichtbare, integrierte Leuchten

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TRENDSCOUT USM

01 Beliebig erweiterbar Das Modularsystem funktioniert auch als Raumteiler

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eine ungebrochene Beliebtheit seit den Sechzigerjahren nicht nur im OfficeBereich verdankt das USMModularsystem Haller auch seiner funktionalen und beliebigen Erweiterbarkeit. Seit dem vergangenen Mai­länder Salone del Mobile 2017 ist das vom legendären Fritz Haller entwickelte System in einer weiteren attraktiven Variante erhältlich. Die neue Linie USM Haller E integriert nahezu unsichtbar Licht und Energie in die Konstruktion, ohne das Design zu verändern. Ob Empfangsbereich, Verkaufsraum oder Wohn­zimmer: Die neue Beleuchtungstechnik rückt Objekte ins rechte Licht, erzeugt Atmosphäre und sorgt für Orientierung im Raum. Die Energieversorgung ist fest in die Struktur der Module integriert. Dimmbare Lichtelemente lassen sich mit einem Handgriff einklinken, um Regale und Vitrinen oder Schubladen effektvoll – nach Wunsch auch sensorisch gesteuert – in Szene zu setzen. Über USB-Charger können sogar

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Mobilgeräte direkt an der Struktur auf­geladen werden. Möglich machen das eigens entwickelte E-Rohre, -Kugeln und -Konnektoren, die her­ kömm­­liche Bauteile ersetzen. Bei USM sieht man das neue System als Start in eine vielversprechende digi­tale Zukunft mit SteuerungsApps, touchsensitiven Möbelober­ flächen und programmierbaren Licht­ szenarien. MAGAZIN FÜR EINRICHTEN UND LEBEN

02 Dimmbar Integrierte Lichtelemente sorgen für variable Effekte

03 Vielfalt Je nach Nutzung lassen sich die einzelnen Fächer unterschiedlich gestalten

04 Elegant – das beleuchte­te Möbelbau­system Haller im Wohnbereich

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FAMOUS CHAIR #10

MÖBELSTÜCK MIT TV-KARRIERE

DAS „MAD MEN“-SOFA

Florence Knoll, geboren 1917, ist eine der bedeutendsten ameri­ kanischen Möbeldesignerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie begann ihre berufliche Tätigkeit im New Yorker Architekturbüro von Marcel Breuer und Walter Gropius. Nach dem Tod ihres Mannes Hans 1955 übernahm sie dessen Möbelfabrik, die ihre eigenen sowie Entwürfe von Mies van der Rohe, Marcel Breuer, Harry Bertoia und Isamu Noguchi auf den Markt brachte.

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NOCH NIE WIRKTE EINE TV-Serie so stilprägend wie die Story um den New Yorker Werbepapst Don Draper. „Mad Men“, das sind die Verrück­ten aus Manhattans Werbe­szene, die in den 60er-Jahren Werbung zum Milliardenbusiness und 40 Jahre später eine TV-Produktion zum Welt­erfolg machten. Das Figuren­ inventar rund um Don Draper ist ebenso exquisit wie das Set-Inte­ rieur: Feinstes Sixties-Design prägt den eleganten Look der Serie und beförderte weltweit die Re­naissance der Sechziger im Wohnzimmer. Produzent, Autor und Regisseur Matthew Weiner („Die Sopranos“) schwebte eine Storyline vor, die nach der Tiefe unter mehrdeutigen

Charakteroberflächen sucht. So reflektiert die Aus­stattung die Vielschichtigkeit der Akteure. Blickfang in Drapers Büro, an der Rezeption und im Foyer sind jeweils Dreisitzer-Sofas von Florence Knoll mit passendem Sessel. Schauspielerin Elisabeth Moss nahm im Bild Platz auf dem von Knoll International als „Ferrari of Furniture“ gerühmten Stück. Es ist eine Variation des Zweisitzers von 1954 und eine urbane Ikone. Die moderne Hochhausarchitektur New Yorks inspirierte Flo­ rence Knoll zu Mö­beln, die diese Formensprache auch in den Innen­ räumen aufgreifen – stets be­einflusst von ihrem Mentor Mies van der Rohe.

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